Risikominimierung konkret

  • Hallo,

    hier im Forum wird immer wieder von Risikominimierung gesprochen.

    Was bedeutet das für euch? Wie sieht eure Risikominimierung konkret aus?

    Hier in diesem Thread können wir bewährte Vorschläge sammeln, damit jeder User auf die Schnelle (z. B. bei akutem Saufdruck) Tipps zum Nachmachen finden kann.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo,
    ich bin alkoholkrank und seit ca. 10 Wochen abstinent.
    Ohne einen wissenschaftlichen Hintergrund zu kennen oder Bücher über die Krankheit gelesen zu haben: Risikominimierung bedeutet für mich ganz konkret die Vermeidung des Suchtdruckauslösens (triggern). Demnach ist jede Situation die triggert ein Risiko. Um die Trigger vermeiden zu können, muss man sich aber erstmal bewusst werden, wann und wo sie bei einem ausgelöst werden.

    Bisher konnte ich verschiedene Triggerauslöser feststellen:
    a) visueller Trigger (Alkohol sehen; bspw: Werbung, Geschäfte)
    b) situativer Trigger (Alkoholgewohnheiten; bspw: nach Sport, am Abend; Weihnachtsfeiern; Stadion)
    c) thematischer Trigger (Thema Alkohol allgemein; bspw: Lesen im Forum, in Gesprächen)
    d) Grundlasttrigger (ständiger Begleiter; bspw: Spuckebildung ohne ersichtlichen Grund)

    Risikominimierung bedeutet dann für mich ganz konkret o.g. Orte und Situationen weitestgehend zu vermeiden oder zu verändern. Das einzige worauf ich keinen erkennbaren Einfluss habe, ist (d). Hier wird die Zeit wohl helfen.

    zu a) Hier wird bewusst vom Weinregal beim Einkauf weggeschaut. Motto: Aus dem Auge aus dem Sinn. Werbung wird umgeschaltet. Adblocker im Internet. Weingläser aus Glasschrank entfernt.
    zu b) Da der Sport ein wesentlicher Baustein für meine Zufriedenheit ist, ist mit Sport aufzuhören keine Option. Nach dem Sport belohne ich mich daher mit Zuckergetränken oder viel Wasser. Das hilft. Gewohnte Geselligkeiten, bei denen Alkohol getrunken wird, werden meist gemieden. Bisher aber noch nicht konsequent, da ich auch Geselligkeit zur Zufriedenheit benötige.
    zu c) Hier bin ich mir aktuell nicht sicher. Offenheit ist zwar gut, aber manchmal ist das Thema auch eine psychische Belastung. Vor allem dann, wenn das vertraute Gegenüber ziemlich unreflektiert zur Alkoholkrankheit steht. Vermutlich muss das jeder für sich herausfinden, welches Maß gut ist. Der Vorteil an der Krankheit ist, man erkennt relativ schnell richtige Freunde.

    Soweit meine Beobachtungen und Erfahrungen.

    Viele Grüße
    kamarasow

  • Was heisst Risikominimierung für mich Konkret?
    Es ist irgendwie die "Summe" aller Maßnahmen, lässt sich schlecht allgemein hinschreiben, darum gebe ich ein paar Beispiele:

    - Vorrausschauend Denken, wenn ich ein Hotel buche direkt dazu sagen, dass es Alkoholfrei sein soll bzw. die Minibar ganz leer.
    - Anlässe bei denen Alkohol konsumiert wird meiden
    - Situationen meiden bei denen man früher getrunken hat
    - Alkoholfreies Umfeld herstellen

    Wenn sich der Suchtdruck meldet hilft mir:
    - ganz viel Wasser trinken
    - mir immer wieder sagen "es geht vorbei"
    - laufen (Sport allgemein, aber Laufen kann man halt IMMER und SOFORT gehen)
    - Ablenken, Telefonieren z.B.
    - Den Suchtdruck als solchen identifizieren/benennen: "Das ist jetzt die Sucht die sich meldet, das ist nischt schön, aber unvermeidbar, na und, das halte ich jetzt aus"

    Train to survive

    survive to train

  • Risikominimiierung bedeutet für mich:

    Mich selbst im Auge haben. Rücksicht nehmen auf mich.

    Die Risiken wandeln sich im Laufe der Jahre.

    Heute kann ich Dinge tun, die ich vor 2 Jahren vermieden hätte.

    Das heißt nicht, ich wäre weniger achtsam.
    Aber ich habe jetzt verschiedene Situationen erlebt, in denen meine Aufmerksamkeit gefragt war und die ich überstanden habe, ohne zu trinken.

    Ich nehme die Alkoholika im Supermarkt nicht mehr mit der Präsens wahr, die ich vor 2 Jahren erlebt habe.
    Ich kann an der Kasse stehen, ohne mir einen Flachmann auf's Band zu legen.

    Auch weiterhin ist die Wohnung alkoholfrei und wird sie auch bleiben.

    Auch weiterhin bin ich an dem Thema Alkohol dran und beschäftige mich damit täglich.

    Ich beobachte den steten Versuch meines Suchtgedächtnisses, die alkoholische Vergangenheit im Nebel der Vergangenheit verschwinden zu lassen.
    Und damit den Weg frei zu machen, sich ein Glas Rotwein schön zu reden.

    Und vorallem: Ich muss das Alles nicht allein bewerkstelligen.
    Ich kann mich hier austauschen und bin in diesem Austausch wieder geerdet: ich erkenne immer wieder, von wo ich komme.

    Aus der Verzweiflung des nassen Alkoholiker's.

    Diesen Weg will ich nicht zurück gehen.

    Liebe Grüße
    Hans

  • Hallo Linde,

    Gestern sah ich eine Dokumentation über einen fünf Jahre trockenen Alkoholiker, der rückfällig wurde, indem er eine Flasche Wein, die im Kühlschrank war, "einfach nahm und austrank". Das bestärkt mich in meiner Form der Risikominimierung, deren vielleicht wichtigster Pfeiler ein alkoholfreier Haushalt ist, und auch ein möglichst alkoholarmes Umfeld. Auch noch nach Jahren der Abstinenz.

    Linde, du fragst in deinem Eingangspost auch nach einer Sammlung von Maßnahmen "auf die Schnelle", zum Beispiel für Situationen mit akutem Suchtdruck. Das würde ich eher als "Notfallkoffer" sehen. (Vielleicht als separater "Aufhänger"?)

    Viele Grüße
    Thalia

  • Für mich heißt Risikominimierung, Achtsam sein. Achtsam durchs Leben gehen, wissen wo bin ich gerade, was mache ich gerade?
    In der Gegenwart Leben, fällt mir schwer, ist aber wichtig für mich.
    Mich ständig reflektieren wo oder was ist gefährlich für mich?
    Offen mit meiner Krankheit umgehen. Ich lebe in einen Dorf und habe auch in deren Gemeinde gearbeitet, hier weiß sowieso jeder bescheid über meine Erkrankung, also kann ich auch offen sein.
    Offen in meiner Familie sein, zu sagen was mir gerade nicht gut tut. auch Sucht druck zu benennen, so das zB. meine Frau bescheid weiß, was mit mir gerade los ist.
    Wenn es nicht anders geht Hilfe holen, Hilfe annehmen.
    Ist der Sucht druck zu groß, kann man auch in die Klinik gehen und zwar bevor ich zur Flasche greife.
    Meine Ärzt und Psychologin wissen sowieso über mich Bescheid, aber auch bei anderen Ärzten oder Krankenhausaufenthalten bin ich offen über meine Abhängigkeit, hat mir bis jetzt geholfen.

    Liebe Grüße
    Wolfgang

  • glück auf

    1. absolut alkfreie wohnung !!
    2. jeder/jedem, mit der/dem ich länger als 1 minute zu tun hab sagen, dass ich trockener alkoholiker bin !
    3. "notfallkoffer" guckstdu dort.


    schöne zeit

    :D
    matthias

    trocken seit 25.4.1987 - glücklich liiert - 7 Kinder - 17 Enkel

  • Nicht ganz unwichtig ist auch, nicht in Hysterie zu verfallen und hinter jedem Busch eine Gefahr zu sehen. Gilt für das Thema Alkohol wie für das übrige Leben auch...

    Hysterie trägt zur Dämonisierung des Alkohols bei, kann nicht Sinn der Übung sein....

    Arglosigkeit den uns drohenden Gefahren gegenüber macht einen RF wahrscheinlicher.

    Wie immer im Leben gilt es, die Mitte zu finden...

  • Genau mit dieser $cheiss Mitte hab ich grad meine Probleme... die Arglosigkeit. Gut, da ich das weiss, macht mich das gleich weniger arglos, aber trotzdem... ich verliere anscheinend das Interesse an der Thematik, und das empfinde ich als "Rückweg zum Alten"....

  • Flo, genau das meine ich mit Hysterie....

    Ich steige in mein Auto ein, schnalle mich vor dem Losfahren an, gucke in den Spiegel etc., klappt alles automatisch.

    Genauso funktioniert zumindest bei mir der Umgang mit dem Alkohol. Wir waren gestern unterwegs und haben dann im Cafe eine Waffel mit Kirschen gegessen. Ich hatte vorher ganz normal gefragt, ob das denn Kirschen sind oder Kirschen mit z. B. Kirschwasser, denn die hatten 30 Varianten für die Waffeln, wo auch gerne 15 Alkohol enthielten (Eierlikör etc.).

    Hab mir aber keine Gedanken gemacht, wieso und warum ich frage, denn ich mache mir ja auch keine Gedanken, wenn ich mich im Auto anschnalle.

    Es waren Kirschen und ich habe sie gegessen. War klasse...

    Ich hätte jetzt die Kirschen einfach blind futtern können (Arglosigkeit) oder mir hinterher Gedanken machen können, ob denn nicht doch Alk drinnen war (Hysterie). Außerdem haben rechts und links von mir alle möglichen Leute alles mögliche gefuttert, auch Sachen mit Alk. Haben Glühwein und was weiß ich getrunken...

    Ich wusste die ganze Zeit, dass ich das eben nicht essen oder trinken will und darf. Hat mich aber null gejuckt.

    Das meine ich mit Mitte.

    Ich gehe nicht davon aus, dass ich mit dem Auto vor den Baum knalle, aber ich schnalle mich eben dennoch an. Und ich fahre entsprechend so, dass die Chance mit dem Baum entsprechend gering ist.

    Das Interesse an der Thematik musst Du ja noch haben, denn ansonsten hättest Du ja gar nicht gemerkt, dass Du arglos bist. Aus meiner Sicht ist bei Dir alles OK

  • Hm... so hab ich das bislang nicht angeguckt. Danke für Deine Zeilen, Vollwaise...

    Nun... Hysterie... es gibt sicher Leute (hier und anderswo) welche keine Desserts essen dürfen, welche Alkohol enthalten. Weil sie dadurch extrem getriggert werden. Für die ist diese "Hysterie", wie Du sie nennst, sicherlich angebracht und das einzig Richtige.

    Für mich scheint das bis jetzt zumindest nicht zu gelten. Ich esse immer noch Käsefondue (hat Weisswein drin), denke aber währenddem und danach überhaupt nicht mehr an Alkohol als ich das ohne Fondue täte. (Und ich esse jetzt auch nicht andauernd Fondue, um mich zu vera****en.)

  • Hallo,

    meine Risikominimierung:
    Mich nicht überschätzen.

    Daraus ergibt sich für mich alles. Alkfreie Wohnung, Offenheit, Aufmerksamkeit beim Einkaufen und in Restaurants, alkfreie Freizeit.

    Penta

  • Hallo Linde,

    meine Risiko-Minimierung besteht aus einer alkfreien Wohnung, außerdem gehe ich nicht auf Parties, ich befinde mich nicht in Bars, ich habe auch ansonsten keine Süchte und lebe viel ruhiger und gelassener, als es früher zu Zeiten war, wo ich regelmäßig und viel getrunken habe.
    Ich weiß, warum ich den Alkohol mal als Lösungsmittel ansah, und ich habe für diese tieferliegenden Gründe andere Lösungen gefunden, die wende ich regelmäßg an.
    Ich habe andere Routinen und eine genauso starke Gewöhnung an diese anderen Routinen. Ich hinterfrage sie nicht permanent, sondern lebe sie einfach.

    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Moin Linde

    alkoholfreie Zone im Kopf fest verankert, die Einsicht, Leben ohne Alkohol ist nicht Stärke, sondern Haltung.

    LG PB

    Es nützt nichts Jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.

  • Für mich noch heute,KEINE Grauzonen
    Entweder schwarz oder weiß.

    Leben oder Sterben.

    Konsequentes Leben ohne Alkohol.

    Dies sieht nach 11 Jahren so aus, dass ich wenn ich in Stress

    Situationen gerate gleich eine Alternative wie z.B. Spaziergang

    in meinem Kopf aktiviert wird und nicht wie früher Alkohol.

    Das bedeutet für mich, dass die Festplatte überschrieben wurde.

    Fühlt sich Sau Gut an.

    Grüssle von Horst1
    :D

    der weg zu dir selber hört nie auf,

    hinter dir gehts abwärts,

    und vor dir steil bergauf. (wolfgang ambros)

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!