Hallo zusammen,
ich bin heute 32 Jahre alt und Tochter eines Alkoholikers.
In meiner Familie war Alkohol immer allgegenwärtig, aber schon früh war mir klar, dass der Einfluss auf meinen Vater anders war. Dieser kam nach einer berauschten Nacht nie zu Ruhe, schlich besoffen herum, taumelte, stieẞ gegen Möbelstücke und machte dabei Sachen kaputt. Oftmals kam es zu Streit mit meiner - wie ich heute weiß - damals co-abhängigen Mutter. Es wurde handgreiflich, Gegenstände sind geflogen oder wurden mutwillig zerstört.
Als Kind konnte ich mich immer erst beruhigt schlafen legen, wenn ich wusste, dass mein betrunkener Vater endlich eingeschlafen ist. Dann habe ich mich oft aus meinem Zimmer geschlichen, um sichergehen zu können, dass zB. der lautstarke Fernseher ausgemacht oder die Balkontür bei Minusgraden geschlossen wird. Ich habe also immer aufgepasst.
Eines Abends war es wieder soweit, es wurde gestritten, ich mittendrin. Als ich 14 Jahre alt war, hat mein betrunkener Vater vor Wut mit seiner Faust gegen die gläserne Wohnzimmertür geschlagen, die dabei zu Bruch ging. Er hat sich dabei die Hauptschlagader durchtrennt, das ganze Wohnzimmer war schnell voller Blut. Ich habe den Krankenwagen gerufen, während meine Mutter ihn versorgte. Er hat überlebt und eine Unbeweglichkeit der Hand davongetragen. Und ich mein Trauma inkl. dissoziativen Störung.
Meine Mutter ließ sich kurze Zeit später scheiden und ich hoffte, endlich ohne Angst einschlafen zu können. Leider haben die Sorgen danach für mich aber nicht aufgehört. Mein Vater hat den Kontakt zu allen Familienangehörigen abgebrochen - wegen verletztem Stolz. Ich war die letzte einzige Kontaktperson und verspürte dadurch sehr viel Druck von außen. Ich müsse ja für ihn da sein, er hat ja sonst niemanden mehr, wurde mir sowohl von ihm als auch diversen Familienmitgliedern eingetrichtert
Oft war er betrunken, wenn ich bei ihm war oder wir telefonierten. Wenn er sich mal eine zeitlang nicht gemeldet hat, weil er sich tagelang betrunken hat, überkam mich große Angst und ich vermutete das schlimmste. Manchmal ist er bei Verabredungen nicht aufgetaucht.
Als ich zur Uni bin und mir langsam mein eigenes Leben aufbaute, merkte ich, wie belastend die ständigen Sorgen und Ängste um den eigenen Vater sind. Dem Druck die einzige letzte Kontaktperson zu sein und dem Ausmaß und Folgen des Alkoholkonsums meines Vaters konnte ich irgendwann nicht mehr standhalten und brach den Kontakt ab, um mich selbst zu schützen.
Ich bin derzeit seit einiger Zeit in Therapie und arbeite an meinen Traumafolgestörungen. Die Auswirkungen des Alkoholkonsums des Vaters auf mich selbst sind mir dadurch erst so langsam bewusst geworden. Trotzdem plagen mich immer wieder Schuldgefühle, schlechtes Gewissen und manchmal auch Hoffnungslosigkeit.
Ich hoffe, hier im Forum auf einen Austausch von Betroffenen.
Lieben Gruß
Melli