Dieses komplizierte Leben - überall Baustellen

  • Hallo Albatros,

    Ich selbst mag es gar nicht, anderen „Ratschläge“ zu erteilen. Ich lebe nicht ihr Leben und ich bin nicht sie - also weiß ich auch nicht, was für die jeweiligen Personen überhaupt umsetzbar und wichtig/richtig ist und was nicht.

    So geht es mir auch. Ich erzähle aus meinem Leben, von meinem Weg, was mir geholfen hat. Da kann sich jeder rausziehen, was er mag. Und Umwege, Neustarts gehörten dazu, alles bringt mich ein Stück weiter.

    sonnige Grüße

    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Guten Morgen,

    Petter hat Recht: Jeder, der hier schreibt, hilft ein Stück weiter. Es gibt hier so viele User, die unermüdlich schreiben und damit helfen, auch ohne dass sie Moderatoren sind. Ob nun viel oder wenig. Wie Linde schon schreibt, kann man sich mitunter schon etwas herauspicken, wenn man „nur“ seine eigene Geschichte hier im Forum lässt.

    Deine Geschichte finde ich übrigens sehr spannend :)

    Ich finde es interessant, dass Du schon mit der Akzeptanz, dass Du zur Zeit nicht das Gefühl von verliebt sein, sondern nur mögen empfindest, eine Menge Druck abbaust. So kannst Du in Ruhe herausfinden, wie es weitergeht.

    LG Cadda

  • Also ich freue mich immer sehr über deine Beiträge. Sie halten mir ziemlich deutlich einen Spiegel vor und ich mach mir darüber viele Gedanken und überlege, was ich davon für mich umsetzen möchte.

    Tatsächlich empfinde ich es in den letzten Wochen wie Freiheit ihn nur noch sehr zu mögen und nicht mehr zu lieben - weil ich so nicht mehr wie früher darauf warte, dass meine umfangreichen emotionalen Bedürfnisse von ihm gestillt werden.

    Das hat bei mir zB viel Resonanz gefunden. Ich habe ihm gegenüber bereits erwähnt, dass es für mich zur Zeit entspannter ist, wenn ich mich nicht in einer Beziehung mit ihm sehe. Er reagiert darauf nicht, ich glaub er er flieht gerne und lebt dann in seiner eigenen Realität. So lange ich keine Erwartung habe, kann sie ja nicht enttäuscht werden, oder? Sarkasmus beiseite, gerade heute merke ich wieder, dass ich Erwartungen habe, die er nicht erfüllt. Es frustriert mich.

    Redet ihr offen über seine Trockenheit? Oder klammert ihr das Thema aus? Hat er die Kinder alleine? Kannst du ihm vertrauen?

    Ich kann alle Fragen nur mit nein beantworten...

    PS: es freut mich sehr, dass die Situation mit deiner Mutter den Umständen entsprechend gut läuft.

    Alles was man über das Leben lernen kann, ist in 3 Worte zu fassen: es geht weiter.

  • Redet ihr offen über seine Trockenheit? Oder klammert ihr das Thema aus? Hat er die Kinder alleine? Kannst du ihm vertrauen?

    Wir reden offen über die Trockenheit und über den Suff und manchmal machen wir sogar zynische oder sarkastische Witze - aber erst seitdem Mister X den Willen hat für seine Trockenheit zu arbeiten. Als er noch einfach nur nicht getrunken hat, wollte er auch nicht drüber reden bzw. es war alles kein Problem, als er nicht mehr trinken wollte, wollte und konnte er auch darüber reden.

    Die ambulante Therapie hat ihm bisher viel gebracht (sagt er) weil er noch nie so viel über seine Gefühle nachdenken und reden musste wie dort. Es nervt ihn wahnsinnig, er schimpft auf die Therapie und wie froh er ist, wenn sie vorbei ist und geht pflichtbewusst zu den Sitzungen weil sie ihm wirklich was bringen. Es ist halt Arbeit die getan werden muss und kein Vergnügen oder anderweitig angenehmer Zeitvertreib.

    Für mich selbst ist es sogar zwingend notwendig mit ihm über die Sucht und die Trockenheit zu reden. Ich hab ja viel erlebt als Mitbetroffene und ich muss einiges davon aufarbeiten. Was ich als wirklich heilsam erlebe ist, wenn Mister X heute reflektiert sagt, dass sein Verhalten damals nicht in Ordnung war, dass er versteht, dass es mich verletzt und enttäuscht hat. Es geht nicht darum, dass er für immer bereut was er getan hat, das lässt sich nicht ändern. Dass er anerkennt was sein Suchtverhalten mit mir gemacht hat, dass er die Verantwortung für seine Taten übernimmt, das kittet die Vergangenheit und macht die Gegenwart wieder gut.

    Ab und zu hat er die Kinder alleine und ich kann ihm vertrauen. Ihm fällt nur normaler väterlicher Blödsinn ein.


    Liebe Anni,

    Ich kenne sie noch gut, die Phase in der ich viel gegrübelt habe… wahrscheinlich waren es Monate :rolleyes: Bis ich wusste wo ich stehe, was ich will und was ich nicht mehr dulde in meinem Leben.

    Das Wort „Dulden“ klingt ziemlich herrschsüchtig - aber tatsächlich ist es so, dass ich immer wieder gemerkt habe, wenn ich mit meinem Mister X die Dinge laufen lasse, die mich auch betreffen, dann läuft es zu meinem Nachteil. Und das DULDE ich nicht länger, ich nehme es nicht mehr hin weniger wichtig zu sein als mein Mister X.

    Gleichzeitig lasse ich alles wofür er verantwortlich ist, bei ihm.

    Ein Beispiel vor kurzem: Wochenende, der Papa hat Zeit für die Kinder und uns als Familie. Er will aber auch unbedingt den Keller ausbauen (für sich, es ist nicht etwa ein Familien- oder Kinderkeller ;)) Also verschwindet er gegen 14 Uhr nach unten (er hat es kurz mit mir abgesprochen: „ich geh mal für ne Weile in den Keller“ - „Okay“

    Er kam erst gegen 19 Uhr wieder hoch, da waren ich und die Kinder mit dem Abendessen schon fertig.

    Ich hatte unangenehme Gefühle, konnte aber erst nicht so richtig zuordnen, warum ich angefressen bin. Also hab ich den Mund gehalten, bis ich meine Gefühle entwirrt hatte:

    Ich bin traurig und etwas enttäuscht, dadurch übergelagert sauer, für die Kinder weil ich finde, der Papa könnte in seiner freien Zeit mehr Energie auf sie anstatt auf seinen Keller verwenden.

    Dann fällt mir ein -> Verantwortung zurück zu Papa.

    Egal was ich mir für meine Kinder wünsche, er ist der Vater und er gestaltet seine Beziehung zu seinen Kindern selbst. Ich muss akzeptieren und damit klar kommen, dass er nicht mein Traumpapa ist, sondern der Vater, den meine Kinder bekommen haben. 8o

    Dann hab ich überlegt, ob ich sauer bin, weil ich mich allein um die Kinder gekümmert habe… War ich nicht, es war in Ordnung für mich und wäre es nicht so gewesen hätte ich ihn hochgerufen, damit er mir hilft und mich entlastet.

    Zur Klärung dieser Gefühle (Ungerechtigkeit weil ich "arbeiten" muss und er sich frei nimmt) frag ich mich immer: Gönn ich es meinem besten Freund und Kumpel dass er jetzt Zeit für sich hat und ich nicht? Möchte ich Unterstützung weil meine Energiereserven zu Neige gehen oder schaff ich die Kinder gut alleine?

    Dann hab ich noch überlegt, ob ich mich vernachlässigt gefühlt habe… hab ich nicht. Es war mir einfach egal ob er mir Aufmerksamkeit zukommen lässt oder nicht. Mir gehts ohne ihn gut und das ist toll. :)

    So hab ich an diesem Tag für mich selbst die Kurve gekriegt.

    Ich liebe meinen Seelenfrieden!

    Liebe Grüße

    Alba

    Einmal editiert, zuletzt von Alba_tros (14. März 2022 um 22:44)

  • Und das DULDE ich nicht länger, ich nehme es nicht mehr hin weniger wichtig zu sein als mein Mister X

    Genau dort sehe ich die Aufgabe die alten Co-Strukturen aufzubrechen. Anstatt dulden, könnte man "nicht mehr mitmachen" einsetzen. Das mache ich zur Zeit und finde es unglaublich spannend wo es plötzlich Streit gibt - und was passiert, wenn ich es lerne auszuhalten. Dazu ein Beispiel in meinem Faden.

    Liebe Alba,

    wir haben da ein ähnlichen doch-nicht-Traummann. Wobei ich mich selbst an die Nase fasse, er hat mir ja nicht vorgegaukelt jemand zu sein, der er nicht ist. Zu meiner Persönlichkeit gehört es, dass ich glaube, Menschen von meinem Weg überzeugen zu können. Außerdem sehr gerne Verantwortung für alles und jeden übernehme (dann kann man ja so schön kontrollieren). Ich lerne gerade sehr viel über mich. Wie viele, war ich anfangs "wegen ihm" hier. Aber du hast recht, meinen Seelenfrieden finde ich nicht, nur weil er nichts mehr trinkt.

    Ich bin sehr gespannt wohin die Reise geht. Merke, wie ich langsam aus dem Schatten heraus komme und meine neue Rolle behaupte. Und ich habe dabei nicht mal Angst, ob er dann wieder trinkt, wenn ich aus der alten Rolle aussteige. Weil es nicht mein Problem ist, sondern seins!

    Alles was man über das Leben lernen kann, ist in 3 Worte zu fassen: es geht weiter.

  • Guten Abend in die Runde!

    Mir geht´s meistens ziemlich gut, drum schreibe ich nicht - aber heute möchte ich doch mal wieder etwas hier lassen.

    Mein Mister X ist heute für 5 Tage und 4 Nächte in den Männerurlaub gefahren und der Umstand alleine bringt alte, ungute Gefühle aus aktiven Suchtzeiten in mir hoch. Früher ist er sehr oft abgehauen um seine sehr wichtigen Freizeitaktivitäten wahrzunehmen (Outdoor-Saufen nenn ich es mal) und ich hab mich immer wie zu Hause sitzen gelassen gefühlt, weil ich mit den kleinen Kindern anders als früher, nicht mehr mitkonnte. Mit Fortschreiten und Häufung der Outdoor-Aktivitäten wurde ich immer wütender weil Mister X kam und ging wie er Lust hatte - Saufen ist wichtiger als die Verantwortung der Familie, den Kindern und der Partnerin gegenüber. Nachdem er aufgehört hatte zu trinken und trocken wurde funktionierte sein Gehirn aber noch eine lange Weile auf diese Art weiter, er lief immer noch vor dem Alltag weg nach Draußen, nur ohne zu trinken.

    Eine heftige emotionale Krise (ich habe die Beziehung zum 2. Mal beendet, weil sich sein Verhalten trotz Abstinenz nicht geändert hat - da ist es mir egal ob er trinkt oder nicht, für mich ändert sich ja in der Endkonsequenz nichts) führte schließlich dazu, seinen Verstand aus der egozentrischen Suchtdenkweise hin zu einer sozialeren Einstellung zu bewegen. Ab da war er nicht mehr gefühlt allein und am wichtigsten auf der Welt, sondern hat die Liebe zu seinen Kindern gefunden und kapiert, dass Familie bedeutet, dass man nicht einfach kommen und gehen kann wie man möchte. Für seine Familie trägt man Verantwortung und die schaufelt man nicht einfach mal so der Frau auf die Schultern und nimmt sich frei. Sonst hat man irgendwann keine mehr.

    Naja, wie dem auch sei, er war jetzt lange nicht mehr draußen und wollte gerne für ein paar Tage gehen. Er hat es sehr ordentlich mit mir schon lange vorher abgesprochen, ich habe zugestimmt, weil ich es meinem besten Freund Mister X gönne, dass er ne schöne Zeit hat. Außerdem hilft er mir anschließend mit ein paar Dingen, die ich ohne ihn schlecht erledigen kann, die aber nur meinem Spaß dienen, er hat nichts davon.

    Rational betrachtet ist alles super.

    Und emotional war ich wieder ziemlich am Rudern. Die Situation dass er er plant, packt und geht, triggert so sehr meine alten Gefühle aus Saufzeiten, dass ich wirklich genervt und ärgerlich wurde.

    Was geholfen hat war, dass ich mit ihm darüber geredet habe und erzählt habe, wie es mir geht. Ich sagte ungefähr zu ihm, dass zwischen uns alles in Ordnung ist, er soll gehen, ich gönn es ihm, aber ich habe im Moment so viele schlechte Gefühle von früher, dass ich mich zurück ziehe und eigentlich froh bin, wenn er weg ist, weil dann die Situation vorbei ist.

    Er fragte, ob er was tun könne damit es mir besser geht, aber ich wusste keine Lösung. Ich hoffe, dass die alten Gefühle irgendwann zu Ende gefühlt sind und die alten Situationen mit neuen, guten Eindrücken überschrieben sind. Er hat es verstanden und Rücksicht auf mich genommen, indem er mich in Ruhe gelassen und respektiert hat, dass es mir halt nicht gut geht.

    Er ist dann heute Morgen gefahren und seit dem geht es mir super! Ich bin tiefenentspannt, einfach weil die Gefühlslage vorbei ist und ich meine Aufmerksamkeit nur noch für mich und die Kinder benötige.

    :) :) :)

    Früher, als ich noch so emotional abhängig war von ihm, wollte ich immer Kontakt halten und auf jeden Fall abends dann telefonieren. Dieses Mal will ich das nicht, ich brauch das nicht mehr. Ich hab zu ihm gesagt, er kann mir ja alles erzählen, wenn er wieder da ist, mein Leben geht aber hier weiter, da brauch ich mit dem Kopf nicht bei ihm rumhängen.

    So „einfach“ ist alles wieder gut, wenn der Mann aufhört zu trinken. :P

    Aber er ist ja erst (oder schon) seit gut 1,5 Jahren trocken. ;)

    Liebe Grüße an euch!

    Alba

  • Guten Abend liebes Forum.

    Jetzt hat es mich doch noch erwischt, die Vergangenheit hat nicht leise angeklopft sondern hat die Tür eingetreten.

    Mister X wollte eigentlich bis morgen fern bleiben und seinen Outdoor-Männerurlaub genießen. Überraschend kam er aber heute am frühen Nachmittag schon zurück.

    In einem normalen Leben, in einer normalen Beziehung hätten sich alle einfach riesig gefreut über diese gelungene Überraschung - nicht mehr mit mir.

    Leider ist es für mich nach all den Geschehnissen zu Saufzeiten so, dass ich willkürliche Entscheidungen des Mister X überhaupt nicht mehr ab kann. Anstatt mich über eine schöne Überraschung zu freuen, fühle ich nur Ärger und Wut darüber, dass er kommt und geht wie er will. Da schlagen sofort die alten Gefühle nach oben, weil die Situation optisch so aussieht wie früher, wenn er von seinen Outdoor-Saufausflügen zurück kam.

    Also hab ich gleich mal das Fenster aufgerissen und lautstark hinausgeredet - ohne Hallo selbstverständlich - dass er doch erst morgen wieder kommen wollte und deswegen heute noch nicht rein darf, er muss bei sich in der Wohnung schlafen - nicht hier.

    Er hat die Ansprache ignoriert, ne Grimasse gezogen und angefangen sein Zeug aus dem Auto zu laden.

    Die Kinder waren hin und weg weil der Papa wieder da ist, besonders der Große musste sich sofort Schuhe anziehen und raus zu seinem geliebten Papa rennen.

    :rolleyes: Das lässt mich natürlich auch nicht kalt.

    Um Herr meiner Gefühle zu werden hab ich mich erstmal für 1,5 Stunden mit den Kindern in den Garten verzogen und mich dort etwas von meiner Empörung erholt.

    Mister X durfte dann doch bleiben um sich die nächsten 3 Stunden von den Kindern beklettern zu lassen, Bücher vorzulesen und in Endlosschleife den Ausführungen eines Dreieinhalbjährigen zu lauschen.

    Eitel Sonnenschein und ich mach die ganze Palette alter Gefühle durch, die ohne reellen Anlass nur getriggert von der Heimkommsituation des Mister X, meine Laune in den Keller schleudern. Ich bin traurig, fühle Enttäuschung, Wut, Ärger, Einsamkeit, Sehnsucht nach Liebe; ich fühle mich meinen Gefühlen ausgeliefert weil ich nicht aussteigen kann und wünschte mir, Mister X wäre einfach weg damit es aufhört. Endlich gegen frühen Abend beruhigen sich meine Emotionen wieder.

    Da kann ich dem Mister X auch erklären, warum ich so pissig bin, dass ich weiß das es keinen „echten“ Anlass für meine Gefühle gibt, dass aber die Situation an und für sich mich emotional in die Vergangeheit katapultiert. Ich habe keine einzige gute Erinnerung an sein Heimkommen aus Saufzeiten.

    Immerhin hab ich mich auch mal kurz zu 3% gefreut ihn wieder zu sehen, die anderen 97% haben mich sehr unschön überrannt.

    Ich hoffe wirklich, das hört irgendwann auf, diese emotionalen Flashbacks, denn die sind eine echte Belastungsprobe für unsere Freundschaftsbeziehung. Wie schon geschrieben, ich wünsche mir in solchen Momenten wo ich diesen blöden Gefühlen wieder so ausgetzt bin, er wäre einfach nicht da. ?(

    Liebe Grüße an euch

    Alba

  • Halllooo...

    also ich muss ja mal sagen..ich mag so deine Art zu schreiben, das kann man das immer gut nachvollziehen kann.. ich selber kann das jetzt auch echt gut für mich mitnehmen...

    ... dieses.. eigentlich ist ja nix vorgefallen... aber es triggert einen so, das die Gefühle überkochen und der gegenüber vielleicht denkt... was jetzt los... also egal in welcher Situation... aber das bringt es total auf den Punkt.

    Ich finde auch gut, das nachdem du abgedampft bist, deine 3% Freude zulassen konntest und ihm dann sagen konntest, warum du gerade so gekocht hast..

    echt prima.. fühle es voll mit.

    Das bringt dir jetzt wahrscheinlich nix, aber mir hilft es und das solltest du wissen :)

    Darf ich mal fragen, wie Mister X dann reagiert hat, nachdem du ihm erklären konntest, wieso Du Dich so gefühlt hast?

    LG,

    Die NudelTante :)

  • Darf ich mal fragen, wie Mister X dann reagiert hat, nachdem du ihm erklären konntest, wieso Du Dich so gefühlt hast?

    Klar darfst du fragen!

    Als ich ihn bei seiner Ankunft so unherzlich empfangen habe, war er enttäuscht und verletzt - jedenfalls hat er kurz so ausgesehen bevor er ein Pokerface aufgesetzt hat. Gesagt hat er nichts.

    Bevor ich in den Garten zum Abkühlen gegangen bin verspürte ich noch diese 3% Freude - die hab ich genutzt um ihm wenigstens Hallo zu sagen und kurz zu umarmen.

    1,5 Stunden später aus dem Garten zurück hab ich ihm knapp erklärt ich hätte „Gefühle“ und müsse erstmal klar kommen. Er hat mich in Ruhe gelassen, mit den Kindern gespielt und sich normal verhalten. Er fand mich und die Situation sicherlich nicht toll aber was soll er schon machen außer abwarten.

    Als ich mich soweit eingekriegt hatte, dass ich ihm ausführlicher erklären konnte, was bei mir abgeht, hatte er Verständnis. Kein Mitleid, sondern Verständnis.

    Er sagte, ihm ist schon klar, dass er nicht erwarten kann bloß weil er sich über seine Überraschung freut, dass es mir genauso geht.

    Er fragte, wie wir das in Zukunft besser hinbekommen könnten und ich sagte: Keine Ahnung!

    Er schlug vor, in Zukunft nur noch ganz selten allein loszuziehen, zum einen weil er keine Lust auf den Stress hat den es mir bereitet und damit auch indirekt ihm, weil es so toll jetzt auch nicht war (wettertechnisch im April - oh Wunder) und weil es ihm zu Schaffen macht, dass sein größeres Kind ihn so vermisst (es gab Abends dicke Krokodilstränen weil der Papa ohne ihn weggefahren ist, das hab ich ihm nicht verheimlicht!)

    Ich meinte, da müssen wir uns wohl voran tasten, das Leben geht ja trotzdem weiter, Flashbacks hin oder her, ich will normal leben und nicht in eine Vermeidungshaltung verfallen.

    Es bleibt also spannend.

    Liebe Grüße

    Alba

  • Liebe Alba,

    wie so oft: I feel you :)

    Abstand finden ohne Abstand. Hat da jemand Tipps? Hm, mich hat folgendes nachdenken lassen

    weil er keine Lust auf den Stress hat den es mir bereitet und damit auch indirekt ihm

    Diese Dynamik kenne ich sehr gut und ich finde da beißt sich die Katze in den Schwanz. Genau an dieser Stelle müssen es beide hinbekommen loszulassen. Egal ob Liebespaar oder nicht. Da zeigt sich meiner Meinung nach diese "ungesunde" emotionale Abhängigkeit. Ist mein Gefühl bei der Sache. Deine beschriebene Situation kenne ich 1:1.

    Ja es bleibt spannend. Schicke dir eine Umarmung.

    LG, Anni

    Alles was man über das Leben lernen kann, ist in 3 Worte zu fassen: es geht weiter.

  • Huhu Alba,

    manchmal kann einem das hier ziemlich aufwühlen.

    Das muß gar nicht mal schlecht sein.

    Dann einfach die Gefühle mit ins eigene Tagebuch nehmen und schauen, wie es einem selbst geht.

    Ich finde die Gruppe hier gerade sehr intensiv, wertschätzend und gut.

    Hoffe, du konntest dich inzwischen beruhigen.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Liebe Linde,

    Danke für deine lieben Worte, jetzt hab ich wieder genug Abstand, um hier im Angehörigenbereich zu schreiben. Inzwischen glaube ich von mir selber, dass ich vermutlich nie co-abhängig vom Vater meiner Kinder gewesen bin. Emotional abhängig - ja. Süchtig nach Liebe, Streicheleinheiten, Aufmerksamkeit - ja! Aber ich hab nie versucht ihn oder seine Sucht zu managen, ich hab ihn nie gedeckt oder für ihn gelogen, ich hab mich nie für ihn geschämt (warum auch, er macht ja Blödsinn und nicht ich) und ich hab nie seine Angelegenheiten für ihn geregelt.

    Ich war als Elternteil von ihm abhängig, abhängig mit ihm eine Familie zu haben da er der Vater meiner beiden Kinder ist. Ich hab erst in der zweiten Schwangerschaft geschnallt, dass er eine Alkoholsucht hat und nicht „nur“ gerne zuviel trinkt und ein verantwortungsscheuer Partyboy ist. Ich bin zum Drachen mutiert, konnte mich selbst nicht mehr leiden weil ich ständig schlecht drauf, biestig und angespannt war. Ich war auch nicht die beste Mutter in der Zeit, weil die kurze Zündschnur meiner blank-liegenden Nerven natürlich auch bei meinen Kindern schnell zu Ende war.

    Das wichtigste Anzeichen für mich, dass ich nicht co-abhängig, sondern einfach nur eine maßlos überforderte schwangere Angehörige war:

    Als mir bewusst wurde, dass Mister X Alkoholiker ist, stand nach 20minütiger Schockverarbeitung der für mich selbstverständliche Entschluss fest: Meine Kinder wachsen NICHT mit einem Alkoholiker als Vater auf. Und das hab ich, als Klarheit herrschte dass der Mann seinen Konsum vor das Wohl der Familie stellt, durchgezogen.

    Genau an der Stelle kommt eine Co-abhängige gar nicht auf die Idee sich zu trennen um den Kindern die folgenden Jahre zu ersparen. Sie oder Er kucken nur auf ihren Säufer und kreisen weiter um ihn herum. Die Kinder (die wir ja angeblich so lieb haben, die unser wertvollstes Gut auf der Welt sind) müssen als Nebendarsteller im Suchtstück erwachsen werden.

    Ich kann mit dem Verständnis leben, dass Co-Abhängigkeit genauso krank ist, wie Alkoholsucht, damit kann ich emotionale Distanz aufbauen und mein inneres EKA schützen. Erklären kann ich es mir nicht, warum die einen lieber saufen als sich um ihre Kinder zu kümmern und die anderen lieber am Säufer und dem Elend klammern als sich um ihre Kinder zu kümmern.

    Habt ihr Strategien oder Hilfestellungen... damit man am Weg bleibt und sich nicht weich kochen lässt, wenn sie am nächsten Tag dann weinend vor einem stehen?

    Miss seinen Worten, seinen Tränen, seinen Beteuerungen und Versprechen keine Bedeutung zu, so wie er die Flasche am Hals hat, hat er alles wieder „vergessen“.

    Verlass dich auf Taten, glaube was du siehst und nicht was du erzählt bekommst.

    Hilf ihm nur dann, wenn er dich konkret um Hilfe bittet. Das ist der erste Schritt für den Co die Verantwortung zurück zu geben und für den Alki die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Um Hilfe bitten wenn man Hilfe braucht und sie zu nehmen wenn man sie bekommt… ist viel schwerer als einfach ne neue Flasche aufzumachen.

    Und für den Co: du musst keine Hilfe geben, die du nicht geben willst weil du dich selbst unwohl dabei fühlst. Hilf wenn du magst aber lass dich nicht benutzen.

    Liebe Grüße an euch!

    Alba

  • Der Vater meiner Kinder ist ja nun seit gut 1,5 Jahren trocken und wir sind immer noch dabei, unsere Beziehung wieder da anzuknüpfen, wo wir suchtbedingt auseinander gedriftet sind. Wir haben eine unterschiedliche Vergangenheit zusammen erlebt, er getrübt durch die Suchtbrille und ich hypersensibel durch Schwangerschaft und das Reinwachsen ins Mama-Dasein. Für mich ist es so wichtig, meine Vergangenheit mit seiner Vergangenheit abzugleichen und die damaligen Geschehnisse von seinem trockenen Blickwinkel aus nochmal neu bewertet zu hören. Heute klingt es dann nicht mehr wie ignorantes Alkoholiker-Gelaber sondern wie die Einschätzung eines halbwegs empathischen Menschen. Das beschwichtigt meine Wut und Trauer, meinen Schmerz, meine Kränkung und meine Enttäuschungen weil es mir beweist, dass dieser Mann tatsächlich krank war und dass er „gesund“ doch ein liebenswerter Kerl ist. Mit so jemanden kann ich neu anknüpfen und zufrieden leben.

    Wie „gesund“ kann ein Alkoholiker wieder werden? Wo beginnt die Co-Abhängigkeit und wie legt man „ungesunde“ Verhaltensweisen wieder ab? Inwiefern ist das alles mit Gefühlen verknüpft und woher kommen diese Gefühle überhaupt?

    Ich berichte mal subjektiv, wie das in meinen Augen bei mir/uns gelaufen ist.

    Mein 1. Schritt mich aus meiner emotionalen Abhängigkeit (manche glauben DAS wäre Liebe, ist es aber nicht) zu lösen, war tief in mich hineinzuschauen. Was hab ich von einer Beziehung, die ich so hasse während ich den saufenden Mann liebe? Warum bin ich hier? Auf was warte ich eigentlich die ganze Zeit? Es läuft sch…. und ich tue nichts dagegen außer reden - und das nützt nichts denn sonst wären wir ja nicht immer noch hier an dieser Sch…stelle.

    Diese Fragen führten mich zu der schmerzvollen Erkenntnis, dass ich eine Familie mit einem Mann gegründet habe, für den ich genauso nebensächlich bin, wie für meine primäre Bezugsperson als Baby, Kleinkind und Kind: meine Mutter (sie war zu diesem Zeitpunkt co-abhängig von meinem Vater)

    Der Vater meiner Kinder war ein „netter“ Alkoholiker, er glänzte vor allem durch Abwesenheit, Unzuverlässigkeit und mangelndem Verantwortungsbewusstsein. Wie meine Mutter. :P

    Meine unbewussten Prägungen fanden jedenfalls, er ist genau der richtige um Kinder zu bekommen, dann wiederholt sich mein bekanntes (dysfunktionales) Muster und das ist es was Prägungen tun. Eine Prägung wertet ja nicht, ob das Muster gut oder schlecht ist für mich, sie versucht einfach nur das Muster zu erfüllen.

    Durch den Blick und die Erkenntnis auf mich und über mich selbst und wie ich funktioniere war mir bald klar, dass ich an Mister X nichts ausrichten kann. Es ist seine Sucht, ich stehe absolut ohnmächtig davor. Die einzige Entscheidung, die ich treffen kann ist, tu ich mir das an oder nicht. Ohne Kinder hätte ich es mir vielleicht noch eine Weile angetan, denn ich liebte ihn noch - aber meine Kinder liebe ich mehr.

    Meine Kinder wachsen lieber ohne Vater als mit einem suchtkranken Vater auf. Ein abwesender Vater richtet weniger Schaden an den Kindern an als ein Suchtkranker und ich verschwende nicht meine Energien an jemanden wo es sinnlos ist, sondern verwende sie für mich und meine Kinder.

    So war es mein 2. Schritt die Beziehung zu beenden. Flucht nach vorn.

    Ich hab dem Vater meiner Kinder damals zwei Briefe geschrieben und mitgegeben, damit er sie lesen kann falls er sie jemals lesen will. Darin habe ich mich erklärt, warum ich so nicht weiter machen kann und was ich sehe, wenn ich auf ihn blicke. Ich hab ihn losgelassen.

    Im 3. Schritt ist passiert, womit ich nicht gerechnet habe. Mister X hat auf Sauftour in einer ruhigen Minute die Briefe gelesen, sein letztes Bier ausgeleert und die Entscheidung getroffen, dass er nie wieder Alkohol trinken will.

    Er kam zurück zu mir und hat mich eindringlich gebeten, es noch einmal miteinander zu versuchen. Da wir den selben Lebensentwurf von Familie und so haben, habe ich zu meinen Bedingungen eingewilligt.

    4. Schritt: Er musste ausziehen und hat jetzt immer noch seine eigene Wohnung. Ich will nie wieder jemanden und seinem doofen Verhalten so ausgeliefert sein. Sollte er rückfällig werden braucht er hier nicht aufkreuzen.

    Alle Finanzen sind getrennt und ich bin wirtschaftlich unabhängig von ihm.

    Also ist es so, dass wir tatsächlich nur freiwillig zusammen leben ohne eine wirtschaftliche Einheit zu bilden. Dadurch liegt der Fokus viel mehr auf der Familie und der Beziehung, weil es kein Selbstläufer durch das äußere Konstrukt ist, wir müssen uns schon bewegen um unsere Gemeinschaft am funktionieren zu halten.

    Ich helfe ihm bei Dingen in denen ich besser bin als er wenn er mich darum bittet und umgekehrt ist es genau so. Aber ich übernehme nichts ungefragt wofür ich nicht zuständig bin und andersrum erwarte ich nicht (mehr) von ihm, er müsse doch von allein sehen dass ich da und dort Hilfe brauche. Ich bin ja schließlich kein Kind mehr sondern schon „groß“ und ich kann ausdrücken, wenn ich Bedürfnisse habe oder Hilfe benötige.

    Ich schreib später weiter, die Kinder zerlegen die Bude.

  • Hallo Alba,

    dein/euer Weg hört sich gut an und ich hoffe auch bei uns klappt das so oder so ähnlich.

    Ich mag ihn sehr, wenn er nüchtern ist, wir verstehen uns sehr gut und wir haben ähnliche Interessen. Es könnte so ein schöne Beziehung sein, aber der Alkohol zerstört alles bzw. der der ihn trinkt.

    H. schläft jetzt seit einer Woche auswärts und ich fühle mich gleich viel freier und besser. Ich brauche jetzt Ruhe, Frieden und eine schöne Zeit. Die letzten 2 Jahre haben mir meine letzten Kräfte geraubt. ABER ich spüre bereits wie sie wieder zurückkommen - ein herrliches Gefühl und daran halte ich fest. Lieber ein Leben alleine und glücklich als zu zweit und unglücklich ;)

    Alles Liebe

    K.

  • Weiter geht´s:

    Als Mister X aufgehört hatte zu trinken war er für ca. 2 oder 3 Monate ziemlich euphorisch. Alles kein Problem, mit Vollgas voraus. Er war sehr liebenswürdig, zuvorkommend, gesprächig, aufmerksam und familienorientiert.

    In der Zeit habe ich unser zweites Kind geboren und habe sein nettes Verhalten einfach gut gebrauchen können und dankbar angenommen.

    Als ich nach dem Wochenbett wieder fit war, habe ich drauf bestanden, dass er jetzt aber wirklich endgültig in seine Wohnung zieht damit die räumliche Trennung auf unbestimmte Zeit vollzogen ist. (Seine Wohnung ist nur 800m von meiner entfernt)

    Er war nicht begeistert, fügte sich dann aber doch meinen Wünschen nach Autonomie und Abstand. Unsere Abmachung lautete, unter der Woche schläft er in seiner Wohnung, am Wochenende kann er bei uns übernachten und wir zusammen Familienleben gestalten. Zum Essen und um die Kinder zu sehen konnte er jeden Tag nach Feierabend kommen, wie es ihm beliebte.

    Ab da fing er ganz schön an zu routieren, bzw. ich vermute mal, sein Suchtgehirn war endgültig trocken gelaufen und verzweifelt auf der Suche nach neuen Ersatzbefriedigungen und einer besseren Version von sich selbst. Er machte sehr viel Sport, gab auf Arbeit 100% und nochmal 120% beim Outdoor-Hobby wo ihm bald vorschwebte, es vom Amateur in den Profi-Bereich schaffen zu wollen.

    Ungefähr in diesem Zeitrahmen begann auch seine ambulante Therapie, die er zu dem Zeitpunkt noch nicht als besonders nutzbringend empfand. Er hat sich oft darüber ausgelassen, wie sehr ihn dieses Gefühlsgelaber nervt.

    Tja ratet mal für wen da nicht mehr viel Zeit übrig war, eigentlich schon fast so wie zu Saufzeiten… Es gibt einfach so viele wichtigere Dinge in Mister X´s Leben als Frau und Kinder. :cursing:

    Dazwischen ist er dann mal für längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen, weil er sich mit den 300% Leistung jeden Tag innerhalb kürzester Zeit körperlich runtergerockt hatte. Das nahm er zähneknirschend zur Kenntnis und trat von da an etwas kürzer, bei mir und den Kindern kam das aber nicht an.

    Seine psychische Verfassung blieb die selbe wie zu Saufzeiten, nur ohne Alkohol. Dadurch gab es keine suffbedingten Dramen und Auseinandersetzungen mehr, zum glücklich-sein mit ihm hat das aber nicht gereicht. Ich will nicht nur Nebendarsteller in Mister X´s Leben sein und die Kinder haben erst recht Besseres verdient.

    Für mich selbst kristallisierte sich in dieser Zeit immer mehr mein eigenes Wertesystem heraus, was für mich in welcher Reihenfolge wichtig ist und auch dass ich nicht damit leben kann, wenn Mister X und ich nicht in den Grundwerten überein stimmen.

    Mir ist die Familie und die Kinder am wichtigsten, das Wohl meiner Kinder liegt mir sogar mehr am Herzen als mein eigenes - solange ich für sie verantwortlich bin. Mister X waren zu dem Zeitpunkt seine Luftschlösser am wichtigsten, welchen Stellenwert er mir und den Kindern genau gab, weiß ich nicht. Sicher ist, die Nr. 1 waren wir nicht.

    So lief das noch ein paar Monate, er und ich wurden immer frustrierter von einander und es zeichnete sich für mich (mal wieder) die endgültige Trennung ab. Wenn der Typ sich „trocken“ genauso verhält wie „nass“, brauch ich ihn nicht.

    Er fand mich auch nur anstrengend weil ich immer nur Sachen von ihm wollte und ihn überhaupt nicht bei seinen Lebensträumen (Profi-Bereich seines Hobbys) unterstützt habe… und das war ihm wichtiger als alles andere. Seine Vision war nicht „Familie“ und ich hatte bereits eine (unsere zwei kleinen Kinder).

    So kam es nach nicht mal ganz einem Jahr seiner Trockenheit wieder zu einem Beziehungsende-Gespräch, das beste das ich je hatte ^^

    Ehrlich, wir waren uns so einig. Er fand er liebte mich nicht mehr so sehr, er mag mich nur noch, genauso ging es mir nach all der Zeit auch. Wir waren uns einig, dass wir unser Möglichstes tun würden, damit es den Kindern gut geht und ansonsten alles wie vernünftige Leute regeln würden.

    Tja und dann wies ich ihn darauf hin, dass ich aber nicht für immer alleine bleiben werde. Erstmal natürlich schon und ich würde den Kindern nie einen Ersatzpapa vor die Nase setzen, er bleibt der Papa und fertig. Nur ich selbst möchte mein Leben nicht dauerhaft allein verbringen und wenn ich mich in ferner Zukunft wieder neu verliebe, dann werde ich auch eine neue Beziehung mit einem anderen Mann eingehen.

    Da wurde er stumm und nachdenklich, ich ging schlafen, er ging zu sich nach Hause.

    Am nächsten Tag wollte er wieder unbedingt mit mir reden. Er erlebte gerade sowas wie seinen emotionalen Show-down. Oberflächlich hatte er gedacht und nicht mehr gefühlt, dass ich ihm doch ziemlich viel bedeute (er war ja besessen von Suchtersatzverhaltensweisen), die Vorstellung ein anderer Mann könnte mit mir mein Leben teilen, versetzte ihn in rasende Eifersucht, bis hin zur Mordlust (ob das emotional gesund ist lass ich jetzt mal dahingestellt). So lag er also wieder auf Knien vor mir und schüttete mir sein Herz aus und ich war ratlos, denn ich wusste nicht was ich davon halten sollte und ich liebte ihn halt wirklich nicht mehr.

    Mister X ging es so schlecht, dass er sich krankschreiben ließ und ne Überweisung zum Psychologen bekam, er pausierte ein paar Sitzungen bei der ambulanten Alkoholtherapie, ging aber zu den Einzelgesprächen.

    Dann passierte etwas, dass mich doch wieder einwilligen ließ, uns als Familie doch noch eine Chance zu geben: Mit seinem emotionalen Zusammenbruch löste sich anscheinend seine psychische Suchtstruktur soweit auf, dass er einen neuen Zugang zu seinen Gefühlen bekam. Er fand die Liebe zu seinen Kindern (an der Stelle hab ich immer Pipi in den Augen). Er beschrieb es mir so, dass er plötzlich fühlen und annehmen kann, wie die Liebe und Zuneigung, die Kinder für ihre Eltern haben, bei ihm ankommen. Wie Kinder dich anschauen und ihr Blick sagt; ich bin froh dass du da bist.

    Er hatte es bis zu diesem Zeitpunkt nicht wahrgenommen ;(

    Es waren keine Lippenbekenntnisse, seit dem hat er sich verändert und seinen Kindern und mir einen Platz ganz oben auf seiner Prioritätenliste gegeben.

    Er geht weiterhin zur Therapie, er macht noch ein bisschen Sport und einen guten Job auf Arbeit, manchmal geht er seinem Hobby nach und den Rest der Zeit ist er für seine Kinder und mich da, greifbar und präsent. Nicht weil er muss oder es seine Pflicht ist, sondern weil er will, er macht es gerne.

    Ist er psychisch/emotional gesund geworden?

    Jedenfalls kommt es mir so vor, dass die Suchtstruktur seines Denkens und Fühlens weg ist. Als wäre es ein Wahrnehmungsfilter zwischen ihm und der Welt gewesen, der auch ohne Alkohol noch lange weiter funktioniert hat.

    Als Familie haben wir ab da gut miteinander funktioniert (er und ich konnten schon immer gut zusammen arbeiten), die Beziehung als Paar ist eine andere Baustelle. Seit dem letzten Beziehungsende ist nun ein 3/4 Jahr rum, seine letzte Bierflasche ist sogar schon 1 3/4 Jahre her… Ich liebe ihn nicht. Vielleicht wollte ich ihn gerne lieben aber in meinem Bauch sitzt in Bezug auf ihn ein kalter Klumpen Angst. Er ist etwas kleiner geworden und ich entspannter aber ich traue ihm nach wie vor nur soweit über den Weg, wie ich ihn einschätzen kann.

    Ich mag ihn wirklich sehr, meinen besten Kumpel Mister X. Liebe und Vertrauen gehen bei mir Hand in Hand, das eine scheint ohne das andere nicht wachsen zu können. Wenn aus „sehr mögen“ neues Vertrauen wird, dann wird aus diesem Vertrauen vielleicht wieder eine kleine Liebe?

    Ich wünsch´es mir, denn mir fehlt das Gefühl von Liebe für einen Mann an meiner Seite.

    Liebe Grüße an euch von Alba, die jetzt ein gutes Leben hat.

    :)

  • Ist er psychisch/emotional gesund geworden?

    Jedenfalls kommt es mir so vor, dass die Suchtstruktur seines Denkens und Fühlens weg ist. Als wäre es ein Wahrnehmungsfilter zwischen ihm und der Welt gewesen, der auch ohne Alkohol noch lange weiter funktioniert hat.

    Anscheinend wird er niemals „gesund“ oder was auch immer ich darunter verstehe oder ich vielleicht einfach Erwartungen an einen Typen habe, der sie niemals erfüllen wird, weil er nicht der Typ dafür ist. :P

    Ich habe Mister X vorhin „rausgeworfen“ (ich hab ihm gesagt, er soll heute Nacht nicht bei uns/in meiner Wohnung schlafen - er hat ja auch eine eigene - weil ich Abstand von ihm brauche).

    Nun ist er ziemlich sauer auf mich und will gleich die nächsten Tage auch nicht mehr herkommen, nur zum Kaffee kochen und Brote für die Arbeit schmieren.

    Ja ja, ich vermute spätestens übermorgen hat er sich genug beruhigt um mit mir vernünftig reden zu wollen. Ich wollte ihm erklären, warum ich heute Abstand will, es hat ihn nicht interessiert.

    Deswegen texte ich jetzt euch, liebe Forianer zu:

    Eigentlich war geplant, dass wir dieses WE gemeinsam zum ersten Mal als 4köpfige Familie die Outdoor-Aktivität (ja die, wo er früher am liebsten und meisten gesoffen hat) zu unternehmen. Das beinhaltet u.a. Zelten, Essen überm Camping-Kocher zubereiten, evtl. Lagerfeuer, Toilettengang im Gebüsch erledigen… Ich hab mich einerseits total drauf gefreut, andererseits hatte ich auch seeeehr gemischte Gefühle. Ich hab halt viel Mist mit ihm auf solchen Trips erlebt und jetzt war ich schon ewig nicht mehr mit dabei, hab anders als früher zwei kleine Kinder mit im Schlepptau, hab mein neues Zelt noch nie aufgebaut, hab keine Ahnung wo meine ganze Ausrüstung verstreut ist, was fehlt usw.

    Eigentlich wollte ich das alles unter der Woche vor dem WE planen und organisieren aber es ging mir körperlich nicht besonders gut. ?(

    Ich hab´s nicht geschafft und dem Mister X am Mittwoch auch mitgeteilt, dass ich und die Kinder leider nicht mitkönnen, weil es mir körperlich nicht gut genug dafür geht und es mich total stresst, alles ohne seine Hilfe (er war ja unter der Woche arbeiten) organisieren zu müssen. Ich sagte wortwörtlich zu ihm: „Du kannst allein fahren, ich weiß du hast dich drauf gefreut.“

    Das hat er dann auch gemacht. Er war von Freitag Spätnachmittag bis Sonntag Mittag weg. Als er hier wieder ankam hat er sich erstmal was zu Essen gemacht, dann seine Post berarbeitet (die er am Freitag schon in der Hand hatte) und sein Kind abgewiesen, dass er jetzt keine Zeit hat um mit uns rauszugehen.

    Die Situation seines „vom Outdoor-Event zurück kommens“ war diesmal für mich emotional nicht so schlimm wie die letzte Heimkomm-Aktion, gut drauf war ich aber nicht. Er hat mich noch gefragt ob mit mir alles stimmt, ich hab geantwortet, ich hätte mit mir selbst zu tun.

    Als ich mit den Kindern raus in den Garten bin konnte ich mir nicht verkneifen, weil das Kind nochmal gefragt hat ob der Papa mit raus kommt, laut in seine Richtung zu sagen: Du, der Papa ist das ganze Wochenende weg und wenn er wieder da ist muss er erst die Sachen erledigen, die er vor sich her geschoben hat. Deswegen hat er keine Zeit um mit dir zu spielen. (Glanzleistung, ich weíß :rolleyes:)

    Ungefähr eine Stunde später bin ich vom Garten wieder in die Wohnung rein um für die Kinder was zu holen.

    Mister X saß am Tisch und sagte: Nanu, kommt ihr schon wieder rein? Ich wollte gerade auch raus kommen.

    Ich: Nö, nö, ich hol nur was, wir sind draußen.

    Und bin wieder zu den Kindern in den Garten.

    Eine weitere Stunde später in der er nicht auftauchte (er war nämlich eingeschlafen, Outdoor-Aktivitäten sind anstrengend) und meiner Gefühlsspirale, die sich zwar langsam aber konstant nach unten drehte, wurde mir vor allem eines klar: Heute will ich ihn nicht mehr sehen! Mir geht es so schlecht mit der Situation, ich kann nicht aussteigen oder meine Gefühle einfach abschalten, ich will das er weg ist.

    Deswegen hab ich ihm eine sachliche Nachricht geschrieben, in der ich ihn aufforderte, sich seelisch, moralisch und praktisch drauf vorzubereiten, heute nacht woanders zu schlafen, nicht bei mir in der Wohnung. Ich brauche Abstand und erkläre ihm später gerne warum. Da war es 17:15 Uhr.

    Mister X blieb verschollen, irgendwann ist er dann aber doch wieder aufgewacht und hat um 18:30 Uhr abends die Kinder zum schaukeln abgeholt. Wir waren dann ca. noch ne dreiviertel Stunde draußen.

    Drinnen in der Wohnung sind die Kinder schon so knülle - also putze ich schnell die Zähne und mache sie bettfertig (eigentlich übernimmt beim größeren Kind der Papa diesen Part aber der war mit Abendessen für sich zubereiten beschäftigt). Als wir um 19:30 Uhr auf dem Sofa sitzen um uns ein Bett-geh-Video anzusehen sagt Mister X zu mir:

    Wie stellst du dir das eigentlich vor, dass ich heute Nacht nicht hier schlafen kann? Ich muss doch morgen arbeiten!

    Ich: Na so wie wenn du unter der Woche über Nacht draußen bist, du kochst dir jetzt noch eine Kanne Kaffee für morgen und schmierst deine Brote für die Arbeit.

    Er: Dann darf ich also nicht einmal morgen früh hier her kommen?

    Ich: Nein, ich will dass du weg bleibst, ich brauch Ruhe.

    Er: Wenn ich jetzt gehen soll dann weißte aber schon, dass ich die nächsten Tage auch nicht komme!

    Ich: Okay….. Dann interessiert dich auch nicht, warum ich Abstand brauche? Ich wollte es dir noch erklären!

    Er: Nein, wenn ich so sauer bin interessiert mich das nicht.

    Er ist dann kurz nach 20 Uhr gegangen und mir geht´s seitdem deutlich besser!


    Was passiert hier, dass es so ausartet? Ich komm nicht raus aus meiner alten Haut - zum einen. Zum anderen hab ich halt doch leider unausgesprochene Erwartungen an ihn in Bezug auf Familie, die er nicht erfüllt.

    Die ganze Geschichte rund um die Outdoor-Aktivitäten ist so tricky für mich, weil die Trigger für meine alten, schlechten Gefühle quasi überall sind. Mister X müsste sich schon wie ein Heiliger verhalten um meine alten Erinnerungen und damit verbundenen Gefühle neu und besser zu überschreiben. Leider tut er das nicht. Sobald es um diese elendigen Outdoor-Geschichten geht, rutscht er mental in sowas wie den Saufmodus (ohne zu Saufen) zurück und merkt es nicht. Er kommt da auch nicht gleich automatisch wieder raus wenn er zurück zu Hause ist. Es ist fast wie früher, nur ohne Fahne und rote Augen.

    Mir klingeln dann nur noch die Sirenen in den Ohren, ich versuche irgendwie mein inneres Gleichgewicht zu behalten und nicht unfair ihm gegenüber zu werden. Es ist super-anstrengend, ich bin emotional total gestresst und dann will ich nur noch weg von ihm. :(

    Ich will meinen Seelenfrieden behalten auf dem er so leicht rumtrampeln kann. ;(

    So gerne ich sie nicht hätte und ich ein großer Fan verbaler Äußerungen von Wünschen/Erwarungen und Bedürfnissen bin… Diese eine unausgesprochene Erwartung an den anderen Elternteil und Möchte-gern-Beziehungspartner habe ich doch:

    Wenn er doch schon weiß, dass ich nicht mit kann weil es mir nicht gut geht und wenn ich ihm doch gönne (obwohl es mich emotional immer so schüttelt) dass er alleine weg fährt, muss er es trotzdem immer bis zum Letzten ausreizen?

    Er hätte doch auch einfach nur von sich aus bis Samstag Abend bleiben können und dann zurück fahren um mit mir die Kinder ins Bett zu bringen und einen schönen Sonntag morgen und restlichen Tag mit uns zu verbringen.

    Irgendein bescheuerter emotionaler Teil von mir wünscht sich immer noch, er würde wegen uns - von selbst - wieder her kommen. Weil wir ihm fehlen oder so, oder wir ihm wichtig sind und er sich Gedanken macht, wie wir ohne ihn zurecht kommen.

    Aber das tut er nicht. Ich weiß dass es ihm zur Zeit selbst nicht so gut geht, er ist etwas gestresst von den äußeren Umständen seines Lebens und schon nützt er die nächstbeste Gelegenheit zum wegrennen in seine Suchtersatzverhaltensweisen.

    Ich bin so froh, dass ich ihn wegschicken kann und das nicht mehr direkt aushalten muss!!! Ich bin so froh, dass ich für mich handle!

    Und wie es weiter geht? Mister X wird noch etwas Zeit brauchen um aus seinem Saufmodus ohne Saufen wieder rauszukommen. Dann wird ihn auch wieder interessieren, wie es mir geht und sich anhören wollen, was ich zu erklären habe.

    Wir werden uns wieder vertragen.

    Was es mit mir macht? Ich bin wieder ein Stück weiter weg von ihm. Ich bin nicht mehr am Boden zerstört oder todtraurig. Mein hauptsächliches Gefühl ist, dass ich das alles so nicht mehr will. Ich will nicht immer noch eine Runde drehen.

    Wahrscheinlich machen wir so weiter bis ich ihn nicht mehr mag und mich trotz Kinder/Familie endgültig von ihm trenne oder er gibt seine Suchtersatzverhaltensweisen zu Gunsten von weniger beziehungszerstörenden Stressabbaustrategien auf. Dann erholt sich unsere Beziehung vielleicht.

    Heute bin ich ratlos.

    Liebe Grüße an euch!

    Alba

  • Hallo Alba,

    ich finde dich gar nicht so ratlos. Du hast das ziemlich nachvollziehbar aufgeschrieben.

    "Im Saufmodus ohne zu saufen" finde ich z. B. wirklich bezeichnend.

    Was hat es mit der Kaffeemaschine und den Broten auf sich? Das klingt lächerlich. (Entschuldigung. :oops: )

    Er wird doch wohl in seiner Wohnung, Höhle, WG, Hotel oder wo auch immer sich einen Kaffee kochen oder kaufen können...?! Und Brötchen gibts in jeder Bäckerei.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Ich kann es absolut nachvollziehen. Wieviel im Laufe der Zeit kaputt gegangen ist merkt man tatsächlich erst mit Abstand. Wenn man die Anspannung endlich mal loswurde, dann kommt ein Triggerpunkt und plötzlich baut sich alles genau so haushoch wieder auf wie vorher. Posttraumatische Belastungsstörung quasi. Genau wie der Alkoholiker nach nur einem Schluck wieder mittendrin hängt in der Sucht, reißen bei dem Angehörigen sofort wieder die Wunden auf, wenn sich Situationen wieder gleich abspielen- ob nun nass oder trocken.

    Ich finde es gut, dass du ihn weg geschickt hast. Soll er schmollen. Du und deine Gesundheit sind wichtiger. Ich finde es auch bezeichnend, dass er eiskalt überhaupt weg gefahren ist, nachdem du ihm gesagt hast dir geht es nicht gut. Ein echter Partner wäre nicht gegangen, hätte im Gegenteil vielleicht sogar mal gesagt "Dieses We hast du kinderfrei und erholst dich."

    Aber was rede ich, meiner ist nicht besser.

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