Beziehung mit einem Quartalstrinker

  • Nur kurz vom Handy – vielen Dank für eure Zeit und eure Beiträge.

    Ich verstehe natürlich eure Standpunkte und das, was ihr mir sagen wollt.

    Aber ich möchte euch ehrlich fragen: Wie soll er sich momentan Hilfe holen??

    Er ist spanischer Muttersprachler, für ein Forum reichen die Schriftkenntnisse nicht (wir sprechen auch Spanisch miteinander).

    Er hat keine Wohnung noch bis Mitte Januar.

    Spricht die Landessprache nicht dort, wo er sich jetzt aufhält.

    Die beiden Freundinnen, wo er sich in Südeuropa aktuell aufhält und dann evt im Norden, sind jahrzehntelange Freundinnen noch aus dem Herkunftsland.

    Es ist nicht so, dass ich ihn hier mit offenen Armen wieder empfange, ich habe nicht zugesagt, habe mit einem befreundeten Psychiater gesprochen, hole mir hier Rat – und hadere sehr.

    Aber sein aktuelles Dilemma kann ich schon verstehen. Wie soll das vor Mitte Januar gehen, es ist einfach unrealistisch. :?

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Aber er hätte doch gar nicht erst nach Südeuropa fahren brauchen?? Also wenn ich als Alkoholiker schnell ne Biege mache, um dann sagen zu können, "hier kann ich nichts tun", dann mache ich es mir aber verdammt einfach.

  • Es wird wohl niemand mit einer Pistole hinter ihm gestanden haben und gesagt haben "Fahre sofort zu Freunden nach Südeuropa". Das war seine Entscheidung. Also die Entscheidung GEGEN Hilfe hier zu Hause.

  • Liebe Cadda,

    es war die einzige Person, die ihn noch aufgenommen hat.

    Er hat kurzfristig die Wohnung verloren (massiver Wasserschaden, Estrich raus etc.), relativ zeitgleich war der Rauswurf bei mir nach dem letzten Exzess, dann konnte er zwei Wochen bei der Exfrau (Ferienwohnung) unterkommen und danach hatte er keine Optionen mehr.

    Auch, weil ich hier standhaft geblieben bin und ihn nicht mehr eingeladen habe (er hat aber auch nicht gefragt, dafür hat er sich zu sehr geschämt).

    Familie hat er hier keine, Freunde, die näher wohnen, haben keinen Platz für ihn und Geld für Hotel oä. ist momentan auch keines da.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Und: Er war ja in stationärer Therapie!! Das lief recht gut und dann haben die ihm die Maßnahme beendet.

    Danach kam der Exzess.

    Das war seine Entscheidung, klar – aber dass es bei einem langjährigen Quartalstrinker unter all diesen Umständen dazu gekommen ist, kann ich echt nachvollziehen. Man holt sich Hilfe und wird einfach rausgekickt.

    Er hätte so gern das Abschlussgespräch mit seiner Therapeutin noch gehabt, hat mehrmals verzweifelt angerufen. Bis heute hat sich niemand mehr gemeldet bei ihm.

    Es ist ein Wahnsinn, was da gelaufen ist. Das nur am Rande.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Dann hätte er anstatt nach Südeuropa doch in eine Entzugsklinik gehen können....

    Oder er hätte sich eine Ferienwohnung genommen....

    Oder er hätte von Dir aus einfach direkte eine Therapie angetreten, dann wäre es gar nicht zum Rauswurf gekommen.

    Es tut mir wirklich leid, das sagen zu müssen, aber ich bleibe dabei: Wer will findet Wege.

    Oder was denkst Du, wie Obdachlose es geschafft haben??

    LG Cadda

  • Liebe Cadda,

    jetzt sitze ich vor dem Computer und kann besser schreiben. Also zunächst danke noch mal für Deine - und euer aller - Zeit und Bemühungen hier. :)

    Noch mal kurz:

    Er war ja in einer Klinik / psychiatrischen Reha, den ganzen Oktober, insgesamt wären sechs Wochen anberaumt gewesen. Dann kam die Infektion im Bauchraum, er musste ins Krankenhaus und nach zwei Tagen wurde die Reha-Maßnahme beendet und er vor vollendete Tatsachen gestellt: Du brauchst nicht wiederkommen, bring uns Deinen Schlüssel, Zimmer ist leergeräumt. Das Ganze liegt inzwischen bei Ombudsstelle und Patientenanwaltschaft, weil das Vorgehen höchst fahrlässig war.

    Sozialpsychisches und psychiatrisches Fachpersonal! hat ihn ohne Abschlussgespräch, ohne weitere Hilfsangebote, ohne Rückfragen etc. in einer psychischen Ausnahmesituation buchstäblich vor die Tür gesetzt.

    Es wirkt auf mich, als würde man jemandem den Blinddarm rausschneiden und die Person dann vom Krankenbett auf die Straße schicken, ohne zuzunähen.

    Nach dem Therapie-Abbruch kam er zu mir (einige 100 km entfernt), das war Anfang November. In dieser Zeit hatte er hier eine Gerichtsverhandlung, hat seine Wohnung vorübergehend verloren, man hat ihm das Krankengeld zunächst gestrichen und es gab einen Krebsverdacht im Dickdarm.

    Für die Befundbesprechung musste er dann gut 10 Tage später zurück in sein Bundesland.

    So, und von dort ist er dann nicht - wie vereinbart - zu mir zurück, sondern hat sich in einen sehr heftigen Exzess geflüchtet. (Seine Exzesse sind, wie gesagt, alle 3-4 Monate, dazwischen trinkt und konsumiert er nichts.)

    Er war abgängig, niemand wusste, wo er ist, und deshalb wurde er schließlich aufgrund einer (neuerlich) im Raum stehenden Eigengefährdung (Suizid-Androhung) polizeilich gesucht.

    Tage später, nachdem er wieder aufgetaucht ist, kam er am späten Abend zu mir mit dem Zug. Ich habe ihn die Nacht auf der Couch verbringen lassen und ihn am nächsten Tag verabschiedet.

    Zur gleichen Zeit wurde seine Wohnung ausgeräumt, seither hat er keine Bleibe.

    Er war dann während der Zeit bei seiner Exfrau mehrere Male ambulant in der Psychiatrie.

    Dann musste er bei der Exfrau raus (sie hat von vornherein gesagt, zwei Wochen sind ok, länger nicht). Geld für Ferienwohnung, Hotel oä. ist aktuell keines da, einen neuen Therapieplatz kriegt man auch nicht von heute auf morgen.

    Er ist bereits für eine Tagesklinik angemeldet, das war der Plan für nach der Reha. Schnupperwoche im Januar, Start im März. Ob er es durchzieht? Bleibt abzuwarten.

    Es ist nicht so, dass er keine Wege sucht bzw. nur Gründe fürs Nichtwollen. Ich sehe aber auch seine momentanen Umstände und die sind einfach mehr als besch...eiden.

    Er sagt, er möchte Hilfe und einiges davon - Tagesklinik - ist ja nun auch schon fixiert. Aber wie gesagt, dass er von Südeuropa aus oder irgendeinem anderen Ort, wo er nicht lebt und nicht zu Hause ist, ohne fixe Bleibe, ohne (Wohn-)Stabilität und einen Rückzugsort, nur mit einem Koffer ausgestattet, jetzt keine großen Sprünge machen kann, das ist doch echt verständlich?

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Hallo Catalina,

    ich kann deine Argumentation verstehen. Mir ging es damals genauso. Ich hab die Begründungen meines Mannes geschluckt und konnte ihn so gut verstehen und mir selber ging es immer beschissener. Trotzdem wollte ich ihm weiterhin helfen. Heute weiß ich, dass ich da in einem total kranken System steckte. Warst Du bei all den Hürden, die du beschreibst, dabei oder sind das nur seine Berichte, denn dann wäre ich sehr vorsichtig, dem Glauben zu schenken. Wir wollen helfen, suchen nach Lösungen und stehen damit dem Alkoholiker nur im Weg, denn es läuft doch alles super für ihn. Für den Alkoholiker gilt das, was Cadda schreibt "wer will findet Lösungen" und für uns Co's "in Liebe loslassen". Sie sind erwachsen und für sich verantwortlich.

    Wie wäre es, wenn Du die ganze Kraft und Energie, die Du an ihn verschleuderst, für Dich nutzt?

    sonnige Grüße

    Lütte

    "In dem Moment, wo Du eine Entscheidung triffst, formt sich dein Schicksal"

  • Ich frage mich, was muß alles passieren, damit ein Alkoholiker aufhört zu trinken? Warum fliegt ein Alkoholiker bei div. Einrichtungen/ Freunden (immer wieder) raus? Selbst bei der Bahnhofsmission.

    Ja, es ist eine Sucht, eine Krankheit, doch lehnt er jegliche Hilfe ab, das macht er in dem er weiter trinkt, kann es noch so viele helfende Hände geben, … er wird weiter trinken und die „helfenden Hände“ werden nur für bessere Umstände sorgen, doch das Problem bleibt. Gefühle hin oder her. Wenn ich mein Haus zerstöre (bildlich gesprochen) habe ich keines mehr = wenn ich dabei bin, mein Leben zu zerstören, können mich andere aufnehmen und mir helfen (wollen). Doch die Zerstörung (Alkohol) geht weiter, man holt sie wissentlich in sein Haus.

    Es ist wie bei einem Flächenbrand, löscht man das Feuer nicht gänzlich, wird es weiter vernichten, weiter brennen. Wie oft belügen sich Co-Abhängige … das wird schon, alles wird gut (irgendwann), um dann bitter feststellen zu müssen, daß sie absolut nichts zur Verhinderung dieses Flächenbrandes taten, im Gegenteil. Eines muß klar werden, wir sind absolut machtlos, wenn der Betroffene weiter trinkt!

    Ich las hier immer wieder von Betroffenen, so unterschiedlich die Geschichten waren, das Schema war immer gleich. Es gibt (leider) nur einen Weg: Verzicht auf Alkohol.

    Es steht mir nicht zu, anderen einen Rat zu erteilen, ich kann nur an die Vernunft appellieren.

    Ich kann mich nur den Äußerungen von Cadda und Linde anschließen, sie können es so freundlich formulieren.

  • Liebe Catalina, hat er denn keine Familie zu der er zurück kann oder die immerhin seine Sprache spricht?

    Deine Sorge und die ungünstige Situation verstehe ich gut. Allerdings war ihm dies alles bewusst, bevor er in den letzten Totalabsturz hinein gerannt ist. Er hat also wissentlich eine seiner letzten Optionen von sich gestoßen oder dachte er heimlich er hätte doch noch weitere…. So oder so, war er da offensichtlich noch nicht am Tiefpunkt und du gibst dir aufrichtige Mühe, ihn auch nicht dort ankommen zu lassen, sondern nur ganz knapp dran schnuppernd.

    Es gibt diese Menschen, bei denen das Drama immer besonders extrem sein muss, der Tiefpunkt müsste sich dem eben leider auch anpassen. Und ab und an stimmt dann auch gar nicht jedes Detail des Dramas zu 100%. Ich bin neben so einem Menschen aufgewachsen.

    Wolltest du nicht eigentlich loslassen und den Kontakt sein lassen?

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Weitsicht für dein eigenes Leben, Lea

  • Liebe Catalina, du verteidigt ihn so heftig.... Er wird von keinem hier angegriffen...

    Du hast nur nach unseren Erfahrungen und Einschätzung gefragt.

    Du bist doch auch wie er, erwachsen.

    Wenn Du der Meinung bist, er ist der Opfer der Umstände und nicht selbst für seine Lage verantwortlich, dann hast du jedes Recht so zu denken.

    Und diese alle Umstände so verändern, wenn du meinst, du bist dazu in der Lage...

    Oder ihn zu Dir holen und die schützende Hand über Ihn halten, weil er darum bittet.

    Ist dein Leben, wir hier im Forum tauschen unsere Erfahrungen aus, unseres Gefühl von Ohnmacht, Enttäuschung und auch unsere eigene Wege in die " Freiheit".

    Wenn die Rückmeldungen nicht das sind, was Du hören möchtest, nimm das nicht persönlich, das sind die Antworten auf deine Fragen.

    Höre auf Dich!!! Auf dein Bauchgefühl! Frage Dich möchtest Du ihn helfen? Oder hast Du Angst? Wovon? Um ihn? Oder um Dich? Um deine Seelenruhe, wenn ihm was passiert?

    Versuch es für Dich zu beantworten, nicht für uns hier im Forum.

    LG

    LG St.

  • Ich hab die Begründungen meines Mannes geschluckt und konnte ihn so gut verstehen und mir selber ging es immer beschissener.

    Liebe Lütte, also 'schlucken' tu ich nix, das trau ich mich zu behaupten. Ich lasse mir die Dinge, die er sagt, durch den Kopf gehen und habe an so manchem durchaus meine Zweifel. Jene Dinge aber, die ich hier geschildert habe, also seine aktuelle Situation, die ja ein Ablaufdatum hat (keine Wohnung), und dass er sich aufgrund dieser Umstände aktuell nicht akut irgendwo Hilfe suchen kann (wie/wo denn auch?), sehe ich als Fakten.

    Warst Du bei all den Hürden, die du beschreibst, dabei oder sind das nur seine Berichte, denn dann wäre ich sehr vorsichtig, dem Glauben zu schenken.

    Die Dinge, die ich als Hürden beschreibe, sind ebenfalls Fakten (die Wohnungslosigkeit, der kürzliche Rauswurf aus der Therapie, die Gerichtsverhandlung, der momentane Aufenthalt im Ausland und die Gründe dafür, die finanzielle 'Not' etc.). Das sind nicht seine Erzählungen, sondern das sind die realen Umstände.

    Wir wollen helfen, suchen nach Lösungen und stehen damit dem Alkoholiker nur im Weg, denn es läuft doch alles super für ihn.

    Ich suche nicht für ihn nach Lösungen, sondern frage ihn maximal nach seinen diesbezüglichen Vorstellungen und Vorschlägen. Von mir kommt in die Richtung überhaupt gar nichts. Kein Vorschlag, keine Forderung, keine Hinweise, keine Bitten, nichts.

    Ja, es ist eine Sucht, eine Krankheit, doch lehnt er jegliche Hilfe ab, das macht er in dem er weiter trinkt,

    Liebe(r) Achelias, ich weiß nicht, ob diese Aussagen jetzt direkt auf meinen 'Fall' bezogen waren. Er jedenfalls lehnt eigentlich Hilfe nicht ab und er trinkt auch nicht weiter, sondern sein Problem sind die wiederkehrenden Exzesse, für die er sich ja eben Hilfe gesucht hatte. Aktuell ist er wieder in einer alkoholfreien Phase, die dauert dann eben in der Regel drei bis vier Monate. Die Exzesse, die dann folgen, sind allerdings sehr extrem.

    Liebe Catalina, hat er denn keine Familie zu der er zurück kann oder die immerhin seine Sprache spricht?

    Liebe Lea, er hat Familie auf einem anderen Kontinent. Da kann er nicht hin, ist aber sehr intensiv mit ihr in Kontakt, vor allem mit seiner Mutter, die ihm enorm wichtig ist, und auch mit seinen Geschwistern.

    Allerdings war ihm dies alles bewusst, bevor er in den letzten Totalabsturz hinein gerannt ist. Er hat also wissentlich eine seiner letzten Optionen von sich gestoßen oder dachte er heimlich er hätte doch noch weitere…

    Da stimme ich Dir zu, uneingeschränkt! Er hat die Entscheidung, sich in den Exzess zu stürzen, bewusst getroffen bzw. dem Suchtdruck nachgegeben und nicht in irgendeiner Form eingelenkt.

    Liebe Catalina, du verteidigt ihn so heftig.... Er wird von keinem hier angegriffen...

    Liebe Stern, ja, ich kann gut verstehen, dass das so wirkt - aber eigentlich möchte ich gar nicht ihn verteidigen, geschweige denn sein Verhalten / die Exzesse. Sondern eher geht es mir darum, alle Seiten und Perspektiven der aktuellen Situation in meine Überlegungen einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen, und da ist mir persönlich - angesichts dieser etlichen Widrigkeiten - ein "man kann sich immer Hilfe holen" einfach zu kurz gegriffen.

    Frage Dich möchtest Du ihn helfen? Oder hast Du Angst? Wovon? Um ihn? Oder um Dich? Um deine Seelenruhe, wenn ihm was passiert?

    Und hier bin ich eben unschlüssig... Es ist ein buntes Sammelsurium aus allem, was Du schreibst. Ich möchte ihm helfen, ja, und ich habe auch Angst, ja.

    Ich habe Angst, dass ihm was passiert, ich habe Angst um mein Wohlbefinden, ich habe auch Angst davor, ihn endgültig zu verlieren und gleichzeitig habe ich Angst davor, meine Zeit zu verschwenden.

    Wenn doch nur irgendjemand eine Glaskugel hätte und mir sagen könnte, ob es sich lohnt.

    Wisst ihr, ich hab hier im Forum und an anderer Stelle gelesen, dass es für Quartalstrinker schwieriger sein kann, sich ihr Problem einzugestehen, weil sie eben dazwischen ja nichts trinken und dann natürlich der Fehlschluss naheliegt, nicht abhängig zu sein.

    Speziell bei 'Diego' sind die Abstände zwischen den Exzessen ja eher größer. Das heißt, die schönen, ruhigen, liebevollen Zeiten haben bei uns immer überwogen - also was die reine Dauer angeht.

    Deshalb ist es für mich als Partnerin oder Expartnerin vielleicht auch noch mal umso schwieriger, ihn und unsere Beziehung aufzugeben? Wisst ihr, wie ich das meine? Er ist halt nicht dieses dauerbesoffene Monster, das verbal oder gar körperlich ausfällig würde, sondern er ist über lange Strecken der wunderbarste Mensch. Der sich dann aber viermal im Jahr derart wegschießt, dass sein Leben und seine Lebensqualität darunter inzwischen stark leiden.

    Ich war bei so einem Exzess übrigens noch nie dabei, habe ihn in diesem Zustand nie erlebt. Es passiert immer nur dann, wenn ich weg bin / wir örtlich getrennt waren.

    Nun wollte er jedenfalls seine Themen in dieser Therapie endlich angehen und dann wird er dort auf diese perfide Art und Weise rausgeschmissen. Verliert die Wohnung. Verliert seine finanzielle Grundlage. Steht vor Gericht.

    Ich kann die Resignation hinterher einfach nachvollziehen. Ich will sie mitnichten entschuldigen, aber ich kann sie nachvollziehen (das sage ich ihm natürlich so nicht!), es hatte ihn ohnehin genug Überwindung gekostet, sich darauf überhaupt einzulassen.

    Jetzt hofft er halt auf die Tagesklinik.

    Ach, ich weiß auch nicht... Die Hoffnung ist echt ein fieses Luder.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Er jedenfalls lehnt eigentlich Hilfe nicht ab und er trinkt auch nicht weiter, sondern sein Problem sind die wiederkehrenden Exzesse, für die er sich ja eben Hilfe gesucht hatte. Aktuell ist er wieder in einer alkoholfreien Phase, die dauert dann eben in der Regel drei bis vier Monate. Die Exzesse, die dann folgen, sind allerdings sehr extrem.

    Liebe Catalina,

    ich wünsche dir von ganzem Herzen, daß all deine Hoffnungen in Erfüllung gehen, wenn du ihm Obdach gewährst.

    Viel Erfolg & Grüße

  • Liebe Catalina,

    ich wünsche dir von ganzem Herzen, daß all deine Hoffnungen in Erfüllung gehen, wenn du ihm Obdach gewährst.

    Viel Erfolg & Grüße

    Das nennt man dann wohl paradoxe Intervention. :lol:

    "Falls", nicht "wenn". Ich habe mich nicht dafür entschieden, ihm Obdach zu gewähren. Ich wollte meine Erwägungen zur Debatte stellen und bin wirklich sehr dankbar für euren Input! Klüger bin ich zwar gefühlt noch nicht geworden ^^ , aber das liegt nicht an euch. Ich empfinde es einfach als sauschwere Situation und riesengroßes Dilemma.

    Wisst ihr, irgendjemand - ich meine, es war der liebe Hanseat - hatte hier bei mir einmal so etwas geschrieben wie, wenn jemand aus dem Teufelskreis aussteigen möchte und um Hilfe bittet, würde ich immer helfen.

    Allerdings ist die Frage natürlich, wie diese Hilfe dann konkret aussehen kann / soll und ich bin sicher nicht naiv in der Sache. Ich bin verliebt und habe die Hoffnung, dass er es schaffen kann, ja - aber naiv bin ich nicht und deshalb hab ich auch nicht freudestrahlend seinem Vorschlag zugestimmt, nur um vielleicht am Ende lachend in die Kreissäge zu laufen.

    Er braucht ja kein Obdach von mir, er hat ja die Berlin-Option. Er hatte mir eben einfach nur von sich aus vorgeschlagen, mich vor Weihnachten zu besuchen, damit wir sprechen und gemeinsam weiter überlegen können. Und mir gesagt, dass er so nicht weitermachen möchte mit seinem Leben und dass er die (bereits gestarteten) Therapien fortsetzen wird, sobald er wieder in seiner Wohnung sein kann. Dass er sich freuen würde, wenn ich ihn dabei begleiten möchte, aber es auch versteht, wenn nicht.

    Ich weiß nicht, was ich will. Ich weiß es einfach nicht. (Also eigentlich weiß ich das ja schon: Ich möchte ihn bei mir haben. ABER...)

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Hallo Catalina,

    es sieht so aus, als ob er quer durch Europa seine Helferlein verteilt hat und sich so irgendwie durchfuttert (und trinkt). Manche Alkoholiker haben nur eine Co-Abhängige, die alles für ihn macht. Er scheint ein ganzes Netz davon zu haben.

    Liebe Linde, das hier hab ich vorher auf die Schnelle übersehen und ist mir jetzt noch mal ins Auge gesprungen.

    Weißt Du, es stimmt so einfach nicht und ich fände es nicht in Ordnung, das stehenzulassen, dass er hier so dargestellt wird. Ja, er hat ein (großes) Problem, er hat diese Quartals-Exzesse. Aber weder hat er seine "Helfer-Frauen" quer über den Kontinent verteilt noch lässt er sich durchfüttern oder ähnliches. Es tut mir weh, dass hier so abwertend über jemanden geschrieben wird, den ihr nicht kennt.

    Solche Formulierungen finde ich allgemein schwierig. Womöglich sind sie bewusst provokant gehalten, aber sie sind nicht fair und werden ihm, seinen Beweggründen (wieso er jetzt dort bei der Familie ist) und der ganzen verzwickten Situation einfach nicht gerecht.

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Hallo Catalina,

    vielleicht ist unser Forum der falsche Platz für dein Problem?

    Einerseits haben wir hier die Regeln, daß über Dritte nicht zu ausführlich geschrieben werden darf, um deren Persönlichkeitsrechte nicht zu verletzten. Daran hälst du dich ja. Noch genauer über ihn zu schreiben würden wir editieren, denn durch solche Beschreibungen könnte er, aber auch du im realen Leben erkannt werden.

    Die meisten Frauen, die sich hier anmelden, tun das, weil sie mit einem Alkoholiker zusammenleben und Hilfe für sich selber suchen. Sie überlegen, wie sie ihre Lebenssituation verbessern oder verändern können.

    Manche melden sich an und suchen anfangs Hilfe für ihren nassen Mann/Freund. Aber irgendwann merken sie, daß ja nicht er sich hier angemeldet hat, sondern sie selber. Der Schwerpunkt des Erfahrungsaustausches sollte auf einem selber liegen.

    Du suchst primär Hilfe für deinen Freund bzw. Ex-Freund, oder? Vielleicht wäre es in deinem speziellen Fall sinnvoll, daß du dich an eine Suchtberatungsstelle wendest, wo du wirklich offen reden kannst. Und dort nachfragst, wie jemandem, der "nicht im System ist" geholfen werden kann. Diese Hilfen gibts ja. Gemeindepsychiatrische Dienste, die Krankenkasse, Obdachloseneinrichtungen u. ä. könnten Auskunft geben.

    Bei all diesen speziellen Fragen bzgl. Wohnung, Finanzen, Therapieplätzen usw. usw. können wir dir eher nicht helfen.

    Das wäre das eine. Das andere wäre, wie es DIR geht und wie du aus diesem Karussell rauskommst - wenn du willst. Du hast geschrieben, du möchtest ihn bei dir haben. Dann ist das so, jeder hier akzeptiert das.

    Vermutlich ist es schwer, wenn hier seitenweise eigentlich immer dasselbe steht und alles in dir drin ihn liebt und ihn gerne trocken hätte.

    Aber bitte gehe davon aus, daß dir hier niemand was Böses will und ihm schon gar nicht.

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Du hast geschrieben, du möchtest ihn bei dir haben.

    Liebe Linde, da hast Du das große ABER in meinem Beitrag jetzt geflissentlich überlesen. :mrgreen:

    Nein, im Ernst: Ich danke Dir vielmals für Deine ausführlichen und sehr warmherzigen Zeilen. Es stimmt, meine Gedanken kreisen sehr darum, wie ich ihm helfen kann - auch indirekt. Vermutlich habe ich ein wenig nach der Antwort auf eine Art Henne-Ei-Frage gesucht: Geht es ihm eher besser, wenn ich ihn 'fallenlasse' oder wenn ich ihn unterstütze? Und der Wunsch nach einem möglichst schnellen Ergebnis ist hier wohl der Fehler im Denksystem. Ich weiß, es geht um Nachhaltigkeit, nicht um Zeit.

    Ich habe ihm heute Abend eine längere Nachricht geschrieben und seinem Vorschlag abgesagt. Hab ihm unter anderem erklärt, dass er momentan nicht in Behandlung ist und ich so lange weder mich noch meine Familie dem Risiko eines neuerlichen Exzesses aussetzen möchte, die seit den letzten Geschehnissen für mich unkalkulierbar geworden sind - und dass Schock und Schmerz noch zu tief sitzen.

    Aber auch, dass ich ihn nach wie vor sehr lieb habe und wir uns vielleicht später mal sehen können, wenn Ruhe eingekehrt ist, wenn er wieder zu Hause ist und seinen Weg zur Genesung und dahin, stabil zu bleiben, fortsetzt. Dass ich weiterhin ein Ohr für ihn habe, nur eben aus der Ferne.

    Was dann tatsächlich passiert, wird man sehen.

    Ich hatte kurzfristig gedacht, nicht langfristig. Die Vorstellung, mit meinen Mitte 30 Weihnachten dieses Jahr wieder alleine in die Heimat zu fahren und in zufriedene Gesichter zu blicken, mit ihren Familien und glücklichen Beziehungen, ist für mich der Horror. Am liebsten würde ich mir ein Flugticket buchen und die Feiertage weit weg von alledem irgendwo in der Sonne verbringen.

    Mir ist klar, dass das letztlich der Grund für meine Zustimmung zu seinem Besuch gewesen wäre: an meinem heißgeliebten Weihnachten heile Welt zu spielen, nur für ein paar Tage. Nicht allein zu sein, nicht wieder die Beziehungsversagerin.

    Ich weiß aber auch und wusste das auch davor, welches Signal ich damit gesendet hätte: Egal, was passiert, egal, ob Du mich an meinem Geburtstag allein hier sitzen und tausend Tode sterben lässt, weil Du ihn lieber mit irgendwelchen Suffkumpels verbringst - ich bin und bleibe da. Mit mir kannst Du tun und lassen, was immer Du willst.

    Das wäre fatal gewesen. Ich hätte damit kurzfristig ein Bedürfnis nach Zweisamkeit befriedigt - und langfristig meine Grenzen verraten.

    Ich habe in meinem Leben nie richtig gelernt, konsequent für meine Grenzen einzustehen. Vielleicht ist es an der Zeit. Und auch, wenn es gedauert hat, bis ich den Senden-Knopf drücken konnte - irgendwo in meinen Tiefen hat sich neben bitterlichen Tränen ganz zögerlich auch ein gutes Gefühl eingestellt.

    Der Schritt, den ich nun gegangen bin, macht mir riesengroße Angst. Ich habe Angst, ihn endgültig zu verlieren, Angst, dass er in der Zwischenzeit eine andere Frau kennenlernt, dass ich ihn von mir wegtreibe, dass er sich jetzt erst recht in die Sucht stürzt - all das Irrationale, das in solchen Situationen emotional eben mitschwingt.

    Ich hoffe einfach, es ist die richtige Entscheidung.

    Er hat übrigens sehr liebevoll reagiert. Dass er mich komplett verstehen kann, dass er alles daran setzen wird, stark zu bleiben, bis er wieder zu Hause ist und seine Therapien fortsetzen kann, dass er mich liebt und hofft, wir können wieder zueinander finden.

    Vielen Dank euch allen noch mal für euren Input. <3 Ich hoffe sehr, dass ich wieder hier schreiben und mich mit euch austauschen kann, wenn es spruchreif werden sollte. Danke!

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Liebe Forengemeinde,

    heute hab ich das Bedürfnis, auch mal wieder ein Update zu schreiben. Es haben sich in letzter Zeit viele Angehörige hier mit ihren Geschichten offenbart, überall lese ich gebannt mit, kann so vieles auch für mich daraus ziehen... und erschrecke immer wieder, wie sehr die unterschiedlichsten Konstellationen sich in ihrer Dynamik doch ähnlich sind.

    Mit meinem Ex - offenbar schaffe ich es endlich, ihn als solchen zu bezeichnen - hatte ich seit meinem Entschluss, ihn nicht vor Weihnachten noch zu einer Aussprache anreisen zu lassen, bis auf ein oder zwei Telefonate lediglich sporadischen Schriftkontakt. Ich hab das ganz aus dem Bauch heraus gehalten: Wenn ich mich gut dabei fühlte, hab ich ihm geantwortet, wenn nicht, eben nicht. Ich konnte da die letzten Wochen sehr in meiner Mitte bleiben, zumindest einigermaßen, und das hat sich gut und gesund angefühlt.

    Wie geplant, ist er von der befreundeten Familie in Südeuropa zur nächsten alten Freundin nach Berlin gefahren. Die Fertigstellung seiner Wohnung hat sich indes wohl ein weiteres Mal verzögert, aber auch für den Januar hat er offenbar bereits eine Alternative organisiert.

    Natürlich kamen weiterhin zahlreiche Beteuerungen. Wie leid ihm alles täte, wie sehr er sich aktuell zusammenreißen würde, um nicht wieder abzustürzen, wie viel Energie ihn das koste, aber dass er das für sich und für uns jetzt tun wolle, bis er endlich wieder Stabilität habe, in seiner Wohnung sei und seine Therapie in der Tagesklinik starten könne.

    Ich habe das alles mit einer gewissen Skepsis zur Kenntnis genommen.

    Kurz und gut - der nächste Absturz hat nicht lange auf sich warten lassen. Inklusive neuer, nicht ungefährlicher Drogen, die er an Silvester ausprobiert hat. Es ist ein hochexplosiver und schädigender Mix aus den ihm verordneten Antidepressiva, seinen teilweise dann überdosierten schlaffördernden Tabletten für die Nacht, Kokain, massenweise Alkohol und nun einer weiteren Substanz, die er seinem Körper in einem solchen Exzess zumutet.

    Die nächste Freundschaft (in Berlin) ist nun zerstört, er hat sich dort komplett anders verhalten als in seinen Nachrichten beteuert und berichtet. Das hat mich aber tatsächlich überhaupt nicht mehr überrascht oder groß aus der Bahn geworfen, es hat nur bestätigt, dass meine Entscheidung genau richtig war.

    Würde er "endlich da raus" wollen, wie er das mir gegenüber bis zuletzt felsenfest behauptet hat - er hätte jede Möglichkeit dazu. Ihr hattet so Recht.

    Ich bin froh, mich distanziert zu haben und auf diesem Weg geblieben zu sein. Immer noch ist es erschreckend für mich, was aus ihm und uns geworden ist, und immer noch ist es höllisch schmerzhaft, den wunderbaren Menschen, der er nüchtern ist, sukzessive verblassen zu sehen.

    Am Telefon hat er bitterlich geweint, er sagt, "hol mich hier raus, bitte hilf mir, ich liebe Dich so sehr".

    Aber solange es bei Worten bleibt und er nicht glaubhaft einen alternativen Weg einschlägt, wird es zwischen uns keine weiteren Begegnungen mehr geben, und ich bin inzwischen so weit, dass ich hier konsequent sein und mich auch mit einer Zukunft ohne ihn ernsthaft auseinandersetzen kann. Es ist eine Zukunft ohne Alkohol- und Drogenexzesse, ohne Angst vor dem Unberechenbaren, das jederzeit eintreten kann, und ohne die von mir so dermaßen verhasste Lügerei. Ich will das nicht mehr.

    Wisst ihr, was mich auch noch mal so ein bisschen durchgerüttelt hat? Ich habe mir eine Konversation von vor ziemlich exakt einem Jahr, auch nach dem Jahreswechsel, durchgelesen - und es waren 1:1 dieselben Inhalte wie nach dem letzten Exzess rund um meinen Geburtstag.

    Da ist es mir - noch mal - wie Schuppen von den Augen gefallen: Dass sich nämlich genau gar nichts getan hat.

    Ich wünsche euch allen ein erfolgreiches neues Jahr und die Kraft und nötige Zuversicht, für eure Gesundheit und euer Wohlbefinden einzustehen und diese in all eurem Tun an allererste Stelle zu setzen. <3

    "I choose to live." -- M. J. Keenan

  • Es ist so schade, wenn jemand diesen Weg wählt.

    Ich wünsche dir, daß du es schaffst, noch mehr Abstand zu wahren.

    Also keine von dir gewünschten Anreisen, keine Telefonate, keine WhatsApp o. ä.

    Zitat

    Ich wünsche euch allen ein erfolgreiches neues Jahr und die Kraft und nötige Zuversicht, für eure Gesundheit und euer Wohlbefinden einzustehen und diese in all eurem Tun an allererste Stelle zu setzen.


    Darum gehts: Selber etwas tun für die eigene Gesundheit und das eigene Wohlbefinden. Denn nur dafür ist man verantwortlich.

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Catalina,

    im Grunde genommen ist es gut für Dich, dass das geschehen ist, weil es nochmal mehr die Augen öffnet. So gesehen würde ich das Positive da herauspicken.

    Wenn er Dir das nächste Mal von irgendwoher erzählt, dass er ja was ändern würde, aber er keine Möglichkeit hat, dann denke daran, dass er schon tausend Möglichkeiten hat verstreichen lassen. Ich würde an Deiner Stelle wirklich auch die letzte Hoffnung aufgeben und nun den Jahreswechsel nutzen, endlich in eine Zukunft ohne ihn zu blicken, damit es Dir dauerhaft besser geht.

    LG Cadda

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