Ein neuer, unbekannter weg liegt vor mir.

  • Zitat von step-by-step

    Hallo Joschi,
    danke dass Du uns so treu an Deinen Gedanken und Gefühlen teil haben lässt! :)
    Für mich, die knapp ein halbes Jahr ohne Alkohol lebt, ist es hilfreich, Einblicke auf die unterschiedlichen Lebenswege in die Trockenheit zu erhaschen.

    Manchmal kann ich dadurch ein paar Steine auf meinem eigenen Weg beiseite räumen!

    Pass weiterhin gut auf Dich auf!

    Geruhsame Grüße
    step

    Ich nenne es "Werkzeuge sammeln". Ich habe mir eine virtuelle Werkzeugkiste gezimmert und sammle so im Laufe der Zeit Werkzeuge zusammen. Dazu gehört nun auch die Wachsamkeit.

    Schöne Vorweihnachtszeit - ohne Glühwein und Konsorten - wünsche ich allen!!

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo in die Runde!!

    Na...alle schon voll in Weihnachtsstimmung?
    Ich nicht so richtig, aber da ich ja die Feiertage noch in der Klinik verbringe, gestalten wir da ein kleines Programm, welches die Stimmung automatisch mitbringt.

    Aus meinem "Therapie-Domizil" hab ich hier mal ein kurzes Wort zum Samstag mitgebracht; ein kleiner Rückblick meinerseits.

    ---------

    Irgendwann war ich an einem Punkt angelangt, an dem ich anfing, nachzudenken. Nachzudenken darüber, ob ich -vielleicht- ein Alkoholproblem haben könnte.
    Bis zu dem Tag, an dem ich für mich ehrlich zugegeben habe: "Ja, ich habe ein Alkoholproblem" vergingen aber noch viele Jahre.

    Ich habe für mich immer Vergleiche mit anderen Alkoholkonsumenten angestellt und mich selbst immer in der Kategorie:
    - trinkt hin und wieder zuviel, kann aber jederzeit aufhören

    Ich hab mir die "Hardcore-Trinker" draussen auf der Strasse angeschaut und dachte: "Nee, da trennen mich Welten ...."
    Und hab weitergesoffen, weilo es ja bei mir "nicht so schlimm" ist, ich kann ja aufhören und habe es im Griff.

    Viel später erkannte ich dann, daß ich nie richtig aufgehört habe und mir die ganze Trinkerei nur schön geredet hab. Frei nach dem Motto:
    "Guter Alkoholiker - schlechter Alkoholiker"
    Ich habe dann oft Trinkpausen gemacht, teils sehr lange; aber es waren immer nur Pausen. Wichtig hierbei für mich ist, daß ich nie akzeptiert hatte, ein Alkoholproblem zu haben. Und als Alkoholiker habe ich mich nur äußerst ungern bezeichnet; das waren die anderen (...die Schnaps literweise saufen, die die kleinen Fläschchen an der Kasse kaufen, im Park saufen ; die morgens zittern und schwitzen usw.)

    In Trinkpausen habe ich mir dann auch öfter kleine "Mutproben" auferlegt: Hab dann nur 1 Bier getrunken, dann wieder eine Woche nix. Hab mir dann selbst auf die Schulter geklopft und gesagt: " Klasse, siehste, du hast kein Problem!"

    Ums abzukürzen:
    Egal was ich angestellt habe, immer war das Ziel, den Beweis zu erbringen, daß ich kein Alkoholproblem habe. Und so habe ich mich dann jahrelang nur selbst belogen.

    Heute kann ich eine Bilanz ziehen:
    - seit 2.7.2014 bin ich tatsächlich trocken und mir gegenüber ehrlich
    - in 2 1/2 Wochen sind 21 Wochen Therapie rum und ich habe eine Menge gelernt über Alkohol, Konsum und mich selbst

    Die Denkweise, die ich vor der Therapie hatte, war unstrukturiert und unreflektiert. Immer um den heißen Brei gelabert, x-Versuche, alles schönzu reden, aber nie zum Punkt kommen.
    Heute bin ich froh darüber, hier etwas gelernt zu haben. ich erkenne problematische Situationen besser, kenne mein Anspannungslevel (welches direkt mein Trinken bestimmt hat) und habe Strategien entwickelt, damit umzugehen.

    Damals wollte ich alles "schnell-schnell", am besten schon gestern! Therapie? Klar, 4 Wochen reichen doch...oder?
    Ich habe sehr hektisch und schnell agiert, dabei aber meine Grenzen nicht erkannt und vor allem nicht gemerkt, wenn mal Pause angesagt wäre. Habe nicht erkannt, daß mein Verhalten mir schadet und hatte somit auch keine Ideen, mich daraus zu befreien.

    Wenn ich die letzten Monate zurückblicke, angefangen an dem Tag, wo ich den Entschluss fasste, Hilfe zu suchen, so kann ich es bildlich betrachten:

    Besuch im Supermarkt
    Auf der Suche nach Hilfe laufe ich auf der Strasse umher und frage, wo man die bekommen könne. Man nennt mir verschiedene Supermärkte:
    - den Hausarzt
    - die Akutklinik
    - die Langzeittherapie
    Also hab ich die Supermärkte aufgesucht und mir das dortige Warenangebot angeschaut. Am Anfang war das alles sehr verwirrend und machte auf mich einen seltsamen Eindruck ("...brauche Ich das wirklich...?").
    Aber es ist ja ein Supermarkt. Man muss sich ja für nichts entscheiden und kann den Laden auch wieder mit leeren Händen verlassen.
    Also habe ich mir die verschiedenen Angebote angeschaut und bin tatsächlich fündig geworden.
    Hab mir hier was aus dem regal genommen, hier ein Bröckchen, hier etwas mehr.
    Und so verlasse ich nun bald den Supermarkt mit einem "Hilfekoffer", der nicht wahllos zusammengestückelt ist, sondern mit Dingen ausgestattet ist, die ich ausprobieren konnte. Und die Dinge, die ich für mich als hilfreich empfand, habe ich dort hinein gepackt.

    Für mich ist das ein schönes Bild und ich kann damit zufrieden diesen Supermarkt verlassen.

    Soweit mein "kurzes" Wort zum Samstag.
    Gruß...joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo Joschi,
    vielen Dank für deinen Thread. Deine Erlebnisse und Erfahrungen habe ich mit großer Neugier gelesen. Du müsstest seit gestern wieder ganz zu Hause sein. Wie geht es dir?
    Liebe Grüße Pearl

  • Hallo in die Runde!

    Seit Mittwoch bin ich nun wieder zu Hause angekommen. Fast 5 Monate Therapie sind vorbei und jetzt erst mal verschnaufen...

    Ich habe jetzt noch Urlaub bis 18.1., dann gehts wieder los mit arbeiten.
    Es hätte die Möglichkeit einer Wiedereingliederung bestanden, aber diese hätte ich unmittelbar an den Klinikaufenthalt beginnen müssen. Also 7.1. Entlassung, 8.1. erster Arbeitstag.
    Obwohl es ja nur ein paar Stunden gewesen wären, habe ich diese Option abgelehnt. Ich brauche hier mal ein paar Tage, um wieder zu Hause anzukommen. Das macht es ohne die Unterbrechung durch Arbeit leichter.

    In den letzten Monaten hat sich ein gewisser Tagesrythmus entwickelt, diesen werde ich in Teilen zu Hause erst mal beibehalten. Dazu zählt insbesondere das morgendliche Frühstücksritual.
    Da ich sehr viel Sport in der Klinik gemacht habe, war ich gestern schonmal in einem der örtlichen Hallenbäder, um die Gegebenheiten zu checken.
    Während der Therapie bin ich auch sehr viel Fahrrad gefahren, entsprechend hat mein Mountainbike auch gelitten. Am Wochenende wird die Mühle auf Vordermann gebracht und dann werd ich mir hier für den Anfang eine geeignete Rundstrecke suchen.

    Ansonsten ist er mal diverser Organisationskram aktuell.
    Wichtig für mich sind auch meine Besuche bei AA. Dies hat sich im Laufe der letzten 5 Monate verfestigt und AA ist mittlerweile für mich zu einer festen Institution geworden.

    Einen sehr wichtigen Lebensabschnitt habe ich noch vor mir: Im Juli endet - endlich - meine Insolvenz!! 6 Jahre sind dann vorbei und eins könnt ihr glauben: Zeitweise hat mir die Insolvenz ganz schön aufs Gemüt gedrückt.
    So, ich wurschtel jetzt hier mal weiter und berichte zwischendurch, wies läuft.

    Gruß in die Runde....joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo Joschi,

    5 Monate sind eine lange Zeit. Es ist schön zu lesen, dass Du gern wieder in Dein Zuhause gegangen bist.

    Es hört sich auch so an als wird Dein Alltag ein anderer als vor der Therapie. Veränderungen sind meines Erachtens wichtig für eine langfristige zufriedene Trockenheit, um ja nicht wieder im Sumpf zu versinken.

    Behalte die positive Energie, die Du aktuell ausstrahlst.
    Ich freu mich, noch viel von Dir zu lesen.

    Gruß
    step

  • Hallo in die Runde!

    Ich wollte mal wieder Hallo sagen.

    Ich bin nun seit knapp 2 Monaten aus der Therapie zurück. Im Moment besuche ich 1x Wöchentlich eine Nachsorge-Gruppe, zu der ich mich freiwillig gemeldet habe. Hauptgrund ist, daß dort Leute sitzen, die auch gerade eine LZT hinter sich haben und es ist immer sehr interessant, wie jeder für sich seine Trockenheit wahr nimmt und damit umgeht.

    Bei mir ist der Alltag wieder eingekehrt. Mit allem, was dazu gehört:
    - tägliche Routinen wie Einkaufen, putzen, Wäsche waschen etc.
    - Arbeit
    - Freizeitgestaltung
    - Beziehungen

    All dies ist ja nach wie vor vorhanden; ich war in Therapie, mein Alltag nicht.
    Trotzdem hat sich vieles verändert. Schon während der Therapie hat sich klar herausgestellt, daß ohne konstruktive Veränderung eine Trockenheit nicht möglich ist. Was ich ja auch live miterleben durfte anhand von Mitpatienten, die meinten, nur Therapie und der Wille, trocken zu sein, reichen aus.
    Die meisten davon waren kurz nach Ihrer Heimkehr wieder rückfällig, weil der "Sog des alten Musters" sie wieder im Griff hatte.

    Was hat sich nun konkret in meinem Leben, meinem Alltag verändert?
    Zum einen habe ich einen gewissen Grundrhythmus aus der Klinikzeit mit nach Hause genommen; das ist das Frühstücksritual.
    Zwar nicht exakt nach Uhrzeit, aber einfach aus Prinzip, um einen Fixpunkt am Morgen zu haben. In meiner Saufzeit gab es so etwas überhaupt nicht mehr.

    Regelmäßiger Sport hat sich jetzt so verfestigt, daß ich 3x/Woche ins Schwimmbad gehe und dort meine Bahnen ziehe. Mein Level liegt momentan bei 80 Bahnen a' 25m. Hört sich viel an, ist aber nur Ergebnis des Sportprogramms in der Klinik. Meine Kondition dort im August 2014 war katastrophal; bei Entlassung am 8.1.15 waren es u.a. eben diese Schwimmeinheiten.

    Es ist für mich einfach ein schönes Geschenk, daß ich diese Möglichkeit wieder erarbeiten konnte. Wichtig für mich ist, daß ich sie mir selbst erarbeitet habe.
    Nach der Therapie bin ich ja eine Zeitlang Tischtennis spielen gegangen und wollte dies auch beibehalten. Das scheitert aber an der simplen Tatsache meiner Dienste und das ich meistens an den Trainingsabenden dann Spätdienst habe. Aber das ist eben das normale Leben, welches bleiben wird.

    Die Arbeit habe ich ja in sofern verändert, daß ich schon während der Therapie in Gesprächen mit meiner Chefin klarmachte, daß mein altes Arbeitslevel von mir nicht mehr tragbar ist. Und so bin ich in einen etwas ruhigeren Arbeitsbereich gewechselt.
    Aber auch hier ist der Alltag geblieben wie vorher: Personalmangel in der Pflege!
    Eine Sache war die Veränderung meines Arbeitsplatzes; die andere Veränderung ist nun der Umgang damit im Alltag.
    Hier hat sich nun in den letzten Wochen eines herausgestellt: Ich musste die in der Therapie gelernte Abgrenzung nun in der Praxis anwenden!

    Nicht einfach, sich abzugrenzen und auch mal nein zu sagen. Was mir dabei hilft, ist meine geänderte Grundhaltung mir gegenüber und mir gegenüber treu zu bleiben. Würde ich jetzt kippeln und wieder, wie vorher, zu allem Ja sagen, wäre ich schnell auf der alten Schiene.
    Natürlich sage ich jetzt nicht vehement zu allem "Nein", das wäre auch die falsche Sichtweise. Aber ich habe gelernt, wenn Anforderungen an mich gestellt werden z.B. zu Diensten einzuspringen, daß ich mal kurz in mich gehe, "einen Schritt zurück trete", und dann nochmal drüber nachdenke.

    Kleines Beispiel:
    Ich war ja vorher Leitung einer großen Station und somit auch damit beauftragt, den Personaleinsatz zu managen.
    Mittlerweile gibt es eine Nachfolgerin, die das macht. Diese hatte einen Dienstplan draussen, aus dem einige Unstimmigkeiten hervorgingen.
    Ich war gerade 1 Woche im Dienst und die Kollegen machten mich darauf aufmerksam.
    (Anm. typisches Verhalten der Kollegen, da sie mich nur in meiner Leitungsfunktion kennen und mich somit geich als Ansprechpartner sehen...)
    Prompt bin ich darauf reingefallen und fing an, diese unklaren Dienste umzuorganisieren, damit es wieder passt. Habs auch ehrlich nicht gemerkt, auf welche Schiene ich da gerate und entsprechend hoch war auch meine Anspannung. Zum Glück hat meine Nachfolgerin dies flott bemerkt und mich darauf aufmerksam gemacht.
    Mit netten Worten hat sie mich darauf hingewiesen, daß sie das nun regelt (wir hatten im Vorfeld unter 4 Augen schon eingehende Gespräche).

    Abgrenzung: das ist gewissermassen mein persönliches Zauberwort geworden. Nicht mehr zuständig zu sein für alles, anderen den Vortritt lassen und auch mal Dinge hinnehmen, wie sie sind (Gruß an AA).

    Im privaten Alltag ist die Veränderung insofern eingetreten, daß sich mein Tagesrhythmus etwas geändert hat. Ich bin öfters unterwegs, wichtig: Gerne unterwegs!!. Denn zu Saufzeiten war ich alkoholbedingt derart depressiv, daß ich das Haus zum Schluss kaum noch verlassen habe und schon der Gedanke an fremde Menschen in der Stadt etc. waren grauenhaft.
    Natürlich ist auch hier das Grundmuster des Alltags geblieben. Aber ich spüre das Positive meiner veränderten Grundhaltung und das wirkt in den Alltag hinein.
    Gestern hatte ich Nachtdienst, bin heute später aufgestanden und nachher wird erst mal Putzi gemacht. Das mache ich aber gerne und sehe es nicht, wie früher, als zwanghaftes Übel an.

    Wenn ich das alles so überschaue, dann ist die Hauptveränderung diese, daß ich meine Haltung gegenüber mir verändert habe.
    Ich habe eine Abstinenzentscheidung getroffen, an der ich lange gearbeitet habe. Einfach zu sagen: "Ich trinke den Rest meines Lebens keinen Alkohol mehr", war zu einfach. Deshalb ist daraus eben das "24 Stunden-System" entstanden, welches ich mir von AA abgeschaut habe.
    Damit komme ich sehr gut klar, da dieser Zeitraum auch klarer und überschaubarer ist.

    Weiterer wichtiger Punkt ist die Ehrlichkeit. Nicht nur anderen gegenüber, sondern zuerst mal sich selbst.
    Ehrlich zu sein, wenn Schwierigkeiten auftreten und dann zuzugeben, daß man damit nicht alleine klar kommt. Oder ehrlich sagen zu können (z.B. auf der Arbeit) "das ist mir gerade zuviel.."

    Zu Saufzeiten war ich niemals ehrlich mir gegenüber. Jedes Bier, jeden Jacky habe ich mir schöngeredet und mir selbst immer wieder eingeredet, das alles nicht so schlimm sei. Ständig habe ich mir etwas vorgemacht und mich mit meinen andauernden Ausflüchten (..nur noch heute...nächste Woche trinke ich weniger....andere sind schlimmer dran..) immer selbst verarscht.

    Wenn ich darüber nachdenke, dann tut es weh, daß ich mich jahrelang selbst so gequält habe. Ich war immer der Meinung, ich tu mir was gutes mit Alkohol, entspanne mich damit, aber in Wirklichkeit habe ich mir damit dauernd nur mehr Schmerzen zugefügt.
    Jetzt und Heute weiss ich, wie es sich anfühlt, wenn man sich was gutes tut. Wie es sich anfühlt, wenn man entspannt ist.
    Und der Unterschied ist schon krass!

    Ein wichtiger Veränderungspunkt ist die Tatsache, "bei sich selbst zu bleiben". Das durfte ich im Umgang mit AA ständig üben und ist mittlerweile ein gutes Hilfsmittel geworden.
    Wir verfallen ja gerne bei Beschreibungen ins "man" oder "wir". Also immer wird "irgendjemand" oder "die anderen" beschrieben; meinen tun wir aber schon uns selbst.
    Umso wichtiger ist es für mich, bei Beschreibungen meines Zustandes bei mir zu bleiben.
    - Ich fühle mich heute...
    - Ich möchte/möchte nicht
    usw.
    Das war auch ein schwerer Lernprozess und abgeschlossen ist er noch lange nicht. Ich ertappe mich oft genug dabei, ins "man" zu verfallen, finde dann aber schnell die "Stop-Taste" und kann gegensteuern.

    Ansonsten geniesse ich meine Tage und meine Trockenheit. Ich merke, daß der Therapieaufenthalt in die Ferne rückt und ich mich langsam, aber sicher davon abnable. Was auch gut so ist. Genauso trage ich auch nicht dauernd und ständig den Gedanken an Trockenheit mit mir herum. Ich lebe meinen Alltag wie alle anderen auch.
    Ja, es kehrt auch so etwas wie "Mittelmäßigkeit" in meinen Alltag ein. Ich brauche nicht mehr "das Beste-das Tollste-das Schönste". Aber es ist sehr entspannend, nicht mehr im Mittelpunkt stehen zu müssen. Vorher war ich gerne die "Nr.1" und habe mich regelmäßig mit Alkohol dafür belohnt.
    Nee, brauche ich nicht mehr!
    Aber:
    Ich achte darauf, daß mein Ziel der Trockenheit weiter präsent bleibt. Fatal wäre es, wenn irgendwann der Pinkt erreicht wäre, wo ich das vollkommen vergesse oder verdränge. Der Schritt bis zum "...ging doch gut, also kannste auch was trinken..." wäre nicht mehr weit.

    Damit es präsent bleibt, habe ich mir ein paar symbolische Krücken gebastelt:
    - ein simpler Abreisskalender, der für die 24h-Trockenheit steht (jeder Tag ein trockener Tag)
    - die Verbundenheit zur Therapieeinrichtung; ich werde dort ab und an die Sonntagsspaziergänge übernehmen.
    - Jahrestag feiern mit einem Besuch in der Klinik beim jährlichen Fest

    Soweit erstmal aus meinem Alltag. Ich könnte noch weiter schreiben, aber damit halte ich mich nur selbst vom Staubsaugen ab :) :)

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo Joschi,

    ich finde deinen Bericht auch klasse, und ich wünsche dir weiterhin alles Gute bei der Einrichtung deines "neuen Alltags".

    Eine der "symbolischen Krücken" (darf ich sie "Pfeiler" nennen?) könnte doch auch das regelmäßige Schreiben hier im Forum sein? Ich jedenfalls würde mich freuen, regelmäßig hier etwas von dir zu lesen.

    LG Thalia (eher im geschlossenen Bereich unterwegs, aber hauptsächlich als Leserin auch hier "draußen")

  • Zitat von radieschen

    Hallo Joschi,
    Dein Weg zurück in den Alltag hört sich super an, ich wünsche dir eine erfolgreiche Zeit!
    LG
    Katha

    Mag sein, aber ohne eine Therapie und ohne die Möglichkeit, 8 Monate mein privates Umfeld verlassen zu können, um neue Strategien zu lernen, hätte das nicht funktioniert.

    Alles, was ich davor veranstaltet habe, waren nur Trinkpausen...

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Zitat von Thalia1913

    Hallo Joschi,

    ich finde deinen Bericht auch klasse, und ich wünsche dir weiterhin alles Gute bei der Einrichtung deines "neuen Alltags".

    Eine der "symbolischen Krücken" (darf ich sie "Pfeiler" nennen?) könnte doch auch das regelmäßige Schreiben hier im Forum sein? Ich jedenfalls würde mich freuen, regelmäßig hier etwas von dir zu lesen.

    LG Thalia (eher im geschlossenen Bereich unterwegs, aber hauptsächlich als Leserin auch hier "draußen")

    Danke!
    Pfeiler kann ich das noch nicht nennen, denn Pfeiler vermitteln einem ein Bild eines starken, robusten Brückenpfeilers.
    Wenn überhaupt, dann sehe ich hier das Grundgerüst eines Pfeilers, der langsam mit Inhalt gefüllt wird.

    Krücke deshalb, weil ich jetzt erst wieder neu gehen lernen muss und da sind Krücken doch schon sehr hilfreich...

    Im Forum hier beschränke ich mich vorerst mal auf meine Story oder kleinere Kommentare.
    Viele neue suchen nach Tips oder Ratschlägen. Diese aktiv zu geben, sehe ich mich aber nicht in der Position. Aber dadurch, daß ich meine Geschichte erzähle, können andere sich evtl. daraus etwas für sich mitnehmen.
    Genauso wie ich es gemacht habe.

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo!

    Da ich ja schon lamge nichts mehr geschrieben habe, hier mal ein erneuter kleiner Bericht.

    Im Februar 2015 hatte ich ja meinen letzten Bericht verfasst und dort sprch ich von dem Pfeiler, der noch erst mit Material gefüllt werden muss, um stabil zu bleiben.
    Was ist nun mit diesem Pfeiler?

    Mittlerweile sind weitere 1,5 Jahre seitdem vergangen und ich kann von mir behaupten, daß ich diesen Pfeiler schon soweit gefüllt habe, daß er sehr stabil steht und mittlerweile auch einiges an zusätzlichen Belastungen aushalten kann.

    Das einzige, was Bestand hatte in der verganenen Zeit, war meine Trockenheit, die ist und bleibt an oberster Stelle. Darauf achte ich und sorge dafür, daß meine nasse Zeit und die Therapiezeit nicht in Vergessenheit gerät.
    Meine Arbeit ist immer nooch die gleiche aber seit Juli 2015 habe ichh endlich die Insolvenz hinter mir und kann seitdem viel entspannter agieren, da ich nicht mehr über die Hälfte meines Gehaltes abgeben muss.
    War aberr auch ok, so bin ich wenigstens meine knapp 50k Schulden losgeworden. Eines kann ich rückwirkend sagen:
    Meine Sauferei an sich war schon anstrengend, das ständige verheimlichen, lügen und vertuschen. Aber finanziell an der Abbruchkante zu agieren, hat zusätzlich für Belastungen gesorgt. Aus dem Thema Schulden habe ich auch oft genug einen erneuten Grund zum saufen gebastelt.
    Auch meine Depressionen hatten zu einem gewissen Teil ihre Ursache in der bewältigung der Schulden.

    Die Zeit nach der Insolvenz war dann am Anfang sehr kniffelig, denn hier hätte blitzschnell ein Grund zum Saufen drin stecken können. Zum Glück habe ich mir in der Therapie die Entscheidung, trocken zu bleiben, gut überlegt.
    Einige halfen sich damit über die Runden, .."erst mal das nächste Jahr trocken zu bleiben...", oder schhafften sich sonstige Hintertürchen. Und die freudige Botschaft vom Ende meiner Insolvenz hätte somit schief gehen können, wenn ich meine Entscheidung anders formuliert hätte.

    So habe ich mich aber für ein Leben ohne Alkohol entschieden, als Mensch zu leben, der keinen Alkohol trinkt. Und das kann ich mittlerweile mit einer Gelassenheit tagtäglich anwenden; in meiner nassen Zeit wäre das undenkbar gewesen.

    Mein Tagesablauf ist der ganz normale mit Arbeit, Freizeit, Freunden usw. Äußerlich gibt es hier keine Veränderungen, im Inneren aber schon etliche.
    Ich habe in der Therapie gelernt, gelassener mit dem Thema umzugehen, aber auch konsequenter meinen Standpunkt zu vertreten. Im Alltag sieht das dann so aus, daß ich schonmal mit Kollegen, Chefs, Verkäufern usw. diskutiere und vehement meinen Standpunkt vertrete. Das hätte ichh früher nie gemacht, weil die Angst da war, irgendwie könnte der Säufer durchsickern und die Leute merken was.
    Wenn überhaupt, hätte ich solche Diskussionen nüchtern kaum durchgestanden.

    Im Februar 2015 war ich ja noch für einige Monate in der Nachsorge der Caritas, danach habe ich nochh eine gewisse Zeit Gruppen besucht. Irgendwann kam aber eine totale Gruppenmüdigkeit auf; ich hatte einfach keine Lust mehr darauf, alles rauf und runter zu kauen und mir die zehntausendste Story von Opa Müllers kaputtem Gartenzaun anzuhören.
    Ein großes Problem stellt aber auch meine Arbeitszeit vs. Gruppenzeiten dar; die Gruppen hier sind alle abends ab 19-20 Uhr. Da ich aber oft Spät- oder Nachtdienst habe, kann ich dann dort nicht hin. Und am freien Tag bin ich dann meist anderweitig beschäftigt.

    edit Karsten - bitte keine Ablaufbeschreiungen von anderen SHG - edit

    Viele zucken immer bei dem Wort AA, aber das kann jeder halten wie er will. Ich sehe darin für mich eine Möglichkeit, mein Thema immer im Fokus zu haben und es nicht zu vergessen.
    Ich habe einige mittlerweile getroffen, die rückfällig wurden, weil sie u.a. dem Trugschluss verfallen waren, "...eines Tages ist mal gut, Schwamm drüber..."
    Für mich ist das nicht diskutabel. Die Alkoholkrankheit ist ein lebenslanger Prozess, der nicht endet. Sie ist im Moment im Griff, ich kontrolliere sie, aber trotzdem bleibt sie ständig präsent. Sobald ich sie aus den augen lasse und denke, "..Geschafft!", kommt sie und wird mich überrennen.
    Daher muss ich derjenige sein, der präsent ist und auf sich aufpasst.

    Anderes Beispiel eines Rückfälligen:
    Er erzählte mir, daß irgendwann (er war bereits 1 Jahr trocken) dachte: "Na jetzt darf ich aber bestimmt mal ein kleines Glas Wein trinken.."
    Ihm spielte das "..Ich darf nicht mehr...vielleicht irgendwann.." einen Streich.
    Über solche Beispiele bin ich immer sehr froh, weil sie mir vor Augen führen, wo überall die Fallen lauern.
    Deshalb bin ich froh, in der Therapie gelernt zu haben, sich zu reflektieren. Erst heute kann ich von mir behaupten, daß ich mich besser kenne. Ich lebe jetzt für mich, nicht mehr für die anderen.
    In meiner Saufzeit habe ich ständig die Bewertung der anderen im Kopf gehabt, sehr oft ein schlechtes Gewissen wegen der Sauferei. ich war überall, nur nicht bei mir. Um in diesen Zustand zu kommen, musste ich saufen, mich "abschießen".

    Die Füllung für meinen Pfeiler sind Dinge wie Selbstreflexion, Selbstliebe, Ehrlichkeit zu sich selber, Gradlinigkeit.
    Mein Pfeiler ist aus Glas, damit ich ständig hineinsehen kann, um die Vergangenheit nicht auszublenden.

    Unterm Strich ist es ein ständiger Prozess des weiter entwickelns, der nie enden wird. Aber trocken und mit klaren Gedanken macht er großen Spaß.

    Soweit erstmal...hab noch was vor heute...
    Ich werde in der nächsten Zeit, wenn ich es nicht vergesse, öfters mal vorbeischauen.

    In diesem Sinne wünsche ich weiterhin trockene 24 Stunden...

    joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo Joschi,

    ich freue mich, dass du mal vorbeischaust und von dir berichtest. Und ich freue mich für dich, dass du deine Trockenheit stabilisieren konntest.

    Ich habe nicht ganz verstanden, ob du derzeit eine andere Gruppe hast, die du regelmäßig besuchst?

    Ich wünsch dir jedenfalls alles Gute weiterhin bei der Ausgestaltung deiner Pfeiler der Trockenheit :) und freue mich, wenn du hier ab und zu (oder öfter) berichtest.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo!
    Ja, ich nutze eine Gruppe, um den Focus nicht aus den Augen zu verlieren. Das ist für mich extrem wichtig.
    Wie schon erwähnt: Wie gerne blenden wir unangenehme Dinge irgendwann aus, als wären sie nie existent.

    Das Thema Veränderung ist ganz stark in den Vordergrund getreten seit der Therapie und ist auch heute noch aktuell. Ohne Veränderung und Reflektion der jeweiligen Situation geht es nicht.
    Wäre ich in das alte Muster wieder abgetaucht, dann wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der erste Kronkorken wieder fliegt.

    joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Einer meiner Trigger ist z.B. die ausufernde Euphorie bei guten Ereignissen gewesen. Da ich meistens gute Gründe fürs Saufen gesucht habe (gerade dann, wenn ich mir mal wieder vorgenommen hatte, es endlich sein zu lassen), waren es gute Ereignisse, die mir einen "Grund zum Feiern" geliefert hatten.
    Nach dem Motto: "Jetzt erst recht" hab ich dann noch einen Extraeinkauf hingelegt und abends Party gemacht.

    Heute kenne ich meine Trigger und bin froh darum, Entspannungstechniken erlernt zu haben, die ich in einer solchen Situation anwenden kann.

    Dabei ist es nun nicht so, daß ich ständig und permanent hinter jedem Busch Gefahren sehe, ich gehe schon recht entspannt durchs Leben. Aber nur, weil ich diese Trigger kenne und sie frühzeitig wahrnehmen kann.

    Wenn ich jetzt so zurückdenke, so gab es keine nennenswerten "kniffligen" Situationen, wo ich mich in Gefahr gesehen hätte. Wobei ich mich allerdings ab und zu erwische, ist das bewerten von Leuten, die im Supermarkt an der Kasse dubiose Einkäufe tätigen, eben "Scheinkäufe", um den dabeigelegten Alkohol zu tarnen.

    Oder letztens:
    Ich war auf einem Konzert, das ganze draußen bei strahlendem Wetter. Da habe ich mich im Laufe des Abends dabei erwischt, wie ich die konsumierten Bierflaschen des Nachbarn mitgezählt hatte.
    Hab es dann aber schnell gemerkt und mit einem "Hast du nix besseres zu tun?"-Grinsen zu den Akten gelegt.

    Früher hat so eine Situation, ob an der Kasse oder auf einem Konzert, eine Anspannungssituation in mir ausgelöst, die sich kontinuierlich gesteigert hat. Die einzige Methode, das aufzulösen, war dann das exzessive Trinken.

    Ich bin sehr dankbar dafür, daß ich heute schöne Momente als solche wahrnehmen kann und auch genießen kann - und das mit klarem Verstand...

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo in die Runde!

    Eigentlich wollte ich einen neuen Thread anfangen, aber ich mache hier einfach weiter, weil dieser Thread ja im Prinzip mein persönliches Tagebuch darstellt.

    Ich war jetzt über 2 Jahre nicht hier aktiv, erst gestern fiel mir auf, daß da ja noch ein Account existiert.

    Löschen wollte ich den Account aber nicht, weil es mir dann doch wichtig ist, meine Geschichte zu erzählen. Evtl. profitiert ja schon der nächste davon! Ich habe zu Anfang meiner Trockenheit auch von den Geschichten der anderen Alkoholiker profitiert.
    ------------

    Nun sind mittlerweile erneute 2,5 Jahre vergangen, in denen ich weiterhin trocken geblieben bin.

    Am heutigen Punkt angelangt kann ich feststellen, daß sich meine Trockenheit gut gefestigt hat und es keine Situationen gibt, die mich irgendwie zum wanken bringen oder wo ich schwach werden könnte.
    Woran liegt das?

    Weil ich die Entscheidung damals in der Klinik, mein weiteres Leben ohne Alkohol zu verbringen, in meinen Alltag integriert habe. Meine Bekannten kennen mich nun als "Antialkoholiker" und neuen Bekanntschaften erkläre ich lapidar, daß ich eben keinen Alkohol trinke.
    Erklären musste ich mich noch nie, ausser einmal, da kam eine kurze Nachfrage: "Naja, einen kleinen kann man sich doch genehmigen!".
    Dazu gab es dann von mir ein kurzes: "Nein, ich vertrage keinen Alkohol!" - und damit war das erledigt.

    Bin ich nun trocken, ohne jemals Gedanken an Alkohol zu haben?
    Nein, das gibt es nicht. Ich bin Alkoholiker und werde zwischendurch immer mal wieder "alkoholische Gedanken" haben. Das lässt sich nicht abstellen. Wichtig ist, wie ich damit umgehe.
    Es sind keine Gedanken im Sinne von "...ich will Alkohohol/trinken....", sondern "was wäre wenn"-Gedanken. Mit denen gehe ich aber recht konsequent um, indem ich sie zulasse, ihnen aber nicht nachgebe!

    Ein Gedankengang nach dem Motto "Was wäre wenn" bringt mich immer blitzschnell auf den Boden der Tatsachen zurück und zeigt mir meinen Weg, den ich bisher gegangen bin. Es ist eine Selbstreflexion, eine kritische Sicht auf das eigene Verhalten. Und das schadet mir zwischendurch nicht.
    Wichtig für mich: es hilft mir, konsequent zu bleiben.

    Genauso ist es mit den "Alkoholträumen":
    Zu Anfang der Trocjenheit waren die teils sehr heftig; mittlerweile ist das nur noch "Traumgeplänkel". Es kommt selten zu solchen Träumen (hab sie nicht gezählt, aber so 4-5x/Jahr), in denen ich gezielt zum Alkohol greife. Aber selbst im Traum eskaliert das nicht mehr und ich erkenne, daß ich die Finger davon lassen muss.
    Ich mache mir da aber keine großen Gedanken mehr - ich sehe, was ich jeden Tag trocken erreiche und das ist Motivation genug.

    Selbstschutz
    Sehr wichtig!
    Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, sofort auf Situationen zu reagieren, in denen ich früher gesoffen hätte. Heute gibt es diese Situationen extrem selten, weil ich nur selten auf Partys gehe oder irgendwo bin, wo gesoffen wird.
    Es sind eher Situationen wie im folgenden Beispiel, welches ich Ende letzten Jahres erlebt habe:
    Ich hatte keine Lust auf meinen bisherigen Job in der Klinik (als Krankenpfleger) und hab beschlossen, ein paar Monate LKW zu fahren (Führerschein hatte ich noch...)

    Im Oktober habe ich dann bei einer Firma angefangen, wo gerne getrunken wird. Nicht während dem fahren, aber abends auf der Raststätte. Zum Glück hatte ich einen Kollegen dabei, der selten Alkohol trinkt, von daher war es akzeptabel.
    Bis wir dann, 4 Wochen später, das Fahrzeug gewechselt hatten. Als ich mir abends auf der Raststätte mein Bett zurecht machte, kamen da diverse Flachmänner zum Vorschein.
    Okay, ich hatte kein Problem damit und auch kein Verlangen, diese zu trinken (oder überhaupt zu trinken).
    Aber die Tatsache, daß ich in meiner engsten Umgebung Alkohol vorfinde, ging nun gar nicht. Mein Prinzip: in meinem häuslichen Bereich gibt es keinen Alkohol und auch nichts, was an Alkohol erinnert (Biergläser etc.)

    Und jetzt die Flachmänner!
    Da habe ich für mich beschlossen, die Reißleine zu ziehen und habe gekündigt.
    In der zweiten Firma lief das ähnlich und auch da hab ich dann aufgehört, weil zuviel Alkohol um mich herum existierte.

    Selbstschutz geht mir über alles! Ich erkenne mittlerweile auch sehr schnell, ob irgendwo Alkohol drin ist. Bin ich mir unsicher, lasse ich es stehen (Kuchen oder Torten z.B.)
    Es gibt dann aber auch die lustigen Anekdoten, die aus Unwissenheit der anderen passieren. Z.B. habe ich Mitte Dezember wieder in der Pflege angefangen zu arbeiten und war auf die Weihnachtsfeier eingeladen. Die Belegschaft hatte gewichtelt und meine Chefin wollte mir nun auch ein Geschenk zukommen lassen.
    Also bekam ich eine Tüte mit:
    - Schokolade (gut!)
    - 1 Flasche Rotwein (ups!)

    Als ich die Flasche auspackte (aus Neugier, was man mir nun geschenkt hatte), meinte meine Chefin: "Na, ist der Rotwein ihr Geschmack?"
    Darauf kam meine sehr spontane Standardantwort: "Danke für die Schokolade, aber ich trinke keinen Alkohol!"
    Damit war das blitzschnell erledigt. Es kam auch gar keine Nachfrage mehr.
    Zu Anfang meiner Trockenheit hatte ich vor solchen Situationen Angst, weil ich mich evtl. erklären muss, aber das passiert nie. Heutzutage ist es akzeptiert, keinen Alkohol zu trinken - vor 30 Jahren hätte es permanent dumme Kommentare gehagelt.

    Selbsthilfegruppen
    Bin ich zu Anfang regelmäßig hingegangen, mittlerweile gar nicht mehr. Das hat den einfachen Grund, daß sich dort die Diskussionen oft im Kreis drehen und ich diese schon tausendmal gehört habe. Das brauche ich nicht mehr...
    In einer anderen Gruppe gingen mir dagegen ein paar Leute auf den Geist, die ihre vermehrten Rückfälle als etwas "Besonderes" hinstellten, frei nach dem Motto: "Ohne Rückfall bist du nicht wirklich trocken..."
    Auch das muss ich mir nicht geben...

    Ich habe aber immer meine AA-Onlinegruppe in der Mailbox, lese die Beiträge, kommentiere ab und zu oder schreibe selbst was. Nicht oft, aber es existiert und dabei bleibe ich auch.
    Deshalb fand ich es auch sehr passend, daß ich wieder über dieses Forum gestolpert bin und werde mal versuchen, hier ein wenig aktiv zu werden....
    Ein Termin ist für mich jedes Jahr Pflichtprogramm:
    Das Deutschlandtreffen der AA. Hab das jetzt 2x mitgemacht und es ist hypermotivierend.

    So, jetzt erst mal genug geschrieben.........ich schau mich hier mal etwas um.....

    Gruß
    joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hier mal eine kleine Fortsetzung meines "Tagebuchs".

    Wie geht es mir heute?

    Sehr gut, ich habe die letzten 24 Stunden (und viele davor) nichts getrunken und fühle mich wohl.

    Damals, zum Ende der Therapie hatte ich noch Angst vor zuviel Euphorie. Davor, daß ich in einem Anfall von "Glücklichsein" wieder zu trinken anfange.

    Davor bin ich mittlerweile schon lange gefeit.

    Ja, ich habe auch meine glücklichen Momente (wär ja schlimm, wenn nicht), betrachte sie aber nicht mehr skeptisch. Ich genieße sie und sollte ich merken, daß die Euphorie etwas zu sehr ausschlägt, dann schaue ich einfach, ob aus Euphorie Anspannung wird.

    Das war damals Teil meines "Notfallkoffers", den ich mir zu Therapieende mit meiner Therapeutin zusammen gepackt habe.

    Man nennt es auch "reflektieren". Ich visualisiere mir eine Skala von 1 bis 10. 1 ist völlig entspannt und 10 ist maximale Anspannung.

    Diese Anspannung führte früher immer zum Alkoholkonsum.

    Und deshalb achte ich jetzt auf Zeichen dieser Anspannung.

    Das hört sich jetzt fürchterlich kompliziert an, aber im Laufe der trockenen Zeit bekommt man ein gutes Gespür für seinen Körper und vor allem für seine Psyche. Und dann geschieht dieses reflektieren fast automatisch.

    Trotzdem betrachte ich mich nicht als "geheilt".

    Denn "geheilt" gibt es bei der Alkoholkrankheit nicht!

    Mir gehts gut, ich habe keinerlei Probleme mit Alkohol, ich muss nicht trinken - trotzdem leide ich weiter an dieser Krankheit und muss aufmerksam sein.

    Das heisst aber nicht, daß ich Angst haben muss. Schon gar nicht vor Rückfällen.

    Respekt sollte man aber haben; vor den fiesen Maschen des kleinen "Alkoholteufelchens" in unserem Geist. Der versucht es nämlich immer wieder.

    In diesem Sinne....

    joschi

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • Hallo joshi,

    erstmal finde ich es gut das du dich hier im Forum rege beteiligst. Aktiv sich sich einzubringen um andere zu unterstützen ist Selbsthilfe. Ich setzte mich immer wieder den Situationen aus in denen ich auch mal war. Wie lange bist du nun schon (am Stück) trocken?

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Trotzdem betrachte ich mich nicht als "geheilt".

    Denn "geheilt" gibt es bei der Alkoholkrankheit nicht!

    Mir gehts gut, ich habe keinerlei Probleme mit Alkohol, ich muss nicht trinken - trotzdem leide ich weiter an dieser Krankheit und muss aufmerksam sein.

    Das heisst aber nicht, daß ich Angst haben muss.

    Respekt sollte man aber haben; vor den fiesen Maschen des kleinen "Alkoholteufelchens" in unserem Geist. Der versucht es nämlich immer wieder.

    Hallo!

    Du hast recht, Heilung gibt es nicht. Krank fühle ich aber auch nicht. Krank werde ich erst, wenn ich wieder trinke.

    Ja, der Respekt, so sehe ich es auch. Manche nennen es auch Demut, ein Begriff, der mir zu unterwürfig klingt.

    Ich stolpere über dein Wort "leiden". Woran leidest Du denn genau? Ich leide nämlich nicht, dass ich abstinent bin. Das ist für mich völlig normal geworden.

    Anfangs habe ich es auch mit dem Wort "Teufel Alkohol" versucht. Das stellte sich für mich als Irrtum heraus. Es gibt keinen Teufel und der Alkohol ist auch keiner. Er ist völlig passiv und tut mir nichts. Gefährlich wird es erst, wenn ich mich auf ihn einlasse, aktiv auf ihn zugehe und ihn trinke.

    Aber ich weiß, was Du meinst, nämlich das Suchtgedächtnis. Das ist schon eine ziemlich unangenehme Sache, das es sich nicht komplett löschen, sondern nur überschreiben lässt. Es ist weiterhin unsichtbar vorhanden und schlägt gelegentlich Kapriolen, die einen gewaltig nerven können. Jedoch werden die Abstände immer größer. Ich bin schon seit längerer Zeit verschont geblieben. Dennoch kann es sich jederzeit zurück melden. Dann weiß ich, was ich zu tun habe .

    Gruß

    Carl F.

  • Leiden war das falsche Wort. Nein, ich leide nicht, ganz im Gegenteil.

    "Ich leide an dieser Krankheit" soll vielmehr heissen "Ich habe diese Krankheit" - denn sie ist da und wird uns nicht mehr verlassen.

    Das "Alkoholteufelchen"; da fiel mir nix besseres ein.

    In meiner Therapie habe ich mir vieles durch Visualisieren klar machen können. Auch das Suchtgedächtnis.

    Ein psychischer Anteil von mir ist der Alkoholiker. Den kann ich nicht bekämpfen, das würde nur zu noch mehr Kampf führen.

    Nein - ich habe dieser imaginären Figur, dem "Teufelchen" einen Platz in dem imaginären Haus meiner Psyche gegeben. Dort darf er sich aufhalten und an meinem Leben teilnehmen.

    Aber er darf es nicht mehr bestimmen. Er meldet sich zwar durch dezentes "anklopfen" mit subtilen Ideen, warum man ausgerechnet jetzt trinken könnte.

    Da greift aber ein Part aus meinem "Notfallkoffer", das schnelle reflektieren:

    - ich lasse zu, das dieser Gedanke kommt

    - ich höre mir diesen Gedanken auch an

    - ich starte mein "Was wäre wenn"-Spiel: spätestens da heisst das Ergebnis: NEIN

    Mein "alkoholischer Freund" muss das dann so akzeptieren; weitere Gedanken verschwende ich nicht daran.

    Hört sich abstrakt an, aber damit komme ich seit 7 Jahren sehr gut um die Runden.

    Und der Notfallkoffer - also das erarbeiten von Strategien, falls mal "Suchtdruck" oder "Trinkgedanken" kommen - war ein ideales Mittel, um passende Strategien für sich selbst zu entwickeln.

    Zu Anfang, direkt nach der Langzeittherapie, sind die noch sehr fragil. Irgendwo im Hinterkopf war immer noch die Angst, irgendwas falsch zu machen.

    Im Laufe der Jahre entwickelt man aber eine Routine und wird lockerer, souveräner.

    Das schafft viel mehr Selbstvertrauen und dadurch habe ich eine völlig neue Form von Freiheit erlangt.

    Gruß....

    Mein Leitsatz seit meiner Klinikaufnahme 3.7.14:
    "Ich bitte um Hilfe bei meiner Krankheit - alleine schaffe ich es nicht!"

  • @Joschi: das mache ich ähnlich, mit dem Notfallkoffer. Der kommt zwar selten zum Zug.. vorher läuft das erst mal so ab:

    1: Der Gedanke "trinken" kommt in irgendeiner Form in meinem Gehirn an.

    2: Ich lasse ihn zu, mit einem Schulterzucken. Denn: Ja, ich möchte jetzt grad trinken. Aber ich hab's mit mir schon zig mal durchdiskutiert, immer mit demselben Ergebnis: ich werde nichts trinken. Somit bleibt der Gedanke das, was er ist: Eine Erinnerung an eine starke Gewohnheit von früher - mehr nicht. Und dieser Gedanke beginnt mich zunehmend (und absichtlich) zu langweilen.

    Erst wenn Punkt 2 nicht greift, kommt das "was wäre wenn" Spiel. Und dieses gewinne ich sowieso.

    Was ich NICHT tue: Ich weise den Gedanken nicht ab, versuche ihn "abzutöten", "abzustellen".. nein, den lasse ich kommen, und durch mich hindurchdenken, bis er von alleine wieder geht. Ohne Druck, ohne Schubbsen, ohne nix.

    Damit verhindere ich, dass ich da etwas aufstaue, was dann beim nächsten Mal heftiger kommt.

  • Hallo - ich hätte da eine Frage als CO: "Wie ist das eigentlich; gibt es als trockener Alkoholiker Tage, wo du nicht einen Moment an Alkohol denkst? Ich kann mir das als CO nicht so richtig vorstellen?

    Gruss Ste

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