Hallo alle miteinander.
Ich bin wohl der klassische Co-Abhängige, mein Freund, den ich seit acht Jahren kenne, ist Alkoholiker.
Als wir uns kennenlernten, waren wir beide reichlich gutem Wein zu gutem Essen und nächtelangen Gesprächen nicht abgeneigt. In einer depressiven Phase meines Lebens habe ich es dann mal ein halbes Jahr gründlich übertrieben und regelmäßig zu viel getrunken. Da ich aus einer suchtbelasteten Familie komme, habe ich das sehr wohl an mir gesehen und bin wieder auf ein normales Level zurück gekommen. Den Alkoholkonsum meines Freundes begann ich kritischer zu sehen.
Vor vier Jahren sind wir zusammengezogen, nachdem er einen kalten Alkoholentzug mit Anfällen & Notarzt gemacht hatte.
Ab da konnte er weder seine zunehmenden Depressionen noch seinen zunehmenden Alkoholkonsum kontrollieren. Er hat eine Langzeittherapie abgesessen ohne inneres Engagement und verweigert alle weitere Behandlung, ich habe den Hausmann gegeben und war neben meiner Arbeit auch noch Psychotherapeut, Putzmann, Koch und alles andere.
Nach längerer Arbeitslosigkeit hat er wieder Arbeit gefunden, aber er trinkt abends sofort nach dem Nachhausekommen oder noch auf dem Heimweg und insbesondere an freien Tagen, im Urlaub oder am Wochenenden bis zur Besinnungslosigkeit. Er schiebt es auf seine Depressionen.
Mittlerweile wohnen wir getrennt, die Beziehung ist vorbei, aber wir sind Freunde. Und das ist das Problem. Für ihn bin ich der letzte verbliebene Ansprechpartner und er gibt mir immer wieder das Gefühl, dass unsere Freundschaft etwas besonderes ist. Was seine Trinkerei und psychischen Probleme angeht nimmt er aber überhaupt keinen Rat an, weiß alles besser, schiebt die Schuld auf alle anderen und jammert mir gleichzeitig die Ohren voll.
Ich bin hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, ihm zu helfen und ihm gleichzeitig das Fell so richtig über seine sturen Ohren zu ziehen. Manchmal habe ich den Eindruck, er will sich absichtlich zu Tode trinken.
Ich bin hier, weil ich im Moment dabei bin, mich um meiner selbst Willen von ihm bzw. seiner Krankheit zu distanzieren, aber erwartungsgemäß klingt das in der Theorie viel einfacher als es in der Praxis ist. Ich falle immer wieder in alte Muster zurück.
Danke fürs Zuhören