Hallo liebe Forenmitglieder,
ich möchte mich hier erst einmal vorstellen und versuchen, von meiner Situation zu berichten. Es ist sicher nicht so schlimm wie andere Schicksale, aber ich kann auch schon gar nicht mehr einschätzen, was noch "akzeptabel, oder erträglich ist" und was nicht... vieles wirkt ja irgendwann auf einen normal, weil man es nur so lebt... fallt ihr versteht, was ich damit meine.
Es ärgert mich, dass mich der Alkoholismus meines Vaters immer wieder emotional mit reinzieht und mich und meine Familie belastet.
Ich muss das hier einfach mal loswerden und vielleicht mag mir der/die eine oder andere ja Antworten bzw. darauf reagieren. Ich würde mich sehr freuen.
Ich bin ein erwachsenes Kind eines alkoholkranken Vaters. Ich selbst trinke nicht, mein Mann auch nicht und wir haben zwei wunderbare noch sehr kleine Kinder, Haus und Garten, beide Arbeit und keine finanziellen Sorgen. Ich war wohl so etwas wie der Held und das stille Kind, als ich noch zu Hause war (Einzelkind). Irgendwie habe ich mein Leben ganz gut selbst organisiert, meine Eltern haben mich immer unterstützt, bei Umzügen und auch finanziell, aber das emotionale blieb irgendwie etwas auf der Strecke.
Mein Vater begann für mich ersichtlich an zu trinken, als ich ca. 12 Jahre alt war. Hierfür gibt es den einen oder anderen "Auslöser", Grund mag ich das nicht nennen.
Natürlich konnte ich zu dem Zeitpunkt dem Ganzen keinen Namen geben, habe Flaschen versteckt, oder weggekippt, es irgendwann auch meiner Mutter gesagt, die riecht den Alkohol nicht, dann war ich die "Petze" bei meinem Vater, wer ist das schon gerne?
Es ging gefühlsmäßig immer auf und hab, zwischen Haß und Liebe.
Zwischen meinen Eltern gab es immer wieder Streit, oft habe ich geschlichtet, weinende Eltern getröstet... Meine Mutter tat mir leid, aber ich war auch auf sie sauer, dass sie dem nicht ein Ende setzte.
Mein Vater hat wohl regelmäßig getrunken, war aber nie betrunken, hat wahrscheinlich nur seinen Pegel gehalten, man hat es so nicht gemerkt, im Urlaub kam er auch gut ohne aus. Er hat nie geschlagen, war aber zu mir dann oft sehr unfreundlich, agressiv, beleidigend... die Reaktion meiner Mutter war oft nur zu sagen, dass wir uns mehr zusammenreißen sollten (als wäre ich mitschuldig an den Streitereien). In Schutz genommen hat sie mich nicht, höchstens dann wieder mit meinem Vater gestritten, weil er getrunken hatte.
Nach außen hin waren wir eine nette Familie, mein Vater immer gern gesehen und sooo freundlich, so ist es oft immer noch, nur mit mir und meinem Mann kann er soooo unfreundlich, angreifend, verletzend sein., wenn er "trocken" ist, ist er aber auch sehr nett und ein toller Opa.
Als ich jung war, konnte ich mit niemandem darüber sprechen, ich fühlte mich von allen "beobachtet", komisch angeschaut, wußte ja nie, wer es vielleicht weiß, wer ihn beim Einkaufen sieht (Kleinstadt).
Inzwischen ist mir der Gedanke, dass er sich irgendwo was holt und dann betrunken wo sitzt, immer noch mehr als unangenehm, aber ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist und kann auch offen zu Leuten sagen, ja, er ist Alkoholiker, ich will mich nicht verstecken, ich kann nichts dafür - aber Stolz ist man darauf auch nicht.
Als ich 20 (ich war inzwischen aus- und weggezogen) war machte er eine Therapie, da er sonst seine Stelle verloren hätte. Danach ging es wohl eine zeitlang "gut". Mit dem Beginn der Rente wurde er noch depressiv und trank auch wieder mehr. Wir versuchten, ihn zu motivieren, sich und seinem Leben einen Sinn zu geben, zu reisen... aber meine Eltern sind da sehr auf sich bezogen, sehen nur "Ihre Arbeit" an Haus und Garten, es ist ja soo viel zu tun.
Nun sind wir vor ein paar Jahren wieder in die gleiche Stadt gezogen, auch für die "Enkel", wussten aber auch nicht, wie "schlimm" es um ihn stand...
Er war oft agressiv, unfreundlich, ungenießbar mit uns..... nach vielen Jahre hat er nun die Depression "akzeptiert" und nimmt Tabletten, so sind die Stimmungsschwankungen und Weinerlichkeit weniger geworden. Zwischendurch hatte er eine kurze Gesprächstherapie, die aber auslief und seitdem läuft es so vor sich hin - Aber er trinkt immer wieder.
Inzwischen ist es in den letzten drei Jahren schlimmer geworden, selbst seit unsere Kinder da sind, was ich umso schlimmer empfinde, da ich hoffte, dass er wenigstens für die Enkel aufhört. Ich hatte mir so gewünscht, dass er für sie eine Therapie macht.
Ich habe ihn betrunken auf der Straße erlebt und musste die Polizei rufen, was er mir sehr übel nahm. Er ist bei unserem Sport vor unseren "Bekannten" betrunken aufgetaucht.
Wir haben ihn mit Baby im Auto einen Tag lang gesucht, weil er nach einem Streit abgehauen war und erst am nächsten Tag wieder kam.
Mehrmals ist er wohl betrunken gestürzt, kommt dann erst nachts nach Hause, wenn er wieder gehen kann. - wenn ich mir das nur vorstelle, wir mir schon ganz anders.
Kurz vor der Geburt unseres zweiten Kindes wurde er nachts von jemandem mit 2,8 pro Mille auf einer Bank gefunden, Krankenwagen und Polizei wurden gerufen. Er wollte nicht nach Hause und so kam die Polizei bei uns vorbei, verstand aber, dass ich einen angetrunkenen Vater nicht ins Haus wollte. Er hätte uns nur etwas vorgeheult und wäre evt. noch agressiv geworden, wir haben das durchaus schon mal versucht...
Dennoch fühlte ich mich danach so schlecht, ihn "abgewiesen" zu haben und war zugleich sauer auf ihn, wie er erwarten kann, dass ich ihn so aufnehme, nur weil er sich nicht zu seiner Frau nach Hause traut.
Meine Mutter leidet mit, ich habe ihr Adressen von Therapeuten, für sie und ihn, für Selbsthilfegruppen etc. gegeben... doch sobald er wieder da ist und alles gut läuft, ist für sie die Welt wieder in Ordnung und alles Geheule wieder vergessen, als wäre nichts gewesen. Er wollte endlich eine Therapie machen, dann wurde das Programm wohl in der Klinik beendet und dann war doch wieder alles "gut".
Das letzte Mal hat er sich einen Tag nach einer Familienfeier (auf dem er ein toller Opa war) betrunken, kam erst nachts verletzt (durch Sturz) nach Hause und ist nach einem Streit zwischen meinen Eltern danach drei Tage und Nächte verschwunden...Ich habe dies erst zwei Tage nach seinem Verschwinden erfahren, als meine Mutter nicht mehr wusste, wo sie noch suchen soll und sich bei uns ausgeheult hat, bis sie endlich bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgab... er war die ganze Zeit draußen, hatte keine Jacke dabei... und wir wussten nicht, ob wir ihn lebend wieder sehen, oder er schon irgendwo liegt, sein Handy hatte er ausgestellt, ich habe auf trotzdem immer versucht, anzurufen, auf AB gesprochen, eine Nachricht geschickt...... - bis er am nächsten Tag (nach 3 Tagen und Nächten) lebend aufgefunden wurde.
wie es mir dabei und danach ging kann sich vielleicht der eine oder andere vorstellen... ich war sauer auf ihn, dass er sich nicht meldet und zugleich besorgt - es war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen, ich konnte seinen guten Zustand auf der Feier und dieses Verhalten nicht zusammenbringen.. und hatte mehr als eine Woche etwas davon (emotional) - eigentlich ist mein Vater ein "armes Sch...", dass nicht den Mumm hat, "nein" zum Alkohol zu sagen und dann noch vor Angst tagelang durch die Gegend irrt, aber es macht mich auch sauer, dass er nur "an sich denkt", sich nicht mal bei mir meldet um zu sagen, "ich lebe noch, muss aber mal nachdenken". Ob er sich überhaupt vorstellen kann, welche Sorgen ich mir dabei mache und wie besch... es mir dabei geht?
Wir hatten zu der Zeit Urlaub, waren aber zu Hause, die ganze Erholung und Lebensfreude war tagelang futsch... ich musste mich und mein Seelengerüst wieder vom Boden aufkratzen, mein Mann war schlecht gelaunt, weil wir meinen Vater suchen waren und uns Sorgen machten anstatt zum Badesee zu fahren.
Als er gefunden wurde, war er wohl angetrunken und wollte nicht nach Hause, ich sollte mit meiner Mutter zur Polizei kommen, um ihn nach Hause zu bringen. Das hätte ich auch getan, aber mein Mann war vehement dagegen, womit er wohl auch recht hatte. Aber ich aber enorme Schwierigkeiten, mich emotional von ihnen abzugrenzen und sie ich habe das Gefühl dass sie mich da auch nicht einfach raus lassen - sondern sie sich immer wieder aufdrängen. Meine Mutter war schon etwas sauer, dass ich nicht mitkam (auch wenn ich das von meinem Kind nie erwarten würde, das habe ich ihr hinterher am Telefon auch gesagt) und ich fühle mich da so zwiegespalten, will ihnen helfen, weiß, dass es nicht viel bringt und mir nicht gut tut, und meiner Familie auch nicht, aber auch, dass sie dann sauer sind.
Es fiel mir schon sehr schwer, endlich auf ihre regelmäßigen Spontanbesuche zu familienunfreundlichen Zeiten zu reagieren und eine vorherige Absprache zu wünschen - aber selbst das haben sie kaum respektiert, sie fanden es nahezu unverschämt, nur auf "Termin" kommen zu dürfen oder es wird mir vorgeworfen "wir wissen ja gar nicht mehr, wann wir noch kommen dürfen" und sie "fühlten sich nicht willkommen" (was leider auch etwas stimmt, da meistens unser Haus und Garten dann kritisch beäugt werden und fast nie ein Kompliment zu hören ist, sondern eher " Wir könnten ja helfen", das läuft aber wenn überhaupt nur einen Tag gut, dann muss mein Vater zwischendurch nach Hause trinken und wird wieder "unausstehlich") Anstatt mit den Enkeln zu spielen, würden sie am liebsten bei uns Unkraut jäten. Und bei meinem Vater weiß ich ja nie, wie seine Stimmung gerade ist, auch wenn die Kinder sie lieben. Unsere Kinder überlassen wir ihnen auch nicht alleine, so hart es scheinen mag, aber leider habe ich da kein Vertrauen mehr, mein Mann noch weniger - auch wenn meine Mutter dies als Vertrauensbruch in ihre Person und ihre großmütterlichen Fähigkeiten sieht.
Nun ja, diese letzte "Aktion" meines Vater ist nun zwei Wochen her.
Ich hatte meine Mutter nochmal angerufen, nachdem sie ihn abgeholt hatte, eigentlich wollte sie ihn bei diesem Mal vor die Tür setzen - sie wird es nie tun. Sie hat ja nur ihn und ihr ist es lieber, er ist da und trinkt ab und zu, als ohne ihn weiterzuleben - das hat sie mir so gesagt, als er verschwunden war.
Ich durfte mir bei diesem Gespräch sogar noch anhören, dass es wohl auch an uns liegt (nicht zum ersten Mal), weil mein Mann und mein Vater sich nicht so viel unterhalten (wie auch, die Gesprächsthemen meines Vaters sind beschränkt, er sich gibt sich da auch nicht wirklich Mühe, mein Mann ist nach solchen Aktionen auf ihn nicht gut zu sprechen - was man wohl auch verstehen kann, oder wie reagieren Eure Partner darauf?, dennoch gibt er sich immer noch Mühe mit meinen Vater / meine Eltern sollen nicht mehr bei uns helfen und nicht ständig vorbeikommen, sie bekommen die Enkel nicht alleine überlassen - aber dies ist erst aus den Streitereien und der Kritik der letzten Jahre als Reaktion von uns entstanden, unser Selbstschutz sozusagen. Wir hatten auch gehofft, von der Nähe der Großeltern zu "profitieren", stattdessen ist es eine zusätzliche Last geworden.
Ich bekam auch noch zu hören, dass mein Mann ja auch mal eine Therapie machen sollte, da er sich mit seinen Eltern nicht so gut versteht - worauf ich dann doch entrüstet sagen musste, dass meine Eltern wohl erst einmal eine Therapie nötig hätten.
Und schließlich meinte sie noch, dass es für meinen Vater ja ganz schrecklich sein muss, dieser Drang so stark, dass er nicht gegen ankommt - aber er muss ja gegen die Scham ankommen, das Zeug erst einmal zu kaufen...
und dass wir diese "Krankheit" (auch wenn Alkoholismus so eingestuft wird) ja vielleicht auch irgendwann bekommen könnten... fand ich schon dreist, darauf fehlten mir dann auch die Worte.
Zwei Tage später haben wir sie vor Freude strahlend auf einem Stadtfest getroffen. Ich war wie versteinert, mein Vater hat mich wie eine entfernt Bekannte kopfnickend begrüßt und wir sind dann schnell weiter... ich hatte tagelang einen dicken Stein im Magen...
seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört und mag da auch ehrlich gesagt nicht anrufen oder vorbeifahren (wohnen nur ein paar Minuten entfernt). Bisher war ich es immer, die wieder den Kontakt aufnahm aber ich finde auch, dass sich mein Vater wirklich mal entschuldigen könnte, oder wie sehr ihr das?
Und danach werden sie irgendwann wieder sagen, aber die Kinder könnten ja auch mal bei uns schlafen und eingeschnappt sein, wenn wir nein sagen?
Es wäre so schön, ein normales Familienverhältnis zu haben und ein gutes Enkel-Großeltern-Verhältnis zu leben, das zw. mir und meinen Eltern wird sicher irgendwie immer gestört bleiben... aber wenn sich nicht radikal etwas ändert, wird das vielleicht nie etwas.
Das Schlimme ist für mich dann noch, dass meine Mutter sagt, "wenn ihr euch für uns schämt, dass müsst ihr es sagen und weg bleiben". Damit fühle ich mich dann wieder schuldig und habe das Gefühl, die ganze Verantwortung wird auf mich abgeladen - sie wollen uns ja so gerne helfen und auf die Enkel aufpassen, alles andere sehen sie dann nicht.
Das ist jetzt sehr viel geworden, aber allein das in Worte fassen hilft schon ein bisschen. Wie einen so etwas beschäftigen kann...
Wie seht ihr das von "Außen"? Ich stecke da ja mitten drin und kann mein Verhalten und meine Reaktionen meinen Eltern gegenüber nicht objektiv bewerten.
Sagt einfach, was ihr denkt, auch mit Kritik kann ich inzwischen umgehen - wenn sie konstruktiv ist.
Liebe Grüße, Dacoucou