Moin moin,
ich (43 Jahre) bin vor 3 Monaten mit meinem Partner (47 Jahre) zusammengezogen. Zuvor hatten wir eine fast 2 1/2 jährige Fernbeziehung und haben uns alle 2 bis 3 Wochenenden gesehen.
Die Fernbeziehung war...herausfordernd für uns beide, weil wir beide in unserem Beziehungserleben und Kommunikationsverhalten viel Konfliktpotential haben. Allerdings war für uns beide die Beziehung wichtig genug, sie jeweils aufrecht zu erhalten.
Hinzu kommt, dass wir beide uns seit 20+ Jahren kennen und dies der dritte Beziehungsversuch ist. Uns scheinen also langlebige und tiefe Gefühle füreinander zu verbinden.
Nun bin ich Anfang April in seiner Stadt, mit ihm zusammengezogen und habe einen neuen Job angenommen.
Vor Ort habe ich kaum ein soziales Netz und meine engen Freunde leben alle weiter weg. Wobei ich auch eher der Typ für sporadische, enge Kontakte bin, sodass ich eigentlich niemanden habe, bei dem ich mich spontan mit meinen Problemen melden könnte (zumindest erscheint es mir so...). Finanziell bin ich unabhängig.
Dass mein Partner missbräuchlich (bei Frustration oder Kränkung, etc.) Alkohol konsumiert, war mir bereits vor meinem Umzug klar.
Darüber hinaus begleitet ihn eine Alkoholproblematik seit Jahrzehnten.
So berichtete er mir bereits vor 20 Jahren, dass er einen seiner Jobs (damals Koch) verloren habe, da er den Alkohol mit Wasser vermischt habe, um seinen eigenen Konsum zu verdecken. Damals trank er auch ab und an (und konsumierte Kokain) aber es beeinflusste unsere Beziehung nicht.
Während unseres zweiten Beziehungsablaufs in 2013, waren wir wiederum in einer Fernbeziehung. Die Wochenenden, die ich anwesend war, konsumierte er massiv. Was dazu führte, dass ich mich, wenn ich vor Ort war, um seine Tochter (damals 4 Jahre, heute 13 Jahre) kümmerte. Ich kann mich nicht daran erinnern, dies mit ihm thematisiert zu haben. Aber mir war klar, dass sein Verhalten äußerst problematisch (und potentiell fremdgefährdend für die Tochter) war. Und ich glaube mich zu erinnern, dass ich, als ein gemeinsamer Kinderwunsch im Raum stand, ich mich dagegen entschied, da sein Konsumverhalten ihn zu einem schädlichen Rollenbild machte.
Während unserer jetzigen Beziehung schien sein Alkoholkosum, zumindest am Anfang, sehr viel geringer als früher. Im Nachhinein scheint hier auch Corona zu einem geringeren Kosum beigetragen haben. Denn mein Partner nutzt zwar Alkohol als eine Problemlösestrategie, jedoch ist er auch ein Gesellschaftstrinker und alle seine Freunde sind dem Alkohol eher zugetan. Mit Ende der Corona-Restriktionen erlebte ich ihn dann wieder öfter betrunken. Dabei wurde das Thema durch mich, und auch seine Tochter des Öfteren thematisiert, sodass er teilweise den Alkoholkonsum vor uns versteckte. Einmalig hat er, auf Bitten der Tochter, mehrere Wochen auf Alkohol verzichtet, ist jedoch schnell wieder in alte Konsummuster (2 - 4 Mal wöchentlich, teilweise massiver Konsum) verfallen.
Und auch wenn alles, was ich gerade beschreibe ganz klar auf eine Abhängigkeitsproblematik hinweist, habe ich mich an der Diagnose des missbräuchlichen Konsums festgehalten.
Von Alkoholismus spreche ich erst seit drei Wochen nach meinem Einzug. Da ich erst da das oben beschriebene Konsummuster wirklich wahrnahm.
In Woche vier meines Einzugs sind seine Tochter, er und ich zu einer Paartherapeutin gegangen, da ein Kinderwunsch meinerseits im Raum steht und wir uns (altersbedingt) auf die Aufnahme eines Pflegekindes verständigt haben. Die Tochter hatte jedoch gefordert, dass er abstinent leben muss, damit die Aufnahme eines Pflegekindes duch sie "gestattet" wird. Während dieses Termins hatte die Tochter die Möglichkeit, ihrem Vater die Auswirkungen seines Alkoholkonsums darzustellen.
Bereits im Vorfeld kündigte er mir gegenüber an, ab dem Termin keinen Alkohol mehr zu konsumieren. Mein Hinweis auf die Notwendigkeit von professioneller Unterstützung, wurde von ihm als Misstrauensvotum meinerseits verstanden. Er schaffe das alleine!
Nach dem Termin war er 4 bzw. 6 Wochen alkoholabstinent. Er sagt 6. Seine Tochter 4.
Vor spätestens 4 Wochen wurde er dann rückfällig, sodass auch ich es mitbekam. Danach folgte ein ausführliches Beziehungsgespräch. Er weigerte sich jedoch weiterhin, sich Unterstützung zu holen.
Eine Woche später gab es dann einen massiven Rückfall, und seit spätestens diesen Freitag sind wir wieder in einem identischen Konsummuster wie vor der Abstinenzphase.
Unser Zusammenleben gestaltet sich problematisch. Er zieht sich teilweise zurück, ist lustlos, schlecht gelaunt, und die einzigen Aktivitäten, denen er nachgeht haben mit Konsum (Freunde treffen) zu tun. Intimität sucht er seit dem massiven Rückfall kaum. Gleichzeitig sucht er schon das Gespräch mit mir bei anderen Themen und kümmert sich ums Essen etc.
Seine Tochter ist desillisioniert und sagt, dass sie mit ihm "nicht mehr diskutieren" wolle, beobachtet aber seinen Konsum sehr genau.
Ich bin traurig, enttäuscht, wütend. Und versuche immer wieder das Gespräch zu suchen. Da ich studierte Psychologin bin, vermischen sich in solchen Gesprächen auch die Rollen (Partnerin vs. Therapeutin), was kontraproduktiv ist. Gleichzeitig schäme ich mich für meine Hilflosigkeit.
Letzte Woche nun haben wir einen "Deal" gemacht. Da er mir immer wieder mitteilte, dass er keine Hilfe benötige und bisher immer alles alleine in seinem Leben geschafft habe, habe ich ihm gesagt, dass er dies weiterhin versuchen soll. Jedoch nur bis zu einem bestimmten Datum. Sollte er es bis dahin nicht schaffen, alleine abstinent zu sein, so werden wir den Weg der professionellen Hilfe einschlagen. Was er aus dem Deal gemacht hat ist, dass er ab dem 15. September versuchen wird abstinent zu leben. Bis dahin darf er trinken. Ohne, dass ich etwas sage. Und bei einem Rückfall nach dem 15. September hat er, zumindest momentan, eingewilligt, zur Suchtberatung zu gehen und auch im Anschluss eine Entwöhnungstherapie (ambulant) zu machen. Allerdings hat er sich über Entwöhnungstherapien noch nicht ausreichend informiert, sodass ich mir vorstellen kann, dass da später noch Einwände kommen. Ganz zu schweigen von den Versuchen, heimlich zu trinken.
Es ist ein fauler Deal, dass weiss ich. Und es ist ein Deal, bei dem ich wieder ins Machen komme, statt ihm.
Er selbst sagt, dass er wisse, dass er ein Alkoholproblem habe. Erklärt aber auch, dass er dies erst seit dem Besuch bei der Paarberatung erkannt habe. Er empfindet mich als zu fordernd. Die Gespräche mit mir, sind ihm äußerst unangenehm (mir übrigens auch). Seine Motivation abstinent zu leben ist, so seine Aussage, zu 60 %, dass die Gespräche aufhören und zu 40 %, für ihn selbst. Hier wird er aber wenig konkret. Dabei hatte er bereits zweimalig eine Krebsverdachtsdiagnose. Gleichzeitig beschreibt er gut die Funktion von Alkohol auf emotional unangenehme Situationen (ausschalten) und in seinem Sozialleben. Hier formuliert er auch, dass insbesondere Letzteres ein Problem darstellen wird. (Ich tippe da eher auf Ersteres.)
Ich selbst war vor 2 Wochen bei einer Angehörigengruppe, die sich als Betroffenengruppe entpuppte, wo man mich aber freundlich und unterstützend empfing. Ich suche weiter nach einer Angehörigengruppe.
Auch habe ich mir therapeutische Unterstützung gesichert (Einzeltherapie) und gehe morgen nochmalig zu der Paartherapeutin. Auch plane ich, zum einen für Angehörigengespräche zur Suchtberatung zu gehen sowie mich dort über das hiesige therapeutische Angebot fpr Suchtkranke zu erkundigen.
In meinem Umfeld versuche ich, so offen mit dem Problem umzugehen wie möglich. Auch überlege ich mit unserem Hausarzt zu sprechen und hier zu sensibilisieren. Hier bin ich jedoch aus Loyalitätsgründen noch unschlüssig.
Letztendlich weiss ich, dass ich mit meinem Partner nicht zusammenbleiben kann und will, wenn er nicht abstinent lebt. Ich möchte nicht mit der ständigen Unruhe leben, ob er alkoholisiert nach Hause kommt. Ich möchte die Konflikte nicht, die darauf folgen. Ich möchte dieses Schwanken zwischen Hoffnung und Enttäuschung nicht. Ich möchte nicht mit einem lustlosen, schlecht gelaunten und persönlichkeitsveränderten Partner umgehen. Und ich möchte mich nicht um seine Gesundheit sorgen.
Gleichzeitig liebe ich ihn sehr...und hoffe natürlich inständig, dass er einsieht, dass er Unterstützung benötigt, diese annimmt und auch umsetzt.
Die Überlegung, (bald) ein Pflegekind aufzunehemen, habe ich nun erst einmal begraben.
Im therapeutischen Rahmen darf nicht die Rettung der Beziehung, sondern mein Wohlergehen im Mittelpunkt stehen: Ich möchte lernen, zu gehen wenn ich muss bzw. möchte. Hierfür möchte ich das Forum nutzen.
Gleichzeitig weiss ich, dass ein schwerer Weg vor mir liegt, und dessen Ausgang und Länge ist noch unklar.
Das war jetzt sehr lang. Danke fürs Lesen!!!