Abwehr und Verdrängung

  • Hallo,

    ich habe bin Angehörige und habe eine Frage an die trockenen Alkhoholiker:innen. Wenn ihr euren Konsum vor euren Angehörigen verborgen habt, war euch das bewußt oder habt ihr auch nicht wahr haben wollen, dass ihr das Trinken vor euren Angehörigen verbergt, und hattet daher auch gar kein Bewußtsein darüber, dass eure Angehörigen das als "Lügen" und "Hintergehen" empfinden? Ich vermute mal, dass das bei JedeR durchaus unterschiedlich sein kann, dass aber der Mechanismus der Abwehr bei allen Betroffenen gegriffen hat.

    Ich kenne es von mir, dass ich die Tatsache, dass mein Partner, alkoholabhängig ist, oft zumindest weitgehend verdränge und dann jedes Mal wieder aus den Wolken falle, wenn ich ihn erwische - und ich frage mich, was für ein Spiel wir da eigentlich miteinander aufführen? Er schafft es nicht, mir davon zu erzählen, dass er Suchtdruck hat oder wieder am Trinken ist, und auch in meinem Bewußtsein ist es so, als gäbe es überhaupt kein Problem mit Alkohol und wenn ich ihn dann erwische - oder er sich erwischen läßt - bezichtige ich ihn der Lüge, dabei habe ich mich doch auch die ganze Zeit über genauso selbst angelogen. Ich frage mich, wieviel läuft hier unbewußt und unter der Verbalisierungsschwelle ab und würde das Ganze sehr gerne einmal von der anderen Seite her und von Leuten, die da offenbar rausgekommen sind, erklärt bekommen.

    Liebe Grüße <3

  • Hallo Zabeth,

    wieso erwischst Du Deinen Partner? Du weißt doch, dass er Alkohol trinkt.

    Meinen Alkoholkonsum habe ich nur in der Menge verheimlicht. Mein Mann wusste um meine

    Alkoholabhängigkeit. Und auch ohne über die Trinkmenge informiert zu sein, hat er gemerkt,

    dass es immer mehr wurde.

    Er hat nie "kontrolliert", wie ich das hier oft lese und wenn ich mich richtig erinnere auch nie

    gefragt, ob ich schon getrunken habe.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Liebe Elly,

    ja das ist sicher die gesündere Variante, zu der dein Mann offenbar fähig war, doch um die geht es hier ja nicht, sondern um die gegeseitige Verstrickung in Abwehr und Verdrängung.

    Wenn dein Mann dich gefragt hätte, ob und wieviel du trinkst, was hättest du dann geantwortet?

    Einmal editiert, zuletzt von Zabeth (16. Mai 2023 um 12:06)

  • Wenn Du hier bei den Angehörigen oder auch bei den Alkoholikern liest, wirst Du feststellen, Zabeth

    dass nur der Alkoholabhängige selbst seine Sucht beenden kann. Und die meisten nur mit

    einem ärztlich begleiteten Entzug oder mit einer stationären Aufnahme in einer Klinik.

    Vorher ist alles nur Augenwischerei und die Sucht schwelt immer weiter. Was würde es für Dich

    ändern, wenn er zugibt, was Du "entdeckt" hast und trotzdem weiter trinkt?

    Und solange Dein Partner kein Problem sieht, wird er weiter trinken.

    Die Frage ist, wie gehst Du damit um? Kannst Du damit leben?

    Ich hätte meinem Mann geantwortet, dass ich zeitweise noch nicht einmal selbst genau wusste,

    wie viel ich getrunken habe.

    LG Elly

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    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Ich habe meine Weinflaschen heimlich in die Wohnung gebracht und versteckt ohne Wissen meines Partners.

    Und getrunken habe ich ebenso heimlich. Bei allem habe ich sehr bewusst agiert.

    Natürlich hat er oft gemerkt was mit mir los ist…..habe es abgestritten….

  • Elly

    Mein Ex hatte mehrere Entzüge und Rehamaßnahmen. Was sich für mich geändert hätte, wenn er mir gesagt hätte, dass er nicht trocken ist? Ich hätte mich getrennt, denn so geht man in einer Bezeihung miteinander um. Man spricht offen und ehrlich miteinander und trennt sich, wenn es nicht mehr passt. Er hat jedoch nicht nur den Konsum vor mir verborgen, sondern mir auch für mich glaubhaft versichert, dass er trocken sei und die Symptome von seiner anderen ärztlich diagnostizierten Erkrankung und der medikamentösen Behandlung herrühren. Ich frage mich nun, warum das für mich glaubhaft war, was da bei mir in Bezug auf ihn und bei ihm in Bezug auf mich abgelaufen ist.

    Wenn ich hier die Antworten und andere Beiträge lese, dann erscheint es mir jedoch so zu sein, dass Abhängige und Angehörige sich nicht in Bezeihung setzen, sondern auf eine vor allem für die Angehörigen tragische Weise verfehlen.

    Die/der Alkoholabhängige hat ausschließlich oder primär eine Beziehung zum Alkohol, während die/der Anghörige aber davon ausgeht, dass er oder sie in einer Beziehung mit ihrem/seinem Partner lebt und daher auch so mit ihr/ihm interagiert: Fragen stellt, fürsorglich und interessiert ist und vertraut, weil das eben das ist, was mensch in einer Partnerschaft tut. Dazu gehört auch, dass man dem oder der Anderen erstmal glaubt und das Thema Alkohol aus den Gesprächen raushält und eben nicht ständig wachsam ist und nach Indizien sucht, gerade wiel es ja ausschließlich ein Problem des/der Alkoholabhängigen ist, um das sie sich selbst kümmern müssen. An dieser Haltung ist erstmal nichts Krankes oder Co-Abhängiges, sondern das ist gesundes Beziehungs- und Bindungsverhalten. Es ist halt ein langer Prozeß zu verstehen, dass der oder die Andere, weil süchtig, zu so einem Beziehungsverhalten mit einem anderen Menschen nicht in der Lage ist, allzumal wenn der oder die Andere alles daran setzt, so zu tun, als wäre er oder sie es odre als gäbe es andere Gründe für die mangelnde Beziehungsfähigkeit, um in Ruhe weiterkonsumieren zu können, während die Angehörigen sich nicht erklären können, warum sie sich allein und einsam fühlen.

    Mir geht es nicht darum, meinen Ex vom Alkohiol abzuhalten, sondern ausschließlich um mich. Ich möchte Antworten darauf, was da bei mir los war.

    Liebe Elly ,

    du hast mir auf meine Frage eine sterotype Antwort gegeben. Auch da feht mir der Resonanzraum, das Mit-Einander-In-Beziehung-Sein, das sich unterhalten, das Schwingen, das gemeinsame Sprechen. Das hinterläßt bei mir Frust, denn ich bin ja hier, um mich auszutauschen und nicht um mir Sprechblasen aus einem Kaugummiautomaten zu ziehen.

  • Ich habe meinen Konsum verheimlicht. Das war für mich damals völlig logisch und notwendig da ich in Ruhe saufen wollte. Anfangs habe ich mich manchmal ein wenig darüber gefreut, wie clever ich doch bin und allen etwas vormachen🙄 Ganz selten stellte ich mir die Frage, was passiert, wenn meine Abhängigkeit offenbar wird. Da war Angst vor der unangenehmen Konfrontation, vor beruflichen Konsequenzen und davor, nicht mehr saufen zu können, weil der Schutzmantel der Heimlichkeit,meine Fassade nicht mehr da wäre. Das ich ein Verhältnis mit dem Alk hatte und meine Partnerin betrogen habe ist mir erst nüchtern bewusst geworden.

  • Ich hab meine Weinflaschen auch bewusst versteckt und die im Kühlschrank immer wieder aufgefüllt. Irgendwann hab ich alles im Kofferraum gelassen, hab immer in der Garage beim Rauchen getrunken. Manchmal aus Kaffeetassen, weil ich schon früh morgens angefangen habe.

  • Danke Hera und alle :)

    Wenn ihr schreibt, dass ihr bewußt heimlich gehandelt habt, war euch dann auch bewußt, vor wem ihr den Alk verheimlicht und dass diese andere Person das als "Lügen" oder "Betrügen" auffassen und sich daher verletzt fühlen oder wütend werden kann?

    Mein Ex hat kein Verständnis dafür gezeigt, wenn ich auf Grund seines heimlichen Trinkes wütend oder auch nur ärgerlich wurde, sondern hat mir versuscht einzureden, dass mit mir was nicht stimmt, wenn ich "so ausflippe".

  • Genau so habe ich mich auch verhalten. Ich wollte ja mit allen Mitteln verhindern, dass ich auffliege. Und so hart es klingt, was meine Partnerin hätte denken oder fühlen können war mir gleichgültig. Ich wollte in Ruhe saufen. Keine Schuldgefühle, kein Unrechtsbewusstsein. Nur Angst vor Konsequenzen und Selbstmitleid. Nicht schön. But that's the way the cookie crumbels.

  • Ich wollte mit diesem Verhalten auch nix provozieren oder jemanden belügen, sondern nur ohne Stress saufen können.

    Mein Partner ist allerdings auch nie ausgeflippt oder hat mir das vorgeworfen. Er war dann eher in sich gekehrt und traurig. Das war viel schlimmer für mich.

  • Hallo Zabeth.

    Was sich für mich geändert hätte, wenn er mir gesagt hätte, dass er nicht trocken ist? Ich hätte mich getrennt, denn so geht man in einer Bezeihung miteinander um. Man spricht offen und ehrlich miteinander und trennt sich, wenn es nicht mehr passt.

    Nun ist ja der umgekehrte Fall eingetreten:

    Du hast ihn erwischt und weißt, dass er nicht trocken ist. Er war also nicht offen und ehrlich und daher passt es nicht mehr und dann trennt man sich, wie Du selbst schreibst.

    Die Voraussetzungen aus Deinem Zitat sind also da. Doch Du hast Dich ja nun auch nicht getrennt oder?

    Das ist eben das Merkmal der Co-Abhängigkeit. Es wird sich mit dem Problem und Verhalten des Alkoholikers befasst. Warum tut er dieses oder jenes oder warum tut er es nicht?

    Dabei sollte die Frage sein: Warum mache ICH dies oder das oder warum ziehe ICH keine Konsequenzen aus den gegebenen Umständen?

    LG Cadda

  • Genau.

    An erster Stelle steht der Alkohol und danach kommt ganz lang gar nichts.

    Das war zumindest bei mir der Fall.

    Schau nach dir, du kannst daran leider nichts ändern.

  • Cadda

    Hallo Cadda,

    ich habe mich getrennt.

    Mir ist jetzt hier im Forum in den letzten Tagen klar geworden, dass ich dazu mehrere Anläufe gebraucht habe, weil mein Ex eben keine Flüssigkeit in einer Flasche, sondern ein lebendiges Wesen ist. Wenn man süchtig ist, führt man eine Beziehung mit dem Alkohol. Die Beziehung zum Alkohol ist berechenbar und verlässlich. Wenn ich trinke, stellt sich genau der Effekt oder das Gefühl ein, das ich suche. Beziehungen zu Menschen sind schwieriger. Menschen sind einzigartige, lebendige Wesen. Wenn man mit einem Menschen in ein eine echte Beziehung tritt, dann weiß man eben nicht, was dabei herauskommt, wie man sich fühlen wird und wie man reagieren wird. Das ist ein offener, mitunter schmerzhafter und wiedersprüchlicher Prozeß. Genau aus diesem Grund wählen Süchtige die Beziehung zum Suchtmittel, weil sie mit dieser Unberechenbarkeit nicht klar kommen.

    Die Trennung vom Alkohol ist leicht, sie ist in ein paar Tagen Entgiftung in einer Klinik geschafft. Was dann kommt, ist der schwierige Part: Die Beziehung zum Alkohol muss durch Beziehungen zu echten lebendigen Menschen ersetzt werden. Selbsthilfegruppen sind wichtig, weil man dort lernen kann, Beziehungen zu Menschen zu führen.

    Ich finde es furchtbar, wie hier mitunter so vehement von Ex/Alkoholiker:innen darauf bestanden wird, man möge sie als Angehörige doch bitteschön genauso behandeln als wären sie ein Suchtmittel, sie fallen lassen und sich nicht mehr gedanklich mit ihnen befassen.

    Kannst du, liebe Cadda, dich selbst und andere als ein menschliche Wesen mit all dem Schlamassel, den ein lebendiges seelisches Leben mit sich bringt, annehmen?

  • Die Trennung vom Alkohol ist leicht, sie ist in ein paar Tagen Entgiftung in einer Klinik geschafft. Was dann kommt, ist der schwierige Part: Die Beziehung zum Alkohol muss durch Beziehungen zu echten lebendigen Menschen ersetzt werden. Selbsthilfegruppen sind wichtig, weil man dort lernen kann, Beziehungen zu Menschen zu führen.

    Wovon sprichst du gerade? Bist du selbst auch Alkoholiker gewesen oder woher kommen solche Erkenntnisse?

    Ich finde es furchtbar, wie hier mitunter so vehement von Ex/Alkoholiker:innen darauf bestanden wird, man möge sie als Angehörige doch bitteschön genauso behandeln als wären sie ein Suchtmittel, sie fallen lassen und sich nicht mehr gedanklich mit ihnen befassen.

    Ja das ist furchtbar für jemand, der tief in der CO Abhängigkeit steckt, aber für über 90 % der Fälle der CO, die hier ankommen, unvermeidbar den Menschen den er liebt erstmal fallen zu lassen.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Aber zabeth, wer denn, ausser eben die Alkoholiker selbst, sollen dir denn dann erklären, daß du gegen die Sucht nicht ankommst? Sie selber schaffen es doch in den seltensten Fällen.

    Was möchtest du denn hören?

    Ich als Alkoholikerin war jahrelang kein lebendiges Wesen mehr, eher ein Zombie.

    Da hätte egal wer kommen können, er hätte null ändern können.

  • Bitte überlest nicht, dass ich mich getrennt habe. Ich will nicht gegen die Sucht angekommen. Ich möchte verarbeiten, was da in der Vergangenheit mit mir passiert ist.

    Was ich höre, nämlich, dass die Beziehung zum Alk primär ist, dass man sich nicht als lebendiges Wesen fühlt, und die Reaktionen, die ich bekommen: herzlichen Dank dafür. Das verschafft mir Klarheit.

    Ich bin nicht hier, damit ihr mir irgendwas erzählt, das ich hören möchte. Ich möchte euch hören, authentisch.

    Hartmut

    Ein guter Einstieg in diese Thematik ist:

    Roland Voigtel: "Sucht". Psychosozialverlag

    Rätsel des Unbewußten, Ein Podcast zur Psychoanalyse und Psychotherapie: Folge 59: Zur Psychoanalyse der Suchterkrankungen

    Ich bin immer noch auf der Suche nach wissenschaftlichen Publikationen oder Fachliteratur zum Konzept der Co-Abhängigkeit. Bislang habe ich nur Selbsthilfeliteratur dazu gefunden. Wenn ihr was wisst, bitte her damit :)



    Einmal editiert, zuletzt von Zabeth (18. Mai 2023 um 11:39)

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