Hyouka.Vorstellung, Tochter einer Alkoholikerin

  • Hallo,

    ich würde mich gerne kurz vorstellen.

    Ich bin 24 und Tochter einer Alkoholikerin. Meine Mutter ist bestimmt schon Alkoholikerin seit ich 6 oder so bin, genau erinner ich mich nicht mehr, wann es angefangen hat. Sie ist ausgezogen, da war ich ungefähr 14 oder 15 glaube ich. Seitdem lebe ich zusammen mit meinem Vater. Mein Bruder hat in der Zwischenzeit immer mal wieder irgendwo anders gewohnt zum Studieren und ist mittlerweile für die Arbeit in eine andere Stadt gezogen. Ich habe immer noch Kontakt zu meiner Mutter, diese kommt nämlich ein bis zweimal die Woche zu uns, um Abendessen zu machen. Sie ist mittlerweile "Quartalsalkoholikerin" (früher war das schon um einiges schlimmer, auch, als sie noch bei uns gewohnt hat). Also ein paar Wochen geht es gut, dann eben wieder für zwei Wochen schlecht. Leider bekomme ich das dann eben auch mit, weil sie dann nicht mehr kommt und sich immer mit Textnachrichten dafür entschuldigt, dass sie krank sei oder wirre Textnachrichten an mich, bzw. beleidigende an meinen Vater schickt.

    Gerade hat sie wieder so eine Phase, weswegen ich mich nun dafür entschieden habe, mich in diesem Forum anzumelden.
    Ich bin seit letztem Jahr in wöchentlicher Therapie, da ich unter chronischer, depressiver Verstimmung leide. Leider kann ich immer noch nicht gut mit dem Thema umgehen, habe ständig Alpträume von ihr und werde wütend und traurig, wenn ich mitbekomme, dass sie wieder ihre "Phase" hat. Ich denke über einen Aufenthalt in einer Tagesklinik nach, da ich bald mein Bachelorstudium abschließe. Aber vielleicht kann mir dieses Forum ja auch etwas helfen, mit dem ganzen Thema besser umzugehen. Das wäre schön. :)

    Liebe Grüße,
    A. Hyouka

  • Hallo A.

    herzlich Willkommen hier bei uns. :)

    Mit deinen Sorgen bist du nicht alleine, hier im Forum schreiben etliche EKA, also erwachsene Kinder von Alkoholikern.

    Bitte klicke als nächstes auf diesen Link und fülle nur kurz das Formular aus. Vorgestellt hast du dich ja hier schon ausführlich. Danach schalten wir dich fürs Forum frei und verschieben dein Thema zu den anderen EKA.

    Liebe Grüße, Linde

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Vielen Dank für eure Mühe!

  • Hartmut 4. April 2022 um 21:20

    Hat den Titel des Themas von „Vorstellung, Tochter einer Alkoholikerin“ zu „A.Hyouka.Vorstellung, Tochter einer Alkoholikerin“ geändert.
  • Hallo Hyouka,

    ich habe dich freigeschaltet und in den zuständigen Bereich verschoben . Ich hoffe du bekommst die Hilfe alles besser zu verstehen.

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hartmut 4. April 2022 um 21:23

    Hat den Titel des Themas von „A.Hyouka.Vorstellung, Tochter einer Alkoholikerin“ zu „Hyouka.Vorstellung, Tochter einer Alkoholikerin“ geändert.
  • Ich hoffe du bekommst die Hilfe alles besser zu verstehen.

    Danke Hartmut!

    Ich habe das Gefühl, die Dinge in den letzten Jahren und durch die Therapie etwas besser verstanden zu haben. Früher war es für mich völlig unverständlich, wie man als Mutter so verantwortungslos sein kann und das Leben seiner Kinder zerstört. Mit meiner Psyche habe ich seit vielen Jahren zu kämpfen und das ist wahrscheinlich zu einem großen Teil auf meine Kindheit und das, was ich mit meiner Mutter erlebt habe, zurück zu führen. Jetzt verstehe ich, dass meine Mutter vermutlich selbst Dinge erlebt hat, die sie damit "betäuben" möchte (ich habe meinen Opa nie kennengelernt und weiß auch nicht wirklich viel über ihn, aber ich glaube, auch er hatte ein Alkohoproblem und aus den Erzählungen war er kein besonders netter Mensch). Leider hat meine Mutter das aber anscheinend selbst noch nicht verstanden und schiebt ihre Probleme lieber zum großen Teil auf meinen Vater. Aber selbst mit diesem Wissen fällt es mir total schwer, mit ihrer Sucht umzugehen. Ich denke dabei nicht nur an jetzt, sondern daran, dass sie vielleicht irgendwann stirbt und ich sie dann nur noch als "Problem" in Erinnerung haben werde. Außerdem würde ich mir für meine Kinder, die ich vielleicht irgendwann mal habe, eine intakte Familie mit "normaler" Oma wünschen, aber so sehe ich das leider nicht.
    Obwohl ich verstehe, dass ihre Sucht eine Krankheit ist, ist es für mich das größte Problem, das ich in meinem gesamten Leben habe und wahrscheinlich für immer haben werde. Meine Frustration ist nicht in Worte zu fassen.

  • ... Außerdem würde ich mir für meine Kinder, die ich vielleicht irgendwann mal habe, eine intakte Familie mit "normaler" Oma wünschen, aber so sehe ich das leider nicht.
    Obwohl ich verstehe, dass ihre Sucht eine Krankheit ist, ist es für mich das größte Problem, das ich in meinem gesamten Leben habe und wahrscheinlich für immer haben werde. Meine Frustration ist nicht in Worte zu fassen.

    Was sagt deine Mama dazu?

    Hast du sie Mal gefragt?

    Viele Grüße

  • Liebe Hyouka,

    Herzlich willkommen hier im Forum. Ich habe auch eine alkoholkranke Mutter mit immer mal wieder trockenen Phasen und kann deine Beschreibung gut nachvollziehen.

    Die Betrachtung von sich selbst als Opfer kenne ich von meiner Mutter auch. Ich erkläre es mir als eine Art Selbstschutz. Durch die Erkrankung mit Alkohol und Depression (schwierig zu sagen, was hier zuerst kommt, das ist oft wie bei Henne und Ei) fühlt sich meine Mutter zu kraftlos, um etwas an ihrem Leben zu ändern. Denn dass sie unglücklich ist, weiss sie sehr wohl. Weil sie sich aber nicht imstande fühlt, etwas zu ändern, ist es einfacher, sich als Opfer zu sehen und alle anderen sind Schuld. Der Ehepartner, weil er sie nie richtig verstanden hat, immer nur egoistisch ist und nie Rücksicht nimmt. Die Kinder, weil sie zu sehr nach dem Ehepartner kommen und egoistisch sind. Alle scheinen sich irgendwie verschworen zu haben gegen einen, keiner versteht einen und man muss alles selber bekämpfen. Um Hilfe von anderen anzunehmen, ist die Scham aber viel zu gross.

    Wenn nicht die anderen Schuld wären, würde das das Ohnehin negative Selbstbild zu weit gefährden...

    Der Frust mit dem Wunsch nach Normalität und Harmonie und Berechenbarkeit kenne ich auch nur zu gut.

    Ich ziehe den Hut vor deinem Vater, der den Mut und die Kraft zur Trennung hatte und euch Kinder alleine aufgezogen hat. Für meinen Vater und manchmal auch für uns Kinder hätte ich mir das auch manchmal gewünscht.

    Da bei meiner Mutter aktuell das Thema Sterben leider auch im Raum steht, habe ich mir ganz bewusst ein paar positive Erinnerungen zusammengestellt, damit ich auch die tollen Seiten ihrer Person im Gedächtnis behalte. Wenn ich sie jetzt auf der Intensivstation besuche und mit ihr spreche, kann ich mich auf diese beziehen, vielleicht dringt davon ja etwas durch. Sicherlich hast du auch solche positiven Erinnerungen, Situationen, in denen ihr zusammen gelacht habt, vielleicht einen gemeinsamen Lieblingsfilm oder Musik, die ihr beide mögt oder ein Rezept, dass dich an ein leckeres Essen mit ihr erinnert oder einen Ort, wo ihr beide gerne wart... ich versuche, sie als zwei Personen zu betrachten, die, die für ihre Kinder alles gegeben hat und ganz liebevolle Ideen hatte und die, die mit den Anforderungen des Lebens nicht zurecht kommt.

  • Was sagt deine Mama dazu?

    Hast du sie Mal gefragt?

    Hallo achelias,

    nicht so wirklich, sie macht immer total zu wenn man mit dem Thema anfängt. Wahrscheinlich will sie sich das Ganze nicht so richtig eingestehen, obwohl sie sogar schonmal in einer Kur war (aber das hat natürlich gar nichts gebracht). Immer, wenn jemand vorsichtig etwas zu dem Thema sagen möchte, endet es in einem Streit. Sie hat zum Beispiel mal angedroht, wieder zu trinken, als eine Diskussion darüber entfachte, denn "anders könne man das ja nicht ertragen". Einmal hat sie gesagt, sie wäre doch gar nicht süchtig. Es ist immer ein bisschen wie ein Lotto-Spiel, wie sie wohl reagieren wird.
    Zudem fällt es mir total schwer, darüber zu reden, ohne in Tränen auszubrechen. Bei meiner Therapeutin geht das total gut und sachlich, aber wenn ich mit meiner Familie, geschweige denn meiner Mutter darüber rede, bekomme ich sofort einen Kloß im Hals. Einmal ist das passiert als sie mich angemeckert hat, warum ich denn zur Therapie gehen würde und dass sie ja niemand verstehen würde und da hat sie mich dann heulend zurück gelassen und ist gegangen (da war sie "normal", leider hat sie in den Jahren sehr an Empathie verloren). Das hat mich schon sehr verletzt.

    Die Betrachtung von sich selbst als Opfer kenne ich von meiner Mutter auch. Ich erkläre es mir als eine Art Selbstschutz. Durch die Erkrankung mit Alkohol und Depression (schwierig zu sagen, was hier zuerst kommt, das ist oft wie bei Henne und Ei) fühlt sich meine Mutter zu kraftlos, um etwas an ihrem Leben zu ändern. Denn dass sie unglücklich ist, weiss sie sehr wohl. Weil sie sich aber nicht imstande fühlt, etwas zu ändern, ist es einfacher, sich als Opfer zu sehen und alle anderen sind Schuld. Der Ehepartner, weil er sie nie richtig verstanden hat, immer nur egoistisch ist und nie Rücksicht nimmt. Die Kinder, weil sie zu sehr nach dem Ehepartner kommen und egoistisch sind. Alle scheinen sich irgendwie verschworen zu haben gegen einen, keiner versteht einen und man muss alles selber bekämpfen. Um Hilfe von anderen anzunehmen, ist die Scham aber viel zu gross.

    Wenn nicht die anderen Schuld wären, würde das das Ohnehin negative Selbstbild zu weit gefährden...

    Der Frust mit dem Wunsch nach Normalität und Harmonie und Berechenbarkeit kenne ich auch nur zu gut.

    Ich ziehe den Hut vor deinem Vater, der den Mut und die Kraft zur Trennung hatte und euch Kinder alleine aufgezogen hat. Für meinen Vater und manchmal auch für uns Kinder hätte ich mir das auch manchmal gewünscht.

    Hallo Merlyn,

    diese Beschreibung kann ich exakt so nachvollziehen. Meine Mutter denkt auch immer, dass sich alle gegen sie verschworen haben. Alle anderen sind böse. Und wenn sie getrunken hat, wird das Ganze natürlich noch schlimmer.

    Ich bin meinem Vater auch sehr dankbar für das, was er mehr machen musste durch das, dass meine Mutter nicht mehr so wirklich verfügbar war. Meine Mutter hat zwar noch ein paar Jahre bei uns gewohnt, als die Beiden schon nicht mehr zusammen waren, aber das war eigentlich eher eine Belastung. Man muss dazu sagen, dass mein Bruder und ich sehr "einfache" Teenager waren und mein Vater auch nicht mehr viel erziehen musste ab einem bestimmten Alter. Da mein Vater aus dem Ausland kommt, fiel es ihm auch eher schwer, uns bei schulischen oder ähnlichen Dingen zu helfen. Aber für meinen Vater war die Gesamtsituation natürlich alles andere als einfach und er hat uns Kinder trotzdem immer so gut unterstützt wie er nur konnte.

    Da bei meiner Mutter aktuell das Thema Sterben leider auch im Raum steht, habe ich mir ganz bewusst ein paar positive Erinnerungen zusammengestellt, damit ich auch die tollen Seiten ihrer Person im Gedächtnis behalte. Wenn ich sie jetzt auf der Intensivstation besuche und mit ihr spreche, kann ich mich auf diese beziehen, vielleicht dringt davon ja etwas durch. Sicherlich hast du auch solche positiven Erinnerungen, Situationen, in denen ihr zusammen gelacht habt, vielleicht einen gemeinsamen Lieblingsfilm oder Musik, die ihr beide mögt oder ein Rezept, dass dich an ein leckeres Essen mit ihr erinnert oder einen Ort, wo ihr beide gerne wart... ich versuche, sie als zwei Personen zu betrachten, die, die für ihre Kinder alles gegeben hat und ganz liebevolle Ideen hatte und die, die mit den Anforderungen des Lebens nicht zurecht kommt.

    Oh, das tut mir leid... Ich finde, das aber extrem stark von dir, wie du mit der Sache umgehst!! Also das "positive Erinnerungen" zusammenstellen. Für mich ist es immer so, dass alle positiven Erinnerungen von den negativen überschattet werden. Vielleicht schaff ich dass ja auch irgendwann so wie du, dass ich mich nicht mehr nur auf die schlechten Dinge konzentiere.

  • Hallo A. Hyouka,

    ähnliches habe ich mit meinem Vater auch durch.

    Kurzfassung:

    Er trank eigentlich schon immer, am Abend.

    Mit 50 ...55 Jahren wurde es dann arg heftig, seine zweite Ehe endete schon nach ca. 3 Jahren desaströs.

    Mir war von Anfang an klar, es wird sich nie etwas ändern. Ich hielt immer noch Kontakt zu ihm, half bei diversen Sachen, ich schränkte den Kontakt immer mehr ein, - ich litt zunehmend, je mehr er alkoholisiert war, desto schmerzlicher wurde es. Beschimpfungen ohne Ende. Als er 61 Jahre alt war, brach ich den persönlichen Kontakt gänzlich ab. Ich konnte nicht mehr, konnte ihn nicht mehr ertragen, es war so verletzend, tat mir so unheimlich weh! Es war eine gute Entscheidung.

    Mein Vater soff dann noch ca. 13 Jahre weiter, bis er starb.

    Bis zum Schluss hatte ich nur sehr spärlichen telefonischen Kontakt.

    Heute, wenn ich zurück sehe, tat ich das richtige, indem ich den Kontakt abbrach, aus reinem Selbstschutz.

    Wenn deine Mutter nicht will, bist du absolut machtlos.

    Laß sie machen, wenn du es aushalten möchtest, ertrage es.

    Schütze dich selbst. Was bringt es, wenn du langsam an der Situation zerbrichst und deine Mutter fröhlich weiter säuft?

  • Wenn deine Mutter nicht will, bist du absolut machtlos.

    Laß sie machen, wenn du es aushalten möchtest, ertrage es.

    Schütze dich selbst. Was bringt es, wenn du langsam an der Situation zerbrichst und deine Mutter fröhlich weiter säuft?

    Ja, dass ich machtlos bin, ist mir leider auch immer mehr und mehr bewusst geworden. Ich bin zwar erst 24, aber dadurch, dass meine Mutter ja nun schon seit 16 Jahren (plus minus) Alkoholikerin ist, habe ich mittlerweile schon gefühlt jede Phase durch. Auch die "Ich breche jetzt erst mal den Kontakt ab"-Phase, die ich aber nie endgültig durchziehen konnte. Dadurch, dass sie nun auch nicht mehr jeden Tag trinkt, ist es für mich momentan ganz gut zu ertragen (wenn man von "gut ertragen" sprechen kann). Und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich das nicht schaffen würde, da ich tatsächlich Angst hätte, dass der Kontaktabbruch sie zerstören würde und ich sie irgendwann in ein paar Jahren halbtot in einer Gosse finde. Ich hab ja immer schon Angst, mit wem sie sich wo rumtreibt, wenn man mehrere Tage nichts von ihr hört (hab schon ein paar Geschichten hören müssen, den Rest malt man sich dann selbst aus...). Ich weiß, dass ich das eigentlich nicht zu meinem Problem machen sollte. Aber ich kann diese Sorgen einfach nicht ablegen. Im Endeffekt ist es immer noch meine Mutter, auch, wenn es sich sehr oft nicht so anfühlt.

  • Hallo Hyouka,

    ich habe deine Beiträge schon letzte Woche verfolgt und finde jetzt die Zeit mich zu melden. Wenn ein Elternteil trinkt ist das sehr belastend. Bei mir war es der Vater und es hat mir sehr geholfen hier zu lesen und zu schreiben. Das schwierigste ist sich abzunabeln und sich um sich zu kümmern, denn das ist als Erwachsene deine Verantwortung. Niemand sonst trägt für dein Wohlergehen Verantwortung. Deshalb kümmere dich gut um dich. Deiner Mutter scheint dein Wohlergehen, deinen Beiträgen nach zu urteilen, herzlich egal zu sein. Zu zwei deiner Passagen möchte ich einen Teil meiner Geschichte schreiben, die dich vielleicht weiterbringt:

    Und ich muss auch ehrlich sagen, dass ich das nicht schaffen würde, da ich tatsächlich Angst hätte, dass der Kontaktabbruch sie zerstören würde und ich sie irgendwann in ein paar Jahren halbtot in einer Gosse finde. Ich hab ja immer schon Angst, mit wem sie sich wo rumtreibt, wenn man mehrere Tage nichts von ihr hört (hab schon ein paar Geschichten hören müssen, den Rest malt man sich dann selbst aus...).

    Meinem Vater war es egal, ob ich und meine Mama direkt daneben standen und zuschauten, wenn er sich kaputt soff oder nicht. So einfach war das. Aber es hatte eine enorme Verbesserung meiner Lebensqualität bewirkt, als ich beschlossen habe den Kontakt einschlafen zu lassen, zu schauen wann ich wirklich was von meinem Vater hören und sehen will. Was soll ich sagen, ich habe ihn das letzte Mal lebend Ende Oktober 2021 gesehen. Tot Anfang Februar. Das war alles andere als einfach aber es wäre deutlich härter für mich gewesen, seinen Abgang in allen Einzelheiten hautnah mitzuerleben.

    Aber ich kann diese Sorgen einfach nicht ablegen. Im Endeffekt ist es immer noch meine Mutter, auch, wenn es sich sehr oft nicht so anfühlt.

    Bei mir sind die Sorgen mit der Distanz kleiner geworden…..nicht von alleine, ich musste und muss dafür immernoch die gemeine Stimme in meinem Kopf als Lügnerin enttarnen, die mir weiß machen will ich wäre verantwortlich für meinen Vater gewesen. Wäre eine schlechte Tochter, weil ich ihn im „Stich“ lasse. Muss zu ihm halten. Wirklich? Auch wenn ich daran kaputt gehe? Irgendwann merkte ich, vor allem durch viele Beiträge in diesem Forum, dass nicht ich ihn im Stich lasse, sondern umgekehrt. Wo war er denn in den letzten Jahren Vater für mich? Und welche Verpflichtung habe ich gegenüber meinen Eltern, die mir das Leben geschenkt haben? GESCHENKT!

    Ich hatte das Gefühl, es wäre meine gesellschaftliche Pflicht mich um meine Eltern zu kümmern. Dachte, die Leute würden schlecht über mich denken, wenn ich es nicht täte. Am Ende hat sich rausgestellt, dass das niemand in meinem Umfeld dachte. Nur die Stimme in meinem Kopf……aber die kann ich ja glücklicherweise beeinflussen, denn es ist meine.

    Noch ein letzter Gedanke: bei mir war irgendwann von der Person, die ich als Vater liebe, nicht mehr viel übrig. Da saß am Ende ein fremder Mann vor mir, der noch entfernt aussah wie mein Vater. Der Alkohol hat meinen Vater langsam aber stetig ausgelöscht. Wie viel von deiner Mutter ist bei dir noch da?

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Noch ein letzter Gedanke: bei mir war irgendwann von der Person, die ich als Vater liebe, nicht mehr viel übrig. Da saß am Ende ein fremder Mann vor mir, der noch entfernt aussah wie mein Vater. Der Alkohol hat meinen Vater langsam aber stetig ausgelöscht. Wie viel von deiner Mutter ist bei dir noch da?

    Liebe Grüße,

    Helena

    Ich hatte eben gänsehaut bei dieser Frage. Finde sie sehr interessant. Bei meiner Mutter merke ich nach jeden Rückfall, dass sie vergesslicher wirkt, mehr durcheinander.. unkonzentriert..

    Hyouka

    Ich finde es auf jedenfall schon mutig das du den Schritt zum Therapeuten gehst. Ich konnte mich dazu noch nicht bringen. Schon oft gesagt aber noch nicht in die Tat umgesetzt.

    Wie hast du den richtigen Therapeuten gefunden? Und geht es dir dadurch besser?

    Ich kann mich gut in dich hinein versetzen. Meine Mutter ist mittlerweile auch wieder ein Quartalstrinker.

    Erst hat sie immer getrunken, nach 10 Jahren dann immer geschafft nur einmal im Jahr rückfällig zu werden. Und jetzt auf einmal, ist sie innerhalb eines Jahres schon das 4x rückfällig.

    Ihr Körper hat so stark abgebaut, daß ich mich förmlich an Sie klammer und sie ständig mit meiner Tochter besuche, um Zeit mit ihr verbringen zu können. Den wer weiß wielang ich die Zeit noch habe?

    Ich persönlich könnte mich niemals von ihr abwenden. Dadurch das sie meinen Vater als stütze hat, kann ich mich mehr zurück ziehen wenn sie rückfällig geworden ist. Ich muss es nicht mehr miterleben. Zumindest nicht mehr so wie früher. Ich meide Telefonate mit ihr, weil sie nichts bringen und nur in beleidigenden Worten enden ihrer Seits. Da ist sie beim letzten Mal stark eskaliert. Da musste ich mit Kontakt abbrechen drohen damit wir endlich mal zur ruhe kamen. Es endete mit blockieren.

    Und ich fahr nicht zu Besuch hin.

  • Etwas an deinem Beitrag hat mich unruhig gemacht. Ich wusste längere Zeit nicht was es war und dann wurde es mir klar. Es ist das Wort „abwenden“.

    Ich persönlich könnte mich niemals von ihr abwenden

    Ich habe dazu mittlerweile eine ganz andere Sichtweise. Für mich steht im Mittelpunkt, dass ich mich in meinem Fall jemand ganz entscheidendem ZUGEWENDET habe ….und zwar der wichtigsten Person in meinem Leben, mir. Gleichzeitig habe ich meinem Vater damit die einzige Hilfe gegeben, die in dem Moment wirklich eine Hilfe war. Denn zu diesem Zeitpunkt, wollte er seine Krankeheit noch nicht angehen. Mit jeder anderen vermeintlichen Unterstützung hätte ich also nicht ihm geholfen, sondern seiner Sucht……dem Alkohol. Es meinem Vater in seiner Sucht auch noch bequem zu machen. Nichts ändern zu müssen weil ja noch alles läuft wie bisher. Die Lieben sind ja noch da und sonst ist ja auch alles paletti. Nein. Das wäre für mich ein untragbarer Zustand gewesen.

    Wie gesagt, ich hatte auch lange Zeit geglaubt ich könnte ihm helfen, ihn heilen……das war ein Trugschluss, so lange die Person das Problem nicht sieht und an der Situation nichts ändern möchte, bleibt nur eine Frage: Möchte ich mit in den Abgrund gerissen werden, auf den der Zug zusteuert, oder abspringen und mein Leben leben?

    So sehe ich das zumindest :)

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Meinem Vater war es egal, ob ich und meine Mama direkt daneben standen und zuschauten, wenn er sich kaputt soff oder nicht. So einfach war das. Aber es hatte eine enorme Verbesserung meiner Lebensqualität bewirkt, als ich beschlossen habe den Kontakt einschlafen zu lassen, zu schauen wann ich wirklich was von meinem Vater hören und sehen will. Was soll ich sagen, ich habe ihn das letzte Mal lebend Ende Oktober 2021 gesehen. Tot Anfang Februar. Das war alles andere als einfach aber es wäre deutlich härter für mich gewesen, seinen Abgang in allen Einzelheiten hautnah mitzuerleben.

    Hallo Helena! Ich finde das richtig stark, dass du den Schritt gewagt hast, dich um dich selbst und um dein Leben zu kümmern! Und auch, dass du diesen Schritt nicht bereust.
    Ich glaube, meiner Mutter ist es nicht komplett egal, wenn ich mitbekomme, dass sie trinkt. Sie will, wie ich bereits erzählt habe, nicht über das Thema reden. Wahrscheinlich, weil sie die Schuldgefühle nicht an sich ranlassen will. Kein Elternteil gibt gerne zu, dass er in der Erziehung "versagt" hat.

    So, wie es gerade ist, ist es für mich auch ertragbar. Früher habe ich das ja hautnah mitbekommen und es gab durchaus lange Phasen, da war sie jeden Tag betrunken. Jetzt bekomme ich das eben nur noch so am Rande mit. Aber alles, was ich bis hier hin erlebt habe, kann ich natürlich nicht mehr vergessen, weswegen mich schon die kleinsten Anzeichen, dass sie wieder trinkt, emotional aus der Bahn werfen.

    Ich hatte das Gefühl, es wäre meine gesellschaftliche Pflicht mich um meine Eltern zu kümmern. Dachte, die Leute würden schlecht über mich denken, wenn ich es nicht täte. Am Ende hat sich rausgestellt, dass das niemand in meinem Umfeld dachte. Nur die Stimme in meinem Kopf……aber die kann ich ja glücklicherweise beeinflussen, denn es ist meine.

    Noch ein letzter Gedanke: bei mir war irgendwann von der Person, die ich als Vater liebe, nicht mehr viel übrig. Da saß am Ende ein fremder Mann vor mir, der noch entfernt aussah wie mein Vater. Der Alkohol hat meinen Vater langsam aber stetig ausgelöscht. Wie viel von deiner Mutter ist bei dir noch da?

    Ich komme in sämtlichen Themen immer mehr dahin, mir klar zu machen, dass es mir egal sein sollte, was andere denken. Natürlich klappt das in vielen Dingen noch überhaupt gar nicht, aber bei der Sache wäre mir das tatsächlich egal, wenn andere irgendwas schlechtes davon denken würden. Ich sehe nur momentan nicht die dringende Notwendigkeit, zu versuchen, den Kontakt abzubrechen. Dadruch, dass ich sie ja eh nicht mehr ständig sehe, ist das irgendwie zur Zeit schon okay so, wie ich oben schon beschrieben habe. Außerdem glaube ich, dass das mit dem Kontaktabbruch familiär auch gar nicht so richtig umsetzbar wäre.

    Ich habe nur die vergangene Woche sehr stark gemerkt, dass ich den Drang verspüre, einfach mal zumindest für ein paar Monate in eine andere Stadt zu ziehen um mich nicht mehr mit ihr und anderen Familiengeschichten rumschlagen zu müssen. Ich habe vor 5 Tagen Corona bekommen und habe mich deswegen ständig mit meiner Familie, und vor allem mit meiner Mutter gestritten. Sie war zum Beispiel sauer, als ich mich nicht ohne Maske an den gleichen Tisch zum Essen setzen wollte und hat mich deswegen als Zicke bezeichnet. Das ist ein sehr gutes Beispiel, um auf deine letzte Frage einzugehen: Sie ist nicht mehr fähig dazu, eine sachliche Diskussion zu führen und sieht alles immer sofort als Angriff. Das macht Gespräche mit ihr total anstrengend und eigentlich hab ich auch keine Lust, mich großartig mit ihr zu unterhalten. Aber auch das sieht sich dann wieder als Beleidigung. Sie erwartet, dass ich so tue, als wäre nie was gewesen und versteht anscheinend nicht, dass ich nie wieder ein normales Verhältnis zu ihr aufbauen kann. Oder sie will es nicht verstehen. Es ist nicht so, dass sie nur noch eine leere Hülle wäre. Sie ist schon noch da, aber ihr Charakter hat viele negative Seiten, von denen ich glaube, dass sie früher nicht da waren.

    Ich finde es auf jedenfall schon mutig das du den Schritt zum Therapeuten gehst. Ich konnte mich dazu noch nicht bringen. Schon oft gesagt aber noch nicht in die Tat umgesetzt.

    Wie hast du den richtigen Therapeuten gefunden? Und geht es dir dadurch besser?

    Hallo Kaninchenliebe!

    Bei mir hat das auch erst mal ein bisschen gedauert, bis ich gesagt habe "Ich möchte eine Therapie machen". Hab mir dann aber vor circa 2 Jahren eine Überweisung vom Hausarzt geholt, damit ich mich bei einen Psychotherapeuten diagnostizieren lassen konnte (einen Ersttermin dort bekommt man oft relativ schnell). Der hat mir dann mit der Diagnose (chronisch depressive Verstimmung) einen weiteren Wisch gegeben, womit ich dann zum C.G.-Jung Institut bin, wo ich dann weitere Gespräche hatte. Dort meinten die, dass sie sich melden würden, wenn ein Platz für eine Therapie frei wird, aber als sie sich dann monatelang nicht gemeldet hatten, beschloss ich mich, das selbst in die Hand zu nehmen.

    Hab dann erst mal im Internet alle Therapeutinnen in der Nähe durchgeschaut und der, die mir am sympathischsten rüberkam, auf gut Glück eine Mail geschrieben. Tatsächlich hat das dann dort geklappt und nun bin ich bei ihr seit einem halben Jahr in Therapie. :)

    Es hilft mir auf jeden Fall, mit schwierigen Situationen besser umzugehen und klarere Gedanken zu fassen. Allerdings muss ich auch sagen, dass das kein Wunderheilmittel ist und man nicht innerhalb von ein paar Monaten plötzlich glücklich oder "geheilt" ist. Das braucht natürlich seine Zeit, da das ja auch nur einmal in der Woche stattfindet.

    Aber ich kann dir auf jeden Fall trotzdem sagen: Wage den Schritt! Es ist ja leider auch nicht so, dass man sofort einen Platz bekommt, wenn man sich mal nach Jahren dazu überwunden hat, irgendwo anzurufen. Oft dauert das dann auch nochmal viele Monate. Außerdem macht es ja absolut keinen Sinn, es nicht zu probieren. Wenn du das Gefühl hast, dass dir das was nützen könnte (wovon ich überzeugt bin), warum dann noch warten? Dadruch geht nur Zeit verloren, die man in eine bessere Lebensqualität hätte investieren können.

    Zu deiner Geschichte: Du musst natürlich herausfinden, was für dich das Beste ist. Ich sehe das nicht so, dass das unbedingt der Kontaktabbruch sein muss. Das ist bei jeder Person anders und es kann ja auch ein Mittelweg sein. Hast du denn deiner Mutter erklärt, warum du den Kontakt zu ihr reduzierst? Natürlich bist du ihr keine Erklärung schuldig, aber vielleicht denkt sie dann wenigstens ein bisschen darüber nach, auch wenn sie dich im ersten Moment beschmipft. Und war deine Mutter schon mal in Therapie? Hinter einer Sucht steckt ja mehr.

  • Hallo Hyuoka,

    meine Geschichte ist meine Geschichte und nur eine von vielen. Mit vielen Wendungen und individuellen Entscheidungen. Ihr schreibt eure eigene :).

    Ich habe nur die vergangene Woche sehr stark gemerkt, dass ich den Drang verspüre, einfach mal zumindest für ein paar Monate in eine andere Stadt zu ziehen um mich nicht mehr mit ihr und anderen Familiengeschichten rumschlagen zu müssen.

    Genau das ist super. Hör in dich rein und schau was DIR gut tut. Und wenn du mit mehr Distanz merkst, dass es dir viel besser geht und du das gerne noch längere so hättest, auch ok. Kontaktabbruch hört sich so hart an. Ich verwende es in meinem Fall auch nur weil es ein einfaches Wort für eine komplexere Entwicklung ist. Tatsächlich habe ich den Kontakt langsam einschlafen lassen. Es gab keinen Tag X an dem ich beschlossen hab, …..so jetzt mag ich meinen Papa gar nie mehr sehen. Es hat mir einfach nur so gut getan, dass ich einfach irgendwann von mir aus keinen Kontakt mehr aufnehmen wollte. Wie gesagt, du schreibst DEINE Geschichte selbst.

    Ich glaube, meiner Mutter ist es nicht komplett egal, wenn ich mitbekomme, dass sie trinkt.

    Das war meinem Papa auch nicht egal. Er konnte nur nicht anders.

    Das ist ein sehr gutes Beispiel, um auf deine letzte Frage einzugehen: Sie ist nicht mehr fähig dazu, eine sachliche Diskussion zu führen und sieht alles immer sofort als Angriff. Das macht Gespräche mit ihr total anstrengend und eigentlich hab ich auch keine Lust, mich großartig mit ihr zu unterhalten. Aber auch das sieht sich dann wieder als Beleidigung. Sie erwartet, dass ich so tue, als wäre nie was gewesen und versteht anscheinend nicht, dass ich nie wieder ein normales Verhältnis zu ihr aufbauen kann. Oder sie will es nicht verstehen. Es ist nicht so, dass sie nur noch eine leere Hülle wäre. Sie ist schon noch da, aber ihr Charakter hat viele negative Seiten, von denen ich glaube, dass sie früher nicht da waren.

    Exakt so war es bei meinem Papa auch. Ich erkenne ihn in deiner Beschreibung wieder. Mehrere Jahre, wenn ich jetzt so drüber nachdenken, war es ein schleichender Prozess. Mir war lange nicht klar, dass es der Alkohol war, der meinen Vater so verändert hat. Im letzten Jahr hat der Zug wie gesagt an Fahrt aufgenommen, sodass irgendwann nur noch ein Klischee-Alkoholiker vor mir saß, der gelogen, manipuliert, geschimpft und resigniert hat. Das war nicht mehr mein Papa, das meine ich mit leerer Hülle. Ich wünsche dir, dass deine Geschichte einen anderen Ausgang bekommt. Warum ich dir meine Geschichte schreibe: weil es mir sehr geholfen hat zu lesen wie es ausgehen kann, wenn sich nichts ändert. Worst-case scenario.

    Ich finde es super, dass du dich mit deinen Bedürfnissen in dieser Hinsicht auseinandersetzt und deinen Weg findest. Deine Geschichte schreibst. Denn auf die deiner Mama hast du höchstwahrscheinlich keinen Einfluss.

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Wenn ein Mensch so ist, wie er ist und uns es nicht gefällt, soll er so werden, sich so verhalten, daß er uns gefällt.

    Menschen verändern sich. Jeder Mensch hat seine eigene Realität, die sich im Laufe seines Lebens verändert.

    Bei manchen bringt Alkohol eine starke Veränderung hervor. Läßt man diese Droge weg, tritt eine Veränderung ein (welche auch immer). So weit die Fakten.

    Will der Mensch die Droge nicht weglassen, dann ist das so.

    Wir haben dieses zu akzeptieren, ob wir wollen oder nicht. Ob wir dem Respekt zollen, ist eine andere Frage.

    Zwang ruft meist eine heftige Gegenreaktion hervor. Oft wird mit Vernunft argumentiert, der eigenen Vernunft, mit der eigenen Realität.

    Sieht die Realität meines Gegenübers aber völlig anders aus (aus welchem Grund auch immer), können wir uns den Mund fusselig reden.

    Man kann einen Menschen also nur mit „aha-Erlebnissen“ verändern, dafür sorgen, daß er sich ändert, freiwillig.

    Eine Reaktion erzeugt eine bestimmte Gegenreaktion. Sehr gut kann man das bei Kindern oder (jungen) Tieren beobachten. Es ist ein langwieriger Prozess.

    Je älter (erfahrener) ein Mensch ist, desto länger dauert es, bestimmte Verhaltensmuster (Einstellungen, Meinungen) abzutrainieren.

    Was für den einen „normal“ erscheint, ist für andere unverständlich.

    Ja, die Mama war ja früher ganz anders, mein Mann (als er noch nicht so viel gesoffen hat) auch.

    Wir kennen alle diese Sätze. Bedenken aber selten, daß diese Veränderungen sich über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinzogen.

    Die kann man nicht „so einfach“ ändern, zurücksetzen. Es braucht Zeit, viel Zeit.

    Wir versuchen alles mit Vernunft zu erklären (unserer Vernunft!), sind wir uns unsicher, beraten wir uns mit anderen Menschen, je mehr Menschen eine Meinung teilen, desto vernünftiger erscheint es.

    Eine Therapie setzt ebenfalls auf „aha-Effekte“, dem Probanden soll vermittelt werden, durch Selbsterkenntnis Veränderungen hervor zu rufen.

    Nur das funktioniert, alles andere bleibt Illusion.

    Ich muß also in „der Sprache“ meines Gegenübers sprechen, damit es/er mich versteht. Zu Tode argumentieren, bringt da wenig, wenn mein Gegenüber es nicht versteht.

    Ist das Gehirn vernebelt, wird`s zum Unterfangen.

    Mein Vater trank heftig, war er berauscht, war ein Gespräch sinnlos, in den wenigen klaren Momenten, konnten wir zwar miteinander reden, er verstand alles, war sich seines Zustandes auch völlig bewußt, doch er wollte nichts ändern – das mußte ich akzeptieren.

    Meine Mama trank nie, überhäufte mich aber permanent mit ihren Lebensweisheiten und guten Tips – welches erwachsene Kind kann das schon auf Dauer ertragen? Erst als der Abstand immer größer wurde, wuchs auch meine Toleranz, ihr gegenüber.

    Ich habe für mich begriffen, ich muß nichts aushalten und bringe ich meinem Gegenüber nicht das nötige Verständnis auf, kann ich mich selbst fertig machen oder den anderen.

    Ich kann aber auch mein Leben leben. Wenn ich keinen Kontaktabbruch wünsche, bleibt nur das Arrangement.

    Es bleibt wohl nur, die Kunst zu erlernen, es zu verstehen, damit klar zu kommen.

  • Wenn ein Mensch so ist, wie er ist und uns es nicht gefällt, soll er so werden, sich so verhalten, daß er uns gefällt.

    Jetzt mal unabhängig von dem ganzen Alkohol-Thema ist mir dieser erste Satz direkt ins Auge gestochen, da das eigentlich nicht meine Ansicht ist. Ohne andere Menschen, die sich nicht so verhalten, wie man es selbst gewohnt ist oder es sich vielleicht wünschen würde, könnte man die eigene Perspektive nie wechseln. Das ist wichtig für jeden Austausch. Auch, wenn man sich selbst oder seine eigene Meinung nicht ändert (was ja auch nicht immer nötig ist), würde die Welt ja nicht funktionieren, wenn alle Menschen sich so verhalten, wie es einem recht ist.
    Wenn ich es jetzt auf meine Mutter beziehe: Natürlich will ich, dass sie nicht mehr trinkt. Aber das ist ja bei ihr kein Charakterzug oder eine Meinung oder sonst was. Das ist eine gefährliche Krankheit die sie da hat.

    Ja, die Mama war ja früher ganz anders, mein Mann (als er noch nicht so viel gesoffen hat) auch.

    Wir kennen alle diese Sätze. Bedenken aber selten, daß diese Veränderungen sich über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinzogen.

    Die kann man nicht „so einfach“ ändern, zurücksetzen. Es braucht Zeit, viel Zeit.

    Wir versuchen alles mit Vernunft zu erklären (unserer Vernunft!), sind wir uns unsicher, beraten wir uns mit anderen Menschen, je mehr Menschen eine Meinung teilen, desto vernünftiger erscheint es.

    Mir ist sehr bewusst, dass sich diese Veränderung über Jahre hingezogen hat, da ich mir selbst ja gar nicht mehr sicher bin, ob das tatsächlich so ist, dass sie früher anders war. Aber ich denke schon. Und auch, wenn ich mich nicht mehr so wirklich daran erinner, will ich mir trotzdem die Möglichkeit lassen, um zu trauern, dass es nicht mehr so ist wie es vielleicht mal war oder wie ich es noch in Fragmenten in meinem Kopf habe.
    Übrigens finde ich auch nicht, dass etwas vernünftiger scheint, nur weil viele Leute eine ähnliche Meinung haben. Das sollte es auf keinen Fall.

    Ich kann aber auch mein Leben leben. Wenn ich keinen Kontaktabbruch wünsche, bleibt nur das Arrangement.

    Es bleibt wohl nur, die Kunst zu erlernen, es zu verstehen, damit klar zu kommen.

    Aber warum dieses Schwarz/Weiß-Ding? Warum muss ich alles einfach so akzeptieren, wenn ich den Kontakt nicht abbreche? Ich kann ja trotzdem nicht damit einverstanden sein, dass das alles so ist, aber da ist für mich nicht die einzige Konsequenz, den Kontakt abzubrechen. Und wenn sie nicht versteht, was das eigentliche Problem ist, wie soll sie denn auch selbst irgendwas ändern wollen und sollen? Natürlich kann ich diesen einen "Aha-Moment" nicht herbeizaubern, aber ich kann vielleicht helfen, dass es kleine "Aha-Momente" gibt. Ja, ich muss akzeptieren, dass es für mich selbst so vielleicht schwieriger ist, aber ich darf trotzdem lamentieren. Ich habe das Gefühl, die Dinge langsam begreifen zu können. Eben auch dadruch, dass ich in Therapie bin. Dann kann ich ja zumindest mal versuchen, mit den Mitteln, die mir da an die Hand gegeben werden, meiner Mutter etwas zu helfen, auf den richtigen Weg zu kommen und mir aber selbst den Raum für die Emotionen zu lassen, die ab und zu raus müssen. Vielleicht komme ich ja auch irgendwann zu der Erkenntnis, dass jeder Versuch hoffnungslos ist. Aber gerade bin ich nicht an diesem Punkt.

  • Zitat

    Natürlich kann ich diesen einen "Aha-Moment" nicht herbeizaubern, aber ich kann vielleicht helfen, dass es kleine "Aha-Momente" gibt.

    Und darüber vergeht deine Lebenszeit.

    Möchte sie denn Hilfe?

    Zitat

    Dann kann ich ja zumindest mal versuchen, mit den Mitteln, die mir da an die Hand gegeben werden, meiner Mutter etwas zu helfen, auf den richtigen Weg zu kommen

    Du bist doch aber nicht ihre Therapeutin. Und woher weiß man, was der richtige Weg für den anderen ist?


    Das klingt jetzt vielleicht hart. Aber ich bin selber EKA und habe das alles durch, was du beschreibst. Dieses Ohnmachtsgefühl auf der einen Seite. Aber auch das Gefühl helfen zu müssen und helfen zu können. Und irgendwann der gefühlsmäßige Absturz, daß man eben NICHTS tun kann und im Endeffekt auch nicht zuständig ist. Die Eltern sollten für ihre Kinder da sein und nicht umgekehrt. In alkoholkranken Familien drehen sich die Verantwortlichkeinten um, immer mit dem Totschlagargument, Alkoholismus ist doch eine Krankheit. Da muß man helfen, da kann man helfen.

    Was für "normale" Krankheiten gilt und funktioniert, ist bei Suchterkrankungen völlig anders.

    Bitte schau auf dich, daß du nicht in den Burnout kommst.

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde! :)

    Ich mache das ja nicht für sie, sondern im Endeffekt für mich. Ich habe sie heute zum Beispiel gefragt, ob sie meine Kinder, die ich irgendwann mal haben werde, kennenlernen möchte und sie hat mit Ja geantwortet. Und ich möchte das natürlich auch, aber nicht so. Wenn sie denn überhaupt bis dahin noch leben sollte... Letztens ist ihr Alkoholiker-Freund gestorben und sie macht nicht den Eindruck, dass sie das gleiche Schicksal erleben möchte. Aber sie versteht eben überhaupt gar nicht (oder will sich nicht eingestehen), woher diese Sucht kommen könnte geschweige denn dass das ein riesiges Problem ist. Für mich, für sie, für meine Familie. Alles, was sie auf den richtigen Weg bringt, der offentsichtlich der Weg aus der Sucht ist (darüber muss man ja nicht diskutieren, denn glücklich wird sie dadurch nicht), ist für uns alle der richtige Weg. Wenn sie es irgendwann mal schaffen sollte, wäre das für mich um einiges schöner, als wenn sie irgendwann totgesoffen in ihrer Wohnung gefunden wird. Und letztentlich verschwende ich genau so viel Zeit damit, so zu tun, als würde mich das alles nicht interessieren, als wenn ich ab und zu versuche, sie dazu zu bewegen, ein paar Dinge zu verstehen. Im Endeffekt ist es ehrlich gesagt wahrscheinlich auch eine Mischung aus beidem, aber vielleicht ist das für mich besser so.
    Aber ich versuche natürlich auch, mich darauf vorzubreiten, damit zu leben, wenn sie es nicht schafft und mir kein anderer Weg mehr bleibt.

  • Bitte schau auf dich, daß du nicht in den Burnout kommst.

    Achso, und die Depression habe ich ja hart gesagt eh schon. Es ist jetzt wirklich nicht so, als würde ich jeden Tag versuchen, meine Mutter davon zu überzeugen, sich helfen zu lassen. Also Burn Out werde ich davon wohl nicht bekommen. Aber wie gesagt, ab und zu entscheide ich mich dann doch dafür, den Versuch zu wagen, ihr ein paar Dinge klarer zu machen.

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