Persönlicher Tiefpunkt

  • Sollte man sich nicht auch mit Vergangenheit beschäftigen, um nicht irgendwann wieder an einem persönlichen Tiefpunkt anzukommen? Natürlich blicke ich nach vorne, aber gelegentlich auch zurück, um nicht zu vergessen wohin ich definitiv nie mehr zurück will.

  • Es ist sehr individuell. Es wurde ganz langsam immer schlechter. Ich könnte sagen mein Tiefpunkt hat sich ewig gezogen. Dann kam erst mal überhaupt die Entscheidung erst mal nichts zu trinken. Für sechs Wochen. Dann nach einer Woche wollte ich auf drei Monate verlängern. Dann auf ein Jahr. Weil ich anfing überhaupt erst zu sehen wie mein Leben war. Was ich für normal gehalten hatte. Und wie es mir jetzt ging. Dann habe ich gelesen. Beiträge geschaut. Die Veränderung gespürt. Und dann kam die Einsicht. Dann wurde mir erst klar, dass ich nicht nur Probleme mit Alkohol hatte. Sondern, dass ich Alkoholiker bin. Und dass ich wie meine Väter enden würde. Und dann habe ich mich hier angemeldet. Hier wurde mir dann klar, dass nicht trinken nicht ausreicht. Also bin ich zu den AA. Dann habe ich erst richtig angefangen nüchtern zu leben. Neue Rituale, Änderungen im Freundeskreis, in meinem Umfeld, in mir.

    Also hat sich meine Erkenntnis praktisch ebenfalls ähnlich gezogen wie mein Tiefpunkt.

    Ich kann also nicht sagen es gab DEN Moment als mir alles klar wurde. Es war ein Prozess bei mir. Der bei mir erst richtig statt fand als ich nüchtern war.

  • Sollte man sich nicht auch mit Vergangenheit beschäftigen, um nicht irgendwann wieder an einem persönlichen Tiefpunkt anzukommen.

    Ich weiß doch was zu meinem Tiefpunkt geführt hat, warum nochmal rückwirkend damit beschäftigen? Mag für den einen oder anderen wichtig sein. Für mich irrelevant.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo zusammen,

    heut mal etwas provokativer gefragt.

    ...

    Mal überspitzt gesagt „wenn der Tiefpunkt weg ist kann ich ja wieder saufen. Ich habe ja wieder Luft nach unten.

    ...

    Für mich war es auch wichtig das ich meinen Tiefpunkt oder die Erkenntnis aufhören zu müssen (nicht zugetragen bekommen hab) ...

    Tiefpunkt = der Punkt ohne Wiederkehr (Point of no Return) ?

    Tiefpunkt … ist es nun die Erkenntnis aufzuhören (müssen) oder der Punkt, wo sich gar nichts mehr bewegt?

    ...das ist eine interessante Frage. Vielleicht ist der persönliche Tiefpunkt der lichte Moment in dem man wirklich erkennt: Ich kann nicht mehr!

    Vielleicht. Mir geht es ähnlich, ich weiß nicht was gemeint ist!

    Tiefpunkt – der Punkt, wo sich gar nichts mehr bewegt/ man am Boden ist oder der Punkt, an dem man etwas ändert/ es sich wieder etwas bewegt?

    Erst als ich nüchtern (abstinent) wurde, erkannte ich den tiefsten Punkt in meinem Leben, nämlich den, als mich der Alkohol fest im Griff hatte und ich Dinge tat, die ich mit klarem Kopf nie getan hätte.

  • Hallo zusammen,

    Bei mir war der Tiefpunkt der Moment der Erkenntnis. Als ich erkannte, dass ich mich auf Raten selbst umbringe. Denn das Trinken war nicht mehr mit etwas angenehmen verbunden sondern fühlte sich wie die Einnahme von Gift an. Was es im Endeffekt ja auch ist.

    Schwieriger ist für mich nach wie vor die Aufarbeitung des Rückfalls. Trotz vorherigem Tiefpunkt. War er nicht tief genug? Hatte ich ihn verdrängt? Brauchte ich einen weiteren?

    Der zweite Tiefpunkt war mehr psychischer Natur. Die Erkenntnis nicht nur mich selbst und meine Frau sondern auch meinen Kumpel, damals die wichtigste Vertrauensperson, enttäuscht zu haben. Er hatte angeboten, dass ich ihn jederzeit kontaktieren kann. Ich habe es erst mit einiger Verzögerung getan. Das war für mich ein Tiefpunkt. Man könnte es auch als Wendepunkt bezeichnen.

    LG

  • Hallo Fibonacci,

    „ der Moment der Erkenntnis“ kam aber erst im nüchternen Zustand? Also einige Tage (?) nachdem du aufhörtest? Psychisch.

    Oder ging es dir körperlich so schlecht? Mal vom Besoffensein abgesehen.

    MfG

  • Ich glaube die Konsequenz alles zu verlieren wurde mir erst im nüchternen Zustand bewusst. Um nicht zu sagen, ich habe es erst sehr viel später realisiert, was alles auf dem Spiel stand. Ganz bewusst wurde es mir erst als ich hier im Angehörigenbereich gelesen habe.

    Ich glaube im Moment des Tiefpunktes war es Todesangst. Angst die Kontrolle über mein Leben komplett zu verlieren. Und eben die Erkenntnis mit dem Gift, denn jeder Schluck brachte mich der endgültigen Vergiftung näher.

    Aber da war noch mehr, jetzt wo ich darüber nachdenke. Man kannte den völligen Absturz ja von anderen, vom Hörensagen oder aus den Medien. Aber man selber hatte ja alles unter Kontrolle... In dem Moment, als ich mir unter Würgen ein weiteres Glas rein gekippt habe, nur damit die Todesangst aufhört, in dem Moment habe ich erkannt, dass ich bereits genau an diesem Punkt bin.

    Puh, das habe ich so noch nie geschrieben. Und auch nicht in dieser Ausführung darüber gesprochen.

    Fühle mich irgendwie komisch aber es ist nicht unangenehm. Ich muss das für mich erstmal verdauen.

    LG

  • Hallo Fibonacci,

    danke für deine offenen Worte. Ich finde es interessant, wie es anderen erging.

    Mich hat nie etwas "gewürgt" , ich trank immer "freiwillig" , so doof wie`s klingt, ohne Ekel, bis zum Einschlafen, auch jeglicher Brechreiz war abhandengekommen.

    Auch kannte ich, div. Abgestürzte, mein Vater soff unsäglich, darüber machte ich mir im Suff nie Gedanken. Ich lebte in meiner alkoholisierten Welt, fuhr führerscheinlos, alkoholisiert Auto und kam gar nicht auf den Gedanken irgendetwas falsch zu machen, daß es Konsequenzen haben könnte, mir kam gar nicht in den Sinn, daß es andere bemerken (daß ich besoffen bin).

    Also völlig entrückt.

    Heute, so im Nachhinein, ist es mir zwar unheimlich peinlich, doch ich kann darüber reden - genau, daß war meine Erkenntnis: ich wurde durch Alkohol ein völlig anderer, jegliche Vernunft, normales Nachdenken war nicht mehr existent. War es eine alkoholbedingte Psychose?

    Einmal editiert, zuletzt von achelias (5. Mai 2022 um 21:36)

  • Hatte schon öfter persönliche Tiefpunkte (nicht nur was den Alkohol angeht).

    Aber immer wenn ich den einen Tiefpunkt überwunden hatte, fing ich an mich irgendwie wieder zu sabotieren. Dann ging es natürlich wieder abwärts bis zum nächsten Tiefpunkt usw .... ich möchte keine Tiefpunkte mehr haben, sondern endlich mein Leben leben, Träume haben und auch verwirklichen. Ich denke, dass ich wieder eine Zukunft habe.

  • Ich kann also nicht sagen es gab DEN Moment als mir alles klar wurde. Es war ein Prozess bei mir. Der bei mir erst richtig statt fand als ich nüchtern war.

    ab wann ist man denn wirklich nüchtern ? Und warum sollte jemand dem sein falscher Stolz im Weg steht das tun…..so viele Sachen Unfälle Verluste die mein Mann hatte……und immer noch hat……macht bei ihm alles noch schlimmer…….er hat seine komplette Familie sterben sehen und das alles wegen dem Suff……..🙈🙈🙈 leider hab ich die Kategorie erwischt die in diesem Leben nicht mehr wach wird……..sondern täglich Menschen sucht die Schuld sind 😞😞😞

  • ab wann ist man denn wirklich nüchtern ?

    Das ist eine sehr gute Frage.

    Ich mache es nicht am Wegstellen des Glases fest, sondern wie „trocken“ jemand denkt. Viele Alkoholiker werden nur aufgrund der äußeren Umstände und nicht wegen der inneren Einstellung trocken.

    Nüchtern kann ich nur sein, wenn ich nüchtern denke. Dem Alkohol keinerlei positive oder negative Eigenschaften zuspreche.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • ab wann ist man denn wirklich nüchtern

    Hui, jetzt habe ich erst mal scrollen müssen.

    Leider habe ich es jetzt erst gelesen. Hartmut hat mir die Antwort zum Teil schon vorweggenommen.

    Im allgemeinen Sprachgebrauch ist man schon nüchtern, wenn man null Promille im Blut hat. Ich meinte in meinem Beitrag aber das nüchterne Denken. Das setzt nicht gleich am nächsten Tag ein. Es verändert sich anfangs mit jedem Tag, den man nicht trinkt. Mit "anfangs" meine ich, in meinem Fall mindestens sechs Monate. Auch jetzt noch fällt es mir öfters auf. Was haben wir heute? Ca. 9 1/2 Monate.

    Ich kenne jetzt Deine Geschichte nicht. Meine Eltern sind jedenfalls nie "wach" geworden. Das ist oft so.

    leider hab ich die Kategorie erwischt die in diesem Leben nicht mehr wach wird

    Das tut mir sehr leid für Dich. Das ist zwar nicht meine Baustelle, aber ich denke, da kannst Du nur sehen, was Du für Dich machen kannst. Ihn wirst Du nicht ändern können. Ja, das ist schade.

  • Nüchtern kann ich nur sein, wenn ich nüchtern denke. Dem Alkohol keinerlei positive oder negative Eigenschaften zuspreche.

    Ok danke 🙏🏼 dann hat es sich da wirklich komplett erledigt bei meinem Mann 😞 er sucht regelrecht jede Gelegenheit und jedes Fest wo er trinken kann und nicht auffällt……wenn dieser Mann zur Ruhe kommt……flippt er aus 🤨

  • Ich kenne jetzt Deine Geschichte nicht. Meine Eltern sind jedenfalls nie "wach" geworden. Das ist oft so.

    Meine Geschichte ist kurz und knapp ich lebe seit 31 Jahren mit einem Alkoholiker zusammen und seit 4 Jahren ist es mit ihm so schlimm das es nicht mehr auszuhalten ist……😞

    Ich habe das Gefühl sein Hirn lässt sehr stark nach……..was heißt bei Dir deine Eltern sind nie wach geworden ?

    Meinem Mann seine ganze Familie ist elendiglich am Alkohol kaputt gegangen…….und er belügt sich täglich selber……ich glaube hier kann ich aufhören zu hoffen 😢

    Kurzes Bespiel OK gehört hier nicht hin…..aber wenn ich euch schon hier hab 😉 er trinkt tagsüber und kommt dann betrunken nachhause und Achtung ⚠️ macht sich ein Alkoholfreies Bier auf 🙈🙈🙈 und sagt laut und frech ihr merkt das nicht mal das ich nur noch Alkoholfrei trinke…… wie gestört und krank ist das eigentlich ?……. Ich bekomme nicht in meinen Kopf warum man sich selbst so belügt und verarscht 😞😞😞

    Danke das ihr mich anhört 🙏🏼😘

  • Im allgemeinen Sprachgebrauch ist man schon nüchtern, wenn man null Promille im Blut hat. Ich meinte in meinem Beitrag aber das nüchterne Denken. Das setzt nicht gleich am nächsten Tag ein. Es verändert sich anfangs mit jedem Tag, den man nicht trinkt. Mit "anfangs" meine ich, in meinem Fall mindestens sechs Monate. Auch jetzt noch fällt es mir öfters auf. Was haben wir heute? Ca. 9 1/2 Monate.

    So ähnlich sehe ich es auch. Es dauert eine ganze Weile (!!!) bis der Alkohol aus den Gedanken, aus dem Denken heraus ist. Bis das "Allheilmittel" , der Sanitäter in der Not nicht mehr als Lösung aller Probleme angesehen wird. Manche benötigen ein paar Wochen, andere kämpfen Jahre. Ich glaube, der Suchtdruck ist da ein guter Indikator.

  • Super Thema! Ich glaube, hier ist Verallgemeinerung nicht möglich. Der Tiefpunkt ist glaube ich da erreicht, wo man einen starken Veränderungswunsch hat. Und der kommt für jeden an einem anderen Punkt - in Wohlstandsländern wie in Mitteleuropa, in denen wir alle hier glücklicherweise leben, wäre der objektiv gesehen tiefstmögliche Punkt wahrscheinlich, völlig obdachlos (also auch ohne staatliche Unterbringung) auf der Straße zu leben, nichts mehr zu tun außer zu trinken, und irgendwann dran zu sterben. Wenn man bedenkt, wie viele Menschen es gibt, die Alkoholiker*innen sind, sind das aber vergleichsweise wenige. Heißt halt nicht, dass man nix verloren hat. Für mich persönlich war der Tiefpunkt da erreicht, wo ich außer beim Trinken (und das auch nur die ersten Getränke) keine Glücksgefühle mehr empfinden konnte. Bei der Erkenntnis, wie sehr sich mein Aussehen in den letzten zwei Jahren verändert hat, dass ich keinem Hobby mehr nachgehe und wahnsinnig viel alleine bin, weil soziale Beziehungen natürlich auch vernachlässigt werden. Das war kein Leben, sondern ein Vegetieren. Und ich wollte und will wieder mehr - und daher will ich mich verändern.

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