Zielführend aus der Krankheit

  • Hallo zusammen,

    ich habe heute sehr viel im Co-Bereich gelesen und bräuchte mal eure Hilfe es besser verstehen zu können.

    Immer wieder musste ich lesen das der Alkoholiker im Vordergrund steht und seine eigene Bedürfnisse gesunden zu wollen nachstehen.
    Das dieses ein Teil von der CO-Krankheit ist habe ich soweit verstanden.

    Wenn jedoch mehrmals darauf hingewiesen wird was für sich zu tun , wird es ausgeblendet und es geht in alter Manier weiter.

    Nun stellt sich bei mir die Frage ob ein CO-Abhängiger sich in dieser Rolle wohlfühlt oder er noch nicht weiß , wie er zielführend aus der Krankheit kommt.

    Welche Erfahrungen haben denn die "alten Hasen" damit gemacht?

    Und aus welcher Motivation raus haben sich die "Neuen" hier angemeldet und welches Ziel wird verfolgt?

    ich würde mich über Erfahrungen und Meinungen von euch allen freuen.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    die Alkoholkrankheit reißt doch die ganze Familie mit.
    Also scheint der beste Lösungsweg zuerst zu sein: Er/Sie müsste aufhören, dann wär alles besser.
    Und es wär ja auch alles besser!
    Bloß ich als Partnerin habs ja nicht in der Hand. Das ist nicht so einfach, das zu akzeptieren.
    Denn es heißt:
    Ich muss mir eingestehen, dass ich absolut machtlos zusehen muss, wie der andere sich und alles mögliche andere kaputt macht.
    Ich muss mich möglicherweise mit dem Gedanken an eine Trennung anfreunden. Viele finden das aus verschiedenen Gründen einfach nur ein Horrorszenario.

    Und ich muss gestehen: Ich weiß immer noch nicht, wie ich "zielführend" aus der Krankheit komme.
    Hab mich getrennt - gut.
    Und nun?

    Und was ist überhaupt das Ziel?

    Liebe Grüße
    Doro

  • Da sprichst Du mir als Co aus dem Herzen. Wohl kein alter Hase aber vor einem Jahr begann mein Drama und im August letzten Jahres zog ich aus und kappte alle Verbindungen.

    Gekommen war ich in das Forum weil ich absolut nichts, obwohl ich dachte ich wüsse Bescheid, über Alkoholismus - seine Wirkung im Stoffwechsel und die Persönlichkeitsänderung wusste.

    Ich habe damals recht "brutale" Antworten auf meine naiven Fragen bekommen. Das Holzhammerchen machte mir klar, der Dauerschmerz und die Dauerbelastung kostet mich irgendwann das Leben. Mein Leidensdruck stieg und irgendwann stand die Frage im Raum "mein Überleben gegen die Krankheit des Angehörigen".

    Ich bin nicht so leidensfähig wie einige meiner Mitleidenden, die immer und immer wieder die Hoffnung nähren und immer und immer wieder davon sprechen, dass es nicht so schlimm sei und ob wir nicht ein Patentrezept hätten.

    EINES aber habe ich ganz, ganz sicher begriffen: ein Alkoholiker ist ein mündiger Mensch, wenn auch kranker, der sich für oder gegen seine Sucht entscheiden kann. Ich habe weder das Recht ihn zu manipulieren (heute rede ich nichts mit Dir, heute koche ich nicht, ich wecke Dich nicht ect.) was auch ich früher subtil tat.

    Mich und mein Leben kann ich versuchen zu führen - aber niemals das eines anderen. Und ich habe auch nicht das Recht dazu jemanden zu behandeln wie ein unmündiges Kind und zu meinen dass was ich für richtig halte muss er/sie akzeptieren.

    Doros Frage "was ist das Ziel" kann ich für mich beantworten:
    Mein Leben selber mit den Problemen lösen, gute Freunde zum Reden oder auch mal mit anpacken "keine Frage". Aber nie, nie wieder möchte ich einem Partner die Verantwortung dafür in die Schuhe schieben dass es mir gut geht. Ein Alkoholiker ist nämlich ein toller Sündenbock: nur weil er/sie trinkt, geht es mir schlecht.... ect pp

    Ich glaube, es gibt die Gruppe derer, die sich auch sich selber besinnen und noch einen Überlebensdrang haben und eine andere Gruppe, die der Meinung ist "bei uns ist alles anders". Meines Erachtens ist bei beiden Gruppen anfänglich kein Realitätssinn mehr vorhanden.

    Ich denke, ich selber habe Schmerz ausgeblendet, weil ich sonst wohl nicht hätte überleben können, weil er zu stark gewesen wäre. Nach und nach kommen mir die Erinnerungen wieder. Die Lebensgefahr "ich brenne die Hütte ab" und andere Dinge, die erst für ein ganz langsames Aufwachen sorgten.

    Ich hatte ANGST (damals arbeitslos, weit weg von der Heimat ect.) neu zu starten. Ich dachte ich schaffe es nie, blieb jahrelang in meinem Drama - weil weder Urvertrauen noch das Vertrauen in meine wirklichen Freunde da war.

    ALLES, alles hat sich zum Guten gewendet: nettes kleines Hexenhaus, netter Job, tolle und liebenswerte Kollengen und meine Tiere, die von Monat zu Monat harmonischer miteinander werden weil auch sie keinem Druck mehr ausgesetzt sind.

    Ich selber denke noch an die Situation - ohne Schuldzuschreibung - ohne Vermisst-Gefühl - aber mit vielen Puzzlesteinen, aus denen ich langsam beginne zu erkennen wie schleichend Süchte sind und wie schnell sich eine Realitätsverkennung einstellt. Nicht nur bei stoffabhängigen Menschen.

    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo Hartmut,

    deine Frage ist für mich gar nicht so leicht zu beantworten. Denn sie berührt mein gesamtes Leben. Das Trinken meines Partners war nur die Spitze des Eisberges. Dass „darunter“ noch ganz viel im Argen lag, konnte ich erst annehmen, als es mir ziemlich schlecht ging und ich eine eigene Therapie machte.

    Die Strukturen, die mich helfen ließen, fast bis zum Umfallen, waren schon immer in mir vorhanden. Und doch hatte ich zu Anfang den Eindruck, dass mein Partner mich krank gemacht hat. Genau die gleiche Wut auf den Partner, die ich hier oft lesen kann, hatte ich als sich die Situation zuspitzte und er wieder richtig drauf war nach einem Rückfall. Erst in der Therapie begriff ich, dass ich ein eigenes Problem habe. Ein kleines Ego, dass sich hinter Ratschlägen für alle versteckt, das sich stärkt durch Helfen, ohne dass diese Hilfe konkret eingefordert wird. Leistung, etwas schaffen müssen, um anerkannt zu werden, waren ein weiterer Gesichtspunkt, den ich an mir feststellte. Ich wollte die Frau sein, mit der ER nicht mehr trinkt. Als er es doch wieder tat, hatte ich ein Versagensgefühl und Wut, weil er mir das antat.

    Zufrieden war ich im Grunde nie wirklich. War das eine Ziel erreicht, musste es gleich weiter gehen. Immer den Thrill des Neuen, nur keine Zeit alleine verbringen, denn das war für mich verlorene Zeit, mit der ich nicht wirklich etwas anfangen konnte. So, wie ein Alkoholiker trinkt, um seine Situation erträglich zu machen, so habe ich mich mit Menschen umgeben, um die für mich unerträgliche Situation des Alleinseins nicht ertragen zu müssen.

    Es war für mich ziemlich schwer, erkennen zu müssen, dass das, was ich ihm angekreidet habe, letztendlich schon ganz lange vor ihm da war. Ich musste mir eingestehen, dass meine Selbstsicherheit, die ich nach außen zeigte, so etwas wie ein Potemkinsches Dorf war. Aus diesem Grund fiel es mir auch sehr schwer, mit Kritik umzugehen, sie nicht persönlich zu nehmen sondern lediglich auf die Fakten zu reduzieren, die kritisiert wurden.

    All das hörte auch nicht schlagartig auf, als ich von ihm getrennt war. Aber dann hatte ich keinen „Schuldigen“ mehr. Das zu erkennen, dass alles in MIR liegt, war für mich wirklich heftig. Und endlich, nach fast einem halben Jahrhundert Leben, wurde es mein Ziel, das zu verändern. Souveränität, Zufriedenheit und die Fähigkeit, ohne meine Suchtmittel „Beziehungen“ klarzukommen, wurden nun endlich MEIN Ziel. Meine Schwachpunkte akzeptieren und daran zu arbeiten stellte ich mir zur Aufgabe. Und es ist eine langwierige Aufgabe. Lebenslänglich, vergleichbar mit der Alkoholkrankheit, die ja auch nicht aufhört, nur weil jemand mit dem Trinken aufhört.

    Keiner will gerne krank sein, und schon gar nicht in der Psyche. Abhängigkeiten basieren aber auf psychischen Problemen. Mir das einzugestehen, war für mich das schwerste. Aber erst als ich das getan hatte, konnte ich an mir selbst etwas verändern. Denn etwas, was ich nicht sehen will, kann ich nicht verändern. Eine Beziehung zu einem Alkoholiker ist eine hervorragende Möglichkeit, die eigenen Defizite auszublenden. Schließlich nimmt seine Krankheit einen breiten Raum im Familien- oder Paarleben ein. Und solange der Fokus auf seiner Krankheit, seinem Fehlverhalten liegt, brauch Frau Co im Leben nichts zu verändern. ER ist ja schließlich der Kranke, an dessen Verhalten alles hängt.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Hallo Hartmut,
    ich möchte Dir gern meine Gedanken dazu schreiben.
    Ich habe voriges Jahr verzweifelt nach Antworten gesucht,warum mein Mann sich einfach nicht "benehmen" kann und so viel trinkt ,bin auf dieses Forum gestossen und war total platt...
    Mein Mann ein echter Alkoholiker?,sind das nicht die auf der Parkbank ?? er trinkt doch einfach nur zuviel...
    Also meldete ich mich an um mein Mann trocken zu legen ,das müßte zu schaffen sein ,wir haben schon so viel geschafft.
    Die Antworten bei mir und auch bei den anderen die ich gelesen hab waren oft "schau auf dich ,geht es dir gut...",
    ich hab doch kein Problem ,ich will das mein Mann aufhört zu trinken und alles wird gut...
    Nee weit gefehlt ICH habe ein Problem ,das fange ich jetzt erst an zu begreifen ,ich bin Co-abhängig,ganz klar,trifft alles auf mich zu, aber was bedeutet das für mich??
    Jetzt fange ich an auf MICH zu schauen das ist für mich sehr neu ,ehrlich .

    Ich kann den "altenHasen" nur raten jedem Neuen das sooft es geht zu schreiben,ich versuche es mir in mein Hirn zu hämmern ,ich muß an MIR arbeiten.
    Das wird bestimmt noch ein langer Weg ohne Frage.

    Ich stecke schon so lange da drin ,dachte Bescheid zu wissen und wußte gar nichts ..

    Wo mein Weg hingeht weiß ich noch nicht ,aber ich weiß das ich auf mich achten werde und an mir arbeiten werde,
    Das waren so meine Gedanken dazu ,
    LG Britta

  • Hallo Hartmut

    du fragst, ob sich ein Co-Abhängiger in dieser Rolle wohlfühlt oder er noch nicht weiß, wie er zielführend aus der Krankheit kommt.
    Ich hab mich in dieser Rolle nicht wohlgefühlt, die Nerven lagen blank, ich hatte viele körperlichen Beschwerden, keine Freude am Leben, aber es war doch normal so. Dass das Leben anders sein könnte, ich ein Recht auf ein schönes Leben habe, das wusste ich doch gar nicht.
    Wenn mich jeemand darauf hingewiesen hat, das konnte ich freilich nicht annehmen, ich musste doch für meinen Mann weiterkämpfen. Gott sei Dank hatte ich dann meinen Tiefpunkt, als ich ihn mit einem Joint gesehen habe. Erst da konnt ich sehen, dass ich so nicht weitermachen kann. Erst da konnt ich sehen, dass ich mich ändern muss, ihn nicht ändern kann.
    Hier im Forum angemeldet hab ich mich aber dennoch, um Hilfe für ihn zu bekommen.

    Ich hoff, ich bin nicht total am Thema vorbei, das ging mir jetzt einfach durch den Kopf.

    Schönen ABend

    julchen

  • Und außerdem, liebes Julchen, waren wir es so gewohnt! Wir wurden evtl. erzogen, dass man Menschen beisteht, denen es nicht so gut geht, mit mütterlichem Instinkt Schaden abzuhalten und und und.

    Erschwerend kann noch hinzu kommen, dass die eigene Rolle in der Kindheit belastend war, somit also nichts neues in der Beziehung, als es im Elternhaus empfunden wurde. Muss nicht, aber kann...

    Sich selber wichtig nehmen - Hilfe, aber nicht wenn man/frau erzogen wurde im Sinne von "was die Nachbarn denken" so war es bei mir. Duldsamkeit und schweigen, heimlich den Nutzen ziehen, mit Diplomatie durchs Leben reisen, so wurde ich erzogen.

    Dabei aber, liebes Julchen, mussten wir selber zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Einfach mal zu sagen ICH WILL - ICH KANN - ICH WERDE ist da schon viel mit Mut verbunden gewesen.

    Dieses Schlüsselerlebniss, welches Du mit dem Joint hattest, hatte ich als Menschen auf einem Weihnachtsmarkt angerempelt wurden, deren Senf der Bratwurst dann auf dem Wintermantel zu finden war. Diese KLICK-Momente sind unser Dreh- und Angelpunkt. Haben wir den KLICK müssen wir noch damit leben, es verarbeiten und auf diesem klickenden Weg bleiben, so wie die Klicker die ich als Kind kannte /zwei Kugeln die gegeneinander fixiert wurden klick klack, wie ein Uhrenwerk, klick klack... und wehe, die Uhr bleibt stehen.

    Unsere ist es nicht, liebes Julchen, sie ging wohl mal vor und mal nach, wie unsere Entwicklung, aber sie lief beständig im Uhrzeigersinn....

    Nicht jeder hat die Kraft, den Willen und ein stabilisierendes Umfeld welches hilft dieses Uhrwerk am Gehen zu halten.


    Lieben Gruß von Dagmar

  • Hallo

    ich hoffe, ich missbrauche jetzt nicht Hartmuts Threat, falls doch, sorry!

    Es erfordert Mut zu sagen, ich will, ich kann, ich werde. Da kann ich dir nur zustimmen, Dagmar.
    Aber bis dahin war es ein so weiter Weg, erst mal muss ich wissen, was ich will, ich kann und ich werde.
    Ich wollte nichts, ausser dass er aufhört zu trinken. Ich konnte nichts richtig, deswegen musste er ja trinken. Und was ich tun werde, das hing immer von ihm ab.
    Das war und ist schwere Arbeit herauszufinden, was will ICH, was kann ICH und was werde ICH.

    julchen

  • Dagmar007, was der Alkohol anrichtet, darüber muss ich mich noch näher informieren, aber die Persönlichkeitsveränderung die bekomme ich als Ehefrau gut mit, mal so mal so.

  • Hallo Hartmut,

    Zitat

    Nun stellt sich bei mir die Frage ob ein CO-Abhängiger sich in dieser Rolle wohlfühlt oder er noch nicht weiß , wie er zielführend aus der Krankheit kommt.


    Nein Hartmut. Ich habe mich in dieser Rolle nicht wohlgefühlt. Aber nicht in dem Bewußtsein, das da bei mir etwas grundlegendes schief läuft, sondern weil ich nie mein Ziel erreichte, so gut zu werden, damit er endlich kapiert, das es sich doch lohnt für mich aufzuhören mit dem saufen.

    Den einzigen Weg sah ich darin, das er sich doch nur zu ändern brauchte, sprich mit der Sauferei aufzuhören.
    Ich habe mir immer wieder die Frage gestellt: Was kann ich denn noch tun?
    Habe ausgehalten in der Annahme, ich sei an seiner Sauferei "schuld", habe mir Ausraster schön geredet.
    In meiner Reha habe ich dieses zum ersten mal thematisiert. Ich habe den Alkoholkonsum meines Mannes zum erstmals benannt, und habe mir dort Hilfe erwartet, ihm noch besser, noch gezielter helfen zu können.
    Das ich die nicht erhalten habe, ist dir sicher klar. :wink:

    Die fingen doch tatsächlich damit an, das nur ich etwas ändern könne für mich.
    Was sollte ich aber an mir noch ändern? Mehr wie sich selbst aufgeben geht doch nicht.
    Mein Verstand und mein berufliches Wissen sagten mir: Nimm es an, sie haben recht.
    Aber ich war noch lange nicht so weit, um da hinsehen zu können, um mir meine Anteile einzugestehen.
    Im Gegenteil, ich war stinksauer auf alle, die damals so redeten. Schon wieder wurde etwas von mir erwartet, das ich etwas tue.
    Das konnte doch keine Hilfe sein, ich war doch in dieser Reha, damit die etwas für mich tun.

    Es hat noch lange gedauert bis ich endlich verstanden habe, das nur dies der richtige Weg ist.
    Dieses zielführende, wie du es nennst, hat jeder selbst in der Hand. Da unterscheiden sich Alkoholiker und COs in meinen Augen nicht.
    Genau wie bei den Betroffenen selbst, ist dieser Weg sehr oft schmerzhaft, und ich war am Anfang mehr als einmal kurz davor, alles hinzuwerfen.
    Aber irgendwann lichtet sich der Nebel, das habe ich in den letzten Tagen selbst erfahren, und ich erkenne, das es nur diesen Weg geben kann.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo zusammen,

    ich habe mir mal die ganze Post durchgelesen und werde sicherlich auch noch etwas brauchen , bis ich es ganz verstehe.

    Was mir jedoch aufgefallen ist ,das sich die meisten CO-Abhängigen, erst nach der Anmeldung im Forum ,erkennen das sie krank sind und dann erst langsam verstehen ,das sie was für sich tun müssen und nicht für den Alkoholiker. Nun verstehe ich das "rumeeiern" mancher Neulinge ,bei klaren Ansagen von längere CO Abhängige besser ,denn das ist ähnlich wie bei einem Alkoholkranken. Es wird krankheitsbedingt meist noch der Alkoholiker in den Vordergrund gestellt und ein Lösung für ihn gesucht.

    Meine überspitze Aussage das sich die CO-Abhängigen , in der Rolle wohlfühlen, hat wahrscheinlich auch was mit Verständnis gegenüber den anderen zu tun. Das birgt aber auch die Gefahr in die Opferrolle zu verfallen.

    Nun bin ich mal gespannt ob sich auch noch mehr " Neulinge " sich hier äußern damit der Erfahrungsaustausch etwas runder wird :wink:

    Das sind meine Erkenntnisse daraus , wenn ich da ein Denkfehler drinnen habe , dann klärt den alten Hartmut ruhig auf. Ich beiße nicht :lol:

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    Zitat

    Meine überspitze Aussage das sich die CO-Abhängigen , in der Rolle wohlfühlen, hat wahrscheinlich auch was mit Verständnis gegenüber den anderen zu tun.


    Ich bin dir dankbar für diese Formulierung, denn sie war für mich erneut Anlass mal zu reflektieren, wie es bei mir war.
    Nur

    Zitat

    Das birgt aber auch die Gefahr in die Opferrolle zu verfallen.


    Nicht nur die Gefahr, in diesem Moment bist du in der Opferrolle, und verstehst die Welt nicht mehr, weil keiner kommt, der dich an die Hand nimmt, und dich da rausholt.
    Du spürst, das all dein Klagen nichts, aber auch gar nichts ändert. Diese Opferolle ist das IAS der COs.
    Ich konnte mich bedauern und mir leid tun, wie schwer ich es hatte.

    Zitat

    Es wird krankheitsbedingt meist noch der Alkoholiker in den Vordergrund gestellt und ein Lösung für ihn gesucht.


    Deshalb habe ich mich doch hier angemeldet, um von euch zu erfahren, was ich denn noch tun kann, und immer noch in der Hoffnung kein eigenes Problem zu haben.
    Sich der Wahrheit zu stellen, tut verdammt weh. Jeder Hinweis darauf, hat mich am Anfang sehr gekränkt.
    Ich weiß nicht, warum ich damals nicht so gehandelt habe, wie es immer getan habe. Rückzug, weil mich ja doch keiner versteht. Typische Opferreaktion, heute kann ich es so sehen.
    Ich wußte ja nicht, was passiert, wenn mein Denken und Handeln nicht mehr ausschließlich um den Alkoholiker kreist.
    Was kommt danach: Leere, wird mein Leben noch sinnloser, wenn ich mich nicht mehr ge - brauchen lasse?
    Das war die Angst, die mich geleitet hat.
    Die Befreiung zu spüren, die dahinter stehen kann, dafür war ich noch lange nicht reif.
    Das kommt erst heute so richtig bei mir an.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Hartmut,

    diese Frage geistert mir im Kopf herum, danke! :wink: Da hab ich bei mir mal bissel genauer hingeschaut, wie das war mit meiner Co und meiner Beziehungssucht.

    Zitat

    Nun stellt sich bei mir die Frage ob ein CO-Abhängiger sich in dieser Rolle wohlfühlt oder er noch nicht weiß , wie er zielführend aus der Krankheit kommt.

    Für einen Co ist es ja eben keine Rolle, es ist sein Leben! Ich habe mich völlig stimmig und richtig gefühlt zu der Zeit. Daher konnten mich Worte auch nicht erreichen. Bücher, das schon mit der Zeit, da sickerte langsam Kapitel um Kapitel in mich ein.

    "Zielführend", da hast du mir einen Floh ins Ohr gesetzt... Hm.

    Das Ziel war, den suchtkranken Partner zu einer Krankheitseinsicht zu bringen, damit er sich helfen läßt und gesund wird, damit wir als Paar endlich loslegen können... So wir er war, war er nicht in Ordnung. Wenn er gesund wäre, dann wäre er in Ordnung, dann wäre das, wie wenn der Startknopf gedrückt worden wäre für unser beider Glück...

    Dachte ich. Hm.

    Als er damals aus meinem Leben verschwand, kam ich auf Entzug. Aber hallo. Da spürte ich zum erstenmal, daß ich beziehungssüchtig war. Und fing an, den Fokus von ihm so gaaanz langsam auf mich zu lenken. Zielführend war das immer noch nicht, grins. Das dauerte und dauerte...

    Dauert das noch immer? Vielleicht ist es wie die gelebte lebendige Trockenheit eine Lebenseinstellung, die täglich gelebt werden möchte. Jeden Tag neu den Fokus auf mich zu richten: ich bin für mich und meine Befindlichkeit selber verantwortlich, ich kann mein Leben jetzt gestalten, ich umgebe mich mit Menschen die mir gut tun. Alles was mir nicht gut tut lasse ich weg.

    Der Alkoholiker weiß, was er wegzulassen hat. Bei meiner Eßsucht mußte ich lernen, mit meinem Suchtmittel "Essen" umzugehen, gar nicht so einfach. Und am schwersten fand ich, mit dem Suchtmittel "Mensch" umgehen zu lernen.

    Danke für deine Frage. Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Hartmut,
    hallo an alle,

    mir ist noch aufgefallen, dass es zumindest bei mir auch so ist und war, dass ich von kaum jemandem (außer meinem Mann!!!) gesagt bekam, dass ich irgendwas falsch mache.
    Okay, sowas wie "Du bist zu gutmütig" kam schon manchmal.
    Aber für alle war klar: ER hat ein Problem, nicht ich.
    Er ist der böse Mensch, der mir Probleme bereitet.

    Ich denke, dass in der Gesellschaft das Thema "Co-Abhängigkeit" noch kaum im Bewusstsein existiert, außer in bestimmten FAchkreisen (also z.B. im medizinischen Bereich oder bei Beratungsstellen). Das Alkoholsucht etwas sehr Zerstörerisches ist und eine Krankheit, das ist eine weit verbreitete Erkenntnis, aber wie steht es mit Co-Abhängigkeit.

    Ich glaube, dass das schon ein ganz wichtiger Aspekt ist, zusätzlich natürlich zu den anderen Gründen, weshalb es nicht so einfach ist, am Anfang zu sehen, was überhaupt gemeint ist, wenn jemand sagt: Schau auf DICH.

    Doro

  • Hallo Hartmut,

    bin zwar kein Neuling mehr, aber möchte dennoch etwas loswerden.

    Zitat

    Nun verstehe ich das "rumeeiern" mancher Neulinge ,bei klaren Ansagen von längere CO Abhängige besser ,denn das ist ähnlich wie bei einem Alkoholkranken. Es wird krankheitsbedingt meist noch der Alkoholiker in den Vordergrund gestellt und ein Lösung für ihn gesucht.

    Es ist wirklich sehr ähnlich, führt sogar zu heftigsten Entzugserscheinungen, wenn bewußt wird, daß ein Co-Abhängiger seine Gedanken auf sich selbst lenken muß, um zu gesunden.
    Es ist eben auch eine Suchterkrankung, die für mich anfangs mit sehr starken, sogar körperlichen Erscheinungen einherging, denn den Blick auf mich zu richten, beinhaltete auch Schmerzen, denn wie auch bei einem Alkoholiker wurde ja vieles verschoben, verdrängt, weggeholfen, um den Schmerz aus schlimmen Erfahrungen, Lebenssituationen nicht aushalten zu müssen.
    Nur ist es bei uns Co´s leider so, daß es für den zielführenden Entzug keine Medikamente gibt, sondern es über eine lange Zeit erlernt werden muß, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse ohne eine andere Person, die einen von sich ablenkt, auszuhalten und diese auch anzunehmen.

    Lieben Gruß

    Susanne

  • Hallo

    ich nehme mal diesen Satz von Susanne den ich auch schon des öfteren hier im Co-bereich gelesen habe.

    Zitat

    Nur ist es bei uns Co´s leider so, daß es für den zielführenden Entzug keine Medikamente gibt, sondern es über eine lange Zeit erlernt werden muß,

    komme ich da nicht in die Gefahr meine Krankheit auf die lange Bank(Zeit) zu schieben und das mich dieses dann in meinem Handeln bremst?

    Auch wenn ich immer mal lese , das es ein lebenslanger Weg ist , überkommt mich dieser Gedanke. Zu jedem Ziel gehören bei mir Etappenziele ,die ich greifbar erreichen kann. Den ganzen Weg in übersichtliche Teilabschnitte aufteilen, erhöht doch auch meine Motivation, sich nicht in meiner Krankheit zu verharren und kleine Schritte als Erfolg zu werten.

    Trockene 24 h sind auch eine Etappe die sich die Alkoholiker wünschen. Wie ich diese erreiche, liegt in meinem ermessen, ob willentlich oder aus Überzeugung.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut,

    sicher kommt es nur allzu oft, gerad am Anfang zu dem sogenannten *Herumgeeiere*, wie Du es ja auch schon benannt hattest. Aber dies ist eben der feine und kleine Unterschied, daß es nunmal bei mir als Co-Abhängige nicht von heut auf morgen geht, ein neues Verhaltensmuster an den Tag zu legen.

    Kürzlich wurde, ich glaube von Skybird, dier Aussage hier geprägt, daß es für uns auch so eine Zielführung wie bei Euch Alkoholikern geben sollte, nämlich eigenverantwortliche 24 Stunden für uns Co´s.

    Etappenziele können am Anfang nur sein, vielleicht eine Trennung anzustreben, Kinder zu schützen, sich selbst Hilfe zu suchen, aber die Veränderung, sich selbst immer mehr in den Mittelpunkt zu stellen, kann meines Erachtens nur Schritt für Schritt, mit Hilfe professioneller Aufarbeitung und Hilfestellung umgesetzt werden. Denn was über Jahrzehnte in uns ver-rückt war, kann nicht von heut auf morgen weg sein. Aber kleine Schritte erstmal im Außen, sprich konsequente Veränderungen, die den Weg für eine Verhaltensveränderung herbeiführen, die kann jeder gehen, wenn er diese dann auch schon erkennen kann.

    Dies so meine Gedanken dazu.


    Eigenverantwortliche 24 Stunden für uns

    Lieben Gruß

    Susanne

  • Hallo Hartmut,

    im Rückblick kann ich sehr gut Etappen erkennen, die ich gegangen bin.
    Zum Beispiel habe ich schon vor 13 Jahren eingesehen, dass ich ihn nicht direkt trockenlegen kann, dass sein Trinkverhalten durch mich nicht direkt beeinflusst werden kann. Damals habe ich aufgehört zu versuchen, ihn zu überreden, irgendetwas zu unternehmen.

    Aber das war nur ein Schritt von vielen, die folgten.
    Ein sehr langer Weg. Ich komme mir vor, wie eine Ratte, die mühsam durch jahrelanges Gerenne in einem Labyrinth nach und nach durch Versuch und Irrtum lernen musste. Warum ging das ganze nicht irgendwie kürzer? "Zielführender"? Gab es damals keine ordentlichen Beratungsangebote? Oder habe ich es nicht annehmen können? Muss man die ganze Sch... wirklich selbst durchwaten, damit man merkt, dass sie stinkt?

    Die zweite Trennung hab ich vorerst geschafft, jetzt bin ich endlich - nach so vielen Jahren - dabei, mein eigenes Verhalten auch unabhängig von ihm zu hinterfragen. Z.B. mein Abgrenzungsproblem.

    Auf jeder einzelnen Entwicklungsstufe gabs schon viel Rumgeeiere, aber ich hab schon den Eindruck: Es gab bei mir schon bestimmte Groschen, die irgendwann gefallen sind, und darauf kann ich immer wieder zurückgreifen.

    Liebe Grüße
    Doro

  • Hallo Susanne und Doro,

    Susanne

    Zitat

    mit Hilfe professioneller Aufarbeitung und Hilfestellung umgesetzt werden


    und Doro

    Zitat

    Oder habe ich es nicht annehmen können?

    wenn ich diese beide Sätze aus euren Erfahrungen mal herausnehme sehe ich auch einen Ansatzpunkt ,der meines Erachten zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.

    Ich weiß das ich Hilfe brauche aber kann oder will sie noch nicht annehmen.

    Als ich hier ins Forum kam , ging es mir ähnlich. Durch mein Anmelden hier, wusste ich zwar das ich Hilfe brauchte ,aber sie sollte doch in der Form sein ,mir zu bestätigen ,das ich nicht krank bin und mein Denken das richtige ist. Das sich dann mein Weg wieder im Kreis drehte, merkte ich nach meinen verheerenden Rückfall , meiner letzen Trinkpause.

    es ging nichts mehr und ich nahm , ohne erstmal zu verstehen, die Erfahrungen der Langzeittrockenen an. Nun hatte ich das richtige Ziel vor Augen , das ich erreichen konnte. Es gehörte auch ein blindes Vertrauen denjenigen gegenüber die es vormachten dazu.

    Das ein Annehmen durch Vertrauen schwer ist , liegt sicherlich auch daran, jahrelang dem Suchtmittel krankheitshalber blind vertraut zu haben. Loslösen und neue Wege gehen kann jedem helfen sein Ziel zu erreichen.

    Eigenverantwortliche 24 Stunden für uns alle und den Alkoholiker trockene dazu :wink:

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Guten Morgen, Hartmut!

    Du sprichst von "Annehmen durch Vertrauen - und - Loslösen und neuer Wege gehen".
    Das, nach langen selber "kranken" Jahren überhaupt zu realisieren, ist unheimlich schwer.
    Schwer, weil der "Kranke" (Alkoholiker oder Co) ja kein, oder nur ein eingebildetes Selbstvertrauen hatte.
    Da spreche ich für mich, aber auch von meinem Mann.
    Ich war total unsicher, auch nach einem halben Jahr Therapie, obwohl so viele (auch hier im Forum) meine "Stärke" bewunderten. Nach außen sah es vlt. so aus.
    Sicher hatte ich damals schon kleine Schritte Richtung "Freiheit" gemacht.
    Richtung "Eigenverantwortlicher 24 Stunden".
    Doch zwischendrin überkam mich dann doch immer wieder eine Mutlosigkeit.
    Alte Schwächen. Gedrückte Co - knöpfe! - Nicht so einfach, gelernte Abläufe loszulösen. Abzuschalten. Umzudenken.
    Ich bin auch heute noch dabei, mir in "gefährlichen" Situationen gut zuzureden, mich an meine Ziele zu erinnern, meinen neuen Weg einzubläuen - mir Mut zu machen. Mit der Option der Hilfe (Therp.) im Hintergrund. Und - ja - Vertrauen auf euch Langzeittrockene und "gesundete" Cos.

    Das so meine Gedanken dazu.
    Schönen Sonntag euch allen, Gotti.

    Wende dein Gesicht der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.

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