Lila2216 - Eine von euch

  • Hallo ihr Lieben,

    ich bin Anfang 30, mit meinem Mann schon seit 13 Jahren zusammen und wir haben zwei kleine Kinder (1 und 4). Ich habe mich natürlich in den letzten Tagen schon so weit ich konnte durch das Forum gelesen und muss feststellen, dass ich mich in fast allen Geschichten von Co-abhängigen hier wieder gefunden habe. Mein Mann hat leider seit einigen Jahren eine zunehmend schlimmer werdende Alkoholsucht. Leider muss ich dazu sagen, dass er in seiner Jugend Bulimie hatte, was ja auch eine Sucht ist, diese dann mit Cannabis versucht hat zu „behandeln“ und schließlich beim Alkohol hängen geblieben ist. Und genau wie alle anderen habe ich erst das Problem gar nicht verstanden, weil er von Anfang an alles verheimlicht hat. Dann habe ich gebeten, gebettelt, gefleht. Ich war wütend und frustriert. Natürlich habe ich dann auch manchmal nicht so nette Dinge gesagt. Ich habe Verstecke gesucht und ihm Vorhaltungen gemacht. Habe versucht zu kontrollieren, ihn zu ertappen und so weiter. Dabei ging es mir natürlich sehr schlecht und ich hatte oft Angst. Ich habe mich gefangen gefühlt, weil unsere Wohnung uns beiden gehört und ich nicht wüsste wohin. Weil die Kinder noch so klein waren und ich noch in Elternzeit.

    Im Moment stehen wir an einem Wendepunkt. Mein Mann wurde nach vielen Jahren Berufstätigkeit aufgrund seiner Unzuverlässigkeit und zuweilen unwirschen Art entlassen. Er hat sich an seinen Hausarzt gewandt und ihn aufgrund von Depressionen und wegen des Alkoholmissbrauchs um Hilfe gebeten. Diese hat ihn an Psychiater und Psychotherapeuten überwiesen, die ihm aber beide überhaupt nicht weiter helfen konnten und bestenfalls an die Suchthilfe verwiesen haben. Zwischenzeitlich kamen doch natürlich für sein Alter extrem erhöhte Leberwerte zum Vorschein, woraufhin der Psychiater sogar noch zu meinem Mann gesagt hat: „ Na, die Zahlen erschrecken mich jetzt nicht.“ Er war jetzt beim Leberarzt und der hat ihm eine Fettleber in Folge des Alkohols diagnostiziert. Laut meinem Mann ist diese aber wohl noch gut wieder in den Griff zu bekommen. Zwischen den Blutergebnissen und dem Leberarzt war mein Mann ganze zwei Wochen trocken (und ich wahrscheinlich auf einem totalen Hoch, habe natürlich sofort gedacht: JETZT hat er’s endlich begriffen) aber seit dem Leberarztbesuch trinkt er wieder täglich und auch schon vormittags. Am Montag hat er einen Termin bei der Suchtberatung, den er auch wahrnehmen will. Dazu habe ich einige Fragen, vielleicht gibt es hier Menschen die da Erfahrungen gemacht haben. Er wird doch erst entgiften müssen, logischerweise, um eine Therapie überhaupt beginnen zu können oder? Ich denke über eine Trennung zum Wohle der Kinder nach, Liebe ihn aber natürlich sehr und kann mir eigentlich nicht vorstellen, ihn „fallen“ zu lassen, zumal er jetzt nach so vielen Jahren doch endlich so weit ist, einige Ärzte aufzusuchen. Wenn jemand diese Schritte geht und trotzdem erstmal weiter trinkt, wie erfolgreich kann dann aus eurer Sicht, das Gespräch in der Suchtambulanz denn sein? Ich schätze er trinkt schon mindestens zwei Flaschen süßen Wein am Tag.

    Viele Grüße euch und viel Kraft alles durchzustehen.

    Ich glaube ich komm sehr kühl rüber, aber das bin und war ich natürlich nie. Ich habe geweint und gelitten jeden Tag in den letzten Jahren

  • Hallo Lila,

    mich berühren solche Geschichten immer. Die Geschichten wiederholen sich leider des Öfteren auf dieser Plattform. Das hier ist der Vorstellungsbereich, wenn du mitmachen möchtest, kannst du dich gerne hier kurz bewerben. Ich schalte dich dann frei:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Dann kann der Austausch richtig anfangen.

    Gruss

    Alex

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Hallo Lila!

    Ich finde du kommst gar nicht 'kühl' rüber. Meiner Meinung nach, hast du eure Geschichte sehr sachlich und gut beschrieben was ich gut finde und dennoch liest man deinen schmerz aus den zeilen, die mich sehr berühren!

    Ich selbst bin alkoholiker und habe vergangenen herbst ähnliches erlebt. Womöglich hilft dir meine Geschichte weiter.

    Ich habe zwar meinen job nicht verloren, schaffte es aber aufgrund meiner trinkerei, die mir dann auch psychisch und physisch stark zugesetzt hatte meine arbeit nicht mehr ganz richtig zu machen. Irgendwann gings dann nicht mehr und ich ging in Krankenstand.

    Meine Hausärztin verwies mich zu einer psychotherapeutin, die mir burnout diagnostizierte, obwohl ich klar auf meinen hohen alkoholkonsum verwies.

    So leicht öffnen sich türen durch die man wieder in eine ausrede fürs trinken flüchten kann.

    Ich war damals so fertig, dass ich mich damit zum glück nicht zufrieden gab, gleichzeitig aber so weit weg vom Ausmaß des problems, dass ich zu diesem zeitpunkt noch fest glaubte 14 tage krankenstand und eine therapie, die ich nebenberuflich absolviere, würden mich wieder auf schiene bringen.

    Dabei spielten natürlich gewisse ängste, jobverlust - finanzen - familie mit zwei kinder und nicht zuletzt der gesichtsverlust, also stolz auch eine rolle, das problem klein zu reden.

    So richtig weiter half mir dann die alkoholberatung! Hier fand ich in einem diskreten umfeld gehör, verständnis und mir wurde dabei geholfen die krankheit alkoholismus zu verstehen.

    Es dauerte eine woche bis ich einen platz in der suchtstation bekam. Während dieser zeit hatte ich termine bei der beratungstelle, die mich am plan hielten mich aber weder vom trinken abhalten konnten noch dazu brachten weniger zu trinken. Es wird sogar abgeraten plötzlich aufzuhören, dies wäre ein kalter entzug, der durchaus gefährlich verlaufen kann.

    Mir dem problem voll bewusst, trank ich weiter. Ich war während den beratungen betrunken (nicht stark, sodass man es mir nicht ankannte wie ich später erfuhr) nach der Beratung ging ich entgegen der tips erst möglichst spät am tag und weniger trinken zu trinken, direkt ins nächste geschäft bier holen, dass ich gleich trank.

    Ich kann es mir heute selbst nicht erklären aber meinen letzten schluck alkohol trank ich in der toilette des wc's im krankenhaus um 8.50.um 9.00 trat ich meinen entzug an.

    Den entzug empfand ich als erleichterung. Im krankenhaus wurde viel darüber gesprochen und auch die ernsthaftigkeit dieser abhängigkeit vermittelt - was ich für furchtbar wichtig finde! Viele, ich auch, die dort ankamen dachten in 5 tagen ist es erledigt, ein großer fehler! Ich bin froh 16 tage dort verbracht zu haben. Die zeit nutzte ich einerseits zur Erholung aber noch wichtiger um das angebot zu nutzen wie man mit der allgegenwärtigen droge alkohol umgeht und sich schützt nicht umzufallen.

    Im Anschluß erhielt ich die möglichkeit einer stationären entwöhnung in einer außenstelle für sechs wochen - es gibt aber auch ambulante angebote beides sehr sinnvoll. Um auf dauer (ich bins ja noch nicht so lange aber es ist mein ziel) trocken zu bleiben ist es meiner Meinung nach wichtig für die hilfe offen zu sein viele denken sich 'ach die übertreiben' und es ernst zu nehmen.

    Für mich aber das allerwichtigste ist an eine nachsorge anzuknüpfen, hierfür solltest du deinen mann unbedingt motivieren sobald du ihn wieder 'erreichen' kannst.

    Für mich ist eine nachsorgegruppe wie eine lebensversicherung. Es gibt verschiedenste angebote, wie zb dieses tolle forum ;). Einzel-, gruppenberatung, selbsthilfegruppen usw. So wie ich die verschiedenen möglichkeizen kennengelernt habe, gehtbes auch nicht immer nur um alkohol sondern auch um themen des lebens, was gut ist weil im leben der auslöser für einen rückfall steckt.

    Ich denke wenn dein mann schon anknüpft ist es ein gutes zeichen. Sein trinken wird aber deshalb wahrscheinlich nicht gleich verschwinden. Ich denke wichtig ist zu erkennen ob er diesen weg auch ernsthaft gehn möchte, dann brauchts etwas bis die trinkerbrille ganz ab ist, dem problem ins auge geschaut wird und man sich daran gewöhnt.

    Alles gute!!

    2 Mal editiert, zuletzt von Sam (7. Mai 2022 um 23:50)

  • Vielen vielen Dank Leonard! Das hat mir tatsächlich schon sehr weiter geholfen. Es ist einfach schwer sich vorzustellen, wie eine Behandlung aussehen könnte, wenn man so viele Jahre die Augen fest verschlossen hatte. Ich bin zum Glück nicht mehr ganz alleine mit meinem „Wissen“, seine Familie und auch einige Freunde wissen auch Bescheid und unterstützen mich sehr. Ich kann ja mal berichten, wie es bei uns weiter gegangen ist. Ich habe mich selbst auch noch an die Suchtberatung gewandt, um mein Co-abhängiges Verhalten besser verstehen und therapieren zu können. Ich warte aber noch auf den Termin

  • Cadda 8. Mai 2022 um 07:44

    Hat den Titel des Themas von „Eine von euch“ zu „Lila2216 - Eine von euch“ geändert.
  • Hallo Lila,

    ich habe Dich für den offenen Bereich freigeschaltet und mal Deinen Usernamen vor den Betreff gesetzt, um Dich besser wiederfinden zu können.

    Hier geht es nun für Dich weiter :)

    LG Cadda

  • Hallo Lila,

    ohne jemanden etwas unterstellen zu wollen, war er wirklich trocken?

    Natürlich, kann so ein äußerer Druck (Arzt, Leberwerte bestimmen) deinen Mann bewegt haben 2 Wochen wirklich auf Alkohol zu verzichten. Er war praktisch „entgiftet“. Kaum war der Druck weg, wurde wieder getrunken.

    Wie Sam gut beschrieb: kurz vor der Entgiftung wird nochmal nachgeschüttet, denn danach ist`s ja vorbei. Diese Verlustangst ist als Nicht-Abhängiger schwer zu begreifen.

    Ich bin fest davon überzeugt, daß das genau der „Knackpunkt“ ist, daß der Alkoholiker begreift, daß man eben nichts verliert, im Gegenteil.

    Nun ist im Suchtgedächtnis Alkoholkonsum positiv besetzt, Probleme gehen weg, ein wohliger Zustand stellt sich ein...

    Entgiftet man nun auf Grund des äußeren Drucks, einem Anderen zuliebe, macht anschließend eine Therapie in einer abgeschlossenen Umgebung (Blase), klappt das meist eine gewisse Zeit, kaum ist der Druck/ die Beobachtung weg, wird schnell wieder getrunken, erst bein bisschen, dann ein bisschen heftig. Die Statistik und viele Berichte der Co-Abhängigen bestätigen es.

    Der Alkoholiker muß also von sich aus zu der Erkenntnis kommen, ohne Verbote, er muß begreifen, daß er es nur für sich tut und nicht für andere!

    Am Anfang mußte ich mich schon ganz schön zusammenreißen, keinen Alkohol mehr zukaufen, ich mied die Gänge mit Alkohol im Supermarkt, wie der Teufel das Weihwasser, meine Wohnung war 100% alkoholfrei und hielt mich von jeglichen Orten fern, wo auch nur die Gefahr bestand mit Alk konfrontiert zu werden.

    Ich wußte die Sucht ist nur im Kopf, zumindest redete ich es mir immer wieder ein.

    Nach ein paar Wochen hatte ich das Gröbste überstanden, das Denken an Alkohol wurde immer schwächer.

    Wenn dein Mann es nicht will (egal was er sagt) und er es nur tut, weil es Andere sich wünschen, wird es nicht funktionieren.

    Unterstütze ihn, wo du nur kannst! Doch die Initiative muß von ihm aus gehen, alles andere bleibt Wunschdenken.

    MfG

  • Hallo Lila,

    das Wichtigste für dich hast du auf den Weg gebracht, klasse.

    Es ist nämlich enorm wichtig, dass auch der/ die Angehörige/r sich Unterstützung für SICH SELBST holt.

    Und das machst du.

    Liebe Grüße

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Vielen Dank euch! Mir ist natürlich bewusst, dass er mir auch sehr gut nur vorspielen kann, dass er etwas ändern möchte. Ich bleibe da sehr vorsichtig, weil ich mir auch nicht sicher bin, ob er es für sich selbst aufgeben will oder der Druck von allen Seiten groß ist. Den Termin bei der Suchtberatung hat immerhin selbst gemacht. Ich bin gespannt und ängstlich was heute passiert

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