ich bin froh, trocken geblieben zu sein

  • Hallo!
    Ich möchte Euch gern von einem für mich sehr belastenden Erlebnis erzählen:
    Ich bin ja seit ca. einem 3/4 Jahr trocken und habe eine LZ gemacht. Mir ging es soweit auch recht gut. Ich bin gut ins Arbeitsleben zurück gekehrt und hab viele neue Hobbys begonnen. Jetzt habe ich aber sehr große Beziehungsprobleme und meine Partnerin und ich haben uns ersteinmal eine Auszeit genommen. Diese Situation war am die letzten Tage (ich hatte auch noch Urlaub) für mich sehr stark belastend. Ich habe total gemerkt, wie ich langsam in alte Verhaltensweisen zurückgleite. Das Selbstmitleid war zum greifen nah. Ich habe einige Stunden bzw. Tage damit verbracht, mir immer wieder zu sagen "Wenn Du jetzt wieder trinkst, dann ändert sich doch nichts! Gar nichts! Es wird nur alles noch schlimmer.Dein Selbstbewußtsein wird ersteinmal für´n A.... sein. Dir wird es einfach nur schlecht gehen. Du wirst wieder so schnell entzügig werden. Dein Magen/Bauchspeicheldrüse werden sich umkrempeln. Und das alles nur, weil Du gerade in einer zwar schwierigen aber nicht aussichtslosen Situation bist und den Weg des geringsten Widerstandes gehen willst?". Da war dann natürlich auch die andere Seite, die meinte " Ach, was soll´s, Du bist ja so ein armes Schwein. Sauf Dir einen, dann merkst Du es ersteinmal nicht".
    Zum Glück habe ich nicht getrunken. Ich habe gestern Abend eine Tablette zum schlafen genommen (mache ich so gut wie nie sonst wegen der Suchtgefahr.Gestern fand ich es aber legitim). Heute habe ich mich dann zu handwerklichen Arbeiten erst gezwungen und nachher hat es mir sogar Spaß gemacht. Ich merkte, wie der dunkle Schleier langsam wegging. Dann, als der Suchtdruck weg war, war ich total stolz auf mich und zufrieden. An meiner Beziehungssituation hat sich dadurch nichts geändert. Aber meine Liebe zu mir selber hat sich verstärkt. Ich habe gemerkt, wie wichtig ich mir bin und wie wichtig es ist, dass es mir gut geht. Ich bin für mich verantwortlich und das habe ich heute sehr beherzigt. Dieser Umstand hat mich ganz schön geschlaucht aber auch glücklich gemacht.
    Einen zufriedenen Gruß von
    drybabe

    never give up

  • Hallo drybabe,

    herzlich Willkommen hier im Forum.

    Ich wünsche dir einen guten Erfahrungsaustausch!

    Da hast du ja diese Krise sehr gut gemeistert. Finde ich schön wie du schreibst, daß es deine Liebe zu dir verstärkt hat und wie wichtig dir ist, daß es dir gut geht.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo,

    du kannst gestärkt aus dieser Erfahrung gehen.
    Es hätte sich in der Tat nichts positiv verändert, aber dein Selbstwert wäre, wie du sagtest, stark angegriffen.

    Du hast Kontrolle gezeigt, nicht Anderen, sondern dir. Und das ist wohl das Wichtigste.

    Besten Gruß

  • Hallo,

    herzlich willkommen bei uns im Forum :)

    Du hast dadurch, das du nichts getrunken hast, dein Selbtbewusstsein
    gestärkt und bist nicht in alte Verhaltensmuster zurückgefallen :idea:

    Ich kann dich allerdings auch gut verstehen, das die Situation mit deiner Partnerin für dich sehr belastend ist; nur Alkohol löst zwar Beziehungen aber keine Probleme. Da hast du erkannt und danach gehandelt :wink: Super!!!

    Wünsch dir einen guten Austausch hier, nochmals herzlich willkommen!

    LG Frank

  • Hallo drybabe,

    Zitat

    Ich habe total gemerkt, wie ich langsam in alte Verhaltensweisen zurückgleite.

    Ein ganz wichtiger Satz, der mir wieder zeigt, wie wichtig die tägliche "Eigenüberwachung" ist. Mir fallen solche Punkte beim Schreiben des Tagebuches auf.

    Ebenso wichtig dann die praktische Umsetzumg der Konsequenzen

    Zitat

    Heute habe ich mich dann zu handwerklichen Arbeiten erst gezwungen und nachher hat es mir sogar Spaß gemacht.

    Die Dich zum Ziel geführt hat

    Zitat

    stolz auf mich und zufrieden...meine Liebe zu mir selber hat sich verstärkt...

    Mach weiter so!

    LG kommal

    unterwegs...

  • Danke Euch für die lieben Worte!
    Ja, die eigene Befindlichkeit immer wieder überprüfen. Das ist so einfach gesagt. Tagebuchschreiben, um über sich zu reflektieren. Aber oftmals bleibt einfach wenig Zeit, mirzumindest. Ich bin jobmäßig sehr eingebunden, das ist mir auch absolut wichtig. Aber ich denke, dass es trotzdem sehr , sehr wichtig ist, sich die Zeit einfach zu nehmen. Das ist ja sozusagen die eigene Lebensversicherung, sonst läuft man zu große Gefahr, in das alte Fahrwasser zu verfallen (im wahrsten Sinne des Wortes :lol: ).

    never give up

  • Ich hatte heute nocheinmal eine Aussprache mit meiner Exfreundin. Wir haben ganz normal und sachlich gesprochen. Das war ziemlich gut. Es ist für mich auch eine ganz neue Erfahrung, das Ende einer Beziehung nüchtern und klar wahrzunehmen. Und mit klarem Kopf darüber reden zu können. Wir beide sind dem anderen nicht böse, wir haben beide gemerkt, dass wir einfach nicht zusammenpassen. Jeder hat andere Vorstellungen vom gemeinsamen Leben. ja, und das für sich selber akzeptieren ohne sich zu benebeln. Sonst war es häufig so, dass ich mich in einer Beziehung nicht getraut habe, zu sagen, was mir nicht paßt. Dann hab ich meinen Frust lieber ersoffen. Und dann, wenn ich mir Mut angesoffen hatte, habe ich dem anderen dann meine Meinung gesagt. Tja, und am nächsten Tag war der Katzenjammer dann riesig. Ich habe mich extrem geschämt, dass ich so war, wie ich am Vorabend eben war. Und alles tat mir ja so leid. Aber ich habe mir gar keine Chance gelassen, über meine wahren Gefühle oder meine Wünsche nachzudenken. Denn zum einen habe ich diese immer dann benebelt, wenn´s Probleme gab und nächsten Tag hatte ich ein schlechtes Gewissen und habe alles daran gesetzt, mich zu entschuldigen und harmoniesüchtig wieder "Friede-Freude-Eierkuchen" zu spielen.Also, ich merke grad, dass das Leben wirklich jede Menge Überraschungen parat hält, wenn man sie nüchtern und klar sieht.

    never give up

  • Es ist durchaus üblich, lieber drybabe, dass nach erfolgreicher Therapie & sich stabilisierender Abstinenz langsam die eigentlichen Bedürfnisse ihren Weg ins Bewusste kommen. Häufig ist davon auch die bestehende Partnerschaft betroffen.
    Das ist auch gar nicht so abwegig. Die Trinkerei hat die Beziehung belastet (außer es handelt sich um eine Beziehung, in der der Alkohol für beide Partner im Mittelpunkt stand). Kommt nun der eine Partner abstinent & frisch therapiert in die Beziehung zurück, bringt er zumeist neue Lebensansätze mit, hat Vorstellungen, Wünsche, Pläne; kurzum der trockene Partner ist nicht mehr der alte.
    Aber auch nicht mehr der ganz alte, der von vor der Alkoholsucht! Eine Partnerschaft muss sich also völlig neu gründen, oder anders gesagt, man muss sich komplett neu ineinander verlieben, so man nicht aus purer Gewohnheit oder Bequemlichkeit zusammen- oder besser nebeneinanderbleiben will.

    Es gibt übrigens auch Fälle, wo man sich (zumeist stillschweigend) darauf einigt, dass der eine Partner ruhig weiter säuft, damit der andere Partner in Ruhe & störungsfrei das Leben beider verwalten kann.

    Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
    Vor uns liegen die Mühen der Ebenen. (Bert Brecht) 8)

  • Ja, Dante, da geb ich Dir Recht. Von solchen Beziehungen habe ich auch während meiner LZ häufiger gehört, dass sich da einfach viel verändert. Nur meine Beziehung begann während der Entgiftung. Also spielte der alkoholisierte Zustand bei uns keine Rolle.
    Was mich auch mal interessieren würde, denn das Leben geht ja irgendwann auch in Beziehungsangelegenheiten weiter: Wie hälst Du es/haltet Ihr es mit dem "Outing" als Alkoholkranker Mensch, wenn Ihr einen neuen Partner kennenlernt oder Euch in jemanden verguckt?

    never give up

  • hallo drybabe

    erst einmal herzlich willkommen.

    also für mich gibt es da überhaupt keine diskusion. ich leide an einer tötlichen krankheit und habe daher mein leben danach zu richten. als ich meinen jetzigen partner kennen lernte habe ich ihm selbstverständlich sofort gesagt wie es um mich steht. wenn wir gemeinsam gehen wollen dann hat auch er zu wissen das es in meinem umfeld keinen alkohol gibt. er hat ja schließlich auch ein recht zu entscheiden ob er damit leben möchte. je eher das klar ist desto weniger mißverständnisse entstehen.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hallo drybabe,

    Zitat

    Was mich auch mal interessieren würde, denn das Leben geht ja irgendwann auch in Beziehungsangelegenheiten weiter: Wie hälst Du es/haltet Ihr es mit dem "Outing" als Alkoholkranker Mensch, wenn Ihr einen neuen Partner kennenlernt oder Euch in jemanden verguckt?

    was meinst du denn wie lange du dich verstecken kannst? Was meinst du denn was deine Partnerin von dir hält, wenn du die Beziehung mit einer Lüge oder Verheimlichung beginnst ?

    ich halte ein Outing ,für meinen Selbstschutz , überall wo ich in Gefahr kommen könnte und gerade für die Offen und Ehrlichkeit in einer Beziehung für unabdingbar.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Ne, ich will das ja nicht verschweigen. Aber da ich z.B. im Berufsleben von meiner Erkrankung nichts gesagt habe aber dafür mein gesamtes soziales Umfeld darüber Bescheid weiß und mich auch ganz toll unterstützt, habe ich mir eben die Frage gestellt, wie ich vorgehen möchte, wenn ich neue Leute kennenlerne. Gleich mit der Tür ins Haus fallen oder es erst im Laufe der zeit sagen. Aber ich denke, das ist von fall zu Fall wohl sehr unterschiedlich und auch sehr individuell.

    never give up

  • hallo drybabe

    ich habe auch kein schild um hals auf dem steht das ich alkoholikerin bin, aber in der regel merkt man ja sofort ob das gegeüber einem sympathisch ist oder nicht. wenn das der fall ist sind weitere treffen nicht ausgeschlossen und im gespräch findet sich immer eine situation die man dann nutzen kann um seine krankheit zu erwähnen. und das gilt ja nicht nur für potentielle partner. meine freunde wissen alle bescheid. ich habe keine lust heimlich an jedem kuchen oder jedem essen zu riechen das die mir evtl vorsetzen könnten. das ist für mich auch noch nie zum dauerthema geworden. ich habe es ihnen gesagt und gut ist. wer damit ein problem hat ist dann nicht die richtige gesellschaft für mich.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Hi Doro!
    Ja, das klingt gut. Ich habe halt während und nach meiner Therapie eigentlich fast nur mit trockenen Alkoholikern privat was unternommen (außer mit meinen alten, nichttrinkenden Freunden/Familie) und da war Alkohol kein Thema bzw. DAS Thema. Nun möchte ich ja auch langsam wieder in das "normale Leben" gehen. Meine Exfreundin habe ich ja auch während der Therapie kennengelernt und sie ist ja auch trocken und sehr auf ihre Abstinenz fixiert.
    Ich bin auch gespannt auf das wieder nach draußen gehen (und damit meine ich natürlich nicht, in die Kneipe zu gehen). Ich möchte halt einfach nicht mehr so große Angst haben, vor der normal trinkenden Welt draußen. Ich weiß aber auch, dass ich sehr aufpassen muß und wenn mir die Welt zu naß wird, muß ich die Notbremse ziehen.

    never give up

  • Hallo drybabe,

    Zitat

    Ich weiß aber auch, dass ich sehr aufpassen muß und wenn mir die Welt zu naß wird, muß ich die Notbremse ziehen.

    Ich sehe es für mich von einer ganz anderen Seite:
    Ich möchte nicht aufpassen müssen, daß mir die Welt zu naß wird, denn da könnte ich ja nie ICH sein. Wäre unentwegt damit beschäftigt, aufzupassen, abzuwägen, auf der Hut zu sein. Wäre ich weiter in meiner alten Welt unterwegs, hätte ich anzusehen, wie die "normal trinkenden" Menschen mit Alkohol umgehen können. Nur ich nicht. Da würde ich mich klein, unzugehörig und unzulänglich fühlen.

    Zu meinem Schutz gehe ich dies anders an. Ich lege meine Welt nach und nach trocken. Bin dabei mich von meiner nassen Welt zu verabschieden. Da kann ich ICH sein, das gibt mir meinen Freiraum, mich weiter kennenzulernen, mich nicht schlecht zu fühlen, weil ich nicht trinke, sondern mich gut zu fühlen, weil ich nicht trinke. Das mag sich kleinlich lesen, doch für mich ist es der WESENTLICHE Unterschied, der mich zufrieden trocken hält.

    Liebe Grüße
    Mieken

  • Hallo drybabe,

    das ist vollkommen richtig :) Ich meide das (bis auf ein paar ganz wenige Ausnahmen) vollständig.

    Zum einen weil ich es für mich nicht erkennen kann, wo es für mich gefährlich wird und mein Suchtgedächtnis aktiviert wird. Und zum anderen, weil ich mich einfach nicht mehr wohl fühle unter Menschen, die Alkohohl trinken. Sie verändern sich, sind nicht mehr sie selbst. Mochte ich bei mir selbst nicht, als ich noch getrunken habe. Und fällt mir nun trocken noch viel mehr auf und mag ich überhaupt nicht mehr.

    Ich fühle mich gut mit dem größtmöglichen Abstand zwischen Alkohol und mir.

    Liebe Grüße
    Mieken

  • hallo drybabe

    ich kann mich da mieken nur anschließen, ich habe nur noch freunde die in meiner gegenwart nicht trinken müssen. ich bin ihnen als freundin wichtig, alkohol ist für mich tötlich also lassen sie ihn weg. es gibt viele menschen die das tun, nur kennt man die in der regel nicht wenn man säuft. die wollen dann eher weniger mit einem zu tun haben. ist ja nun mal fakt das betrunkene ab einem bestimmten pegel einfach nur müll reden. viele gehen dann auf abstand. aber wenn man dann abstinent lebt, da kriegt man kontakt zu menschen die das saufen verabscheuen, oder eben kein problem haben bei nem abstinent lebenden freund eine alkoholfreie party zu besuchen. das relativiert sich. nur sind wir es, die aus dem alkoholumfeld raus treten müssen um die anderen menschen zu sehen. das geht natürlich nicht von heute auf morgen, und es ist meistens auch so das man erst einmal eine weile recht alleine ist aber das liegt an jedem selbst wie schnell er das ändert. es gibt einiges was man tun kann um kotakte zu knüpfen.

    sicher hast du recht wenn du sagst das in unserer gesellschaft viel gesoffen wird, aber eben nicht wirklich von allen. es fällt einem aber grade am anfang der abstinenz ganz besonders auf wie allgegenwärtig der alkohol doch ist. schlicht weil er für uns eine so große bedeutung hat. egal ob nun, weil wir ihn brauchen oder ihm aus dem weg gehen. mit der zeit spielt sich aber auch das ein.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • hallo drybabe,
    danke für dein schreiben.
    es ging mir getsern echt mies und heute noch nicht gut.
    mit der therapie hast du recht. dieses mal, ich hatte schon eine langjährige, werde ich aber eine therapie von einer mir im institut empfohlenen therapeutin in anspruch nehmen. laut meiner ärztin aber erst in einem monat. jetzt kämpfe ich für mein leben. körper, psyche, dann bald einmal ein lebenswichtiges outing. erkannte ich gestern in der nacht. du hast auch von selbst- liebe geschrieben. ja, die ist das wichtigste. kommt jetzt einmal durch. wie ein vogel der wieder fliegen lernt. freue mich , dass es dich gibt.
    lg, hasenpfote

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