Vater trinkt weiter - es macht mich krank, wie reagiert man?

  • Hallo liebe Forenmitglieder,
    ich möchte mich hier erst einmal vorstellen und versuchen, von meiner Situation zu berichten. Es ist sicher nicht so schlimm wie andere Schicksale, aber ich kann auch schon gar nicht mehr einschätzen, was noch "akzeptabel, oder erträglich ist" und was nicht... vieles wirkt ja irgendwann auf einen normal, weil man es nur so lebt... fallt ihr versteht, was ich damit meine.
    Es ärgert mich, dass mich der Alkoholismus meines Vaters immer wieder emotional mit reinzieht und mich und meine Familie belastet.

    Ich muss das hier einfach mal loswerden und vielleicht mag mir der/die eine oder andere ja Antworten bzw. darauf reagieren. Ich würde mich sehr freuen.

    Ich bin ein erwachsenes Kind eines alkoholkranken Vaters. Ich selbst trinke nicht, mein Mann auch nicht und wir haben zwei wunderbare noch sehr kleine Kinder, Haus und Garten, beide Arbeit und keine finanziellen Sorgen. Ich war wohl so etwas wie der Held und das stille Kind, als ich noch zu Hause war (Einzelkind). Irgendwie habe ich mein Leben ganz gut selbst organisiert, meine Eltern haben mich immer unterstützt, bei Umzügen und auch finanziell, aber das emotionale blieb irgendwie etwas auf der Strecke.

    Mein Vater begann für mich ersichtlich an zu trinken, als ich ca. 12 Jahre alt war. Hierfür gibt es den einen oder anderen "Auslöser", Grund mag ich das nicht nennen.
    Natürlich konnte ich zu dem Zeitpunkt dem Ganzen keinen Namen geben, habe Flaschen versteckt, oder weggekippt, es irgendwann auch meiner Mutter gesagt, die riecht den Alkohol nicht, dann war ich die "Petze" bei meinem Vater, wer ist das schon gerne?
    Es ging gefühlsmäßig immer auf und hab, zwischen Haß und Liebe.
    Zwischen meinen Eltern gab es immer wieder Streit, oft habe ich geschlichtet, weinende Eltern getröstet... Meine Mutter tat mir leid, aber ich war auch auf sie sauer, dass sie dem nicht ein Ende setzte.
    Mein Vater hat wohl regelmäßig getrunken, war aber nie betrunken, hat wahrscheinlich nur seinen Pegel gehalten, man hat es so nicht gemerkt, im Urlaub kam er auch gut ohne aus. Er hat nie geschlagen, war aber zu mir dann oft sehr unfreundlich, agressiv, beleidigend... die Reaktion meiner Mutter war oft nur zu sagen, dass wir uns mehr zusammenreißen sollten (als wäre ich mitschuldig an den Streitereien). In Schutz genommen hat sie mich nicht, höchstens dann wieder mit meinem Vater gestritten, weil er getrunken hatte.
    Nach außen hin waren wir eine nette Familie, mein Vater immer gern gesehen und sooo freundlich, so ist es oft immer noch, nur mit mir und meinem Mann kann er soooo unfreundlich, angreifend, verletzend sein., wenn er "trocken" ist, ist er aber auch sehr nett und ein toller Opa.
    Als ich jung war, konnte ich mit niemandem darüber sprechen, ich fühlte mich von allen "beobachtet", komisch angeschaut, wußte ja nie, wer es vielleicht weiß, wer ihn beim Einkaufen sieht (Kleinstadt).
    Inzwischen ist mir der Gedanke, dass er sich irgendwo was holt und dann betrunken wo sitzt, immer noch mehr als unangenehm, aber ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist und kann auch offen zu Leuten sagen, ja, er ist Alkoholiker, ich will mich nicht verstecken, ich kann nichts dafür - aber Stolz ist man darauf auch nicht.


    Als ich 20 (ich war inzwischen aus- und weggezogen) war machte er eine Therapie, da er sonst seine Stelle verloren hätte. Danach ging es wohl eine zeitlang "gut". Mit dem Beginn der Rente wurde er noch depressiv und trank auch wieder mehr. Wir versuchten, ihn zu motivieren, sich und seinem Leben einen Sinn zu geben, zu reisen... aber meine Eltern sind da sehr auf sich bezogen, sehen nur "Ihre Arbeit" an Haus und Garten, es ist ja soo viel zu tun.

    Nun sind wir vor ein paar Jahren wieder in die gleiche Stadt gezogen, auch für die "Enkel", wussten aber auch nicht, wie "schlimm" es um ihn stand...
    Er war oft agressiv, unfreundlich, ungenießbar mit uns..... nach vielen Jahre hat er nun die Depression "akzeptiert" und nimmt Tabletten, so sind die Stimmungsschwankungen und Weinerlichkeit weniger geworden. Zwischendurch hatte er eine kurze Gesprächstherapie, die aber auslief und seitdem läuft es so vor sich hin - Aber er trinkt immer wieder.
    Inzwischen ist es in den letzten drei Jahren schlimmer geworden, selbst seit unsere Kinder da sind, was ich umso schlimmer empfinde, da ich hoffte, dass er wenigstens für die Enkel aufhört. Ich hatte mir so gewünscht, dass er für sie eine Therapie macht.
    Ich habe ihn betrunken auf der Straße erlebt und musste die Polizei rufen, was er mir sehr übel nahm. Er ist bei unserem Sport vor unseren "Bekannten" betrunken aufgetaucht.
    Wir haben ihn mit Baby im Auto einen Tag lang gesucht, weil er nach einem Streit abgehauen war und erst am nächsten Tag wieder kam.
    Mehrmals ist er wohl betrunken gestürzt, kommt dann erst nachts nach Hause, wenn er wieder gehen kann. - wenn ich mir das nur vorstelle, wir mir schon ganz anders.
    Kurz vor der Geburt unseres zweiten Kindes wurde er nachts von jemandem mit 2,8 pro Mille auf einer Bank gefunden, Krankenwagen und Polizei wurden gerufen. Er wollte nicht nach Hause und so kam die Polizei bei uns vorbei, verstand aber, dass ich einen angetrunkenen Vater nicht ins Haus wollte. Er hätte uns nur etwas vorgeheult und wäre evt. noch agressiv geworden, wir haben das durchaus schon mal versucht...
    Dennoch fühlte ich mich danach so schlecht, ihn "abgewiesen" zu haben und war zugleich sauer auf ihn, wie er erwarten kann, dass ich ihn so aufnehme, nur weil er sich nicht zu seiner Frau nach Hause traut.
    Meine Mutter leidet mit, ich habe ihr Adressen von Therapeuten, für sie und ihn, für Selbsthilfegruppen etc. gegeben... doch sobald er wieder da ist und alles gut läuft, ist für sie die Welt wieder in Ordnung und alles Geheule wieder vergessen, als wäre nichts gewesen. Er wollte endlich eine Therapie machen, dann wurde das Programm wohl in der Klinik beendet und dann war doch wieder alles "gut".

    Das letzte Mal hat er sich einen Tag nach einer Familienfeier (auf dem er ein toller Opa war) betrunken, kam erst nachts verletzt (durch Sturz) nach Hause und ist nach einem Streit zwischen meinen Eltern danach drei Tage und Nächte verschwunden...Ich habe dies erst zwei Tage nach seinem Verschwinden erfahren, als meine Mutter nicht mehr wusste, wo sie noch suchen soll und sich bei uns ausgeheult hat, bis sie endlich bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgab... er war die ganze Zeit draußen, hatte keine Jacke dabei... und wir wussten nicht, ob wir ihn lebend wieder sehen, oder er schon irgendwo liegt, sein Handy hatte er ausgestellt, ich habe auf trotzdem immer versucht, anzurufen, auf AB gesprochen, eine Nachricht geschickt...... - bis er am nächsten Tag (nach 3 Tagen und Nächten) lebend aufgefunden wurde.

    wie es mir dabei und danach ging kann sich vielleicht der eine oder andere vorstellen... ich war sauer auf ihn, dass er sich nicht meldet und zugleich besorgt - es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen, ich konnte seinen guten Zustand auf der Feier und dieses Verhalten nicht zusammenbringen.. und hatte mehr als eine Woche etwas davon (emotional) - eigentlich ist mein Vater ein "armes Sch...", dass nicht den Mumm hat, "nein" zum Alkohol zu sagen und dann noch vor Angst tagelang durch die Gegend irrt, aber es macht mich auch sauer, dass er nur "an sich denkt", sich nicht mal bei mir meldet um zu sagen, "ich lebe noch, muss aber mal nachdenken". Ob er sich überhaupt vorstellen kann, welche Sorgen ich mir dabei mache und wie besch... es mir dabei geht?
    Wir hatten zu der Zeit Urlaub, waren aber zu Hause, die ganze Erholung und Lebensfreude war tagelang futsch... ich musste mich und mein Seelengerüst wieder vom Boden aufkratzen, mein Mann war schlecht gelaunt, weil wir meinen Vater suchen waren und uns Sorgen machten anstatt zum Badesee zu fahren.
    Als er gefunden wurde, war er wohl angetrunken und wollte nicht nach Hause, ich sollte mit meiner Mutter zur Polizei kommen, um ihn nach Hause zu bringen. Das hätte ich auch getan, aber mein Mann war vehement dagegen, womit er wohl auch recht hatte. Aber ich aber enorme Schwierigkeiten, mich emotional von ihnen abzugrenzen und sie ich habe das Gefühl dass sie mich da auch nicht einfach raus lassen - sondern sie sich immer wieder aufdrängen. Meine Mutter war schon etwas sauer, dass ich nicht mitkam (auch wenn ich das von meinem Kind nie erwarten würde, das habe ich ihr hinterher am Telefon auch gesagt) und ich fühle mich da so zwiegespalten, will ihnen helfen, weiß, dass es nicht viel bringt und mir nicht gut tut, und meiner Familie auch nicht, aber auch, dass sie dann sauer sind.
    Es fiel mir schon sehr schwer, endlich auf ihre regelmäßigen Spontanbesuche zu familienunfreundlichen Zeiten zu reagieren und eine vorherige Absprache zu wünschen - aber selbst das haben sie kaum respektiert, sie fanden es nahezu unverschämt, nur auf "Termin" kommen zu dürfen oder es wird mir vorgeworfen "wir wissen ja gar nicht mehr, wann wir noch kommen dürfen" und sie "fühlten sich nicht willkommen" (was leider auch etwas stimmt, da meistens unser Haus und Garten dann kritisch beäugt werden und fast nie ein Kompliment zu hören ist, sondern eher " Wir könnten ja helfen", das läuft aber wenn überhaupt nur einen Tag gut, dann muss mein Vater zwischendurch nach Hause trinken und wird wieder "unausstehlich") Anstatt mit den Enkeln zu spielen, würden sie am liebsten bei uns Unkraut jäten. Und bei meinem Vater weiß ich ja nie, wie seine Stimmung gerade ist, auch wenn die Kinder sie lieben. Unsere Kinder überlassen wir ihnen auch nicht alleine, so hart es scheinen mag, aber leider habe ich da kein Vertrauen mehr, mein Mann noch weniger - auch wenn meine Mutter dies als Vertrauensbruch in ihre Person und ihre großmütterlichen Fähigkeiten sieht.

    Nun ja, diese letzte "Aktion" meines Vater ist nun zwei Wochen her.
    Ich hatte meine Mutter nochmal angerufen, nachdem sie ihn abgeholt hatte, eigentlich wollte sie ihn bei diesem Mal vor die Tür setzen - sie wird es nie tun. Sie hat ja nur ihn und ihr ist es lieber, er ist da und trinkt ab und zu, als ohne ihn weiterzuleben - das hat sie mir so gesagt, als er verschwunden war.
    Ich durfte mir bei diesem Gespräch sogar noch anhören, dass es wohl auch an uns liegt (nicht zum ersten Mal), weil mein Mann und mein Vater sich nicht so viel unterhalten (wie auch, die Gesprächsthemen meines Vaters sind beschränkt, er sich gibt sich da auch nicht wirklich Mühe, mein Mann ist nach solchen Aktionen auf ihn nicht gut zu sprechen - was man wohl auch verstehen kann, oder wie reagieren Eure Partner darauf?, dennoch gibt er sich immer noch Mühe mit meinen Vater / meine Eltern sollen nicht mehr bei uns helfen und nicht ständig vorbeikommen, sie bekommen die Enkel nicht alleine überlassen - aber dies ist erst aus den Streitereien und der Kritik der letzten Jahre als Reaktion von uns entstanden, unser Selbstschutz sozusagen. Wir hatten auch gehofft, von der Nähe der Großeltern zu "profitieren", stattdessen ist es eine zusätzliche Last geworden.

    Ich bekam auch noch zu hören, dass mein Mann ja auch mal eine Therapie machen sollte, da er sich mit seinen Eltern nicht so gut versteht - worauf ich dann doch entrüstet sagen musste, dass meine Eltern wohl erst einmal eine Therapie nötig hätten.
    Und schließlich meinte sie noch, dass es für meinen Vater ja ganz schrecklich sein muss, dieser Drang so stark, dass er nicht gegen ankommt - aber er muss ja gegen die Scham ankommen, das Zeug erst einmal zu kaufen...
    und dass wir diese "Krankheit" (auch wenn Alkoholismus so eingestuft wird) ja vielleicht auch irgendwann bekommen könnten... fand ich schon dreist, darauf fehlten mir dann auch die Worte.

    Zwei Tage später haben wir sie vor Freude strahlend auf einem Stadtfest getroffen. Ich war wie versteinert, mein Vater hat mich wie eine entfernt Bekannte kopfnickend begrüßt und wir sind dann schnell weiter... ich hatte tagelang einen dicken Stein im Magen...
    seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört und mag da auch ehrlich gesagt nicht anrufen oder vorbeifahren (wohnen nur ein paar Minuten entfernt). Bisher war ich es immer, die wieder den Kontakt aufnahm aber ich finde auch, dass sich mein Vater wirklich mal entschuldigen könnte, oder wie sehr ihr das?
    Und danach werden sie irgendwann wieder sagen, aber die Kinder könnten ja auch mal bei uns schlafen und eingeschnappt sein, wenn wir nein sagen?

    Es wäre so schön, ein normales Familienverhältnis zu haben und ein gutes Enkel-Großeltern-Verhältnis zu leben, das zw. mir und meinen Eltern wird sicher irgendwie immer gestört bleiben... aber wenn sich nicht radikal etwas ändert, wird das vielleicht nie etwas.
    Das Schlimme ist für mich dann noch, dass meine Mutter sagt, "wenn ihr euch für uns schämt, dass müsst ihr es sagen und weg bleiben". Damit fühle ich mich dann wieder schuldig und habe das Gefühl, die ganze Verantwortung wird auf mich abgeladen - sie wollen uns ja so gerne helfen und auf die Enkel aufpassen, alles andere sehen sie dann nicht.

    Das ist jetzt sehr viel geworden, aber allein das in Worte fassen hilft schon ein bisschen. Wie einen so etwas beschäftigen kann...

    Wie seht ihr das von "Außen"? Ich stecke da ja mitten drin und kann mein Verhalten und meine Reaktionen meinen Eltern gegenüber nicht objektiv bewerten.
    Sagt einfach, was ihr denkt, auch mit Kritik kann ich inzwischen umgehen - wenn sie konstruktiv ist.

    Liebe Grüße, Dacoucou

  • Hallo dacoucou,

    zu banal ist es ganz bestimmt nicht!

    Ich habe gesehen, dass du noch keine Antwort bekommen hast, und das tut mir leid. Ich selbst fühle mich manchmal überfordert, zu antworten, wo mir die eigenen Erfahrungen fehlen. Schnell ist etwas geschrieben, das vielleicht gut gemeint ist, der Betroffenen aber womöglich mehr schadet als nützt.

    Mein Impuls beim Lesen deiner Situation war, dass Abgrenzung nötig ist. Du kannst am Verhalten deiner Eltern nicht ändern. Aber du kannst deine Abhängigkeit davon aufheben.

    Ich wünsche dir, dass du noch mehr und fundierte Antworten von selbst Betroffenen bekommst. Hast du hier schon bei anderen gelesen? Auch in Threads von anderen sind ähnliche Konstellationen anzutreffen, und vielleicht kannst du auch dort etwas herausziehen.

    Alles Gute dir!
    Thalia

  • Hallo Thalia,

    vielen Dank für Deine Reaktion :-).
    Es tut schon gut zu wissen, dass sich überhaupt jemand dafür interessiert. Ich komme mir im Moment sehr allein damit vor. Es geht immer in meinem Kopf rum und ich weiß nicht, was ich tun soll.

    Ja, Abgrenzung ist nötig, da stimme ich dir zu. Nur wie komme ich aus dieser Abhängigkeit raus?
    In so einer "Funkstille" wie im Moment zwischen meinen Eltern und mir, geht es mir erst einmal wieder besser. Dennoch denke ich immer wieder an sie und ich bekomme sie nicht aus meinem Kopf raus.... - das ärgert mich.
    Für sie scheint wahrscheinlich wieder alles gut zu sein und sie sind wahrscheinlich sauer, dass ich mich nicht melde und sie die Kinder nicht sehen...
    Ob sie überhaupt einen Gedanken daran verschwenden, wie es mir geht? In den Schwangerschaften war ihnen das auch nicht wirklich wichtig, was mir auch weh tat.

    Ich habe schon in einiges hier reingelesen... komme mit zwei Kleinen Kindern leider nicht so oft dazu.
    Falls jemand mit ähnlichen Erfahrungen berichten kann, was ihm/ihr geholfen hat, würde ich mich freuen.

    Nochmals vielen Dank!
    Dacoucou

  • liebe dacoucou,

    herzlich Willkommen bei uns im Forum.
    Deine Sorgen sind auf keinen Fall banal, manchmal braucht es eine Zeit, bis genatwortet wird.
    Ich hatte deinen Beitrag schon mehrmals gelesen, er hat mich sehr berührt, denn ich habe auch eine Tochter, die nur wenige Jahre jünger ist.

    Du bist nicht schuld, das dein Vater trinkt, und brauchst dich auch nicht zu schämen, wenn er auffällig wird.
    Das ist einfacher geschrieben als getan, das weiß ich, aber es ist der einzige Weg in die Abgrenzung.
    Das geht nicht von heute auf morgen, aber wenn du spürst, das dich die Funkstille entlastet, dann setze sie, wenn möglich fort.
    Deine Mutter ist in das Alkoholismussystem deines Vaters, welches aus tricksen, vertuschen und manipulieren besteht, fest eingebunden, und kann deine Not ( noch ) nicht sehen.
    Ich habe es auch erst sehr viel später erkannt, als ich etwas für mich getan habe, erst ab diesem Zeitpunkt konnte ich auch mit meinen Kindern über den Alkoholismus des Vaters reden.
    Vorher habe ich mit geholfen zu vertuschen, und einen auf heile Welt zu machen.
    Meine Kinder sind erwachsen, leben weiter weg, der Sohn sogar im Ausland.
    Meine Tochter hat den Kontakt zum Vater weitestgehend abgebrochen, er war nicht einmal bei der Einschulung seines Enkelkindes dabei.
    Das hätte ich mir nie vorstellen wollen und können, das es mal soweit geht.
    Ich akzeptiere und respektiere ihre Entscheidung, aber das kann deine Mutter noch nicht, für sie bist du momentan diejenige, die ausschert, und etwas sichtbar macht, nämlich die Familienkrankheit Alkoholismus.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Liebe Dacoucou,

    gut, dass du das alles mal hierlassen konntest. Es musste ja mal raus, und hier ist es gut aufgehoben.

    Ich finde deinen Wunsch nach einem "normalen" Eltern- und Großelternverhalten sehr verständlich. Überall in deinem Zeilen schimmert es durch, was du dir so sehr wünscht.
    Wichtig ist jetzt, dass du Realität als das anerkennst, was sie ist. Dass du nichts beschönigst, nichts dramatisierst (beides kriegst du ja gut hin!), und dass du deine Erwartungen und Wünsche als das siehst, was sie sind - DEINE Dinge, die mit dem Verhalten und mit der Haltung deines Vaters und deiner Eltern nicht viel gemein haben.

    Zitat

    da ich hoffte, dass er wenigstens für die Enkel aufhört. Ich hatte mir so gewünscht, dass er für sie eine Therapie macht.


    Wenn du so denkst, dann wirst du immer wieder jeden Strohhalm umklammern. Es ist ein "wenn-dann"-Denken.
    Die Realität ist aber, dass ein alkoholkranker Mensch nicht so einfach aufhören kann, nur weil er zum Beispiel jetzt Enkelkinder hat oder weil seine Tochter es sich wünscht oder weil er allgemein den Druck der anderen auf sich spürt. Das alles nützt nichts, denn die Sucht ist immer stärker.
    Das heißt nicht, dass es keinen Ausweg gibt, aber der Wunsch aufzuhören muss von ihm selber kommen, aus ihm selber heraus. Sonst wird das nix. Sein Leidensdruck muss hoch genug sein, er braucht den festen Willen, ohne Alkohol durchs Leben gehen zu wollen, und außerdem muss er sich (selber!) dafür professionelle Hilfe und Begleitung suchen.

    Meine Mutter konnte erst aufhören, als sie sich in die Demenz gesoffen hat. Alles, was du berichtest, kommt mir sehr bekannt vor. Ich wünsche dir, dass dein Vater es eher schafft.

    Was kannst nun du tun?
    Ich finde es richtig, dass du den Kontakt begrenzt. Außerdem könntest du so konsequent sein und deine Kinder nicht mehr zu ihm lassen, wenn er getrunken hat. Ein angetrunkener oder betrunkener Großvater kann sich nicht so kümmern, wie du es sicher verlangst, und zwar zu Recht. Daher gehören die Kids dann nicht dahin, meiner Meinung nach.

    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Hallo Morgenrot,

    vielen Dank für deine Antwort aus deiner Sicht. Das hilft mir ein wenig, mich nicht so als Sündenbock in den Augen meiner Mutter zu sehen.
    Aber wie kann ich ihr helfen? Wir reden über den Alkoholismus meines Vaters, aber manches kommt nicht bei ihr an, z.B. mein Leiden dabei und wie gesagt, sobald die Eskapade vorbei ist, ist ja wieder alles gut und die angestrebte Therapie doch nicht mehr so notwendig...
    Wir feiern schon Geburtstage mit ihnen oft ein paar Tage nach dem eigentlichen Geburtstag, heilig abend bleiben wir unter uns, Muttertag ist auch ein ganz schwieriges Thema... weil er einfach mit seiner schlechten Laune, Art, brummeligen Verhalten (nicht angetrunken, aber auch so dann unausstehlich) schon so viele Feiern vers... hat. Verstehen und akzeptieren können sie das natürlich nicht.


    Und sie schafft es kaum, mal alleine zu uns zu kommen, sondern "schleppt" ihn dann mit an, auch wenn er schlecht gelaunt es, sei es aufgrund des Alkohols oder der Depression.

    Wenn ich ihr sage, dass mein Vater weiter trinkt (weil ich es immer gleich rieche), vertuscht sie es vor allem vor sich selbst und meint, nein, im Moment kommt er gut ohne aus, oder sie will uns nicht damit belasten... das sind doch eher Selbstlügen, oder?

    Sie macht sich aber selbst kaputt damit und natürlich macht ihr das schlechte Verhältnis zu uns auch zu schaffen. Sie wünscht sich eigentlich wohl so wie ich, das alles "gut" wäre, ist es aber nicht.

    Kann ich ihr irgendwie helfen -auch um uns zu helfen?

    Grüße, Dacoucou

  • Hallo Viola,

    habe gerade die Antwort an dich gelöscht... so ein Mist... also nochmal...

    Ja, ich weiß schon im Kopf, dass es ein WUNSCHdenken ist und bleibt. Mit anderen Wünschen wie dem nach einem normalen Vater, auf den man Stolz sein kann und nach Anerkennung, Komplimenten für das was wir hier tun, für unsere Kinder habe ich schon ganz gut abgeschlossen, das andere ist noch in Arbeit...

    Ich weiß auch, das meine Gefühlswelt viel dramatisiert und das ich das nicht will wie beim letzten Verschwinden meines Vaters. Es war für mich wie ein Weltuntergang- dabei rannte er nur durch die Gegend ohne an seine Familie und deren Sorge zu denken.
    So ging es mir schon beim Mal davor: ich mache mir schreckliche Sorgen, schäme mich, dass er bei der Polizei sitzt und denke, wenn es mein Kind wäre, das Mist gebaut hätte - ok, das wäre meine Aufgabe, es da rauszuholen, aber doch nicht meinen erwachsenen Vater! Die Welt ist zu verdreht.

    Und keine Sorgen:
    unsere Kinder gehen nicht mehr alleine zu den Großeltern, wir wissen ja nie, wie die Lage ist, depressiv, gut gelaunt, angetrunken oder nicht... und falls ich schwach werde und wieder allen nur einen Gefallen tun will, hält zumindest mein Mann mit seinen klaren, sicherlich gesünderen Standpunkten hart dagegen. Er würde meine Eltern inzwischen am liebsten gar nicht mehr sehen.
    Vorallem nach dem letzten Vertrauensbruch:
    Ich war mit dem jüngsten (Baby) nochmal im Krankenhaus und wir hatten sie gebeten bei uns auf den 3-Jährigen aufzupassen, weil mein Mann arbeiten musste. Sie haben ihn dann aber gleich mit zu sich nach Hause genommen und genau zu der Uhrzeit, als mein Mann ihn abholen und ins Krankenhaus fahren wollte, war mein Vater alleine, ohne Handy mit dem Kleinen mit dem Laufrad zum nächsten Spielplatz gegangen (obwohl meine Mutter wußte, dass er nicht alleine mit ihm los darf, weil er auch körperlich viel zu wackelig ist, um im Notfall mit Kleinkind wieder nach Hause zu kommen). Natürlich waren wir da s..sauer, und ernteten nur Unverständnnis und mussten uns noch rechtfertigen.
    Das macht es dann noch zusätzlich anstrengend.

    Er hat geistig schon sehr abgebaut... im Gespräch bzw. nach einem Rückfall meint er, er habe daraus gelernt und wolle aufhöre, hatte auch eine Gesprächstherapie... aber das scheint wohl noch nicht zu reichen.
    Kann man denn von außen gar nichts tun? Muss man einfach zusehen?
    Meine Mutter sagte, es mache ihm auch zu schaffen, dass er nichts helfen kommen darf und er den "Großen" nicht oft bei sich hat... aber trinkt man deshalb wieder????
    Es ist ja so, weil er immer wieder trinkt.

    Ich weiß, ich muss da noch an mir arbeiten, aber eure Reaktionen helfen mir sehr dabei! Vielen Dank!
    Dacoucou

  • Hallo und herzlich willkommen Dacoucou,

    nein, deine Gefühlswelt dramatisiert da gar nichts, denn es sind ja deine Eltern, um die es geht. Und dass du dich sehr schlecht damit fühlst, wie dein Vater sich verhält und was deine Mutter macht, das ist einfach normal und verständlich. Soviel erst mal dazu! Du musst und darfst deine Gefühle da einfach wahr nehmen, denn so fühlst du sich ja.

    Die andere Seite ist nun, wie du dich da trotz dieser Gefühle und ja auch der Liebe zu deinen Eltern abgrenzen kannst. Denn wenn du dich in dieses Familiensystem Alkoholismus reinziehen lässt, bist du mit verloren. Das bemerkst du ja auch selbst sehr gut! Das ist auch gut, dass du das bemerkst und ja auch schon deine Konsequenzen daraus ziehst! Du bist da auf einem guten Weg. Und gut finde ich auch, dass dein Mann da auch diese Konsequenz an den Tag legt und dich damit unterstützt! Er sieht ja das alles noch aus einer etwas anderen, neutraleren Position.

    Du kannst nun deiner Mutter genau so wenig helfen wie deinem Vater. Sie ist coabhängig, das ist genau solch süchtiges Verhalten, wie der Alkoholismus deines Vaters. Du merkst ja selbst, es prallt an ihr ab, was du ihr sagst, sie vertuscht, sie steht ihm bei, sie bringt immer wieder alles in's Lot. Für deine Vater ist der Schnaps das Suchtmittel, für deine Mutter ist es dein Vater...

    Und sie muss von sich aus den Willen haben, aus diesem Kreislauf auszubrechen. Du kannst ihr zum Beispiel nur Dinge empfehlen, es gibt viele Bücher zum Thema "Coabhängigkeit". Ob sie das aber lesen mag und vor allem, ob sie daraus für sich Schlüsse ziehen kann und will, das liegt ganz bei ihr.

    Und du bist da nun mitten drin. Und wirst auch benutzt für ihre Zwecke. Dein Vater stellt sich als Opfer dar, depressiv (was durchaus eine Folge seines Saufen sein kann und nicht umgekehrt!), Schuld haben andere, andere Menschen oder andere Umstände oder das Wetter oder der Bürgermeister oder was auch immer. Oder eben auch du, weil du so "lieblos" bist, die Kinder nicht da lässt usw. Aber ganz ehrlich, diesen Schuh brauchst du dir nicht anzuziehen! Du machst das völlig richtig und sehr verantwortungsvoll, die Kinder nicht dort zu lassen! Das finde ich echt gut!

    Und deine Mutter benutzt dich als Mülleimer, gewissermaßen, sie lädt dir Dinge auf, die sie selbst nicht bewältigen und aushalten kann. Denn sie fühlt sich mit Sicherheit auch schuldig am Saufen deines Vater! Ich habe selbst viele, viele Jahre in Coabhängigkeit mit meinem Exmann gelebt, ich kann mir das gut vorstellen. Und ich muss gestehen, ich habe meinen Sohn, meine Tochter lebte dann schon nicht mehr bei uns, da auch mit reingezogen bzw. es versucht zu tun. Mich bei ihm ausgeheult, ihn als Gesprächspartner benutzt, den ich in meinem Exmann nicht mehr hatte. Er war gewissermaßen ein Ventil für den Druck und die Schuld, die ich spürte. Mein Sohn hat sich aber sehr stark abgegrenzt damals und mir auch ganz offen und klar dann Grenzen gesetzt. Aber trotzdem tut mir das heute sehr leid, was ich da auch gemacht, versucht habe, und als mir das klar wurde nach der Trennung war es mir auch sehr peinlich und ich habe mich wiederum sehr schuldig gefühlt deshalb.

    Ich habe mein Kind nicht mehr als mein Kind behandelt, gut, mein Sohn war da Anfang 20, aber er ist ja mein Kind! Ich habe ihn als Art "Freund" behandelt, als Erwachsenen, die Verhältnisse sind da sehr verschwommen gewesen. Oft hat er mir beigestanden, das fand ich dann gut, aber nachher sah ich, dass er ja das Kind ist und ich die Mutter, es war nicht sein Ding, für mich zu sorgen. Denn ich war ja nicht unzurechnungsfähig oder so, nur zu schwach und feige, für mich zu handeln.

    Also verstehe mich nicht falsch, natürlich sind auch Kinder dann mal Erwachsene, aber es ist immer noch eine andere Stufe Eltern/Kind als Eltern/Freund oder Partner oder so. Ich hoffe, ich konnte klar machen, wie ich das meine.

    Du beschreibst es ja selbst im Hinblick auf deinen Vater, mit deiner Mutter ist es im Prinzip genau so:

    Zitat

    ich mache mir schreckliche Sorgen, schäme mich, dass er bei der Polizei sitzt und denke, wenn es mein Kind wäre, das Mist gebaut hätte - ok, das wäre meine Aufgabe, es da rauszuholen, aber doch nicht meinen erwachsenen Vater! Die Welt ist zu verdreht.

    Die Welt ist verdreht in Beziehungen zu Abhängigen! Du beschreibst das gut!

    Deshalb ist das so:

    Zitat

    Kann man denn von außen gar nichts tun? Muss man einfach zusehen?

    Ja, anders geht es nicht. Man kann von außen nichts tun. Aber zusehen musst du deshalb noch lange nicht! Abgrenzung ist das Geheimnis, nicht selbst mit kaputt zu gehen. Und das weißt und spürst du ja selbst mittlerweile sehr gut. Du machst das, auch wenn es sehr weh tut, aber glaub mir, der Schmerz wird besser! Denn du wirst ja selbst merken, wie viel besser es dir und deiner Familie ohne deine Eltern geht, ohne diese Konfrontation mit diesem kaputten System der Sucht!

    Meene Jüte, jetzt hab ich mich aber hier ausgelassen, wie ein Roman...
    :shock:

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hey,

    ich bin genau so aufgewachsen wie du.
    Auch meine Eltern waren in dem Sinne keine emotional fürsorglichen Eltern. Finanziell habe ich Geld bekommen, was ich brauchte. Das aber auch nicht immer ohne weiteres und bedingungslos. Zu essen und Kleidung hatte ich auch. Normalerweise sollte das selbstverständlich sein- war es aber bei meinen Eltern nicht. Sie haben durch selbstverständliches sich als tolle Eltern aufgebauscht.
    Emotionale Fürsorge gab es nicht. Auch sie haben mich missbraucht, indem sie mich als Stütze und Gesprächspartner missbraucht haben. Obwohl ich ihr Kind war.
    Sie haben die Rollen getauscht und mich irgendwie so manipuliert, dass ich glaubte, alles wäre gut und ich müsste noch dankbar sein.

    Den Absprung haben beide nicht geschafft- Mutter trinkt noch und Vater klebt an ihr. Früher warf er ihr vor zu trinken, sie solle aufhören. Dass sie zum Entzug weggeht, wollte er aber nicht. Er hat sich immer alles schön geredet und sprang ständig zwischen "ich schäme mich, weil du trinkst" und "es ist alles in Ordnung und sie ist bestimmt keine Alkoholikerin" hin und her.
    Mich hat das sowohl als Kind als auch als Erwachsene sehr belastet und mich in meiner Entwicklung stark eingeschränkt.

    Letztlich habe ich aufgegeben, auf meine Eltern irgendwie einwirken zu wollen. Das geht einfach nicht. Sie wollen im Prinzip auch keine Hilfe und keine Veränderung. Ich habe sie nun gelassen und mich emotional distanziert.
    Ändern kann ich da nichts und das weitere Zusehen kann ich nicht ertragen.
    Mein Wohl und meine Interessen standen da eh nie im Vordergrund.. Sie haben mir nur eingeredet, dass es so wäre.

    Also habe ich den Kontakt auf ein Minimum reduziert. Treffen finden eigentlich gar nicht mehr statt und Telefonate nur alle paar Wochen.
    So hat sich auch mein Blick geklärt. Ich konnte die Situation so erst richtig erfassen und deuten.

    Nun geht es mir 1000 Mal besser.

    Liebe Grüße
    Zimttee

  • Hallo liebe Aurora,

    vielen Dank für die hilfreiche, lange Antwort und dein Verständnis - das tat sehr gut, es zu lesen. Leider bin ich bis jetzt durch meine Zwerge nicht zum Antworten gekommen....

    Ich habe sehr gut verstanden, wie du das meinst. Beide verhalten sich wie Kinder, um die ich mich kümmern soll, das würden sie aber so nie zugeben.
    Ich habe gestern mit meinem Mann darüber gesprochen und mir ist aufgefallen (nach 20 Jahren!), dass ich damals nach einem Streit zwischen ihnen immer meine Eltern getröstet, wieder zusammengeführt, aufgebaut habe. Dass sie mich aber nie gefragt haben, wie es mir eigentlich geht oder auch nicht gesagt haben, dass ist nicht deine Aufgabe. Das müssen wir unter uns regeln. oder wenigstens... es tut uns leid, dass dich das so belastet... So hätte es wahrscheinlich sein sollen...

    Die Depression meines Vaters kommt zu großen Teilen vom Alkoholismus, das ist mir klar, ich habe mich ja auch schon in einiges an Fachliteratur reingelesen. Und dass sein weiteres Trinken und die Tabletten nicht gut zusammenpassen, ist auch allen klar - aber scheint nichts zu ändern.

    Mit meinem Vater rede ich ja nicht einmal richtig darüber, wenn er sich wieder so sehr betrunken hatte, dass die Polizei ins Spiel kommt oder er erst morgens mit blauen Flecken nach Hause kommt, er sagt dann evt. nur hinterher, er habe Mist gebaut, es tut ihm leid und er sagte mir auch, es wäre nicht meine Schuld, ob er immer so denkt, weiß ich aber nicht.
    Die "Vorwürfe", dass es auch an uns und unserer Beziehung zu ihnen liegt und dass meinen Vater wohl alles sehr bedrückt, kommen von meiner Mutter. Wahrscheinlich ist das ihre Interpretation der Sache oder es sind auch seine Argumente vor ihr, um sich irgendwie ein wenig zu rechtfertigen und ihr Mitgefühl zu bekommen, das sie ihm dann ja auch gibt.

    Ja, mir ist klar, dass sie sehr Co-Abhängig ist, das sage ich ihr auch immer wieder und ihr ist das auch bewusst, aber wie sehr, dass weiß ich vor allem nach dem letzten Telefonat, von dem ich hier bereits geschrieben hatte.
    Ich finde ihr krankhaftes Verhalten fast belastender als das Trinken meines Vaters, so seltsam das jetzt klingen mag.

    Ich habe im letzten Jahr so langsam versucht, mich von ihnen "freizuboxen", wollte keine ständigen Spontanbesuche (laut meiner Mutter, war das "Früher" auf dem Dorf bei ihr auch so, das man da immer wohin kommen konnte - ich habe das aber nicht kennengelernt und gerade, weil meine Eltern ja auch immer alles bei mir kritisch beäugen, mag ich es nicht), Sonntagskaffee, und dass sie ständig in meinem Garten arbeitet (bis es dunkel wird! und wir mit Kind rein wollten, mussten) - wie absurd so etwas ist, versteht sie nicht. - aber so ein "freiboxen" stößt eben auf Unverständnis, Kritik und Widerstand, der nicht leicht auszuhalten ist, wie du es ja auch beschreibst.

    Aber sie versteht es herrlich, mir ein so schlechtes Gewissen zu machen. Dann heult sich am Telefon und sagt, sie weiß gar nicht mehr, wann sie noch kommen kann, weiß gar nicht, warum wir hierhergezogen sind und warum sie dann noch lebt, wenn unser Verhältnis so schlecht ist. Dabei hatte ich nur gewünscht, dass sie bei uns nicht immer unangemeldet reinschneien, sondern kurz vorher durchrufen, ob es gerade passt. Und dann kommen sie doch einfach vorbei, entweder beim Mittagessen oder Abends, wenn ich gerade essen machen will und keine aufgekratzten Kinder gebrauchen kann - eigentlich total egoistisch von ihnen, finde ich jedenfalls. So ist auch ihre ganze Haltung. Wir hatten auch schon das Wochenende für uns "freigeboxt", dann heißt es von ihr "selbst samstag dürfen wir nicht kommen, wenn wir auch mal Zeit hätten" ( sie sind beide in Rente!), wir arbeiten beide - bei so einem Kommentar ist mir dann auch mal der Kragen geplatzt.

    Mir ist schon klar, bzw. ich vermute, dass sie sich lieber in unserem Garten und Unkraut "vergräbt", um nicht immer zu Hause zu sein, vor allem, wenns da nicht so gut läuft- Freunde haben sie ja leider auch keine. doch ich bin leider nicht ihr Therapiezentrum und auf Dauer hilft das doch auch nicht.
    Das wollen wir jetzt auch nicht mehr. Nach unserem letzten Urlaub vor einem Jahr, wo sie nur evt. gießen und reifes Obst und Gemüse ernten "sollten", wenn sie es haben wollten, waren meine Eltern fast jeden Tag bei uns (laut der Nachbarn) und haben fleißig gejätet, dabei war nicht alles Unkraut, aber es muss ja sauber sein bei uns! Das hat uns sehr aufgeregt, mein Mann wäre fast explodiert, weil es für ihn, viel mehr als für mich, ein Angriff auf unsere Privatsphäre, auf unser Leben ist. Damit hat er sicher recht - ich merke ja an seiner Reaktion, wie verschwommen bzw. belastet mein Denken ist und das mir das Abgrenzen sehr schwer fällt, auch, weil es immer mit Streit, Schulgefühlen und Trauer verbunden ist.

    Aber selbst ich habe da wirklich in meinem Garten gestanden und geschrien, als ich die Rosenstecklinge u.a. Zeugs sah, wo vorher nichts war ... es hat mich so geärgert, dass sie nichts respektieren können, wie es ist, bei mir...
    ich rutsche gerade im Thema ab und das klingt für Außenstehende gerade ziemlich seltsam, aber so krank sind wir inzwischen, dass uns selbst solche „Lapalien“ belasten und tierisch ärgern.

    Und wie ihr Garten aussieht, kannst du dir vielleicht vorstellen - da wächst kein Halm quer - dagegen ist meiner die reinste Wildnis.
    Sie sollte sich lieber um ihre richtigen Probleme kümmern...

    Ich überlege nun, ihr ein Buch zu geben, dass ich gerade lese "Ich will mein Leben zurück", dass sich, glaube ich, mehr an sie richtet. Adressen von SHGs hatte ich ihr immer wieder mal gegeben. Aber den Schritt, da mal irgendwo wirklich hinzufahren, macht sie nicht.
    Als mein Vater vor 16 Jahren in der Therapie war, waren sie auch in einer SHG, das ist aber wohl nicht so gut gelaufen und seitdem gehen sie da auch schon ewig nicht mehr hin.

    Ich habe sie bald seit 4 Wochen nicht gesprochen und gesehen… irgendwie würde ich gerne mal hinfahren, weiß aber gar nicht, was ich sagen sollte – es ist traurig. Im Moment halte ich mich noch jeden Tag davon ab, hinzufahren… vielleicht nächste Woche. Ich weiß auch nicht…

    Jetzt ist auch das ein Roman geworden - tut mir leid ;-).
    LG Dacoucou

  • Hallo Zimttee,

    das tut gut, zu hören, dass es dir leider ähnlich ging, aber auch, dass es dir jetzt besser geht.

    Das trügerische bei meiner Familie ist, dass es zeitweise wirklich gut läuft und das Verhältnis gut ist, teilweise gibt es "traumhaft schöne Tage" mit ihnen, ... bis zum nächsten "großen" Trinken meines Vaters, mit evt. Polizei... dann ist alles wieder zerstört. Und so war es früher auch schon, da war er nach außen hin noch nicht auffällig, aber es gab zu Hause dann den großen Streit. Mein Jugendtagebuch liest sich so... "ich hasse ihn"... und dann wieder "es ist so schön mit meinen Eltern".... immer auf und ab, dadurch kommt einem das "ab" manchmal wie eine Wahnvorstellung vor, die es gar nicht gab..., bzw. die man schnell vergisst.
    Kennst du das auch?


    So geht es mir jetzt auch schon fast wieder, es ist 3 Wochen her und ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen oder gesprochen und wenn ich da auftauche habe ich Angst, dass es so ist, als wäre mal wieder nichts gewesen.

    Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen gegenübertreten, was ich sagen soll. Ich weiß, ich muss mich weiter distanzieren, aber ich hätte nochmal gerne ein "klärendes " Gespräch, wenigstens für mich, ob es bei meinen Eltern etwas bewirkt, ändert, weiß ich nicht, dann muss ich halt weitersehen und für MICH und meine Familie die richtige Entscheidung treffen.
    Das kann noch ein schwerer Weg werden...

    Wie hast du es geschafft, dich emotional zu distanzieren?
    Hast du eine Therapie gemacht?

    LG Dacoucou

  • Hallo dacoucou,

    du schreibst über deine coabhängige Mutter

    Zitat

    Ich finde ihr krankhaftes Verhalten fast belastender als das Trinken meines Vaters, so seltsam das jetzt klingen mag.

    Das klingt nicht seltsam, denn ich habe es hier schon oft gelesen. Und innerhalb meiner Familie auch so erfahren. Der Vater meiner inzwischen leider verstorbenen Schwägerin war auch Alkoholiker. Und die Mutter eben Co. Und die Schwägerin hat ihre Mutter fast gehasst, hatte ich manchmal das Gefühl. Ihren Vater hat sie auch irgendwie verachtet, aber bei der Mutter war das viel stärker.

    Boah, das Verhalten deiner Eltern ist ja massiv übergriffig! Und ja, genau so ist es mir mit meiner Exschwiegermutter ergangen! Die aber nichts mit Alkohol und so hatte, das Verhalten ist aber auch so gewesen. Das erinnert mich gerade ganz doll daran. Auch an meine Gefühle dabei und wie oft ich geschrien habe vor Wut. Mein Exmann war aber da leider nie auf meiner Seite, im Gegenteil, immer war ich die Undankbare... deshalb ist es toll, wie du mit deinem Mann da an einem Strang ziehen kannst. Das ist viel wert.

    Bei der Exschwiegermutter sah es daheim nicht wirklich toll aus, bei mir hatte sie aber dauernd was zu mäkeln und hat auch teilweise einfach was gemacht. Trotz meiner "ich will das nicht".

    Heute weiß ich, ich hätte auch besser den Kontakt abbrechen sollen, aber das konnte ich leider nicht. Ich war nicht fähig dazu. Damals.

    Deshalb möchte ich dich bestärken. Ich finde es gut, dass du hier bist um dir Hilfe zu holen. Alleine ist es sehr schwer, aus solchen Rollen heraus gehen zu können.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Aurora,

    ja, es tut gut, hier im Forum zu lesen und zu schreiben und sich endlich in seinen irgendwie nicht normalen Gefühlen etc. verstanden und bestärkt zu fühlen.
    Ich weiß, dass ich auch Co-Abhängig bin, so wie ich gefühlsmäßig mit meinen Eltern verstrickt bin, aber zumindest will ich da jetzt raus.

    Du sagst "das Verhalten deiner Eltern ist ja massiv übergriffig"--ufff... das sieht endlich auch mal jemand so!
    Man hat ja schon das Gefühl undankbar zu sein, irgendwie..., weil sie es einem ja auch verkaufen in dieses ständige "wir wollen ja nur helfen"... oder wenn wir dann ganz kaputt sind, weil wir eben alles alleine machen, um den vorprogrammierten Streit zu vermeiden heißt es noch, die wollten das ja so, danke!

    Nur ein Beispiel: Wir hatten neu gebaut und alles selbst gestrichen, ich mit Baby auf dem Rücken. Noch in der nacht vor dem 24.12. haben wir den Flur gestrichen, morgens hat mein Mann seinen Vater vom Flughafen abgeholt, während ich noch schnell den Tannenbaum geschmückt habe. Mein Vater muss natürlich morgens vorbeischauen, weil ja der Schwiegervater kommt und muss gleich erstmal die Schiefe Spitze der Tanne kritisieren... ich wär fast geplatzt und musste mich zusammenreißen, ihn nicht umgehend rauszuschmeißen, ich hatte evt. 3 Std. geschlafen und war froh, dass sie stand. :)

    Das würden sie vielleicht auch ohne Alkoholproblem machen, schwer zu sagen, oder ob sie damit von ihrem Problem und Mangel an sozialen Kontakten und Hobbies ablenken wollen.
    Auf jeden Fall ist allein schon dieses Verhalten eine Belastung und es tut gut, dass du das verstehst.
    Früher fanden sie es fast lustig, wenn sie uns sonntags morgens angerufen haben, so gegen 9 oder 10 und wir evt. so geweckt wurden. Da hätte ich schon was sagen sollen.
    Irgendwann haben wir mal gesagt, dass sie nach 20 Uhr nicht mehr anrufen sollen, außer es ist wichtig, weil wir abends zusammen ausspannen wollten... da waren sie auch lange sauer.

    Dieses ganze etwas "aufdringliche Verhalten", jedenfalls aus meiner Sicht, für mich, provozierte immer Streit zwischen mir und meinem Mann, weil er es gar nicht haben kann, er hat sich als Scheidungskind, bei der Oma aufgewachsen von seinen Eltern sehr früh distanziert - ich bin da das Gegenteil und halte nun schon 3 Wochen Funkstille aus und kann wie ja schon geschrieben schon mehr Distanz durchsetzen.

    Aber es ist schon eine Bürde als Einzelkind, die einzige "Lebenserfüllung" seiner Eltern in der Rente zu sein, weil sie sich anders nicht zu beschäftigen und ihr Leben mit Sinn zu füllen wissen. Beim letzten Gespräch habe ich das meiner Mutter auch an den Kopf geworfen und gesagt, sie sollen endlich ihr leben leben, in Urlaub fahren, der Garten kommt auch ohne sie klar...

    Mensch, jetzt ist das schon wieder so viel geworden, aber es muss mal raus....

    liebe Grüße,
    Dacoucou

  • Hey Dacoucou,

    ich bin etwas verwundert, weil du weiter oben im Beitrag an Aurora das Verhalten deiner Eltern beschreibst.. Was sie sich alles rausnehmen.. Und mir schreibst du da von einem guten Verhältnis.
    Meine Eltern sind soweit aus meinem Leben gestrichen- und das ist mir weitaus lieber als das, was du da schilderst.

    Sie scheinen dich beide, vor allem aber deine Mutter, emotional sehr zu erpressen.
    Aus diesem Grunde ist mir auch klar, dass das Verhalten deiner Mutter für dich schlimmer ist- war bei mir auch der Co-Vater, der mein Leben unerträglich damals gemacht hat. Er hat uns damals auhc die Schuld gegeben.. Wenn wir weniger anstrengend gewesen wären, lieber, höflicher und besser.. Die Beziehung zu ihnen besser. Dann wäre das alles nicht so gekommen. Aber gnädigerweise nur die Teilschuld- den anderen Teil bekommt ihre Familie.

    Ich denke nicht, dass das die Gedanken meiner Mutter sind... Mutter schob die Schuld auf die Ehe ^^
    Letztlich ists ihre eigene Schuld. Die Schuld deiner Mutter ist, dass sie es weiter mitmacht. Ebenso wie mein Vater. Meine Mutter trägt die Verantwortung für ihre Sucht alleine.

    Ich nehme an, dass mein Vater selbst die Schuld so verteilt, weil es für ihn so angenehmer wird. Menschen brauchen doch für alles unangenehme einen Auslöser. Lieber so, als dass irgendwas nicht kontrollierbar wäre. Und dann soll der Sündenbock möglichst noch jemand anderes sein und nicht man selbst.
    Ich finds widerlich, dass Kindern an einer Sache die Schuld gegeben wird, unter der sie selbst leiden. Aber dann ist diese Situation wohl auch besser zu verkraften- sonst müssten sich die Eltern noch über die Misere der Kinder Gedanken machen. So sind sie selbst Schuld und das schlechte Gewissen vom Tisch.
    Für mich waren diese Aussagen der Grund, das Verhältnis zu meinen Eltern zu kappen. Das konnte ich anders nicht mehr ertragen.

    Irgendwann habe ich meinem Vater mal gesagt, wie schlimm das für uns war. Seine Antwort: Dann hättest du was sagen müssen.

    Das waren so die Punkte, nach denen ich den Cut gemacht habe.
    Ich habe dann auch eine Therapie begonnen, aber nach 4 Sitzungen beendet, weil ich meine, dass ich sie nicht benötige. Es ging dann auch gar nicht mehr so sehr um die Vergangenheit und Co-Abhängigkeit, sondern um Übungen, mit denen ich an der positiven Wahrnehmung meines Tages arbeiten sollte. Das waren aber Dinge, die ich aus meinem Studium kannte- dazu brauchte ich dann keinen Therapeuten für 80Euro pro Sitzung.

    Vielleicht half mir mein eigenes Studium bei allem. Ansonsten denke ich, waren überlebenswichtige Ansichten schon seit meiner Kindheit vorhanden. Ich habe vieles von dem, was mir meine Eltern einzureden versuchten nicht geglaubt.
    Jetzt stehe ich mit 2 abgeschlossenen Staatsexamen mitten im Leben. Es läuft. Ich habe gerade nicht das Gefühl, dass mich meine Vergangenheit belastet oder einschränkt.

    Liebe Grüße
    Zimttee

  • Hallo Zimttee,

    ja du hast schon recht, an manchen Tage, "läuft es gut mit ihnen", was sicher nicht einem guten Verhältnis im normalen Sinn entspricht, aber zumindest meinem Wunsch an familiärer Harmonie entgegenkommt.
    Natürlich ist mein denken und fühlen da ziemlich subjektiv.

    So geht es mir ja auch mit den beschriebenen "Übergriffen", wo es mir schwer viel, Grenzen zu setzen, weil man nicht mehr weiß, ist das ok, muss ich das dulden, bin ich so unfamiliär, dass ich auch mal meine Ruhe will? Man stellt sich ja selbst immer in Frage - zumindest bin ich noch etwas auf dieser Stufe.
    Als ich vor ein paar Wochen mit einer Bekannten sprach und sie erzählte wie sie auf Verhalten ihrer Eltern oder Verwandten reagiert, so selbstverständlich, selbstbewußt, sich angrenzen zu können, das hat mich schon beeindruckt und ist mir auch ein Vorbild, dass man das auch so machen darf.

    So ein Kommentar wie der deines Vaters "Da hättest du was sagen müssen", habe ich auch schon mal von meiner Mutter bei einem Gespräch über meine Kindheit, Jugend gehört....
    du hast schon recht, es ist ein sehr ähnliches Verhalten.

    Mein Vater hat ja auch erst getrunken, als ich "schon" 12 war, die Kindheit davor war davon nicht beeinflusst.
    Aber dadurch sind familiäre Verhaltensweisen und Denkmuster entstanden, die wohl immer noch bestehen.
    Auch habe ich daraus einige Verhaltensweisen und auch Schwächen entwickelt. Vor allem hatte ich keinen Selbstschutz entwickelt.
    Vieles habe auch ich im Studium und danach noch mit meinem Mann aufgearbeitet. Da war ich 15 Jahre von zu Hause weg, studium, arbeit...
    Erst jetzt, in den letzten ca. 4 Jahren holt es mich wieder ein, spitzt sich zu und belastet mich. Mein Vater trinkt wieder, er war ja mal trocken, und stärker bzw. mit schlimmeren Folgen.

    Und erst durch ihr so "aufdringliches" Verhalten seitdem wir hier wohnen, habe ich angefangen, mich abzugrenzen, weil es nun einfach für mich "lebensnotwendig" geworden ist.

    Ich bin froh, dass ich hier eine Möglichkeit zum Austausch gefunden habe, denn mit den kleinen Kindern könnte ich nicht zu einer SHG gehen.

    LG Dacoucou

  • Hallo,

    ich muss mal wieder berichten.
    Ich habe es bis jetzt durchgehalten und mich nicht bei meinen Eltern gemeldet. Wir sind nur mal vorbei gefahren, um zu sehen "ob sie noch leben".

    Heute morgen hat mich nun meine Mutter angerufen.
    Sie wollte wissen wie es den Kindern geht und hat dann nach meinem Nachfragen auch berichtet, was sich bisher getan hat.

    Sie gehen jetzt beide in eine SHG mit professioneller Begleitung und es tut ihnen gut. Die Berater dort sagen, sie wollen sehen, ob mein Vater noch andere, mehr Hilfe braucht, oder ob er es so schaffen kann. Er selbst hat ja weiterhin Panik vor einer Therapie.
    Er hat wohl schon den kalten Entzug hinter sich und trinkt seit 3 Wochen nicht mehr...

    Das ist zumindest endlich ein Anfang, ich hoffe nur, dass er standhaft bleibt.
    Wir haben uns auch etwas über das, was passiert ist, ausgetauscht und ich habe ihr auch sagen können, wie es mir dabei geht und dass ich nicht mit ansehen werde, wie er sich "totsäuft", dass mich das zu sehr reinzieht und kaputt macht, dass sie sehr co-abhängig ist und dass ich es sehr gut finde, dass sie beide endlich diesen Schritt gegangen sind.

    Zumindest gab es dieses Mal keine Vorwürfe und wenn wieder welche kommen, werde ich sie jetzt auch selbstbewußter abblocken. Sie sagte nur, dass sie über das Verhalten meines Mannes etwas schockiert war, weil ich ja nicht mit zur Polizei sollte, und dass Sie mich dort gebraucht hätte, nicht mein Vater. Tat tut mir ja ein wenig leid, aber sie hat es mir nicht so gesagt und meine Aufgabe war es trotzdem nicht, da hinzufahren. Mein Mann schützt mit seinem Verhalten uns. Andere Männer wären bei solch einer "Schwiegerfamilie" vielleicht schon längst weg oder wie reagieren eure Partner?

    Ich habe ihr auch gesagt, dass ich hier im Forum eine Art SHG für mich gefunden habe.

    Ich muss mich etwas bremsen, jetzt gleich wieder zu optimistisch zu sein, aber endlich haben sie die Sache in die eigene Hand genommen.
    Oder wie sehr ihr das?

    Wünsche euch allen noch einen schönen Tag!
    Dacoucou

  • Hallo dacoucou,

    erst einmal finde ich es natürlich GUT, das Deine Eltern diesen Schritt getan haben. Das ist ja auf jeden Fall erstmal ein Schritt in die richtige Richtung.

    Ich bin aber auch ein bisschen skeptisch, wenn ich das beispieslweise lese:

    Zitat

    Er selbst hat ja weiterhin Panik vor einer Therapie.
    Er hat wohl schon den kalten Entzug hinter sich und trinkt seit 3 Wochen nicht mehr...


    Das zeigt mir erstmal, das Dein Vater noch nicht viel über unsere Krankheit weiß/begriffen hat.
    Ich meine das jetzt nicht abwertend/negativ, sondern nur als sachliche Feststellung.
    Denn ein kalter Entzug kann beispielweise durchaus tödlich ausgehen.
    Ich wußte das auch lange nicht.

    Das zweite ist, das wir PROFESSIONELLE HILFE brauchen, um aus dem Teufelskreis Alkohol nachmal rauskommen zu können.
    Dem einen kann wirklich eine SHG ausreichen, ein anderer braucht aber auch zusätzlich noch ein Therapie.
    Und ich kenne sogar trockene Alkoholiker, die weder eine Thera noch eine SHG hatten/haben.
    Das ist ein Weg, den ich persönlich allerdings eher nicht empfehlen würde.
    Schon gar nicht für gerade erst abstinent lebende Menschen.

    Ich hoffe für Deinen Vater, das er seine Krankheit annehmen kann.
    Das ihm ganz klar wird, das er keine Willensschwäche hat oder ein Versager ist, weil er trinken muss, sondern das er KRANK ist.
    Das ist für mich übrigens die Grundlage für jegliche "Trockenheitsarbeit", wie wir das hier ja oftmals nennen.

    Zitat

    Das ist zumindest endlich ein Anfang, ich hoffe nur, dass er standhaft bleibt.


    Wenn ich das so lese, dann erkenne ich daran auch immer wieder, wie schwer verständlich unsere Krankheit für Nichtbetroffene ist. :wink:
    Es geht hier nicht um "durchhalten" oder "standhaft bleiben", so ist das doch nur ein Kampf mit der "Faust in der Tasche".
    Und den verliert man sehr wahrscheinlich früher oder später...
    Aufgeben ist viel eher die Devise.
    Und erkennen, das man völlig machtlos ist im Kampf gegen den Alkohol.
    Der wird nämlich immer wieder gewinnen.
    Kapitulation eben... und das war auch bei mir so, das ich kapitulierte.
    Das ist nix defensives oder etwas wofür man sich schämen müßte, wenn man vor einem mächtigen Gegner kapituliert, gegen den man eh niemals gewinnen könnte.
    Das ist eher schlau :wink:

    Zitat

    Ich muss mich etwas bremsen, jetzt gleich wieder zu optimistisch zu sein, aber endlich haben sie die Sache in die eigene Hand genommen.
    Oder wie sehr ihr das?


    Hm, was soll ich Dir Hobbyoptimistin dazu schreiben... ich wäre selbst optimistisch, wenn ich in Deiner Lage wäre :lol:
    Ich würde mich aber auch etwas einbremsen, weil ich weiß, das dieser Weg nicht einfach wird.
    Aber er ist zu schaffen !
    Sieht man ja auch hier im Forum an vielen Stellen. :)
    Es kommt ganz darauf an, was Deine Eltern aus der Hilfe machen, die sie sich nun gesucht haben.
    Kein Therapeut und keine SHG kann jemand trocken legen, das ist ein Prozess, wo vom Betroffenen absolute Mitarbeit nötig ist.
    Ohne die wird das Ganze nix.
    Und da kann ich natürlich Deine Eltern nicht einschätzen, kenne sie ja nicht.

    LG Sunshine
    die "trozdem" ganz fest die Daumen drückt ! :)

  • Hallo Sunshine,

    dann will die "Hobbyoptimistin", was auch immer du damit sagen willst, dir mal antworten...

    Dass ein kalter Entzug gefährlich ist, weiß ich durchaus und habe es ihm jetzt auch noch mal gesagt, ... da sind meine Eltern, vor allem meine Mutter sehr "blauäugig".
    Mein Vater ist aber auch kein Spiegeltrinker und kam auch so mehrere Tage ohne Alkohol aus, deshalb war es wahrscheinlich auch nicht so schwer.

    Ob diese SHG mit ausgebildeten Betreuern reicht... ich weiß es auch nicht.
    Er hat ja schon eine Langzeittherapie gemacht und kennt seine Krankheit.
    Mir und meinem Mann wäre eine "richtige" Therapie auch lieber, vor allem müßte mein Vater mal professionell vieles aus der Vergangenheit aufarbeiten und an seinem geringen Selbstbewusstsein arbeiten. Aber leider kann ich ihn dazu nicht zwingen...

    Ich habe mit ihm gesprochen und er war froh mich zu sehen. Er sagt, es macht das jetzt FÜR SICH. Ich habe ihm auch erzählt, dass ich versucht habe mir hier Hilfe zu holen und auch gefragt habe, was ich tun kann - eben nichts. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir nicht mitansehe, wie er sich todsäuft... und dass er sich jetzt die Hilfe holen muss, die er braucht.

    In den drei Tagen, als er weg war, hatte er nichts gegessen und getrunken, der hätte das nicht viel länger gemacht..., wäre aber aus Angst nie nach Hause gegangen und er war so froh, das meine Mutter ihn hat suchen lassen.
    Ich hoffe, jetzt war er wirklich ganz unten, und das dieser Klick reicht!

    Das mit dem "standhaft" bleiben war nicht gut ausgedrückt - ok.

    War am Montag mit dem "Mini-Zwerg" schon mal kurz bei Ihnen, die waren so froh, uns zu sehen und den strahlenden Zwerg im Arm zu halten... mein Vater hatte Tränen in den Augen und sagte "der ist so süß", ich hoffe, ein Grund mehr, jetzt sein Ziel weiter zu verfolgen.
    Heute mittag fahre ich mit beiden Zwergen zum Essen hin. Der große wird sich freuen, Oma und Opa wieder zu sehen...

    Im Moment geht es mir besser, ich bin natürlich optimistisch und hoffe das beste.

    Liebe Grüße,
    Dacoucou

  • Hallo dacoucou.

    da hat sich bei meinem Text ein Schreibfehler eingeschlichen. :oops:
    Das sollte heißen:

    Zitat

    Hm, was soll ich Dir als Hobbyoptimistin dazu schreiben


    Ich bezeichne mich selbst öfters mal als Hobbyoptimistin, so war das gemeint. :)
    Und das ich eben als solches auch Hoffnung hätte, so wie Du die auch ein kleines bisschen hast.

    Tut mir leid, das kam so natürlich missverständlich rüber :oops:

    LG Sunshine

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