Hallo, bin neu hier und möchte mich vorstellen. Ich bin Marius, beruflich recht erfolgreich, sportlich, in zweiter Ehe glücklich verheiratet, reise gern und viel, Kinder sind groß und aus dem Haus. Ich bin gesund, aktiv, habe Freunde, also alles in Ordnung. Könnte man meinen. Wenn da nicht dieses schlechte Gewissen wäre, das ich nun seit bestimmt bald 20 Jahren mit mir herumtrage. Ich trinke eigentlich seit ich 18 bin täglich Alkohol. Natürlich fängt man klein an, bei einem Radler oder so. Mit 30 war ich dann bei 3 bis 4 Bier oder einen halben Flasche Rotwein. Ich habe mir Lebensträume erfüllt, bin beruflich ausgestiegen und ein Jahr durch die Welt gereist, habe Häuser gekauft und gebaut und im Job immer meinen Mann gestanden. Meine erste Ehe verlief mit den Jahren nicht mehr gut. Wegen des Kindes ist man letztendlich fast 20 Jahre zusammen geblieben. Aber ob das der Grund ist, weshalb der Alkohol eine immer größere Rolle gespielt hat, kann ich nicht sagen. Ich habe irgendwann angefangen, mir Sorgen zu machen, habe alle möglichen Bücher und Internetseiten zum Thema Alkohol gelesen. Heute weiß ich um die Mechanismen. Die Dosissteigerung habe ich am eigenen Leib erfahren. Seit etwa einem Jahr bin ich bei ca. 1 Liter Wein pro Tag angelangt, oft kommen noch vorher ein paar Bier dazu, gegen den Durst. Leider spielt sich die Sache hauptsächlich zu Hause vor dem Fernseher ab, wenn meine Liebste um 9 ins Bett gegangen ist. Meine Frau trinkt auch, allerdings täglich nur etwa 1-2 Gläser Wein. Sie kann einfach nicht nachvollziehen, wieso es mir nicht gelingt, meinen täglichen Konsum zu begrenzen. Ein so toller Typ wie ich hat doch keinen Kontrollverlust nach einem Glas. Doch, den habe ich. Wenn ich trinke, dann so lange, bis ich mein Wohlfühlgefühl erreicht habe und das beginnt halt erst bei einem Liter. Ich bin seit Jahren hin und her gerissen, denn eigentlich trinke ich gerne. Mit einem halben Liter im Kopf bin ich witzig, spontan, reiße andere mit, fühle mich frei und stark. Später dann, bei einem Liter werde ich ruhig, müde, benebelt und falle oft wie ein Stein ins Bett. Allerdings brauche ich mindestens 9 Stunden Schlaf, um am nächsten Morgen meinen stressigen Job halbwegs machen zu können. Und eigentlich sind meine Vormittage nicht mehr angenehm. Ich kann mich schlecht konzentrieren, bin im Denken zerfahren, nicht wirklich belastbar und gerate schnell in Stress. Am Nachmittag geht's dann so langsam wieder besser. Noch vor einigen Jahren gab es den ersten Drink nicht vor 20.00 Uhr. Das hat sich geändert. Heute passiert es oft, dass ich gegen 18.00 Uhr nach Hause komme und mir am Kühlschrank erstmal ein großes Glas Weißwein genehmige. Das zweite dann um 19.00 Uhr und so weiter und so weiter. Der Suchtkreislauf eben. Seit etwa 3 Jahren habe ich immer wieder "Alkoholfasten" gemacht und jeweils ein paar Wochen nicht getrunken. Das ging in den ersten Tagen nur mit medikamentöser Unterstützung, weil ich sonst einfach nicht schlafen konnte. Dann habe ich mich also abstinent durch 4 bis 6 Wochen gequält und war am Ende froh, endlich wieder trinken zu können, ich kann ja schließlich aufhören, wenn ich will. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass sich mit jeder Abstinenzphase die tägliche Dosis letztendlich gesteigert hat. Und heute nun bin ich jetzt nach vielen Jahren und allen möglichen Irrungen und Wirrungen endlich an einem Punkt angelangt, an dem ich sagen kann: Ich muss aufhören muss die Notbremse ziehen, alles andere funktioniert nicht. Versteht mich richtig, ich würde sooo gern weiter trinken, ich kanns mir dauerhaft auch ohne gar nicht vorstellen, aber ich muss, es führt kein Weg dran vorbei. Ich gehe sonst vor die Hunde. Wahrscheinlich trinke ich in drei Jahren 1,5 Liter und in 5 Jahren 2 Liter am Tag, wenns denn überhaupt noch so lange dauert. Ich will das nicht! Ich will die Kontrolle zurück. Was ich um Gottes Willen nicht will, ist, mich überall als Alkoholiker zu outen. Ich habe mich meiner Frau erklärt, sämtliche Alkoholvorräte aus dem Haus verbannt, zusammen mit ihr Notfallpläne geschmiedet, für 2017 tolle Urlaube geplant und bin bereit, den „Kampf“ aufzunehmen. Am Sonntag ist es nun genau 5 Wochen her, dass ich meinen letzten Wein getrunken habe. Durch die reine Entgiftung bin ich also gut durchgekommen. Ich merke allerdings, dass ich mich unbedingt längerfristig mit dem Thema auseinandersetzen muss. Deshalb habe ich mich in diesem Forum angemeldet.
In den letzten Wochen haben meine Frau und ich die Abende oft zu Hause verbracht. Bei einigen Abendessen mit Freunden und Bekannten ist es mir nicht weiter schwer gefallen, abstinent zu bleiben. Es stört mich auch nicht sonderlich, wenn meine Frau außer Haus mal einen Wein trinkt, solange es nicht zu Hause ist. Hier gibt’s nichts mehr.
Aus meiner Vorgeschichte weiß ich allerdings, wie schnell man seine Abstinenzmotivation verlieren kann. Was mich manchmal verrückt macht, sind solche Bilder im Kopf vom Urlaub unter Palmen, mit einem Glas kalten Weißweines in der Hand, oder den Cocktail (bei mir meistens der mörderische Gintonic) abends an der Strandbar, das Bier in der Mittagspause bei einer schönen Radtour, usw..
Stimmungsmäßig hänge ich momentan ziemlich durch. Ich fühle mich irgendwie unfroh, ein wenig antriebs- und lustlos. Manchmal reagiere ich aufbrausend, was eigentlich gar nicht mein Naturell ist.
Die Kunst wird es wohl sein, sich seines Leidensdruckes bewusst zu bleiben und die notwendige Motivation dauerhaft aufrecht zu erhalten.
Vielleicht mal so viel für den Einstieg.
Was ich mir vom Forum wünschen würde, ist der längerfristige Austausch mit Menschen, die sich Gedanken zum Umgang mit Alkohol machen und die mich vielleicht an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.
Herzliche Grüße
Marius