9Leben - Bin neu hier im Forum

  • Hallo an Euch alle,

    nachdem ich ein paar Tage hier still mitgelesen habe, habe ich mich nun auch zum mitschreiben entschieden.

    Warum habe ich ausgerechnet an diesem Forum Interesse?

    Erstmal erinnert es mich an ein vor x Jahren mal genutztes anderes Forum, das es wohl nicht mehr gibt oder in diesem durch einige Benutzer "weiterlebt"?!

    Ich bin als nicht trinkende Angehörige - wahrscheinlich würde man es als "Co" definieren- betroffen...gewesen. Mein Mann war alkoholabhängig und ist vor gut einem Jahr an seiner Krankheit gestorben.

    Aktiv möchte ich am Forum deswegen teilnehmen, weil ich merke, dass ich für mich einiges zu reflektieren habe, um mich für die Zukunft bzw. den Rest meines Lebens anders aufstellen zu können. Mein Mann und ich haben zwei erwachsene Söhne, die beide schon berufstätig sind, aber aus Kostengründen und aktuellem Wohnraummangel noch bei mir wohnen.

    Mein Mann hat im Lauf seiner Krankheit einige Versuche unternommen, um die Abhängigkeitserkrankung zum Stillstand zu bringen. Aber letztlich alles eher vom Wunsch beseelt, wieder dahin zurückzukommen, die Steuerungsfähigkeit über seinen Alkoholkonsum zurückzugewinnen.

    Mein Handeln war von dem Wunsch beseelt, dass mein Mann sich des Problems bewusst wird und spürt, dass Alkohol mehr schadet als nützt und aus dieser Erkenntnis dann dauerhaft vom Alkohol lässt und wir den Teufel so aus unserer Familie wieder herausbekommen.

    Wir lagen jeder auf seine Weise völlig falsch.

    Meinen Mann habe ich geliebt, die Alkoholkrankheit verflucht. Es ist unbeschreiblich, wie sie nicht nur den Körper, sondern die Psyche des Menschen bis zur Unkenntlichkeit dekonstruiert. Es zeigen sich phasenweise nur noch Reste der Person.

    So schade es um den verlorenen Menschen ist, so erleichternd ist andererseits, dass die furchtbaren Erscheinungsbilder der Alkoholkrankheit damit auch vorbei sind.

    Auf einen guten Austausch!

    Viele Grüße

    9Leben

  • Hallo 9Leben,

    herzlich Willkommen hier bei uns und zuerst mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Es ist so traurig, einen Menschen an dieser Krankheit zu verlieren.

    Ja, unser Forum hat einen neuen Admin. Es sieht anders aus, ist aber sehr bedienerfreundlich. Die meisten User kamen mit der Umstellung auf die neue Forensoftware sehr gut zurecht und wenn es Fragen gibt, einfach fragen.

    Warst du früher hier unter einem anderen Namen schon einmal registriert?

    Liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo 9Leben,

    mein Beileid an dich und deine beiden Söhne. Ich denke auch wenn es fast ein Jahr her ist, ist der Schmerz immer noch groß. Traurig so einen geliebten Menschen zu verlieren.

    Herzlich Willkommen in der SHG. Ich wünsche dir einen guten Austausch und vielleicht kannst du ja jemanden mit deiner Erfahrung erreichen. Das wäre schön!

    Liebe Grüße Petra

  • Hallo Linde,

    danke für das Mitgefühl.

    ich weiß es nicht mehr genau. In meiner Erinnerung ist das Forum, in dem ich unter einem anderen Nick geschrieben hatte, namentlich als "Forum-Alkoholiker.de" abgespeichert, und das Design des Aufbaus war natürlich auch noch ein anderes. Aber vermutlich bin ich jetzt dahin zurück, wo ich schon einmal eine Zeit lang war. Von damals ist mir die Schilderung einer Frau mit Kindern in Erinnerung, die ihren Trennungsprozess beschrieben hatte. Ich war total beeindruckt und hatte mir damals gedacht, ok, wenn mir der Leidensdruck zu groß wird, dann hangele ich mich an dieser Schilderung entlang, um auch erfolgreich abspringen zu können.

    Nun schlagen aber zwei Seelen in meiner Brust, wenn man so will: einerseits habe ich keine Probleme "Nein" zu sagen bei Dingen, die ich partout nicht will. Andererseits bin ich sehr genügsam.

    Bezüglich der Alkoholkrankheit meines Mannes habe ich auch das Bauchgefühl nie richtig zum Verstand in Übereinstimmung bekommen. Bauch: "Du liebst ihn und er Dich doch auch, er liegt schon so am Boden, da trittst Du doch nicht auch noch drauf!" Verstand: "Setz ihn vor die Tür - Liebe ist nicht Lust an Belastung und Leid."

    So ist es dann gelaufen, wie es gelaufen ist. Zusammengeblieben und dabei unterschiedliche Wege gegangen. Ich träume noch immer manchmal von ihm. Im Traum begegnet er mir immer fröhlich und zufrieden, zugewandt und an meiner Seite gehend oder mir gegenüber stehend.

    Wegen seiner Krankheit hatte er zuletzt Krampfadern in der Speiseröhre. EInmal ist eine zuhause aufgeplatzt. Plötzlich erbrach er schwallartig Blut. Als ich gesagt hatte, ich rufe jetzt 112, sagte er "Warte!" Habe ich natürlich nicht gemacht. Bis die endlich kamen, hatte er noch zwei Schwälle erbrochen, und sie hatten auch Mühe, ihn transportfähig zu bekommen. Einmal war er kurz komplett weg. Sie haben ihn aber zurückgeholt.

    Im Krankenhaus haben sie ihn dann nochmal hinbekommen. Danach hat er dann tatsächlich mal eine stationäre Reha zur Entwöhnung durchlaufen. Die aber nicht lang gehalten hatte. Nach seinem Krankenhausaufenthalt zum Veröden/Verschließen der Varizen hatte er mir erzählt, er habe das Paradies schon gesehen. Ich vermute, dort wollte er wieder hin. Denn im Rückfall nach der Reha ist er steckengeblieben, unterbrochen von noch drei Entgiftungen ohne weitere Anschlussbehandlung. Mir hatte er zuletzt mehrfach gesagt: "Ich liebe mich selber nicht."

    So sehr ich ihn als Mensch, der er vor der vollen Ausprägung seiner Alkoholkrankheit mal war, vermisse, so bin ich andererseits froh, dass seine Qual und die leidvolle Erfahrung für uns als Angehörige vorbei sind.

    Was mich noch sehr beschäftigt, ist die Frage, die niemand wird beantworten können: Hat das fortgesetzte Zusammenleben mit meinem Mann und seiner Krankheit unseren Kindern (Söhnen) mehr geschadet als es eine Scheidung im frühen Kindesalter getan hätte?

    Ich hoffe, dass sie trotz allem in sich einen gesunden Selbstwert bzw. ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt haben. Es scheint zum Glück so, soweit ich das als nahestehendes Familienmitglied überhaupt beurteilen kann.

  • Hallo Petra,

    auch Dir danke für deine Anteilnahme. Das würde mich freuen, wenn es jemandem hilft. Ich persönlich finde Erfahrungsaustausch wertvoll. Einerseits ist es beruhigend, nicht allein zu sein, andererseits ist es interessant, wie individuell es innerhalb desselben Themas zugeht.

    Ich bewundere wirklich jeden Suchtkranken, der die Kehrtwende aus der Abwärtsspirale schafft.

    Auch Angehörigen, die auf ihre Weise versuchen, mit dem suchtkranken Familienmitglied einen konstruktiven Weg für welche tatsächliche Dauer auch immer zu finden, gilt mein Respekt.

    Rein rational kann man meiner Ansicht nach nur aus der Ferne entscheiden, nicht, wenn man mittendrin steckt.

    Liebe Grüße

    9Leben

  • Danke das du dein Thema mit uns teilst.

    Ich sehe auch die Individualität. Es ähneln sich zwar die Geschichten aber es spielen so viele verschiedene Faktoren mit eine Rolle.

    Das Thema Kinder und was wäre besser gewesen teile ich mit dir. Kannst du ganz offen mit deinen Söhnen darüber reden?

    Wir haben das in einer Familientherapie und in der Familie besprochen und ich muss hoffen dass unsere Kinder uns die Wahrheit gesagt haben. Dennoch denke ich, wird ein Stück unserer Familiengeschichte unsere Kinder etwas beeinflusst und geprägt haben. Da bin ich mir sicher.

    Liebe Grüße Petra

  • Was machen eigentlich Suchtbeauftragte? Rentable Agreements mit der Alkohollobby? Wenn ich politisch etwas zu sagen hätte, dann wäre Werbung jeglicher Art für Alkohol schon längst verboten, das Zeug nicht mehr in Supermärkten neben Lebensmitteln (!) erhältlich, sondern in Extra-Geschäften, zu denen man nur gegen Vorlage des Ausweises ab 21 Jahren Zutritt hätte, und das Jugendschutzgesetz wäre geändert auf Mindestalter 21 Jahre für erstmaligen Alkoholkonsum, egal ob Bier, Wein etc.

    So lange, bis es ein Umdenken in die Richtung gibt, dass gesellige Zusammenkünfte o h n e Alkohol der Standard sind und jeder, der Alkohol auf Partys trinken will, pikiert gefragt wird: "Was, warum denn das? Hast Du ein Suchtproblem?"

    Ok, es ist nur meine Vision ;)

  • Hallo Petra,

    ich habe schon sehr früh mit den Kindern über die Alkoholkrankheit ihres Papas gesprochen. Er ziemlich spät, aber immerhin auch mit ihnen, zumindest während seiner Zeit in der Reha, als sie ihn dort auch mit mir gemeinsam besucht haben. Mein Mann hat uns immer zu vermitteln versucht, dass er ja "nur" sich schadet und von uns keinesfalls will, dass wir auch trinken. Dass seine Suchterkrankung uns als Familiensystem insgesamt betrifft, wollte er nicht sehen.

    Für unsere Jungs war die Krankheit, auch wenn wir offen darüber gesprochen haben, natürlich trotzdem eine enorme Belastung, auch wenn mein Mann in guten Momenten seinen Söhnen auch gesagt hat, dass er sie liebt und stolz auf sie ist. Nur wurden die guten Momente leider mehr und mehr durch unangenehme ersetzt.

    Wie von selbst verstand es sich z.B., dass sie ab Teenageralter ihre Freunde lieber nicht zu sich nach Hause eingeladen hatten. Ihr Vater/mein Mann hätte nichts dagegen gehabt; vor Gästen hat er sich- soweit es ihm je nach Zustand noch möglich war - in der Regel zuvorkommend und freundlich gezeigt. Gastfreundschaft war meinem Mann ein hoher Wert. Aber man wusste eben nicht, ob er noch in einem akzeptablen Gemütszustand war. Bei schlechter Laune - kennt hier wohl jeder - wurde aus dem Nichts Streit provoziert, mit Beleidigungen, Niedermachen und Beschimpfungen. Dabei braucht man nicht noch unfreiwilliges externes Publikum.

    Jetzt z.B. kommen die Freunde meiner Kinder zu uns wie selbstverständlich nach Hause.

    Ich bin auch sicher, dass das Zusammenleben mit einem suchtkranken Elternteil natürlich prägt. Daher hoffe ich sehr, dass die Prägung trotz allem konstruktiv ausfällt. Mantraartig habe ich beiden immer gesagt, das sie weder schuld am Zustand ihres Vaters noch für ihn verantwortlich sind, egal was er ihnen in seinen Suffphasen weiszumachen versucht, noch an seiner Krankheit etwas ändern können.

    Ergänzend hatten sie Therapiestunden bei Kinder-und Jugendpsychologen, und die Schulzeit ging bei einem in eine einjährige Verlängerung, bei dem anderen wäre es fast auch so gekommen. Jetzt sind sie wieder zielstrebig.

    Trotzdem hat jeder von uns auch mal Flascheninhalte in den Ausguss geschüttet vor lauter Wut und Frustration über die eigene Ohnmacht, auch wenn wir wussten, dass die Sucht dadurch nur ein Stückchen teurer wird.

    Liebe Grüße

    9Leben

  • Aurora 4. Februar 2023 um 09:08

    Hat den Titel des Themas von „Hallo - Bin neu hier im Forum“ zu „9Leben - Bin neu hier im Forum“ geändert.
  • Guten Morgen zusammen,

    vielen Dank für die schnelle Freischaltung :-).

    Ich habe mir hier die Info zu "co-Abhängigkeit" durchgelesen und finde mich in Teilen natürlich darin wieder, in Teilen aber auch nicht.

    Was mir auch immer schwer gefallen ist, ist die Definition von Zumutbarkeitsgrenzen und konsequentes Handeln danach. Egal bei wem und in welchem Zusammenhang, in Konfliktsituationen reflektiere ich immer auch die gegnerische Partei und versuche deren Motivation zu verstehen. Aber eben nicht mit dem vorrangigen Ziel, darauf taktisch meine Position besser behaupten bzw. durchzusetzen. Und oft komme ich dabei zu dem Schluss, dass ich mir dann sinngemäß sage, stell Dich nicht so an bzw. "einmal geht noch, aber das nächste Mal ist Schluss". Und das nächste Mal verschiebt sich dann und weiter und weiter.

    Eine Therapeutin hatte mir mal die Frage aufgegeben: "Wo sind eigentlich Ihre Grenzen?" Das geistert bis heute in meinem Kopf, weil ich lange keine für mich klare Antwort darauf gefunden habe. Klarer ist jedenfalls jetzt, dass ich kein zweites Mal in einer Beziehung mit Alkohol zu tun haben will. Lieber lebe ich für den Rest meines Lebens allein. Die Folge davon ist allerdings, dass ich bei Treffen mit guten Bekannten/Freunden quasi jedem die Alkoholgetränkegläser in den Mund zähle und bei jedem argwöhne, ob sich da schon Spuren eines Problems anzeigen.

    Und noch etwas zum Thema CO: Was hat man eigentlich in einem Familiensystem, wenn einem an der Aufrechterhaltung etwas liegt und solange die belastenden Anteile noch nicht überwiegen, für eine Wahl im Umgang mit dem alkoholbelasteten Familienmitglied, insbesondere, wenn es Elternteil ist?

    Ist es nicht Auswahl zwischen Pest und Cholera, also Weiterleben in gewisser Dysfunktionalität bezüglich gemeinsamer Kinder oder Auflösung der gewohnten Familienstruktur, was für die Kinder vielleicht letztlich auch nicht das berühmte Beste ist? Hat die Macht der Gewohnheit COs besonders gut im Griff? Wenn man nicht mit besonderen Resilienzfähigkeiten gesegnet ist, dann entwickelt man als Mit-Betroffener einer Alkoholerkrankung wahrscheinlich so oder so Therapiereife.....

  • ... Was hat man eigentlich in einem Familiensystem, wenn einem an der Aufrechterhaltung etwas liegt und solange die belastenden Anteile noch nicht überwiegen, für eine Wahl im Umgang mit dem alkoholbelasteten Familienmitglied, insbesondere, wenn es Elternteil ist?

    Man hat keine Wahl.

    Wenn das System nicht mehr funktioniert, kann man das System verlassen oder den "Störfaktor" beseitigen.

    Viele hoffen ... das wird schon wieder ...

    ohne das man die Ursache beseitigt.

    Wie gut das funktioniert, haben viele schon erlebt, viele erleben es gerade.

    Es ist wie beim Auto, es fährt noch ... mal mehr, mal weniger gut. Man hofft, das wird schon wieder (wenn man nichts macht).

  • Ergänzend hatten sie Therapiestunden bei Kinder-und Jugendpsychologen, und die Schulzeit ging bei einem in eine einjährige Verlängerung, bei dem anderen wäre es fast auch so gekommen. Jetzt sind sie wieder zielstrebig.

    Du hast trotz allem versucht auf die Kinder einzugehen und darauf zu achten dass sie das Erlebte verarbeiten. Du hast dein möglichstes gegeben. Sich im nachhinein Vorwürfe zu machen ist ein schlechter Begleiter. Aber ich glaube du weißt das. Du wirkst für mich sehr aufgeräumt und sortiert.

    Ich habe mir hier die Info zu "co-Abhängigkeit" durchgelesen und finde mich in Teilen natürlich darin wieder, in Teilen aber auch nicht.

    Was mir auch immer schwer gefallen ist, ist die Definition von Zumutbarkeitsgrenzen und konsequentes Handeln danach. Egal bei wem und in welchem Zusammenhang, in Konfliktsituationen reflektiere ich immer auch die gegnerische Partei und versuche deren Motivation zu verstehen.

    Genau so empfinde ich auch. Diese Co Frage stelle ich mir auch immer mal wieder. Leider gibt es keinen Test oder genaue Richtlinien. Ich bin für mich zu einem Entschluss gekommen, endgültig dürfte dieser jedoch noch nicht sein, solange ich mich nicht selbst aufgebe, sich mein Leben und mein handeln sich nicht nur um meinen trinkenden Partner kreist bin ich nicht Abhängig.

    Aber bei dem Thema spielen so viele Faktoren eine Rolle. Vor allem wenn Kinder mit involviert sind. Kinder bekommen sehr viel mit und es prägt Kinder meist negativ. Da sollte die Hemmschwelle des aushaltens sehr gering gehalten werden.

    Und noch etwas zum Thema CO: Was hat man eigentlich in einem Familiensystem, wenn einem an der Aufrechterhaltung etwas liegt und solange die belastenden Anteile noch nicht überwiegen, für eine Wahl im Umgang mit dem alkoholbelasteten Familienmitglied, insbesondere, wenn es Elternteil ist?

    Ist es nicht Auswahl zwischen Pest und Cholera,

    Diese Frage habe ich mir, seit ich hier bin, so oft gestellt. Ich habe Gespräch mit meinen erwachsenen Kindern geführt und bin für mich auch hier zum Entschluss gekommen, dass es in meinem Fall so okay war. Ich betone, in meinem Fall.

    ABER, was ich aus meiner Erfahrung heraus sagen kann.

    Sobald bemerkt wird dass der Partner ein Problem mit dem Alkohol hat, sollte es angesprochen werden und wenn dieser es nicht ändern möchte oder es nicht einmal einsieht ist es besser (vor allem wenn kleine Kinder in der Familie sind) wenn man früh die Reißleine zieht. Denn die Abwärtsspirale ist meist vorprogrammiert. Das kann sich niemand schönreden. Es wird nicht besser aber es wird ziemlich sicher schlechter.

    Liebe Grüße Petra

  • Sobald bemerkt wird dass der Partner ein Problem mit dem Alkohol hat, sollte es angesprochen werden und wenn dieser es nicht ändern möchte oder es nicht einmal einsieht ist es besser (vor allem wenn kleine Kinder in der Familie sind) wenn man früh die Reißleine zieht. Denn die Abwärtsspirale ist meist vorprogrammiert. Das kann sich niemand schönreden. Es wird nicht besser aber es wird ziemlich sicher schlechter.

    Liebe Petra,

    Deinen Satz kann ich aus meiner Erfahrung nur bestätigen. Für mich bedeutet der Begriff CO, dass man als Angehöriger oder auch Freund oder auch Arbeitskollege eines Alkoholikers, der in einer mehr oder weniger regelmäßigen persönlichen Beziehung zu einem Alkoholiker steht, und Hilfe gibt oder anbietet, die bei nicht Suchterkrankten eventuell nichts oder absichtentsprechende Hilfe bewirkt, beim Suchterkrankten dagegen sicher nichts oder sogar Gegenteiliges der Absicht bewirkt.

    Und je enger die Bindung zum Alkoholkranken, desto größer die Wahrscheinlichkeit, jede Enttäuschung lediglich als Anlass für den nächsten nutzlosen Hilfsversuch zu nehmen. Bis man als CO für sich genug Leidensdruck daraus gebaut hat, um seinem eigenen Veränderungsimpuls nachzugehen.

    Das ist glaube ich, der "Abhängigkeitsaspekt" beim CO. Man wiederholt wider besseres rationales Wissen eigene psychische (und psychosomatische) Leidenssituationen bis zur eigenen Reife des Ausstiegszeitpunkts - wenn er denn überhaupt kommt, bevor der Alkoholiker gestorben ist.

    Der Alkoholabhängige wiederholt wider besseres rationales Wissen sein Trinkverhalten, bis er für sich den Reifezeitpunkt des Ausstiegs gefunden hat - oder eben nicht.

    Neues Thema, passend zum Co-Typ ;-):

    Beratungsstunden für Angehörige von Alkoholkranken

    In einer Beratungsstunde habe ich als Angehörige meines trinkenden Ehemanns mal einen Vorwurf herausgehört, wenn ich nicht wäre, hätte mein Mann schon die Chance zu suchtverkürzender Einsicht gehabt. Dabei hat der Berater, nach eigenen Angaben trockene Alkoholiker, nur gesagt: Erst als sich meine Frau nicht mehr um mich gekümmert hat, mich völlig ignoriert hat, konnte ich zur Einsicht kommen und habe den Weg zur Abstinenz und einem nüchternen Leben beschritten.

    Ich weiß noch, dass ich damals aus der Beratungsstunde noch ratloser (und wütend auf den Berater) gegangen bin, als ich hingekommen war. Die Art der Beratung hat mir nicht gepasst. Zu "völligem Ignorieren" eines Menschen, mit dem ich in Bindung stehe, war und bin ich nicht in der Lage. Es soll ja Eltern geben, die, wenn ihre Kinder etwas angestellt haben, mit den Kindern Stunden oder gar Tage absichtlich kein einziges Wort reden. Oder eben Partner, die es im Umgang miteinander auch so halten, bis der so Bestrafte reumütig "angekrochen" kommt. Für mich ist das destruktive Psychofolter. So hatte ich den Rat damals verstanden.

    Ein anderes Mal hatte ich mit den Kindern, damals noch im Grundschulalter, ein ganz wunderbar gestaltetes Wochenendseminar besucht. Für die Kinder gab es ein extra kindgerechtes Programm zum Thema Alkoholkrankheit. Wir Erwachsenen hatten unsere Gesprächskreise einschließlich Schilderung der persönlichen Lage und durchlebten Dramen im Zusammenleben mit alkoholkranken Angehörigen. Meine Bewertung unserer häuslichen Situation war daraus aber im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern: "Uns geht es ja noch Gold!" :-O.

    So blieb ich weiter auf der highway to hell....

  • Liebe Lanananana,

    danke gleichfalls. ich finde den von Dir beschriebenen Entwicklungsprozess, den Du in Deiner alkoholbelasteten Partnerschaft durchlaufen hast, beeindruckend.

    Bei Alkoholkranken und Co würde ich sagen, dass jeder sich an seinem Schopf aus dem Sumpf ziehen muss. Aber sobald jeder ernsthaft an seinem Schopf zieht, kann man auch unterstützende Hilfe annehmen, um das Ziehen zum Erfolg zu führen.

    Vielleicht bezieht sich die entsprechende Baron-Münchhausen Geschichte ja auf genau solche Lebenslagen, wer weiß? ;)

  • In einer Beratungsstunde habe ich als Angehörige meines trinkenden Ehemanns mal einen Vorwurf herausgehört, wenn ich nicht wäre, hätte mein Mann schon die Chance zu suchtverkürzender Einsicht gehabt.

    Wie siehst du dass heute, mit dem Wissen und der Erfahrung Jahre später?

    Meine Bewertung unserer häuslichen Situation war daraus aber im Vergleich zu allen anderen Teilnehmern: "Uns geht es ja noch Gold!" :-O.

    Und hier die selbe Frage? Wie siehst du dies mit dem heutigen Wissen und deiner Erfahrung?

    Wenn ich mal meine Situation bei Freunden oder in der Familie angesprochen habe, wurde mir auch immer genau das gesagt. Das Trinkverhalten ist doch noch im Normalbereich, mein Mann trinkt wesentlich mehr. Oder, du bist was das Thema Alkohol angeht sehr empfindlich und restriktiv. Nur weil du kaum was trinkst ist nicht gleich jeder der was trinkt ein Alkoholiker, usw.

    Ich wusste, das es nicht NORMAL war. Ich hätte viel früher genau das machen sollen was ich seit einigen Jahren mache. Es in seine Hand legen. Es ist sein Problem und ich darf es nicht zu meinem machen. Schwer wenn man sich aber nicht trennt. Aber das ist (m)ein anderes Thema.

    Liebe Grüße Petra

  • Hallo Petra,

    zur ersten Frage:

    Heute würde ich eine solche Beratung als zutreffende Zusammenfassung meiner damaligen Problemschilderung sehen, und vielleicht hätte es mir das NoGo, den Kindern durch Scheidung die familiären Strukturen auseinander zu reißen, beiseite wischen können, in dem ich die Trennung statt destruktiv konstruktiv als eine Art Schutz für uns alle hätte wahrnehmen können. Schutz vor weiterem gemeinsamen Elend, in dem trotzdem jeder für sich ist und schädigende Verhaltensmuster lebt.

    Zur zweiten Frage:

    Schwierig - vielleicht hätte es mir geholfen, strikt bei meiner Wahrnehmung bleiben zu können, dass ich es so schon, wie es damals war, eben nicht mehr wollte. Dann hätte ich vielleicht früher einen Ausstieg gefunden.

    Dagegen stand mein damaliges Mindset: "Ideale Partnerschaften gibt es nicht." "Stell Dich nicht so an" "Du bist ja selber auch nicht ohne Makel" "Noch kannst es doch gut aushalten, so viel ist ja nun auch nicht los".

    Damals hatte sich der Trinkrhythmus meines Mannes von vier Tagen Konsum und drei Tage nichts auf mind. sechs Tage Konsum und maximal 1 Tag nichts verschoben, und gemeinsame, vor allem unbeschwerte Familienzeit war so gut wie nicht vorhanden, außer, wenn Familientreffen anstanden. Da wurde die Fassade aufrecht erhalten. Aber auch bei diesen Treffen hat er sich oft zwischenzeitlich verkrümelt, z.B. beim Grillen im Park herumgelaufen und sich zu trinkaffinen Bekannten gesetzt. Denen er dann auch die Schuld geben konnte, wenn er mit einer Fahne zurückkam.

    Streit aus dem Nichts bzw. Provokationen zuhause waren damals auch schon dabei. Damals bin ich immer noch drauf eingestiegen. dann ging es wie PingPong-Spiel hin und her. Ermüdend und sinnlos.

    Die Geschichten, die ich auf dem Seminar gehört habe, drehten sich um wiederholte häusliche Gewalt durch Suchtkranke, finanzielle Überschuldung durch zusätzlichen Drogenkonsum bei Arbeitslosigkeit und Kontaktpflege ins kriminelle Milieu, den Angehörigen mehrfach nach Vollrausch bewusstlos im eigenen Erbrochenen auffinden und Entnahme gemeinsamer, durch den Alkoholiker sexuell missbrauchte oder insgesamt schwer vernachlässigte Kinder aus dem häuslichen Umfeld durch das Jugendamt.

    Dagegen fand ich meinen Status dann sehr: siehe oben "Stell Dich nicht so an".

  • Dagegen stand mein damaliges Mindset: "Ideale Partnerschaften gibt es nicht." "Stell Dich nicht so an" "Du bist ja selber auch nicht ohne Makel" "Noch kannst es doch gut aushalten, so viel ist ja nun auch nicht los".

    Dieses Mindset hatte ich ebenfalls über viele Jahre.

    Es ist Zeit, das zu ändern!

    Wenn ich das Gefühl habe, irgendetwas stimmt nicht, dann stimmt einfach auch was nicht. Punkt!

    Nix mehr, Augen zu und durch. Da muss ich hinsehen und ergründen und erkennen. Das Gefühl hat mich letztendlich nie betrogen. Nur ich mich selbst.

  • Liebe Nova,

    so sehe ich mich rückblickend auch. ich habe mich sehr lange in der eigenen Wahrnehmung selbst betrogen. Der Selbstbetrug ging so: "Jetzt ist es gerade schlecht, aber es wird auch irgendwann wieder gut."

    In Wahrheit wurde es stetig schlechter.

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