Borussia - Lebst du schon oder trinkst du noch?

  • Heute bin ich erschüttert und gleichzeitig voller Demut.

    In meinem heutigen Meeting saß ein Freund, der nach 6 Jahren rückfällig geworden und nun das erste Mal wieder da gewesen ist. Es hat ein halbes Jahr gebraucht, bis er wieder rausgefunden hat. Der Freund ist nicht mehr in Meetings gegangen und hat damit seine Stütze vernachlässigt. Er war der erste der mich damals empfing, als ich zum 1. Mal zu AA ging.

    Im Biergarten hat er sich eins bestellt, und das nach den vermeintlich stabilen Jahren Trockenheit, mit der Begründung, dass es aufs Haus ging. Das ist Sucht, durch und durch. Ist wie mit dem Auto im dunkeln zu fahren, ganz ohne Licht und mit Vollgas gegen eine Wand.

    Manchmal braucht es solch eine Erinnerung, dass man seine eigene Lebensversicherung, die SHGs nicht vernachlässigen darf. Was wären Meetings ohne Freunde, die nicht mutig teilen?

    Es trifft mich und macht mich nachdenklich. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass ich auch heute das Glas stehen lasse und nur eine Armlänge von einem Rückfall entfernt bin, egal wie lange ich trocken bin.

    Es braucht nur ein Glas, dann ist es gelaufen.

  • Hallo Borussia,

    es ist immer wieder "erschütternd", wenn ein trockener Alkoholiker nach jahrelanger

    Abstinenz rückfällig wird.

    Deswegen ist es wichtig, dass man auf sich aufpasst. Zur SHG geht (wenn man es live

    und real haben möchte) oder bei uns in der online SHG regelmäßig schreibt.

    Du hast schon länger nicht mehr hier geschrieben, wollte ich damit aussagen!

    Mir ist dieser Spruch: "Immer eine Armlänge vom Rückfall entfernt" eindeutig zu negativ.

    Es suggeriert, dass man jederzeit rückfällig werden könnte.

    Soll ich jeden Tag in Hab acht Stellung sein, weil eine Armlänge entfernt der Alkohol auf mich wartet?

    Das ist nicht meine Definition von Trockenheit. Einen Rückfall kann man auch herbeireden!

    Ich sehe es positiv: Ich muss nicht mehr trinken!

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Dass ich nicht regelmäßig hier schreibe, ist lediglich dem Umstand zu verdanken, dass ich neben dem Forum meine Meetings vor Ort habe,und mich auch an Online- Meetings beteilige. Trotzallem ist und bleibt es die erste Anlaufstelle von der ich Gebrauch machte, als ich anfing trocken zu werden. Jederzeit erreichbar. Es hilft mir insbesondere im Angehörigenbereich zu lesen. Es hält mir den Spiegel vor.

    Ich hinterfrage den Satz nicht. Er sagt für MICH nur aus und erinnert daran: Pass auf. Lass dich nicht hängen. Ganz gleich ob 3 Monate, 1 Jahr oder 10 Jahre Trockenheit.

    Das Thema Rückfäll lässt sich nicht totschweigen, es gehört dazu. Sich damit bewusst auseinandersetzen und das tu ich mehr denn je. Mir macht es keine Angst (mehr) zu wissen, dass ich rückfällig werden könnte, wenn ich nicht aufpasse. Ich habe Respekt davor und den brauche ich.

    Solche "Standardsätze" prahlen bei dem ein oder anderen ab, weil es in SHGs oft wiederholt wird. Für mich als gläubiger Mann funktioniert es.

    Bevor ich mich einer Situation aussetze, die für mich gefährlich werden könnte, denke ich darüber nach was passieren könnte. Rückfallprophylaxe. Beispiel Geburtstag: Wo findet dieser statt? Wird dort getrunken? Kann ich jederzeit weg? Was ist, wenn ich Suchtdruck verspüre, habe ich jemanden dabei, der eingeweiht ist? Ist mein Sponsor oder ein anderer Freund erreichbar?

  • Wieder ein Weilchen her, wo ich mich gemeldet habe.

    Ich bin nun im 6. Monat meiner Trockenheit angelangt.

    So langsam kommt Routine rein. Mein neuer Lebensmittelpunkt ist der Sport. Es ist mein wieder gefundenes Ventil für Stress und Druck. Von Krafttraining bis hin zum Boxen und Schwimmen ist alles dabei- hauptsache auspowern.

    Auch während ich noch getrunken habe, habe ich Sport betrieben. Es hat sich mit der Sauferei die Hand gegeben- habe ich exzessiv Sport gemacht, trank ich weniger. Und andersrum ebenso. Letzteres überwog letztendlich.

    Wenn ich nachts nicht schlafen kann (was immer noch vorkommt, aber schon deutlich besser geworden ist), dann gehe ich laufen. Es funktioniert für mich und es ist wesentlich angenehmer, mich einmal abzuregen als im Bett rumzuwälzen. Finde ich danach noch nicht in den Schlaf, so habe ich zumindest meine Gedanken sortiert und bin nicht gefangen im Gedankenkarussell.

    Früher habe ich mich in die Besinnungslosigkeit gesoffen oder habe zur Flasche gegriffen, um alle meine Emotionen zu verdrängen und unterdrücken. Das brauche ich nicht mehr.

    Das ganze hat ebenso Einfluss auf mein äußeres. Seit Anfang des Jahres nahm ich 14 kg ab und meine Muskulatur ist auch wieder da. Ich fühle mich wohl und mein Selbstbewusstsein, welches während der Sauferei zu Grunde gerichtet war, kehrt langsam wieder zurück. Auch meinem Umfeld fällt das ganze positiv auf und ich freue mich jedes Mal über positives Feedback, auch wenn ich überhaupt nicht mit Komplimenten umgehen kann. Daran möchte ich arbeiten.

    Wenn ich Mal Suchtdruck verspüre (kommt immer seltener vor), bin ich in der Lage den Gedanken zu Ende zu bringen. Denke ich ans Trinken, so folgt dem Gedanken immer eine negative Szene aus meiner nassen Zeit. Ich weiß meine Trigger mittlerweile einzuschätzen. Alkoholfreies Bier (0.0%) löst bei mir bsp. nichts aus. Dafür kann ich es nicht ab, wenn jemand mit einer Alkoholfahne mit mit spricht und ich finde es unattraktiv, wenn jemand Alkohol konsumiert. Ich lehne den Umgang mit trinkenden Menschen ab - egal ob es mein vermeintlicher Freund oder Kollege ist.

    Mit dem neuen Selbstbewusstsein und meinem guten Körpergefühl, macht es mir mehr Spaß neue Menschen kennenzulernen. Lerne ich jemanden kennen, so bin ich mittlerweile sehr offen was meinen Alkoholismus angeht. Ich mache von Anfang an klar, dass ich nie trinke und manchmal spreche ich auch aus, dass ich trockener Alkoholiker bin. Das geht mir leichter von der Zunge, als ich je gedacht hätte. Bisher habe ich da noch nie Ablehnung erlebt, im Gegenteil. Für meine Offenheit lobt man mich und der ein oder andere interessiert sich ehrlich dafür.

    Danke.

  • Hallo Borussia,

    wollte gerade ein "gefällt mir" geben. Weil sich das alles so gut liest. Aber dann hat sich mir doch eine Frage aufgedrängt.

    Aus welchem Grund trinkst Du alkoholfreies Bier? Schmeckt Dir das so gut, dass es Dir das Risiko wert ist?

    Ich frage nur, weil mich die Flasche/Dose schon alleine abschrecken würde und ich das gerne verstehen möchte.

    Oder meinst Du, wenn andere alkoholfreies Bier trinken?

    VG Alex

    Einmal editiert, zuletzt von Alex_aufdemweg (12. Oktober 2022 um 22:26)

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