• Hallo zusammen,

    ich bin seit meiner Kindheit immer wieder in der Rolle der Co-Abhängigen. Erst bei meiner Mutter, jetzt fängt es bei meinem Bruder an. Nicht so schlimm wie bei meiner Mutter, aber meine Gedanken kreisen wieder viel zu viel um das Thema und es geht mir selber schon schlecht deswegen. Hier soll man sich ja zunächst nur kurz vorstellen. Ich würde mich gerne mit Leuten austauschen, die in ihrer Kindheit und Jugend ähnliches erlebt haben und im Erwachsenenalter trotz vieler Bemühungen nicht von dem Thema loskommen.

    LG

    Ladyinred

  • Hallo Ladyinred,

    das nenne ich schon mal volljährig :mrgreen: Ich schalte dich demnächst frei und verschiebe dich in den richtigen Bereich .

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Dann schreibe ich hier mal weiter:

    Hallo zusammen,

    ich habe mich in diesem Forum angemeldet, weil es mir aufgrund einer sich wiederholenden co-Abhängigkeit immer schlechter geht und ich nicht mehr weiß, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich kann auch mit wenigen Menschen über meine Situation reden bzw. habe oft das Gefühl, dass Freunde und mein Partner es nicht verstehen, weil sie selber nie mit sowas konfrontiert waren.

    Mich verfolgt das Thema Alkoholabhängigkeit leider schon mein gesamtes Leben. Ich bin mittlerweile 35 Jahre alt... Meine Mutter war Alkoholikern. Schon als Teenager hat sie angefangen zu trinken, dazu Tabletten Missbrauch. Sie war psychisch sehr labil und wurde leider früh ins Internat gesteckt, was sie nicht verkraftet hat und dort wurde dann die Trauer und das Heimweh mit Alkohol runtergespült. Das hat sie mir in einem ihrer ehrlichen Momente erzählt. Es gab nicht oft solche Momente. Meistens hat sie abgestritten, überhaupt zu trinken... Meine ganze Kindheit war ich gefangen in der co-Abhängigkeit zu meiner Mutter. Habe ihre versteckten Flaschen gesucht, ausgeleert, kaum Freunde eingeladen, Ausreden erfunden, warum sie so komisch ist usw. Meine Eltern haben sich früh getrennt und ich habe mit meiner Mutter bei meiner Oma gelebt, die genauso in der co-Abhängigkeit gefangen war, wie ich. Meine Mutter war typische Quartalssäuferin. Monatelanger Abstinenz folgten wochenlangen Vollabstürzen. Meine Oma hat mich schon als 12-jährige mit den Worten "Guck Mal, ob Mama noch lebt" in das Schlafzimmer meiner Mutter geschickt. Die Angst, sie tot zu finden, war immer da. Das ist dann auch passiert, als ich 22 war. Abends hab ich sie zur Schnecke gemacht, weil sie wieder total besoffen war -und das recht kurz nach einem 6 monatigen Aufenthalt in einer Entzugsklinik, den sie auch voll durchgezogen hat- und am nächsten Morgen lag sie tot in der Küche. Ich war lange Zeit sehr sehr fertig und vermisse sie jeden Tag. Ich hab sie trotz allem sehr geliebt. Sie war ein ausserordentlich liebenswerter Mensch, wenn sie nicht getrunken hat und sie war halt meine Mama. Trotzdem war ich auch froh, dass es vorbei war. Die Abstände, in denen sie nüchtern war, wurden zuletzt immer geringer. Es wurde immer katastrophaler, was Körperpflege und so weiter anging und ich konnte einfach nicht mehr. Wäre es so weiter gegangen, wäre ich jetzt sicher selber total kaputt. Ich habe trotz allem mein Leben gut in den Griff bekommen, habe studiert, bin verheiratet und eigentlich läuft alles gut. Meine Oma war mein Anker, ich verdanke ihr vieles. Leider lebt sie seit kurzem auch nicht mehr und war die letzten Jahre dement...

    Warum ich jetzt schreibe, warum es nur "eigentlich" gut läuft:

    Mein Bruder ist mittlerweile schwerer Alkoholiker und spielsüchtig. Er hat sein Leben nie in den Griff bekommen, ist mittlerweile 42, hat nie eine Ausbildung gemacht und lebt von Sozialhilfe. Er ist aufgrund seiner psychischen Störung erwerbsunfähig. Seine Alkoholabhängigkeit wird immer schlimmer, er gibt sein ganzes Geld dafür und für Glücksspiele aus. Meine ganzen Gedanken drehen sich nur um ihn. Ich habe seit einem 3/4 Jahr keinen Kontakt, aber mein Vater erzählt mir natürlich, was bei ihm los ist und ich habe einerseits eine wahnsinnige Wut und trotzdem mache ich mir solche Sorgen. Am Samstag rief er bei meinem Vater an, dass er Geld für Alkohol bräuchte, weil er sonst Entzugserscheinungen bekommt und das zum Tod führen könne. Mein Vater hat in Absprache mit mir, ihm nichts gegeben. Mein Bruder hat sich dann nicht mehr gemeldet und ich denke seitdem, was wohl mit ihm ist. Hat er überhaupt Lebensmittel zu Hause, hungert er. Ich weiß es nicht. Können die Entzugserscheinungen wirklich so schlimm sein?! Ich bin nervlich so am Ende. Ich will mich aber nicht bei ihm melden. Er hat zum Glück meine Telefonnummer gelöscht, schreibt mir aber regelmäßig Emails mit krassen Beleidigungen. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, ich will mich mit dem Thema Alkoholabhängigkeit eigentlich nicht mehr beschäftigen. Ich möchte endlich mein Leben leben ohne mir darüber Gedanken zu machen, aber es klappt nicht. Mein Bruder fängt immer wieder Therapien an schon seit vielen, vielen Jahren. Bei ihm fingen die Probleme an, als er Teenager war und nicht mit zu meiner Oma, sondern zu meinem Vater gezogen ist. Dort war er seit er 14 war und sehr viel alleine. Konnte machen, was er wollte, hat mit Drogen angefangen und ist dann nach dem Tod meiner Mutter so richtig zum Alkoholiker geworden. Aber er ist auch manisch-depressiv, total ich-bezogen und auch in guten Phasen völlig beratungsresistent. Sobald man ihm was sagt, ihn kritisiert, rastet er aus und legt das Telefon auf. Daher macht auch Kontakt zu ihm für mich keinen Sinn. Außerdem meint er, jetzt da ich arbeite und einen guten Job habe, ich müsste ihn finanziell in seiner Sucht unterstützen. Er hat mehrmals im Suff seine Miete verzockt und dann mich um Geld angebettelt. Ich will aber einfach nicht noch weiter da reinrutschen und Verantwortung für ihn übernehmen. Mein Vater macht den Terror, die Beleidigungen usw. schon seit der Jugend meines Bruders mit und ich möchte das für mein Leben einfach nicht. Mein Mann ist mittlerweile auch nur noch genervt von dem Thema und wir streiten uns schon deswegen häufig. Ich weiß einfach nicht, wie ich vernünftig mit der Situation umgehen soll. Kann ich meinem Bruder helfen?! Wenn ja, wie?

    Entschuldigt den langen Text, aber es tat gut, es sich mal von der Seele zu schreiben.

    Liebe Grüße

    Ladyinred

  • Hallo

    ich habe dich in den Bereich EKA (Erwachsen Kinder von Alkoholiker) wenn du jedoch dich mehr als CO siehst dann kann ich dich in den CO Bereich direkt verschieben. Sage mir dazu Bescheid.

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Liebe Ladyinred,

    herzlich <3 willkommen bei uns! Ich lese die GROßE Not aus deinen Zeilen ...

    Ich befürchte, du wirst für deinen Bruder nichts tun können, wenn er sich jeglichem echten Hilfsangebot verweigert - von welcher Seite auch immer es kommt. Und solange Er nicht einsieht, dass ER und nur ER ALLEIN etwas gegen seine Alkoholkrankheit tun kann, indem er einen Entzug unter ärztlicher Aufsicht macht und anschließend die weiteren notwendigen Schritte geht, wird sich für ihn nichts ändern. So traurig es für dich ist: Es ist SEINE Entscheidung und es liegt in SEINER Verantwortung, ob er weiter trinkt. Es ist SEINE Entscheidung und es liegt in SEINER Verantwortung, wie er sein Leben gestaltet. Ich will dir damit eindringlich ans Herz legen: Nicht DU hast die Verantwortung für SEIN Leben!!! Du hast ein Recht darauf, DEIN Leben gut führen zu können.

    Ich wünsche dir von Herzen alles Gute! Sorge gut für DICH!

    Liebe Grüße

    Cinderella

    "... und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben ..."

    (Herrmann Hesse)

  • Hallo ladyinred,

    herzlich willkommen hier!
    Da hast Du ja einiges mit Dir rumzutragen.... Ich finde mich in vielem, was Du über Deine Kindheit/Jugend geschrieben hast, wieder (meine Mutter war auch Alkoholikerin - leider bin ich später selbst alkoholabhängig geworden). Vieles aus der damaligen Zeit kommt auch heute immer noch in bestimmten Abständen wieder hoch. Den Wunsch, einfach Dein Leben leben zu "dürfen", kann ich so gut nachvollziehen!!
    Wie schon andere geschrieben hatten, kannst Du für Deinen Bruder (leider) nichts tun, da er offenbar selbst nichts an seiner Situation ändern möchte. Ich weiß, wie schwer das ist.
    Aber ich kann Dir auch nur empfehlen, Dich jetzt nur um Dich selbst zu kümmern! Du hast ein schönes und glückliches Leben verdient, ohne Dir ständig über andere Gedanken machen zu müssen! Das ist nicht egoistisch, das ist Selbstfürsorge!!

    Ich wünsch Dir, dass Du einen Weg findest, wie Du Dich von der ganzen Situation irgendwie abschotten und Dich auf Dich selbst konzentrieren kannst!

    Viele Grüße
    Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Hallo Cinderella, hallo Sue,

    erstmal danke für eure aufbauenden Worte! Es tut schon gut zu lesen, dass man nicht alleine ist. Bis ins Erwachsenenalter habe ich immer gedacht, dass nur mir das passiert. Ich hatte gefühlt nur "heile" Familien im Freundeskreis. Da war das vertuschen natürlich richtig schwer. Je älter man wird, desto mehr merkt man, dass es wahrscheinlich auch nicht bei allen so toll war...

    Wie würdet ihr denn reagieren, wenn er sagt er bräuchte Geld für Lebensmittel? Ich habe wirklich große Angst, dass er zu Hause sitzt und hungert. Er hat eine gesetzliche Betreuung, die ihn finanziell sehr kurz hält. Sicherlich richtig gedacht, damit er keinen Alkohol kauft, aber er kauft nur Alkohol und nichts mehr zu essen. Ich war vor kurzem im Urlaub und hatte jeden Abend ein schlechtes Gewissen. Ich lasse es mir gut gehen, esse gut und er sitzt zu Hause und hat im Zweifel nicht mal ein Butterbrot... Mir vergeht oft die Lust auf alles.

  • Hallo Ladyinred,

    willkommen im Forum.

    eine harte Geschichte!.

    Ja je nach nach Abhängigkeitsgrad kann Alkoholenzug zum Tode führen (anders als einige illegale harten Drogen).

    Ich würde, wenn er nach Geld für Essen fragt an eine der Tafeln verweisen oder im Zweifel 112 anrufen oder 110, dass dort eine Person ist die nicht mehr in der Lage ist für sich selbst zu sorgen.

    Wäre die Situation anders würde ich ihm wohl 3-4 Dosen Ravioli und ein paar Äpfel/Birnen/Möhren für die Tür stellen aber im Zuge einer Co-Abhängigkeit würde ich davon abraten.

    Er ist alt genug, du musst dich nicht um ihn kümmern, ganz besonders wenn dich das so mitnimmt, dafür gibt es entsprechende Stellen.

    Soooo schnell verhungert man nicht ... und wenn jemand wirklich hungert (und nicht einfach mal ohne Abendessen ins Bett geht und dabei Hunger hat) dann gibt es genug Angebote auch ohne Geld legal an Nahrung zu kommen (Containern wäre nicht legal aber sozial vertretbar).

    Also: lass dich da nicht reinziehen!

    Grüße

    Barthell

    Train to survive

    survive to train

  • hallo auch von mir,

    ich finde, du hast dein Soll erfüllt mit deiner Mutter und genug ertragen....versuche dein Leben zu leben...du kannst sowiso nichts machen

    ich würde wenn du nicht anders kannst, Kontakt mit dem Betreuer aufnehmen....bleibt ja doch der Bruder....und wie es aussieht, bist du nicht der Mensch, der einfach wegsehen kann....irgendwie so...dass du nicht nichts gemacht hast

    viel Kraft und lieben Gruß

    mexico

  • Hallo Ladyinred,

    auch von mir herzlich Willkommen hier im Forum.

    den ersten Schritt aus der Co-Abhängigkeit hast Du bereits getan, denn Du hast Dir Hilfe gesucht!

    das Du Deinem Bruder nicht helfen kannst, wurde ja schon geschrieben, denn wenn die Einsicht in die Krankheit fehlt, dann stehst Du auf verlorenem Posten.

    wie würdet ihr denn reagieren, wenn er sagt er bräuchte Geld für Lebensmittel?

    Mal abgesehen davon, dass es wahrscheinlich eine Ausrede ist und er immer den Weg des geringsten Widerstandes gehen wird (er kennt Dich ja gut und weiss, welche Knöpfe er drücken muss) gib ihm kein Geld. Wenn es denn sein muss, dann gib ihm was zu essen.

    ein Alkoholiker kennt alle Tricks, um sein Umfeld zu belügen und zu täuschen.

    Das klingt alles sehr hart, ist aber leider Realität.

    Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Dich da abgrenzen kannst und wir helfen Dir gerne dabei!

    lieben Gruß

    Speedy

    Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt

  • Hallo Ladyinred,

    Geld würde ich ihm keinesfalls geben. Das vertrinkt er sowieso. Auch für die Miete würde ich nicht mehr aufkommen. Und auch die Versorgung mit Lebensmitteln ist - so finde ich - ein zweischneidiges Schwert. Solange er in irgendeiner Form von dir unterstützt wird, wird er nie gezwungen sein selbst zu handeln und immer und immer wieder auf dich zukommen. So hart es klingt: Er muss einfach den Hintern hochkriegen und sein Leben selbst in den Griff bekommen! Vielleicht gelingt ihm das erst, wenn sein Leidensdruck noch um einiges größer wird ...

    Außerdem gibt es bei uns in Deutschland genug Anlaufstellen zur Unterstützung, damit niemand verhungern muss. Aber er muss halt diese Initiative ergreifen.

    Ich finde, es ist nicht deine Aufgabe und die eures Vaters, ihm, dem 42-jährugen Mann die Steine seines Lebens, die er sich selbst hingerollt hat, aus dem Weg zu räumen.

    Lebe DEIN Leben mit deinem Mann, Ladyinred! Das hast du dir verdient!

    Liebe Grüße von Cinderella

    "... und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben ..."

    (Herrmann Hesse)

  • Hallo ladyinred,

    so bitter es ist, aber am besten wäre es, wenn Du ihn gar nicht unterstützt - also weder mit Geld, noch mit Lebensmitteln. Solange Du das machst, solange ist sein Alkoholbedarf ja gesichert (denn er kann das Geld dann ja für Alkohol ausgeben, weil Du ihn mit Lebensmitteln versorgst)... Du unterstützt seine Alkoholsucht dadurch gewissermaßen...
    Ich kann so gut nachvollziehen, wie schwer Dir das fällt! Aber denk bitte an Dich, sonst kommst Du aus dieser Spirale nie heraus.

    lg Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Liebe ladyinred,

    ich bin selbst noch ganz neu hier und konnte beim Lesen deine Verzweiflung förmlich fühlen und wollte dich am liebsten sofort in den Arm nehmen.

    Unsere Vergangenheit birgt sicherlich viele Parallelen, nur das meine beiden Eltern vermutlich noch leben. Für mich ist es allerdings so, als wären sie vor langer langer Zeit gestorben.

    Mein Mann ist mittlerweile auch nur noch genervt von dem Thema und wir streiten uns schon deswegen häufig. Ich weiß einfach nicht, wie ich vernünftig mit der Situation umgehen soll. Kann ich meinem Bruder helfen?! Wenn ja, wie?

    Als meine Mutter noch ein Teil unseres Lebens war, hatte mein Mann auch irgendwann die Nase gestrichen voll. Er konnte natürlich nicht verstehen, wie verstrickt wir in einander waren und das ich eben nicht einfach loslassen und zur Tagesordnung über gehen konnte. Das hätte ich niemals gekonnt, immer wollte ich ihr helfen, sie retten, irgendwas tun.

    Dein Bruder wird bei dir ganz ähnliche oder sogar identische Gefühle auslösen, wie du sie seit frühster Kindheit kennst. Aber konntest du deiner Mutter jemals helfen? Nein! Konntest du nicht, sie hätte sich selber helfen müssen und vor allem war das auch nicht deine Aufgabe! Und genauso wenig ist es heute deine Aufgabe, deinen Bruder zu helfen. Du hängst in einer Gedankenspirale fest. Das schadet dir und es schadet deiner Ehe. Du bist für niemand anderen verantwortlich, als für dich selbst. Dein Stückchen Glück und den lang ersehnten Frieden hast du verdient!

    Vielleicht kannst du deinen Vater bitten, dir nichts mehr über deinen Bruder zu erzählen. Vielleicht kannst du dir therapeutische Unterstützung suchen oder hast sie bereits. Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass du ganz dringend auf dich acht geben musst und einen Weg finden, wie du dich emotional besser schützen kannst.

    Ich war vor kurzem im Urlaub und hatte jeden Abend ein schlechtes Gewissen. Ich lasse es mir gut gehen, esse gut und er sitzt zu Hause und hat im Zweifel nicht mal ein Butterbrot... Mir vergeht oft die Lust auf alles.

    Ja, es kann gut sein das er hungert, aber auch das kannst du nicht beeinflussen. Und er darf dir auf keinen Fall dein Leben kaputt machen.

    Ich weiß ganz genau wie schwer das alles zu ertragen ist. Bis ich endlich loslasse konnte sind fast 40 Jahre vergangen und ohne therapeutische Unterstützung wäre ich längst nicht dort, wo ich heute stehe.

    In unseren „Hoch Zeiten“ habe ich meiner Mutter Pakete mit Essen geschickt, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, wie sie hungernd und mutterseelenallein zuhause sitzt. Und ich weiß das sie gehungert hat und auch heute, wird es ihr regelmäßig so ergehen. Nur mir tut das nicht mehr so unerträglich weh, es ist nur noch ein leichtes ziepen und auch nur dann, wenn ich bewusst darüber nachdenke.

    Liebe ladyinred, du hast dir ein eigenes Leben aufgebaut und du hast jedes Recht der Welt das jetzt auch zu genießen.

    Finde einen Weg deinen Bruder los zu lassen. Du musst nicht dein Herz verschließen und kannst ihn unterstützen, wenn er selbst irgendwann ernsthaft den Weg in ein trockenes Leben gehen will. Aber vor allem musst du auf dich selbst acht geben und gut für dich sorgen.

    Du bist nicht allein mit diesen Erfahrungen! Auch wenn es in der unmittelbaren Umgebung oft so aussieht, als könnte dich niemand verstehen.

    Und du hast es schon einmal geschafft. Auch mit deiner Vergangenheit hattest du die Kraft dir ein schönes Leben auf zu bauen. Diese Kraft hast du auch jetzt noch, also nutze sie, um gut für dich selbst zu sorgen!

    Liebe Grüße, Lea

  • Guten Morgen ihr lieben,

    vielen vielen Dank für die aufbauenden Worte. Manchmal komme ich mir so herzlos vor, wenn ich denke, dass man ihm nicht mehr helfen kann. Und dann denke ich, dass ich auch bei meiner Mutter nicht genug gemacht habe. Er hat auch in der Zeit, als wir noch Kontakt hatten, oft versucht mir ein schlechtes Gewissen zu machen, indem er mir vorgeworfen hat, dass bei unserer Mutter auch alle immer nur geschimpft haben und niemand ihr geholfen hat... Dabei hat er sich überhaupt gar nicht mehr um sie gekümmert. Er kam nur, wenn er Geld haben wollte und alles andere war ihm die letzten Jahre total egal. Auch jetzt sagt er, er würde nie an unsere Mutter denken. Was ich sehr krass finde... Es war sicher als Kind für ihn mit einer Alkoholikern als Mutter nicht leicht, aber man kann auch nicht seine ganze Misere darauf schieben. Er war mit 14 quasi raus aus der Nummer, ich habe das Theater bis zu ihrem Tod mitgemacht...

    Leider ist mein Vater seit ein paar Jahren selber schwer erkrankt, auch da kümmere ich mich alleine. Mein Bruder ruft ihn zwar ständig an, aber nur um über sich zu sprechen. Mein Vater versucht schon, mir wenig von meinem Bruder zu erzählen, aber er muss es auch manchmal loswerden, was ich verstehen kann. Er weiß auch nie, wie er reagieren soll, wenn dann solche Anrufe wie am Samstag kommen. Dann fragt er mich um Rat. Er ist total Co-Abhängig, aber ich befürchte das wird sich auch nicht mehr ändern. Ich schätze auch, seine eigenen Kinder "aufzugeben" ist noch schwerer. Meine Oma konnte es bei meiner Mutter auch nie. Da gab es auch oft Streit, weil ich der Meinung war, dass sie erstmal ganz am Boden liegen muss, um selber zu verstehen, dass sie aufhören muss zu trinken. Aber wahrscheinlich wäre das bei ihr auch nicht richtig gewesen, sie war leider auch durch einen Schlaganfall noch körperlich behindert und daher ziemlich hilflos.

    Liebe Lea, besonders dein Post hat mich berührt! Danke für die lieben Worte! Ich habe auch schon mal überlegt, eine Therapie zu machen und die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber dann denke ich wieder, dass ich eigentlich nicht mehr so viel Energie investieren will. Man bekommt sein Leben eigentlich gut hin und macht alles halbwegs richtig und trotzdem ist man am Ende diejenige, die in Therapie geht und die eigentlich kranken ändern nichts... Vielleicht ist das auch der falsche Denkansatz von mir. Ich weiß es nicht.

    Liebe Grüße

    Ladyinred

  • Liebe ladyinred,

    eigentlich wollte ich dir nur eine kurze Antwort schreiben, hatte den Inhalt schon grob im Kopf sortiert.

    Aber dann habe ich den Glasmüll in einem Karton gepackt, hatte eine Flasche alkoholfreien Sekt in der Hand und plötzlich schoss mir durch den Kopf: „na hoffentlich sieht dich damit keiner am Container“ Inklusive beschämtem Gefühl und dem Bedürfnis noch in der Küche rechts und links zu gucken, ob auch niemand in der Nähe ist.

    Denkst du, das war ein erwachsener, ein logischer Gedanke?


    Ich denke das nicht!

    Ich denke, sowas ist Teil eines Kilometerlangen Rattenschwanz, der Menschen mit unserer Geschichte ein Leben lang begleiten wird. Dabei sind solche recht harmlosen Gedanken die, die noch am wenigsten belastend wirken.

    Alle Kinder von Suchtkranken sind Opfer. Sie sind der Situation hilflos ausgeliefert und haben keine andere Chance als Mechanismen zu entwickeln, um irgendwie zu überleben. Aber die Seele leidet und sie nimmt erheblichen Schaden. Es entstehen psychisch und oft auch physisch zahlreiche tiefe Wunden.

    Irgendwann sind diese Kinder aber erwachsen und können sich entscheiden wie sie nun damit umgehen wollen.

    Es war sicher als Kind für ihn mit einer Alkoholikern als Mutter nicht leicht, aber man kann auch nicht seine ganze Misere darauf schieben. Er war mit 14 quasi raus aus der Nummer, ich habe das Theater bis zu ihrem Tod mitgemacht...

    Dein Bruder scheint sich für die Opferrolle entschieden zu haben und nun sollt ihr anderen ihm es da bitteschön so gemütlich machen wie möglich.

    Manchmal komme ich mir so herzlos vor, wenn ich denke, dass man ihm nicht mehr helfen kann. Und dann denke ich, dass ich auch bei meiner Mutter nicht genug gemacht habe. Er hat auch in der Zeit, als wir noch Kontakt hatten, oft versucht mir ein schlechtes Gewissen zu machen, indem er mir vorgeworfen hat, dass bei unserer Mutter auch alle immer nur geschimpft haben und niemand ihr geholfen hat..

    Du bist nicht herzlos! Ich kann aber gut verstehen, wenn es sich für dich so anfühlt.

    Dein Bruder hat mit aller Macht versucht es dir ein zu reden. Manchmal geben einem Freunde, die selbst keine vergleichbaren Erfahrungen gemacht haben, ganz doll das Gefühl herzlos zu sein. Ein schiefer Blick, die Friede Freude Eierkuchen Filme, in denen jeder Suchtkranke gerettet wird, wenn er nur genügend Liebe und Unterstützung bekommt. Die gesellschaftlich anerkannte Rolle der Frau. Du bist bei deiner Oma und deiner Mutter geblieben und hast dich gekümmert. Er ist irgendwann beim Vater gelandet. Du kümmerst dich jetzt um den kranken Vater, er ist mit sich selbst beschäftigt. Das ist ja auch kein Zufall. Und und und…

    Aber du kannst gar nicht entscheiden ihn nicht auf zu geben, denn das macht er ja gerade ganz alleine!!!

    Ich habe auch schon mal überlegt, eine Therapie zu machen und die Vergangenheit aufzuarbeiten, aber dann denke ich wieder, dass ich eigentlich nicht mehr so viel Energie investieren will. Man bekommt sein Leben eigentlich gut hin und macht alles halbwegs richtig und trotzdem ist man am Ende diejenige, die in Therapie geht und die eigentlich kranken ändern nichts...

    Hast du dir mal überlegt wieviel Energie es dir raubt keine Therapie zu machen?

    Wieviel glücklich verbrachte Lebenszeit dir verloren geht, weil dein Bruder dir nicht aus dem Kopf geht. Wie oft du deine eigenes Leben nicht genießen kannst, weil du gefangen bist in den Mustern einer erneuten Co Abhängigkeit…

    Für mich selbst mag ich die bildliche Vorstellung von alten Verwundungen. Manche sind inzwischen verheilt. Viele sind vernarbt und erinnern mich durch ihren Anblick immer wieder mal an früher. Und es gibt welche, die werden nie ganz verheilen, die brechen unvermittelt auf, sind fürchterlich schmerzhaft, lassen mich am Boden liegen und ohne Hilfe würde ich am liebsten nie wieder aufstehen.

    Was für Hilfe am besten passt ist natürlich sehr individuell. Aber Hilfe suchen und Hilfe annehmen halte ich für den einzigen Weg, um nicht selbst auf der Strecke zu bleiben.

    Lass dich nicht runter machen!

    Lass dir kein schlechtes Gewissen machen!

    Fühle dich frei, dein Leben in vollen Zügen zu genießen!

    Und vielleicht guckst du dich doch nochmal um, wo du passende Unterstützung bekommen kannst.

    😘 Lea

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!