Hallo zusammen,
hiermit schreibe ich einfach mal meine ganze Situation herunter, eventuell hilft mir alleine das schon etwas, eventuell hat auch jemand einen Rat oder einfach eine ehrliche Meinung dazu. Das wird ein längerer Text, ich hoffe ich strapaziere nicht zu sehr eure Geduld.
Ich bin 30, voll berufstätig und seit 12 Jahren mit meinem Freund zusammen (nicht verheiratet, keine Kinder). Wir verstanden uns von Anfang an enorm gut, gleicher Humor, in den wichtigsten Dingen hatten wir die gleichen Ansichten, er half mir enorm als ich vor Jahren (ca. mit 19-22 Jahren) stark mit Depressionen zu kämpfen hatte.
Als wir zusammen kamen, fiel mir zuerst sein ungesundes Trinkverhalten nicht auf - solange man sich hauptsächlich an den Wochenenden sah, konnte er dieses Problem auch mit Sicherheit gut verstecken.
Als wir dann nach ca. 2 Jahren zusammen in eine Wohnung zogen, fiel mir nach einer Zeit auf, dass das Bier nicht "nur" am Wochenende oder im Urlaub floss, sondern auch abends unter der Woche. Wenn ich ihn darauf ansprach, spielte er die Problematik natürlich herunter, ich solle mich nicht so anstellen, es sei ja nur Bier etc.
>>>>Hier muss gesagt sein, dass sein Vater bereits ein hardcore Alkoholiker war (Schnaps bis zur Besinnungslosigkeit) und mein Freund leider bestens Bescheid weiß, wie schlimm eine Alkoholsucht werden kann, er kennt alle Facetten (auch der Co-Abhängigkeit der Mutter). Er selbst sorgte bevor wir überhaupt zusammen kamen dafür, dass sein Vater in den Entzug einwilligte und in eine spezialisierte Klinik kam.<<<<
Es gab seit jeher Zeiten in unserer Beziehung, in denen wir uns wegen dieses Themas stritten und er auch härteres Zeug trank und Zeiten (meist nach dem Streit als Auslöser) in denen er sich zusammen riss und weniger/seltener trank, teilweise 1-2x die Woche. Er selbst sprach immer davon, dass er nicht abhängig sei... Er könne jederzeit aufhören (die üblichen Sprüche) Von Entzug oder ähnliches wollte er nie etwas hören. Er hätte ja kein Problem.
So blöd wie es klingen mag: abgesehen von diesem riesigen Problem, war er für mich immer das was ich wollte.
Im Dezember 2019 kam dann der große break down: er erkrankte dann nach einem Infekt an einer heftigen Herzmuskelentzündung. Diese hatte im Februar 2020 das Muskelgewebe und die Reizweiterleitung zu den Kammern so stark in Mitleidenschaft genommen, dass er die Wahl zwischen Spende-Organ-Transplantation oder
Schrittmacher + Defibrilator-Implantion (in dem Falle auch lebenslange medikamentöse Therapie begleitend) treffen musste.
Er entschied sich für die Implantation. Ihr könnt euch vorstellen, wie stressig und ängstigend diese Zeit war. Uns sagten die Ärzte in der Klinik, dass er ohne Spenderorgan oder Gerät kein Jahr mehr schaffen wird, da die Pumpleistung des Herzes wegen der fehlenden Reizweiterleitung und Überforderung der übrigen Herzstrukturen immer schwächer wird.
Als er dann endlich wieder aus dem Krankenhaus kam, und für ihn absolute Schonung und keine körperlichen Anstrengungen /Stress verordnet waren, Griff er trotz starker Medikamente zum Alkohol (ich erwischte ihn, er hatte die Dose Starkbier versteckt). Ich bin absolut ausgeflippt, habe ihn für komplett verrückt erklärt. Er ist quasi dem Tod von der Schippe gesprungen und trat dieses Geschenk mit Füßen. Er knickte sofort ein, sah alles ein, sprach mir nach dem Mund.. ich drohte zu diesem Zeitpunkt nicht mit schlimmeren Konsequenzen, da er anfangs wie ein rohes Ei zu behandeln war..
Nach etlichen Versprechungen, dass er nicht mehr heimlich trinken wird und es auf ein Minimum reduziert, folgten alle paar Wochen Konfrontationen, sobald ich dann doch eine versteckte Dose / Flasche fand und klar war, dass die Dunkelziffer höher sein musste, als die paar Male in denen ich auf Alkohol stieß.
Jedoch wurde mir nach meinem großen Wutausbruch nach seinem Krankenhausaufenthalt alles an dieser Sache immer .. überdrüssiger. Ich bin müde nach so langer Zeit noch um dieses Thema zu streiten.
Dass es ihm herztechnisch wirklich deutlich besser geht und er auch wieder mit Kardiosport anfangen darf ist jetzt seit letztem Sommer.
Im November fand ich dann in seinem Arbeitszimmer versteckt in einem Sideboard einen Vorrat von mehreren Flaschen (Gin, Schnaps, Kräuterschnäpse, Weißwein, Starkbier), deren Füllstand sich täglich minimierte. Er trank also wie zuvor - heimlich, jedoch nicht vereinzelt sondern täglich, hartes, verschiedene Sachen durcheinander. Ohne dass ich ihm das so oft / in dieser Form anmerkte. Spiegeltrinker?
Ich war es endgültig Leid, ich wollte niemandem beim langsamen Suizid zusehen. Wir hatten ein sehr langes, ernstes Gespräch, in welchem ich ihm klar sagte, völlig egal wie: wenn er sich nicht helfen lässt - im Idealfall in einer entsprechenden Einrichtung - bin ich im März weg. Ohne das Ziel Abstinenz gibt es keine Beziehung mehr.
Er muss es selbst wollen, wenn es ihm die 12 Jährige Beziehung nicht wert ist, kann ich nichts mehr daran ändern. Es gibt Selbsthilfegruppen, es gibt Therapeuten, es gibt Suchtberatungsstellen, es gibt Kliniken - man muss die Hilfe nur annehmen.
Ich liebe ihn, aber will nicht mehr für ihn Schweigen und allen eine heile Welt vorspielen. Ich will mir nicht deutlich mehr Sorgen um seine Gesundheit machen müssen nur weil er sich nicht ernsthaft helfen lassen will. Er nimmt morgens und abends - edit, Medikamentennamen gelöscht - zur Beruhigung in stressigen Phasen .. und dazu Alkohol?!
Ich hatte nach seiner Op ein furchtbar schlechtes Gewissen ihn hängen zu lassen, ihn im Stich zu lassen zu einer Zeit, in der es ihm schlecht geht - jetzt denke ich mir, dass er evtl. genau diesen Wachrüttler zu brauchen scheint. Eventuell stürzt er nach der Trennung ab. Eventuell hilft es ihm den Hintern hoch zu kriegen.
Gestern (ich habe noch Urlaub) "Erwischte" ich ihn um kurz nach 11:00 Uhr vormittags (!) im homeoffice mit einem Plastik-Becher Weißwein (neuer "Trick", umfüllen in unschuldig wirkende Gefäße) ... ich sprach ihn darauf an, ruhig. Er lügte erst und meinte, er wüsste nicht wovon ich reden würde, bis ich ihm den Becher zeigte und ihm sagte, dass er ein enormes Problem hat um diese Uhrzeit bei der Arbeit zu trinken, dann ging ich raus aus der Wohnung, schön weit weg spazieren.
Ich denke dass ich, da ich wenig Hoffnung auf Besserung habe, seiner Schwester und seinen Eltern Bescheid geben sollte. Nicht um ihn zu demütigen o.ä... Irg.wer muss es wissen denn er wird sich niemandem anvertrauen.
Niemand weiß von seinem Problem außer ich. Ich musste ihm immer versprechen, dass das niemand erfährt.
Was haltet ihr von dem Ganzen?
Ich wünsche euch einen schönen Start ins Wochenende.