Paul_ - und jetzt bin ich mal dran

  • Hallo Liebe Forumsmitglieder,

    ersteinmal vielen Dank für dieses Forum, ich habe hier so viele Leute gesehen die zum Teil in einer noch präkerern Lage waren als ich und die jetzt das Leben üfhren, das ich auch führen will.

    Kurz zu mir, ich min m, 40 Jahre und, es fiel mir schwer es einzugestehen, obwohl ich es ganz genau wusste, Alkoholiker. Ich bin Alkoholiker.

    Diesen Satz nieder zu schreiben war schon ein Akt, ist schon was anderes wenn man das Geschriebene sieht und noch mal liest.

    Weiter im Text: Ich habe bis zum letzten Jahr als Unternehmensberater gearbeitet. Ich hatte viel mit ausländischen Unternehmen zu tun, ganz besonders mit asiatischen Firmen. Kleiner Spoiler: Wer denkt, dass Asiaten nicht trinken können, der ist auf einem ganz falschen Dampfer. Alkohol ist dort teilweise die Entscheidung ob ein Geschäft läuft, oder nicht. Wer trinkt und fröhlich mit macht, geniesst Vertrauen. Auf die heftigen Eskapaden in höchsten Kreisen komme ich vielleicht später nochmal zu sprechen.

    Ich hole mal ein bisschen aus, wird dem Kontext sicher nicht schaden. Meine Kindheit war wenig geprägt von Alkohol. Es gab einige Trinker in meiner Verwandschaft, viele davon sind auch nicht mehr unter uns, aber in meinem direkten Umfeld spielte Alkohol eher die Rolle einer Gesellschaftsdroge. Betrinken, Blödsinn machen, verkartert aufwachen und sich schwören, nie wieder zu trinken. Schliesslich klingelt der Wecker um 6 Uhr morgens. So in etwa habe ich es in Erinnerung. Nichts desto trotz, hat Alkohol bereits seit ich klein war, eine ungemeine Anziehungskraft auf mich gehabt. Schliesslich haben es ja die Erwachsenen gemacht und ich wollte unbedingt dazu gehören. Andere Kinder haben mich nie interessiert. Spiele mit irgendwelchen Fake-Pistolen, Fangen oder sich sinnlos schlagen und gucken wer der stärkere ist, das war mir alles komplett zu wieder. Ich fand es kindisch, ich wollte nie kindisch sein. War ich auch nie.

    Irgendwann, ich meine es war so im Alter von 10 Jahren, habe ich das erste mal Sekt probiert. Es waren wohl nur 2 Gläser, aber dieser Rausch hat mich gefangen. Ich fühlte mich den anderen Kindern überlegen. Ich glaube es war auf einer Kommunion. Wie dem auch sei, ich war angesteckt.

    Die nächsten Jahre passierte nicht viel, erst mit 14 hatte ich meinen ersten Vollrausch. So heftig, wie nie wieder. Ich wollte auf Klo und die Wände haben sich hin und her bewegt, wie als wenn ich auf einem Schiff bei starkem Seegang wäre. Keine Erinnerungslücken, ich habe es mehr wie ein Aussenstehender beobachtet. Aufregend, aber nicht erschreckend.

    Irgendwann kam die Abi-Zeit, ich bin aufs Kiffen gekommen. Plötzlich war das erste was ich morgens machte einen zu bauen. Alkohol hat mich zu der Zeit null interessiert. Klar, es wurde getrunken, klar hab ich übertrieben, aber es war einfach nicht mein Ding. Wenn ich nichts zu rauchen hatte, bin ich notfalls um 2 Uhr morgens noch los um irgendwo was zu holen. Auf die Idee paar Bier zu trinken und einfach einzuschlafen wäre ich nie gekommen. Zu dem Zeitpunkt war Alkohol ja auch keine Option für sowas.

    Ich hab mein Abi geschafft, Zivi gemacht, gekifft wie eh und je, lief alles.

    Studium. In meinem Fachbreich war ich nicht der einzige der kifft. Hab ich jedenfalls beim ersten Asta Treffen rausgefunden. Getrunken wurde auch. War aber immer noch nicht meins. Paar Bier mit Joint, geht. Aber das Ende war nie absehbar bei solchen Aktionen.

    Ausland. Ich war plötzlich in einem Land wo Saufen die absolute Regel unter Studenten ist. Kiffen geht gar nicht, ist vergleichbar mit Heroin, zumindest was die Strafen angeht. Alkohol hingegen, absolut in Ordnung. So habe ich umgesattelt. Das ging natürlich nicht wirklich gut, ich habe es allzu oft maßlos übertrieben. Da ich aber in bestes Gesellschaft war, fiel es nicht wirklich auf. Mich hat es mal ein wenig schockiert, als wir bereits Mittags in einer großen Gruppe trinken gegangen sind und mein Kollege mit zitternden Händen die Bestellung aufgab. Er meinte, er sei schon so weit, dass es ohne nicht mehr geht. Gut, dass mir das nie passieren wird....

    Wir spulen kurz vor. Mittlerweile bin ich berufstätig, für eine asiatische Firma. Meine Frau, Asiatin. Oh Wunder. Jedenfalls fiel ihr irgendwann auf, dass mein Alkoholkonsum nicht mehr normal ist. Da gabe es Situationen auf die ich nicht stolz bin, sicher gibt es hier mehr als eine Person im Forum die ählich wenig stolz ist auf einige Erlebnisse.

    Es kam häufig vor, dass ich bereits nach der Arbeit 3 Bier drin hatte und zuhause nachgelegt wurde. Da ging es im Prinzip noch. Gelegentlich kamen härtere Sachen hinzu.

    Gegen Ende, also kurz bevor ich den Job wechselte, war eines meiner größten Probleme die zahllosen leeren Wodka Flaschen in meinen Schubladen. Gut, ich habe nie während der Arbeit getrunken, aber wenn alle aus dem Büro raus waren hab ich noch 2 Std. Youtube und Wodka gemacht. Natürlich bis zu dem Level wo meine Frau es nicht merkt. Naja, dachte ich jedenfalls...

    Mit der Zeit geriet das völlig ausser Kontrolle. Ich war bereits 3 Jahre in der Firma, alles lief blendend (es lief in der Tat gut), kamen immer mehr Aussetzer am Abend. Meine Frau erwischt mich, wie ich bei uns in einem anderen Zimmer stehe und allend versuche zu erklären, wieso ich dort war. Dumm nur, dass ich mich daran nicht erinnern konnte am nächsten morgen. Genauso wenig wie an einen anderen Abend, wo ich versucht habe in den Kleiderschrank zu pinkeln. Null Erinnerung.

    Arzt. Ich habe festgestellt, ich brauche wirklich Hilfe. Versuche das Trinken zu minimieren endeten relativ schnell ohne Erfolg. Ich habe mich an meinen Hausarzt gewandt. Der hat mich bei meinem Entzug begleitet. Mittlerweile war ich bei einer Tagesdosis von 0.5L Wodka am Tag, und immer nur Abends ab 5pm. Er hat mir - edit, Medikamente - verschrieben, die wirklich geholfen haben. Die ersten Tage waren komisch, besonders das Gefühl zwischen Auge und Nase war am Anfang irritierend, aber ich hatte kein Craving, keine Entzugserscheiningen und war danach 4 Jahre trocken. (Falls jetzt irgendjemand meint, das könne nicht stimmen, da kein Arzt - edit - verschreibt, ich habe das Rezept und die Packung aufgehoben. Riskant, ja, aber es hat funktioniert. Ne Weile.)

    Neuer Job. Seit Anfang letzten Jahres habe ich einen neuen Job. Ich habe ein komplettes Büro übernommen und bin verantwortlich für das Geschäft in Europa. Sehr herausfordernd, besonders weil ich mit sowas noch keine Erfahrung hatte. Aber es ging, zumindest die ersten paar Monate. Parallel, hielt ich es wohl für ne tolle Idee, ab und zu wieder mal was zu trinken. Wie das endete, können sich die meisten denken. Das Büro ist Geschichte, ich hab ein neues Konto bei der Agentur für Arbeit. Täglich mindestens 5 euro für Wodka. Meine Frau hat davon nicht viel mitbekommen, denn mittlerweile war ich auf dem Level, dass ich nach 0.5l Wodka nicht berauscht war. Ich war evtl. bisschen neben der Spur, aber immernoch klar im Kopf. Zumindest besser, als ohne Wodka. Ein paar mal hab ich es versucht, 2-3 Tage nicht zu trinken. Aber die Ausfallerscheinungen waren zu heftig, dazu später mehr.

    Arzt, zweiter Versuch. Wir sind wieder bei den - edit, Medikament - gelandet, auf mein Verlangen übrigens. Es war nicht einfach zum Arzt zu gehen. Beim ersten mal, fühlt man sich wie jemand der Hilfe braucht. Beim zweiten mal, wie jemand der Hilfe bekommen hat, aber weil er so ein willensschwacher Versager ist, es eben in den Sand gesetzt hat. Problem nur, ohne Arzt und fremde Hilfe würde ich aus dieser Spirale NIE rauskommen. Das mit den Medikamenten wird jetzt seit heute ca. 1 Woche so laufen, damit ein Delir ausgeschlossen werden kann. Anschliessen bekomme ich - edit - gegen das Craving.

    Das größte Problem was ich jedoch sehe, was sind die Gründe? Ich war bei mehreren Psychologen, die konnten mir auch nicht wirklich helfen. Spezialisiet auf Süchte von anderen Stoffen, aber nicht Alkohol. Entweder inkompetent oder die haben sich nicht wirklich "für die Materie" interessiert.

    Ich. Ich denke nicht dass ich ein verlorener Fall bin. Ich weiss, dass ich Alkoholiker bin. Ich weiss, dass ich für immer Alkoholiker sein werde. Ich weiss, dass ich trockener Alkoholiker werden kann, das strebe ich an.

    Vielen Dank an alle die bis hierher gelesen haben.

    Paul

    Einmal editiert, zuletzt von Linde66 (5. Mai 2025 um 23:25) aus folgendem Grund: Realer Familiennamen editiert. Bitte keine Medikamentennamen hier im Forum nennen, danke.

  • Herzlich willkommen im Alkoholiker-Forum, Paul_,

    da hast du ja schon eine bewegt Geschichte hinter dir.
    Hier tauschen sich bekennende Alkoholiker aus, die eine lebenslange Abstinenz anstreben.
    Dies hast du mit deiner Vorstellung schon bestätigt.
    Mit dem was du schreibst, machst du gerade einen ambulanten Entzug unter ärztlicher Betreuung und zwar seit heute.
    Habe ich das richtig verstanden?
    Und noch eine Frage, was hast du in den 4 Jahren Trockenheit zur Stabilisierung deiner Abstinenz getan?

    Viele Grüsse
    Nayouk

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Das größte Problem was ich jedoch sehe, was sind die Gründe? Ich war bei mehreren Psychologen, die konnten mir auch nicht wirklich helfen. Spezialisiet auf Süchte von anderen Stoffen, aber nicht Alkohol. Entweder inkompetent oder die haben sich nicht wirklich "für die Materie" interessiert.

    Moin,

    ich bin Polytox und am Ende blieb der Alkohol als Droge übrig. Auch eine lange Geschichte, nur bei mir schon seit 24 Jahren beendet. Folglich bin ich auch schon ein bisschen älter. Und ziemlich direkt.

    Als ich noch getrunken habe, dachte ich auch, es ist wahnsinnig wichtig, die Gründe herauszufinden.

    Ich, schönes Leben, läuft im Prinzip, warum schütte ich mich zu? Vom Kopf her wusste ich das, die Gier war trotzdem da.

    Es ist irgendwo die Wirkung, wegen der man trinkt. Irgendwann, lange trocken, fiel mir auf: irgendwann war es mal schön, das habe ich damit verbunden. Bewusst/unbewusst, wenn ich trinke, wird irgendwas besser. Laune, Langeweile, irgendwas. Und selbst als das schon nicht mehr stimmte, war die Erwartungshaltung immer noch da, auch wenn mir das nicht bewussst war. Im Stress bzw. in dem Loch, in das ich fiel, wenn der Stress durch war, automatisches Verhalten.

    Das nächste ist, wenn ich weiss, warum ich trinke, weiss ich eben nur, warum ich trinke. Wie ich aufhöre und was ich dann stattdessen mache, weiss ich deswegen noch lange nicht.

    Das dritte ist, ich musste erst mal eine Zeitlang nüchtern sein, damit meine ich, einige Monate, bis ich gemerkt habe, was ich eigentlich brauche. Was sozusagen die Basisfeelings waren, die ich befriedigen musste. Und aus langer Trockenheit kann ich Dir sagen, die Bedürfnisse ändern sich auch. Was mich heute gut drauf bringt, ist nächstes Jahr vielleicht schon wieder anders.

    Und ausserdem gibt es aus meiner Sicht keinen wirklich einfachen Weg. Erst mal ist schlicht Durchhalten angesagt. Ich kenne kein Wundermittel, ausser dem, dass es einem wirklich reicht.

    Weitermachen.

    LG LK

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man es anschiebt.

    Aber das Gras wächst.
    Sei sparsam mit dem Düngen:mrgreen:

  • Guten Abend liebe Forenmitglieder,

    zunächst einmal eine gute Nachricht, es geht voran. Tag 2 ist so gut wie geschafft. Tagsüber war ich auf einem Kongress, war also gut abgelenkt. Auf der Heimfahrt kamen natürlich Gedanken auf die sich nicht vermeiden lassen, aber es blieb bei den Gedanken. Mal abgesehen davon, dass ich in Behandlung bin und die Konsequenzen Alkohol zu konsumieren sehr bitter werden würden.

    Vielen Dank für dein Willkommen!

    Du hast es richtig verstanden, der Entzug läuft ambulant. Abgesehen der zu erwartenden Nebenwirkungen die die Medikation mit sich bringt, geht es ganz gut gerade. Aber zu sagen, die Gedanken würden nicht um Alkohol kreisen, wäre gelogen. Gleichzeitig kreisen Sie aber auch um die Ereignisse der letzten Monate. Das würde ich am liebsten sofort abstellen weil es so eklig ist. Zum Glück geht das nicht, die Nummer soll mir ja auch eine Lehre sein. Wenn ich keine Lehre draus ziehen würde, wüsste ich ja was ich sofort machen würde.

    Die 4 Jahre Trockenheit, gut, das ist nicht mit einem Satz zu beantworten. Es war eine Verkettung.

    1. Der Schaden den ich meinem Umfeld angetan habe (Frau, Familie) und deren Reaktion. Das war so schlimm, dass ich nur einmal an diesen verhängnissvollen Tag denken musste und ich sofort Ekel for Alkohol und meinem bisherigen Werdegang verspürte. Das hielt sich über Monate und nach einer guten Weile kreisten meine Gedanken nicht mehr um Alkohol. Positiv war dann auch, dass es auf der Arbeit immer besser lief. Ich war leistungsfähiger, frischer, gesünder, ich würde sagen ich habe wieder richtig gelebt.

    Wieso ich das alles aufgegeben habe? Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mein Leben mit einem Shot Wodka aufgeben werde. Tatsächlich ging es dann Abend sehr gesittet zu, der nächste Tag machte sich jedoch das schlechte Gewissen breit. Um das zu umgehen, redete ich mir wohl ein, ich sei nicht mehr abhängig und könnte wie alle anderen Normalos auch, ab und zu ein Glas trinken. Schön wenn man sich noch selbst belügen kann. Was danach kam war ja im Grunde vorprogrammiert. Nur enwickelte sich das ganze noch ne ganze Spur heftiger.

    Was mach ich diesmal anders? Mir wird zunehmend bewusst, dass das meine letzte Chance ist bevor ich wirklich alles verliere. Wirklich alles.

    Hi Lebenskünstler,

    da erkenne ich mich in mehr als einem Punkt wieder. Polytox, die Wirkung, die Routine, das Abschalten, das Gefühl einfach mal mit sich alleine zu sein und was für die Seele zu tun. Das waren bei mir die ursprünglichen Gründe. Das änderte sich jedoch gravierend als auch bei mir, nur noch der Alkohol eine Rolle gespielt hat. Also nicht mehr Polytox. Wirklich besoffen wurde ich ja gegen Ende auch nicht. Wenn ich mal dieses Satdium von früher erreichen wollte, hätte ich mir locker nen liter Wodka am Abend geben müssen. Aber bevor es soweit kam, hat die Sedierung das Craving übertönt und ich ging komplett voll schlafen. Kurz gesagt, gebracht hat es komplett garnichts.

    Das mit den Gründen und den Bedürfnissen, gibt mir wirklich zu denken. Deine Herangehensweise klingt für mich schlüssiger als meine. Die Bedürfnisse zu erkennen, oder die Gründe zu kennen, wird mich wohl nicht weiter bringen. Zumindest nicht ans Ziel (Ziel...).

    Durchhalten ist wohl das beste Mittel. Aber glaub mir, es reicht mir auch komplett damit. Ich bin wirklich durch mit diesem Leben, sofern man es überhaupt so nennen kann. Eher dem Tagesablauf von Aufwachen, Essen, Zeit vertrödeln, Langsam was trinken, Essen, weiter trinken, Einschlafen. Tag ein, Tag aus. Ne, es reicht jetzt wirklich.

    Vielen Dank für eure Anworten! Tag 3 kann kommen.

  • Hallo Paul,

    da du in die Abstinenz gestartet bist und derzeit einen ärztlich begleiteten Entzug machst sende ich dir den Link für deine Bewerbung zur Freischaltung für den offenen Bereich.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Bitte anklicken und einen kurzen Satz schreiben, da du dich ja schon ausführlicher vorgestellt.

    Danach wird Dein Thema zu "Erste Schritte für Alkoholiker" verschoben.

    Viele Grüße
    Nayouk

    -------------------------------------------------------
    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Du bist jetzt für die offenen Bereiche freigeschaltet, Paul_ .

    Du kannst jetzt überall schreiben, jedoch in den nächsten 4 Wochen bitte nicht im Vorstellungsbereich bei den neuen Usern.
    Diese erkennst du am „orangeroten“ Namen.

    Ich wünsche Dir einen guten und hilfreichen Austausch.

    Viele Grüße
    Nayouk

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Moin,

    ich schreibe jetzt gleich mal was bei mir zu meiner Endphase.

    Am Ende wollte ich nur noch sterben, dann habe ich begriffen, ich muss ja nur aufhören.

    Und jetzt, als Ausblick, ist es so, ich lebe ein ganz normales bürgerliches Leben, und ich merke nichts mehr von meiner durchgedrogten Vergangenheit.
    Nur ein paar Alterserscheinungen, anderes Thema, etwas, was auch Leute mit anderer Vergangenheit trifft.
    Und ich habe mehr Skills, mit mir umzugehen, als deer Normalbürger, weil ich sie lernen musste.

    Ich war übrigens auch 40.

    Es rentiert sich.

    LG LK

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  • Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mein Leben mit einem Shot Wodka aufgeben werde. Tatsächlich ging es dann Abend sehr gesittet zu, der nächste Tag machte sich jedoch das schlechte Gewissen breit. Um das zu umgehen, redete ich mir wohl ein, ich sei nicht mehr abhängig und könnte wie alle anderen Normalos auch, ab und zu ein Glas trinken.

    Den Punkt kann ich nachvollziehen.

    Ich konnte immer Trinkpausen machen. Ich konnte nach zwei Bier aufhören, wenn etwas wichtiges anstand. Zwar mit zunehmender Mühe, aber es ging.
    Und ich hatte schon mal aus Gründen fast ein Jahr Pause gemacht.
    Und dann hatte ich mich auf einen sehr wichtigen Erfolg gefreut, und wenn das geschafft ist, dann hab ich aber einen Grund zu feiern. Dann gings dahin.

    Ich hatte mich während meiner Trockenheit auch schon mal gefragt, ob es mir wirklich das Genick brechen würde, wenn ich eins trinke.
    Weil bei mir die Abstürze ausserdem auch immer damit verbunden waren, dass ich ja aktiv saufen wollte. Mir ist das nicht so passiv "passiert". Also meine Kontrollverluste waren irgendwie beabsichtigt.

    Ich habe die Gründe, das überhaupt zu probieren, beseitigt, indem ich heute nüchtern besser feiern kann, als ich es früher trinkend konnte. Aus dem einfachen Grund, weil es heute nach Feiern nichts zu bereuen gibt, und weil ich ausserdem auch nüchtern, lach, ein Großmaul sein kann. Also ich kann auch nüchtern die Sau rauslassen, nur wird es nicht mehr richtig peinlich. Und auch alles Andere, wozu ich Drogen und Alkohol verwendet habe, Entspannung, Geniessen, Kochen, Urlaub, kann ich heute nüchtern besser.
    Es gibt überhaupt keinen Grund mehr, das Risiko einzugehen, weil mir nichts fehlt.

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  • Guten Nachmittag,

    Nayouk Vielen Dank, ich freue mich ebenfalls auf einen guten Austausch.

    Lebenskuenstler Das mit dem Sterben wollen kann ich gut nachvollziehen, mir war gegen Ende alles egal, ich konnte mich nicht mehr ertragen. Aber Sterben wollte ich nicht, trotzdem auch irgendwie Leben wollte ich auch nicht. Es war ja mittlerweile auch kein Leben mehr.

    Wie verlief der Prozess bis Du nüchtern wieder so sein konntest wie es einmal warst?

    Mein letzter Rückfall war, wenn ich das jetzt mal Revue passieren lasse, auch in gewisser Weise beabsichtigt. Ich habe ja auch gute Erinnerungen an Alkohol. Die Entspannung, das für mich sein, der Rausch. Dass die ganze Nummer ausser Kontrolle geraten wird, war ich mir nicht mehr ganz bewusst. Ich dachte, dieses mal kannst du es locker schaffen. Früher hat es ja auch immer mit Pausen geklappt. Nur muss ich mir eingestehen, es hat nie wirklich geklappt. Wenn man kein Problem mit Alkohol hat, warum dann Pausen machen?

    Ich werde mir das wieder zurückholen. Nüchtern das Leben geniessen. Im Grunde ist der Alkohol-Induzierte Geisteszustand ja ne einzige Lüge. Belohnungsgefühl für was? Es ist ja nicht verdient. Auf diesen Gedanken hat mich Sick von Shore Stein Papier gebracht. Es meinte in einer Folge, dass er erkennen musste, dass es alles nur eine Lüge ist, keines der Gefühle im Rausch ist wahr. Freude, Entspannung, Sorglosigkeit, alles nur eine Lüge.

    Kleines Update am Rande: Die Nacht war unangenehm, ich habe geschwitzt und Mist geträumt. Hab geträumt ich komm nachhause, habe aber ausversehen noch ne kleine leere Flasche in der Jackentasche vergessen. Es gab aber in der Wohnung keine Ecke mehr, wo ich die hätte sicher verstecken können. Panik, was ist wenn die jemand findet, usw., usw...

    Ansonsten hält sich das Craving stark in Grenzen. Es ist mehr ein "daran Denken" als ein wirkliches wollen/verlangen. Dass ich mich nicht in Sicherheit wiegen sollte weiss ich, gehe nicht leichtfertig mit der neu gewonnenen Freiheit um.

    In dem Sinne,

    Liebe Grüße

    Paul

  • Hallo Paul, ich wünsche Dir einen nachhaltigen und anhaltenden Erfolg!

    Erstaunt bin ich über die "Lockerheit" der Durchführung. Aktuell Tag 3 und ich lese was von Kongress am Tag 2....
    Trotz Medikament(en) ... hast Du keine Entzugserscheinungen? Selbst wenn nicht: Ist das einfach so "en passant " erledigbar?
    Klar, Ablenkung kann womöglich hilfreich sein. Aber "funktionierst" Du, so wie zuvor im Job?

  • Hallo Long Jing

    vielen Dank, das gleiche wünsche ich dir auch!

    Bzgl. der Medikation, solange die Medikation wirkt, halten sich die Entzugserscheinungen in Grenzen. Solange ich mich bewege, stehe, gehe, sind es gelegentliche Schweissausbrüche. Sobald ich liege, versuche zur Ruhe zu kommen oder zu schlafen, werden die Schweissausbrüche heftiger. Ohne Medikation würden da noch tagsüber zittrige Hände, Aufgewühltheit, innere Unruhe und ein wesentlich stärkeres Verlangen nach Alkohol hinzukommen.

    Ich habe ja im Grunde nie vor 17 Uhr getrunken. Da hat sich mein Körper wohl halbwegs drauf eingestellt, obwohl es gegen Ende schon Mittags eklig wurde. Nur da hat dann Bewegung geholfen. Am meisten hat mir immer das Herzrasen Sorgen gemacht. Das kam tagsüber, nachts, im Grunde wann es wollte. Das ist zum Glück dank Medikation nicht der Fall.

    Zum Thema Funktionieren... Ja, ich funktioniere. Das hat in 95% der Fälle geklappt, es sei denn ich habe am Vorabend extrem übertrieben. Nur ist dieses beschriebene Funktionieren kein Vergleich zu dem, wozu ich abstinent im Stande war/bin. Mir fehlte irgendwann einfach die Power und die Konzentration, ich wurde den Erwartungen an mich überhaupt nicht gerecht. Mein Hauptjob ist ja Geschichte, jetzt ist es ein anderes Feld.

    Damit mich niemand falsch versteht, ich nehme das nicht auf die leichte Schulter. Mir sind die Gefahren die draussen lauern bewusst, deshalb fallen sehr viele Optionen an Aktivitäten schonmal weg. Auf dem Kongress beispielsweise gab es tagsüber keinen Alkohol. Erst am Abend, zum Networking. Da war ich aber bereits weg, noch bevor die umgebaut haben.

    Liebe Grüße,

    Paul

  • Wie verlief der Prozess bis Du nüchtern wieder so sein konntest wie es einmal warst?

    Bei mir gab es kein richtiges "Vorher"

    Ich komme aus einem Elternhaus mit lockeren Trinksitten, ging schon als Kind an die Hausbar, wenn ich allein zu Hause war. Und da beide berufstätig waren und ich Einzelkind ohne Aufsicht...
    erste längere Trinkpause, um das Abi zu machen.
    Ich war schon immer ein gespaltener Typ, galt einerseits als geistiger Überflieger und war andererseits ein fauler Hund und Chaot. Einiges versemmelt, aber zu der Zeit, als ich aufhörte, galt ich als exzellenter Softwareentwickler, bei dem die Jobs schneller kamen, als mir lieb war. Ich wurde aus mir selbst nicht schlau, wie das geht.

    In meinen Trinkpausen fühlte ich mich schnell wohl. Egal, was ich gesoffen hattte, es ging nie länger als bis zum nächsten Nachmittag, bis ich mich so weit gut fühlte.
    Und das war definitiv Teil des Problems, dass ich Alkohol überhaupt nicht ernst nahm, obwohl in meinem Umfeld Leute sich tatsächlich totsoffen. Ich doch nicht.

    Als ich das Jahr Trinkpause machte, trank ich jeden Monat genau zwei Bier, was mich weiter davon überzeugte, dass mir nie was passiert. Das endete dann fast in der Katastrophe.

    Und danach, nach 4 Wochen fühlte ich mich dem Leben absolut gewachsen. Ich ging in die Suchtberatung, weil ich es ernst meinte und eventuell Therapie machen wollte. Nach ein paar Sitzungen hatte ich ein gutes Jobangebot, und ich hatte aus meiner versemmelten Jugendzeit ordentlich Schulden, da war mir das Geld erst mal wichtiger.

    Es dauerte dann aber schon mehrere Jahre, bis ich mit meinem Leben zufrieden war. Denn bei den Jobs ging mir dann irgendwann auf, dass ich den Stress nur gefressen hatte, weil ich mich regelmässig ausgeknipst hatte. Saufen und Leistung waren untrennbar verbunden. Als ich dann ernsthaft trocken wurde, ging es mir ziemlich schnell um eine Art Work-Life-Balance, das viele Geld machte mich nicht glücklich. Wir nannten das Gehalt auch Schmerzensgeld.
    Im Endeffekt habe ich mein Leben irgendwann komplett umgebaut, eigene Firma, in der ich dann nur noch so viel arbeitete, dass es reichte. Mit Software ging das.
    Und bis es mit meiner Frau wirklich wieder gut lief, das dauerte auch.

    LG LK

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man es anschiebt.

    Aber das Gras wächst.
    Sei sparsam mit dem Düngen:mrgreen:

  • Lebenskuenstler Scheint mir, als hättest du wirklich die besten Voraussetzungen gehabt um in die Alk-Spirale rein zu rutschen.

    Bei mir wurde in der Familie nicht oft getrunken. Schon hin und wieder, dann auch gerne mal ordentlich, aber nur auf Familien-Feiern. Nie sowas wie ein Wein zum Abendessen oder ähnliches.

    Bin auch gerade dabei auszuloten, wie ich beruflich weitermache. Eine gut bezahlte bequeme Stelle die mir Spass macht, oder wirklich gut bezahlt und dann wieder nur Arbeit aber kein Leben. Diesmal ist die Entscheidung einfacher.

    Kurzes Update, Tag 4 auf Tag 5 ging endlich das Schwitzen weg und ich habe viel entspannter durchgeschlafen. Tagsüber geht es körperlich soweit ohne Probleme, Abends kommen Gedanken an Alkohol, aber die nehmen keine Überhand. Sind dennoch da.

    Fazit, Tag 5 läuft gut, hab heute ein etwas aufwendigeres Koch-Projekt, so wird der Nachmittag nicht langweilig.

    Liebe Grüße,

    Paul

  • Hallo Liebe Mitglieder,

    Tag 5 war erfolgreich. War gestern einkaufen, allerdings nur bei unserem türkischen Supermarkt. Also eine sichere Sache, auch wenn es mich in einem normalen Supermarkt auch nicht zieht der Alk Abteilung Beachtung zu schenken. Eher ein Respekt.

    Geträumt hab ich wirklich wirres Zeug, wieder das Verstecken von kleinen Alk Fläschchen und Leute die mir dabei auf die Finger schauen wollten. Dann war ich noch in einem Einkaufszentrum, konnte den Parkplatz nicht finden und wurde von allen möglichen Leuten dumm angelabert. Genau die Situationen die ich hasse. Man könnte fast meinen, der Alkohol verhält sich wie ein Teufel der mir sagen will: "Komm wieder zurück! Schau was für Probleme und Ängste du ohne mich hast, mit mir ist das alles vergessen." Als ich dann aufgewacht bin, dachte ich zumindest, hatte ich ne halb leere Wodka Flasche in der Hand. Regelrechte Panik machte sich breit. Während ich under Medikation bin Wodka trinken? Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie ist das passiert? Keine Ahnung. Dann, richtig aufgewacht, realisiert wo ich bin, denn gestrigen Tag Revue passiert, ok, es war nur ein Traum. Erleichterung.

    Tag 6 hat begonnen und wird ein Erfolg!

    Liebe Grüße,

    Paul

  • "Komm wieder zurück! Schau was für Probleme und Ängste du ohne mich hast, mit mir ist das alles vergessen."

    Dein Körper und deine Psyche befinden sich momentan in höchster Anstrengung. Es ist ein Konflikt, den deine Psyche auch in den Träumen verarbeitet.

    Solche Alkohol-Träume hatte ich am Anfang auch, sie sind ein Teil des Prozesses.
    Gönne dir Ruhe, nutze das schöne Wetter mit Spaziergängen.

    Hast du dich schon mit den Grundbausteinen beschäftigt? Hast du ein alkoholfreies Zuhause?

    Das Forenteam
    17. Mai 2021 um 16:40

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    - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Hallo Nayouk,

    Mit den Grundbausteinen muss ich mich noch beschäftigen.

    Unser Zuhause ist Alk-frei, meine Frau trinkt auch nicht, also null trigger was die eigenen vier Wände angeht.

    Habe gestern noch die leeren Flaschen aus dem Kofferraum entsorgt, in einer war noch was drin. Hab die ohne Wehmut in den Container geworfen, nichts mit "naja, ist ja schon Verschwendung". Eher der Gedanke, wieviel Leben ich für diesen Mist verschwendet habe.

    Liebe Grüße,

    Paul

  • in einer war noch was drin.

    Wow, das hätte auch schief gehen können. Auch das kann sich auf den Schlaf ausgewirkt haben.

    Bei mir ging es auch drunter und drüber. Das Hirn hat viel zu tun.

    Schau was für Probleme und Ängste du ohne mich hast

    Ohne Alk, hättest Du diese Träume nicht gehabt. So rum wird ein Schuh daraus. :) Du kannst Dir sicher sein, dass das bald viel weniger wild wird. Schau Dir auf alle Fälle die Grundbausteine durch. Mir hat es einiges viel einfacher gemacht.

  • Tag 6 hat begonnen und wird ein Erfolg!

    Auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum. Gratulation zum Entschluss nüchtern zu leben. Tolle und richtige Entscheidung!

    Auf dem Weg in die Abstinenz kann es wild zugehen, ich habe Höhen und Tiefen kennengelernt und die unterschiedlichsten Befindlichkeiten und Empfindungen. Auch die Gedanken und Gefühle sind Achterbahn gefahren. Plötzlich habe ich alles nüchtern erlebt.

    Was früher benebelt war, kam klar und deutlich zum Vorschein. Damit musste ich erstmal klar kommen und ich musste lernen damit umzugehen.

    Die ersten Tage nüchtern können auch anstrengend sein. Ich musste mich in Geduld üben und mir Zeit nehmen.

    Also ich wünsche dir eine tolle Reise zu dir selbst und gutes Gelingen 💪

  • Wow, das hätte auch schief gehen können. Auch das kann sich auf den Schlaf ausgewirkt haben.

    Ich habe mich dem Auto nicht genähert weil es nicht nötig war. jetzt musste ich jedoch fahren und wusste, was da im Kofferraum mitfährt. Also lieber schnell weg mit dem scheiss. Jetzt am Anfang ist ja Motivation und Euphorie stark, aber nach ein paar Monaten könnte es noch gefährlicher werden. Deshalb so schnell wie möglich weg damit. Aber ja, Gedanken hab ich mir auch gemacht, nur ist mein Entschluss stärker. Die Flasche wandert ja nicht von Geisterhand in Richtung Mund.

    Die Grundbausteine hab ich mir jetzt paar mal durchgelesen, bis auf die Therapie hab ich ja im Prinzip schon die gleiche Richtung eingeschlagen.


    Die ersten Tage nüchtern können auch anstrengend sein. Ich musste mich in Geduld üben und mir Zeit nehmen.

    Jaaa... Geduld ist hier wirklich das Wort. Plötzlich ist man wieder mit Zeit und dem realen Leben konfrontiert, ohne dass die Zeit einfach runtergespült wird. Aber genau das will ich ja auch. So ist das Leben nun mal, muss mich danach richten. Mit der Zeit werden sich wieder Wege finden wie ich die freie Zeit sinnvoll und für mich bereichernd gestalten kann. Aber eins nach dem anderen.

    Danke für eure Wünsche, von mir auch viel Kraft und Erfolg an euch.

    Liebe Grüße,

    Paul

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