Beziehung mit einem Quartalstrinker

  • Hallo, liebes Forum,

    wie soll ich anfangen...

    Ich bin Catalina, 35, und war jetzt knapp zwei Jahre lang in einer (sehr liebevollen) Beziehung mit einem - wie ich inzwischen laienhaft für mich "diagnostiziert" habe - Quartalstrinker. Es fällt mir sehr schwer, das Folgende zu schreiben, aber leider ist über den Alkohol hinaus im Exzess bei ihm auch eine andere Substanz immer relevant gewesen. Allerdings "nur" im Exzess, wir sprechen von einem Alk- und Substanz-Missbrauch etwa alle drei bis vier Monate. Dazwischen absolut nichts, kein einziger Tropfen, kein Pulver. Für mich enorm schwer nachvollziehbar.

    Nachdem der letzte Exzess bei ihm komplett eskaliert ist (er ist in eine andere Stadt abgehauen, ohne Bescheid zu sagen, und musste von mir mit Polizei gesucht werden), habe ich mich vergangene Woche getrennt. Aber ganz ehrlich, die Liebe ist beiderseitig sehr groß und ich traue mir daher selbst nicht (dahingehend, wie konsequent ich langfristig bleiben kann, aktuell habe ich keinen Kontakt zu ihm). Deshalb hab ich mich hier angemeldet, mit vielen Fragen im Kopf und in der Hoffnung, in einen aufschlussreichen Austausch mit euch Erfahrenen zu kommen.

    Mir ist noch nicht so ganz klar, wie das hier funktioniert (mit den anderen Forenbereichen etc.). Wenn ich das richtig verstanden habe, würde ich ins Detail dann nach einer Freischaltung gehen?

    Vielen Dank schon mal fürs Lesen und liebe Grüße,
    Catalina

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Liebe Catalina,

    erst mal "hallo in unserer Selbsthilfegruppe". Schön, dass du hergefunden hast.

    Es ist mittlerweile oft so, dass Alkohol als Droge nicht mehr nur ausreicht sondern auch andere Substanzen dazu gebraucht werden. Das nennt man Multitoxikomanie. Boah, was für ein Wort.

    Bei einem Quartalsabhängigen, ich weiß garnicht, ob es das Wort überhaupt gibt :/ , ist es schon schwierig, sich zu lösen. Denn noch sind ja die Rauschabstände länger. Drei bis vier Monate, in denen alles "heile Welt" zu sein scheint oder auch ist. Warum und wie das so funktioniert, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass all diese Drogen in die Gehirnchemie eingreifen und da dauerhaft was verändern. Und dann ein immenser Druck beim Betroffenen entsteht, der befriedigt werden muss. Bei Quartalsabhängigen werden im Laufe der aktiven Suchtzeit die Abstände zwischen den Zuständen immer kürzer und die Rauschzeiten immer länger.

    Es ist also nicht verkehrt, dass du dich getrennt hast. Denn es ist ja, als ob du auf einem Pulverfass sitzen würdest.

    Du kannst dich hier

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    für den Austausch in den offenen Bereichen bewerben. Dort kannst du deine Dinge aufschreiben und so in den Austausch gehen.

    Einer aus unserem Team wird dich nach deiner Bewerbung freischalten, dein Nick wird dann "blau" und dein Thema wird aus dem Vorstellungsbereich in den Bereich für "Erste Schritte für Angehörige und Coabhängige" verschoben.

    Allerdings kann das www dort mitlesen, Anonymität ist schon wichtig. Du kannst dich aber auch nach 4 Wochen Austausch in diesen offenen Bereichen für die geschlossenen Bereiche freischalten lassen, müsstest dich dann nochmal dafür bewerben. Auf den geschlossenen Bereich haben nur dafür Freigeschaltete Zugriff , die ganze Welt kann da nicht mitlesen.

    Also, zuerst mal hier, offener Bereich:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Liebe Grüße

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Aurora,

    vielen Dank für Deine Antwort! Ich habe mich auf Deine Einladung hin nun beworben, es kribbelt in den Fingern :D - so viele Fragen. Bin gespannt und freu mich, danke!

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • na dann leg mal los :)

    :) Danke, Aurora. Toll, dass das so schnell gegangen ist.

    In meinem Kopf ist ein rechtes Durcheinander, entschuldigt also bitte, falls es in meinen Beiträgen ähnlich aussieht... Und außerdem entschuldige ich mich vorab schon für den Roman, der hier vermutlich gleich folgt, wie ich mich kenne.

    Trennung war vor einer Woche. Am Tag darauf habe ich noch einen Brief von ihm erhalten, seither ist beiderseits Funkstille.

    Mein Freund oder Exfreund - ich nenne ihn mal Diego - hat viele, viele Probleme. Für mich ist es ein bisschen die Henne-Ei-Frage nach dem Ursprung, also ob der Substanzmissbrauch die Probleme verursacht hat oder umgekehrt. Vielleicht tut das aber auch gar nix zur Sache.

    Er ist geschieden und hat eine Teenager-Tochter. Seit seiner Trennung vor vielen Jahren haben sich finanzielle Probleme eingeschlichen (Schulden aus diversen Krediten etc., allerdings in einer "überschaubaren" und durchaus machbaren Höhe, wie ich finde), vor allem aber psychische / psychiatrische.

    Diego ist medikamentös wegen Depressionen eingestellt, es gab Vorfälle von Selbstverletzung, auch schon Äußerungen von Suizid-Gedanken (solche immer in Kombi mit dem Exzess, in den Zeiten dazwischen ist er sein sehr lebenslustiger und witziger Mensch).

    Während seiner Ehe waren - laut Aussage der Exfrau, mit der ich mich immer gut verstanden habe - solche Exzesse in dieser krassen, selbstschädigenden Form übrigens nicht Thema.

    Wir wohnen in unterschiedlichen Städten, haben aber über die gesamte Beziehung sehr viel Zeit am Stück miteinander verbracht. Ich bin örtlich relativ ungebunden, sodass das über Wochen bis Monate möglich war - wenn er nicht bei mir war, war ich bei ihm.

    Und ich denke, das Fiese an der Quartalsabhängigkeit ist wohl, dass man das Verhalten lange gar nicht als allzu problematisch empfindet, schließlich gab es bis dato keinen (merklichen?) körperlichen Entzug und kann der Betroffene ja scheinbar von einem Tag auf den anderen ganz ohne Schwierigkeiten aufhören bzw. halt pausieren. Und bei Diego waren die Abstände dazwischen halt auch immer gerade lang genug, dass man sich wieder "in Sicherheit wiegt".

    Dass die Abstände kürzer geworden wären, könnte ich bis dato / über die Jahre nicht behaupten. Sehr wohl aber, dass die Exzesse krasser zu werden scheinen, gravierender; im Sommer zB hat er irgendwo in der Nacht dann randaliert, das entspricht überhaupt nicht seinem Naturell, er ist der friedfertigste Mensch - es folgten eine Anklage und neue Schulden.

    Interessant finde ich übrigens, dass ich niemals persönlich anwesend war - der Absturz passiert ausschließlich dann, wenn wir doch mal örtlich getrennt waren (was natürlich auch Ängste und ein ungesundes Verantwortungsgefühl schürt: "Ich kann ihn nicht alleine lassen").

    Zwischen den Exzessen ist mein Diego der liebevollste Mann, er ist besonders zugewandt (schon eher vom Typ "Klammeraffe" - also nicht einengend, ich hatte immer alle Freiheiten und bin da auch sehr unabhängig und rigoros -, sondern in Richtung "emotional sehr anhänglich bis etwas bedürftig"). Er ist ein aufmerksamer, lebenslustiger, sehr intelligenter Mensch und als Partner unglaublich fürsorglich, und seine Exzesse nehmen ihn dann immer sichtlich mit. Dann kommen halt hundert Entschuldigungen und folgen große Erschütterung, Bedauern, Scham, Depressivität.

    Er hat mit mir immer sehr offen gesprochen, auch über den Koks-Konsum während der Exzesse, zwischen uns gab es da eigentlich kein Tabu. Er sagt zum Beispiel, er nehme dann das Koks, um den Rausch hinauszuzögern und nicht einzuschlafen.

    Ich weiß allerdings auch, dass es während der Exzesse viele Lügen gegeben hat.

    Ich hab hier bei euch bereits ein bisschen in den Themen gelesen. Besonders der geschlossene Thread von Valesh / Florian hat mich sehr erschreckt - ich denke, genau so verhält und fühlt sich Diego während seiner Exzesse.

    Jetzt ist es so:

    Diego hat Anfang Oktober eine stationäre Therapie gestartet (keine explizite Entwöhnung/Suchtterapie, sondern eine psychiatrische), die eigentlich sechs Wochen gedauert hätte. Kurzversion - nach etwa vier Wochen musste er aufgrund einer akuten Darmentzündung ins Krankenhaus, musste dort stationär aufgenommen werden - und die Therapie wurde nach zwei weiteren Nächten ohne Vorwarnung beendet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Diego aufgrund der Intensität der Therapie gerade an einem labilen, sehr instabilen Punkt war. Das war für alle Beteiligten ein riesengroßer Schock und ein Vorgehen, das ich nach wie vor als massiv fahrlässig empfinde - ich bin auch diesbezüglich mit den Verantwortlichen in Kontakt, aber die Misere ist ja nun schon passiert.

    Denn etwa zwei Wochen später kam der große Rückfall. Er war bei mir, musste dann für einen Termin in seine Heimatstadt und ist von dort wiederum heimlich in eine andere Stadt gefahren, um sich mit entfernten Bekannten total dem Exzess hinzugeben: Literweise Alkohol, Schnaps, Tabletten, Kokain. Er hat sich über Tage komplett darin verloren, einer dieser Tage war mein Geburtstag.

    Ich denke, er hat geglaubt, ich würde nix mitkriegen - sein Plan war wohl eine "flotte Partynacht" als Zwischenstation, um danach mit mir meinen Geburtstag zu verbringen. Nur leider hat der Idiot (sorry) die Rechnung ohne die uns altbekannte Tatsache gemacht, dass er nach dem ersten Glas jedes Mal drei bis sieben Tage später aufwacht, ohne zu wissen, wo die ganze Zeit hin ist.

    Ich habe tagelang nicht geschlafen und wir mussten ihn dann eben polizeilich fahnden lassen (aufgrund der manchmal im Raum stehenden Eigengefährdung), nachdem wir draufkamen, dass er nicht bei sich zu Hause war. Es war die Hölle. Die reinste Hölle - und ich habe daraufhin dann die Beziehung beendet.

    Jetzt tut er mir aber einfach so leid, denn eigentlich hat er ja schon den Willen gezeigt, einen anderen Weg einzuschlagen. Ich weiß nicht, ob ich mir das schönrede, aber in der Art und Weise, auf die man ihm die Therapie beendet hat, sehe ich einen großen Teil der Verantwortung für diesen krassen Rückfall.

    Ich weiß mir nicht recht zu helfen. Ich liebe diesen Mann sehr und würde mir eigentlich nichts mehr wünschen, als mit ihm zusammen zu sein und genau den wundervollen Alltag zu haben, den wir zwischen den Exzessen immer hatten.

    Wie seht ihr das? Was bräuchte es dafür seinerseits?

    Erst jetzt ist mir so richtig klar geworden, dass bei ihm eben diese "Quartals-Sucht" besteht, die Therapie war eigentlich für seine psychischen und psychiatrischen Themen gedacht, aber natürlich hab ich mir davon - als ersten Schritt - sehr viel erhofft.

    Was ihn angeht, kann ich nur Vermutungen anstellen - aber ich denke, bis dato war er der Überzeugung, zu einem kontrollierten Trinkverhalten zurückkehren zu können. Dass das wohl nicht möglich sein wird, stelle ich hier beim Lesen durch die Beiträge schmerzlich fest.

    Aktuell möchte ich ihn eigentlich nicht mehr unterstützen. Und trotzdem frage ich mich, gibt es aus eurer Sicht irgendwelche Voraussetzungen, unter denen ich mich auf diese Geschichte noch einmal einlassen könnte? Hat er eine realistische Chance?

    Ich danke allen, die bis hier her gelesen haben. Entschuldigt - ich hab's nicht kürzer geschafft.
    Danke, dass ich hier sein darf.

    Lieben Gruß, Catalina

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Hallo Catalina,

    willkommen bei uns im Forum. Da ich Alkoholikerin bin, schreibe ich eher auf "der anderen Seite" und weniger im Angehörigen-Bereich.

    Ich möchte dir aber kurz auf deine Frage antworten:

    Was bräuchte es dafür seinerseits?

    Hat er eine realistische Chance?

    Er braucht eine Krankheitseinsicht, dann hat er eine Chance. Wenn er nicht sieht, dass er ein Problem hat, süchtig ist und wenn er nicht einsieht, dass er etwas tun muss, dann sieht es schlecht aus. Und da kannst du dann auch nichts machen. Die Einsicht dazu kannst du ihm aber nicht eintrichtern. Da seine psychische Erkrankung hinzukommt, ist eine professionelle Hilfe notwendig. Alkohol/Depressionen/Angst gehen oft miteinander einher.

    Du hast ihn verlassen und damit gezeigt, dass du so nicht mit ihm zusammensein möchtest. Das könnte (wirklich könnte) ihm zeigen, dass er mit seiner Sucht alles verliert. Leider sieht die Realität leider häufig anders aus.

    Da die Entscheidung zum Handeln in seiner Hand liegt, kannst getrost auf deine Bedürfnisse schauen. Du hast auch nur dieses Leben und das darfst du so gestalten, dass es dir gut geht. Und die ersten Schritte hast du unternommen: du hast dich getrennt und hier angemeldet.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • Liebe Seeblick,

    vielen Dank für Deinen Beitrag bei mir! Ja, im Kopf weiß man das alles natürlich. Aktuell geht es mir... sehr bescheiden, gelinde gesagt. Ich hab Zweifel, denn eigentlich hatte er ja einen ersten Schritt gemacht und sich in Therapie begeben, um seine ganzen Schwierigkeiten anzugehen.

    Das eigentlich viel größere Problem für mich im Zuge der Exzesse ist das Lügen. Ich kann damit nur ganz schlecht umgehen, hat damit jemand von euch Erfahrungen? Diese Lügerei, wieso ist das Thema so verbandelt mit Sucht? Das Lügen verletzt viel schlimmer als das Alkoholproblem per se.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Kann man eigentlich beim Quartalstrinker auch vom "kalten Entzug" mit derselben Gefährlichkeit reden? Die machen das ja meines Wissens in der Regel so, dass sie nach dem Exzess keinen Alkohol anrühren und das fällt offenbar auch nicht sonderlich schwer - bis zum nächsten Exzess. Bei 'Diego' ist das immer so gewesen.

    In einer Beratungsstelle, in der ich vor ein paar Monaten mal gewesen bin, hat man mir gesagt, dass hier quasi keine körperliche Abhängigkeit besteht, aber eben eine psychische, die dafür sehr extrem.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Was sagt er denn zu seinen Eskapaden?

    Lieber Hanseat , ich antworte Dir hier bei mir, hoffe, das ist ok.

    Also bisher war der Ablauf so, dass wir vor den Exzessen einen Konflikt oder Streit hatten, der dann immer den Exzess ausgelöst hat. Er hat mir da aber nie, nicht ein Mal, Vorwürfe gemacht oder mir die Schuld gegeben, wie ich das in anderen Geschichten hier immer mal lese. Er hat immer die Verantwortung übernommen und mich nie schlecht behandelt.

    Aber er kann mit Disharmonie, Konflikten, Ablehnung etc. allgemein sehr schlecht umgehen. Und ist allgemein kein besonders belastbarer Mensch.

    Der letzte Exzess war aber anders - den wollte er vor mir verheimlichen und es war auch nichts vorgefallen zwischen uns, im Gegenteil, alles war gerade sehr harmonisch und dann ist er eben heimlich in diese andere Stadt gefahren und hat sich dort komplett weggeschossen über Tage.

    Das hat mir gezeigt, wie groß der Suchtdruck ist und dass es keinen konkreten "Auslöser" braucht.

    (Wobei ich hier eben nicht ganz sicher bin, denn es hat zwar keinen Vorfall zwischen uns gegeben, aber rundherum in seinem Leben läuft halt gerade alles schief. Die Art, auf die man in der Einrichtung die Therapie beendet hat... Seine Wohnung wird saniert und ist nicht bewohnbar... Die Schulden... Die Gerichtsverhandlung etc.)

    Er hat meinen Geburtstag im Exzess verbracht, ich war dann den ganzen Tag allein. Ihm sind solche Anlässe sehr wichtig, das hätte er mir unter normalen Umständen niemals 'angetan'.

    Nach seinen Exzessen ist er über Tage depressiv, schläft, schämt sich...

    Er spricht recht offen darüber mit mir, entschuldigt sich, ist immer sehr reumütig und beschämt, sagt, er verliere dann komplett die Kontrolle etc.

    Ich glaube aber nicht, dass er den Alkohol per se als sein Problem identifiziert, sondern eben die ganzen anderen Schwierigkeiten: die psychische Instabilität seit seinen Trennungen, die Finanzen... Ich glaube, er denkt, wenn er das alles löst, könne er zu einem kontrollierten Trinkverhalten zurückkehren.

    Er hat aber auch schon gesagt, er braucht einfach seinen Exzess von Zeit zu Zeit und das ist es ja, was ich meine: Damit, dass die Pausen dazwischen immer recht lange sind, gaukelt man sich wahrscheinlich eben vor, dass alles halb so tragisch wäre.

    Bevor mir das alles so bewusst wurde, haben wir das auch immer mal über Monate so gehandhabt: das berühmte Glas Wein zum Abendessen etc., wir haben auch von Zeit zu Zeit, gerade am Anfang, öfter miteinander gefeiert und uns die Nacht um die Ohren geschlagen. Das war immer entspannt und "unauffällig". Er wird nicht ausfällig, aggressiv oder melancholisch und die Exzesse sind bis dato immer nur passiert, wenn ich nicht anwesend war. Das finde ich irgendwie ungewöhnlich, oder nicht?

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Der erste Schritt wäre mal, daß er klipp und klar sagt, daß er Alkoholiker ist. Therapie, Ärger mit der Justiz, wochenlanges Verschwinden ... hallo, ist da jemand?

    Wenn er diesen Schritt nicht geht, wird das nie was für ihn.

  • Wenn er diesen Schritt nicht geht, wird das nie was für ihn.

    Ja, das ist halt jetzt die Frage.

    Ich hatte mir von dieser stationären Therapie sehr viel erhofft, vor allem eine professionelle Einschätzung seines Trinkverhaltens plus entsprechende Empfehlungen an ihn. (Ich weiß/wusste ja beispielsweise einfach nicht, wie mit seinem Konsum umzugehen ist - ob er komplett abstinent leben muss etc. Muss ich mir Sorgen machen, wenn er ein Glas Wein trinkt oder gar bei einem alkoholfreien Bier? Das sind alles so Alltagsfragen und war meine große Hoffnung an die Therapie, da quasi eine Art Fahrplan zu erhalten.)

    Auch für den Anschluss war eigentlich bereits gesorgt, er hätte in einer Tagesklinik weitermachen können, natürlich mit meiner vollsten Unterstützung.

    Dazu ist es jetzt aber ja gar nicht mehr gekommen, weil ich ihn nach dem letzten Exzess schlicht mit Sack und Pack rausgeworfen habe.

    Seither haben wir keinen Kontakt und ich weiß nicht, was er tut, wie er das alles aktuell sieht und empfindet, was er vor hat...

    Das ist sehr hart für mich, aber leider ist es irgendwann halt auch so, dass man müde und angewidert ist und dem Anderen auch überhaupt nix mehr glaubt.

    Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass irgendwann von ihm Meldung kommt - und dann will ich mithilfe des Forums hier gewappnet sein.

    Eigentlich möchte ich ihn nicht verlieren, er ist so ein wundervoller Mensch. Ich will ihn - aber ohne die Exzesse.

    Und eine meiner größten Sorgen ist, dass er jetzt allmählich 'aufwacht' und eine andere Frau dann die Lorbeeren ernten darf von meiner ganzen Arbeit der letzten Jahre. :(

    Danke Dir übrigens, lieber Hanseat, für den wertvollen Austausch!

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Zitat

    Und eine meiner größten Sorgen ist, dass er jetzt allmählich 'aufwacht' und eine andere Frau dann die Lorbeeren ernten darf von meiner ganzen Arbeit der letzten Jahre. :(

    Von daher ist es immer besser, an sich selber zu arbeiten, als an anderen Menschen.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Von daher ist es immer besser, an sich selber zu arbeiten, als an anderen Menschen.

    Das hat jetzt gesessen...

    Du hast natürlich vollkommen recht.

    Danke Dir für Deinen Beitrag, liebe Linde.

    Wobei, ich glaube, ich kann ruhigen Gewissens sagen, dass ich trotz der ganzen Schwierigkeiten immer gut bei mir geblieben bin. Ich hab ihn viel unterstützt, ja - mich aber nie aufgeopfert. Und er hat auch immer sehr viel für mich getan.

    Das ist es halt, was für mich jetzt sehr, sehr traurig ist. Wir hatten einen tollen Beziehungsalltag, den ich einer anderen Frau mit ihm überhaupt nicht gönne ^^ , das wäre einfach so gemein.

    Ich will den Menschen nicht verlieren - das Leben mit den Exzessen möchte ich aber definitiv nicht mehr und deshalb bin ich jetzt auch konsequent.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Hallo Catalina,

    jeder, man selber ja auch, ist ein Gesamtpaket. Entweder es paßt oder nicht bzw. nicht mehr länger.

    Wo ist der Fokus? Die Trinkmengen oder Trinkzeiten des Partners zu analysieren bzw. beeinflussen zu wollen, das gaukelt einem Handlungsfähigkeit vor. Aber eigentlich kreist man "nur" um seinen Partner.

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Catilina,

    ich habe gerade deine Beiträge von Beginn an gelesen. Ja, es ist schwer und ich kann nachvollziehen, was dich treibt. Offenbar hast du stets das richtige Maß an Hilfsbereitschaft und Zuwendung aufgebracht um zu helfen, aber dich nicht aufzureiben. Am Ende hast getan, was du tun konntest und musstest, um dich zu schützen. Darum hast du ihn schließlich vor die Tür gesetzt: mehr ging nicht. Auch wenn du ihn sehr magst, kannst du jetzt nicht mehr tun, als du getan hast. Ich würde versuchen, die ganzen Überlegungen was wieso warum sowie Trinkmengen oder andere Frau endgültig beiseite zu legen. Es wird DIR nicht helfen, du wirst im Gegenteil weiter in einem Karussell kreisen, das kein Ziel hat.

    Mit dem Rauswurf hast du die Möglichkeit eines Neuanfangs auf den Weg gebracht. So wie er sich um sich kümmern muss, musst du dich um dich kümmern. Nutz´diese Chance! Du bist auf dem richtigen Weg. Manchmal bedeutet Liebe auch, loslassen zu können. Für ihn, für dich.

    Peter

  • Ich will ihn - aber ohne die Exzesse.

    Das lese ich hier im Forum so nicht zum ersten Mal. Das geht vielen so. EIgentlich könnte das schon passen, wenn da nur der Alkohol nicht wäre. Ja, wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär ...

    Der Alkohol ist aber nunmal da, und wenn der Süchtige keine Einsicht zeigt, dann wird er bleiben und, so sagt es die Statistik, im Laufe der Zeit ein immer häufigerer Gast werden. Alkoholismus ist eine Krankheit, die ungestoppt zum Tod führt. Alkoholiker sterben nicht schnell, sondern langsam und nach einer langen Zeit des Siechtums.

    Außerdem finde ich den Gedanken noch aus einem zweiten Grund merkwürdig: Angehörige von Alkoholikern kennen ihren Partner ja gar nicht ohne Alkohol. Da kann man natürlich alles nicht so Schöne bequem auf den Alkohol schieben und sich denken, naja, eigentlich ist er ja gar nicht so, das macht er nur, wenn er wieder seine Phase hat. Das kann natürlich auch ein Trugschluß sein.

  • Vielen Dank für eure Beiträge und dass ihr euch hier die Zeit nehmt. Das ist wirklich Gold wert.

    Ich weiß natürlich auch, was ihr mir sagen wollt, und kann das alles gut nachvollziehen und auch annehmen.

    Offenbar hast du stets das richtige Maß an Hilfsbereitschaft und Zuwendung aufgebracht um zu helfen, aber dich nicht aufzureiben.

    Ich glaub, das kann ich ruhigen Gewissens sagen, ja. Es ist aber vielleicht auch "einfacher" in meinem Fall gewesen, weil die Pausen zwischen den Exzessen eben immer recht lange waren und diese Zeit dann auch immer sehr liebevoll beiderseits - wie gesagt, seine Ausfälle und Abstürze haben sich nie gegen mich gerichtet in irgendeiner Form.

    Angehörige von Alkoholikern kennen ihren Partner ja gar nicht ohne Alkohol.

    Hey, lieber Hanseat :)
    Ich habe ihn in einer "trockenen" Phase kennengelernt, die damals sicher sechs Monate gedauert hat. Es war relativ schnell klar, dass er (psychische) Herausforderungen hat (Depressionen), da war er allerdings auch immer sehr offen und eben medikamentös gut eingestellt.

    Natürlich ist er - wie ich und Du und wir alle - ein Gesamtpaket, das ist mir klar und verstehe ich gut. Und natürlich hatten wir auch mal Konflikte und Schwierigkeiten, wie in jeder Beziehung eben.

    Auf der anderen Seite hat es in meiner Beziehungshistorie vor ihm keinen Mann gegeben, der so liebevoll war, so fürsorglich, klug, talentiert (Handwerker, künstlerisch und musisch begabt)...

    Ich habe ja nun die Reißleine gezogen und halte daran auch fest. Aber klar, es ist schwer, so einen tollen Menschen aufzugeben und dabei zuzusehen, wie er sich sukzessive und schleichend - genau so ist es - Intelligenz und körperliche Gesundheit wegballert.

    Mein aktuelles "Problem", wo ich ein bissl anstehe, ist einfach das mit dieser Therapie. Ich hätte gern von euch Erfahrenen gewusst, wie ihr das einschätzt? Er war ja eben in Therapie und die wurde seitens der Einrichtung vorzeitig beendet, weil er eben ins Krankenhaus musste aufgrund dieser Bauchraum-Entzündung. Er war zu dem Zeitpunkt sehr labil, schwach und instabil, dazu kamen dann eben die Gerichtsverhandlung, die kaputte Wohnung, die für die Sanierung ausgeräumt werden musste, im Hinterkopf die Schulden etc... und dann schmeißen sie Dich noch aus der Therapie an einem gerade kritischen Punkt.

    Vielleicht ist das total naiv (ich denk mir auf der anderen Seite auch immer, er ist ja schon groß), aber ist es nicht iwie verständlich, dass man da noch mal anständig das Handtuch wirft?

    Es sind alles nur Gedanken. Ich habe ihn seit dem Rauswurf nicht kontaktiert und tue das auch weiterhin nicht. Aber es treibt mich um, er hatte sich ja auf den Weg gemacht, es wäre ein Anfang gewesen - und es tut mir jetzt einfach sehr leid für ihn, wie das gekommen ist. Vielleicht könnt ihr verstehen, was ich meine.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Ich weiß nicht, wie das jetzt mit der Therapie im Detail gelaufen ist. Das ist natürlich ärgerlich, wenn man plötzlich ins Krankenhaus muß. Die Therapieplätze sind teuer und begehrt, da gibt es Wartelisten, und wenn ein Patient selbstverschuldet nicht kommt, dann fliegt er. Vielleicht hat hier die Behandlung einfach zu lange gedauert, ich weiß es nicht. Einfach nochmal 'ne neue Runde drehen und neuen Antrag stellen, oder mal vor Ort anrufen ... Entweder er macht das selbst, was das beste wäre, oder Du hilfst ihm, falls Du dazu noch bereit bist.

  • Es war wirklich so, er war zwei Nächte weg von der Therapie (die wussten natürlich Bescheid, haben ja selbst den Krankentransport gerufen, weil er eben plötzlich so starke Bauchschmerzen hatte). Bevor er ins KH fuhr, wurde er nicht vorgewarnt, dass in so einem Fall die Maßnahme beendet würde (bei stationärer Aufnahme), sondern nach zwei Nächten hat man ihn im Krankenhaus angerufen und ihm mitgeteilt, die Therapie sei nun leider beendet - Protokoll, Versicherungssache.

    Er war völlig perplex und hat danach noch zwei-, dreimal angerufen und um sein Abschlussgespräch mit seiner Therapeutin gebeten, dass man ihm das zumindest noch gewähren möge - nicht mal einen Rückruf gab es. Ich war bei einem dieser Anrufe dabei, also das war zumindest nicht geschwindelt...

    Der Fall ist aktuell Patientenvertretung und Ombudsstelle bekannt, es war in meinen Augen hoch fahrlässiges Vorgehen angesichts dessen, dass man es hier mit einem aktuell labilen und möglicherweise eigengefährdeten Menschen zu tun hat.

    Anstatt ihn zu fragen, ob er noch irgendetwas brauche, ob er einen Ort habe, wo er hin könne etc., hat man ihm noch während seines KH-Aufenthaltes das Zimmer ausgeräumt, die Koffer vor die Tür gestellt und ihm mitgeteilt, er möge so schnell wie möglich den Zimmerschlüssel bringen.

    Dann war er bei mir, wir haben die Gerichtsverhandlung gewuppt, waren beide so erleichtert über den guten Ausgang, haben Pläne für meinen Geburtstag geschmiedet und auch dafür, wie es bei ihm nun weitergehen kann (Tagesklinik etc.)... Und schwupps, paar Tage später ist er abgehauen und hat sich komplett die Kante gegeben, also so richtig. Drei Tage nicht erreichbar, Polizeifahndung - das war dann mein Geburtstag.

    :rolleyes:

    Ich weiß es nicht, Hanseat - er meldet sich nicht und ich tu's auch nicht.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Das klingt für mich sehr hart und ungewöhnlich. Das würde ich mir so auch nicht gefallen lassen. Ich kann mich erinnern, daß es während meiner Reha auch zu Krankenhausaufenthalten kam, die nicht zum sofortigen Abbruch geführt haben.

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