Diskussionsthema: Dem Alkohol aus dem Weg gehen oder nicht

  • Diskussionsthema: "Ich kann dem Alkohol doch sowieso nicht aus dem Weg gehen."

    Hallo Forum,

    da ich mir gerade wieder mal konkretere Gedanken über Risikominimierung gemacht habe/mache, würde ich gerne mal über obiges Thema diskutieren. Klar, ist etwas provozierend formuliert, aber ich würde es gerne mal auseinandernehmen.

    Ich praktiziere Risikominimierung in erster Linie als Selbstfürsorge – neben der Achtsamkeit mir selbst gegenüber und dem Austausch mit anderen Alkoholikern z.B. in Selbsthilfegruppen treffe ich konkrete Maßnahmen, indem ich

    - keinen Alkohol zu Hause habe, auch nicht für Gäste
    - mich privat mit Menschen umgebe, die nie oder selten Alkohol trinken
    - auch im Berufsleben klargestellt habe, dass ich nicht trinke
    - und ähnliches mehr

    Aber ist es nicht auch wichtig, zu „trainieren“, in Gegenwart von Alkohol trinkenden Menschen zu sein, um die Erfahrung mit mir zu machen, dass ich auch dann nicht rückfällig werde, auch wenn sich mal Suchtdruck einstellen sollte?
    Denn „ich kann dem Alkohol doch auf Dauer sowieso nicht aus dem Weg gehen“, wenn ich in unserer Gesellschaft leben will.

    Ich selbst denke, dass es für mich gut und richtig war, sehr lange einen sehr großen Bogen um Alkohol (trinkende Menschen) zu machen.

    Gerade von den länger Trockenen, die schon auf eigene Erfahrungen zurückblicken, würde mich interessieren, wie Ihr das konkret handhabt, und auch vor allem, was Ihr am Anfang offenbar richtig gemacht habt, so dass Ihr jetzt eben bereits länger als ein paar Monate trocken seid? Oder auch was ihr, im Nachhinein betrachtet, vielleicht „falsch“ gemacht habt.

    Danke schon mal für Rückmeldungen.

    Viele Grüße
    Thalia

  • Hallo Thalia,

    Zitat

    - keinen Alkohol zu Hause habe, auch nicht für Gäste
    - mich privat mit Menschen umgebe, die nie oder selten Alkohol trinken
    - auch im Berufsleben klargestellt habe, dass ich nicht trinke
    - und ähnliches mehr

    So halte ich es grundsätzlich auch nach 15 Jahren Trockenheit noch.
    Weil ich anderes für mich nicht mehr möchte.
    Aber ich muss heute nicht mehr jeglicher Veranstaltung aus dem Weg gehen, auf der gemäßigt Alk konsumiert wird.
    Und Saufveranstaltungen interessieren mich eh nicht die Bohne... das war im Grunde auch schon nach meiner Entgiftung so der Fall.

    Ich halte eine stabile Trockenheit für eine der wichtigsten Grundlagen und genau daran sollte man intensiv arbeiten.
    Und die aufzubauen, dauert seine Zeit, das geht nicht in wenigen Monaten, sondern braucht eher Jahre.
    So meine persönliche Meinung.
    Ich bin die ersten knapp 2 Jahre auf gar keine Feier oder Veranstaltung gegangen und die Welt hat sich trotzdem wunderbar weiter gedreht :wink:
    Ich habe mich in dieser Zeit und auch immer wieder später mal intensiv mit meiner Alkoholerkrankung auseinander gesetzt.
    Das war natürlich teilweise auch schmerzhaft, aber für mich ein notwendiger Weg.
    Ich war dabei recht schonungslos und auch grundehrlich mit mir, so würde ich das jedenfalls sagen.

    Nach ca. 2 Jahren ging ich dann nachmittags mal wieder auf die erste Geburtstagsfeier nach meiner Entgiftung. Die ich aber zum Abend hin verließ, als etwas Alk getrunken wurde.
    Auf ähnlichen Feiern, wo ich dann auch mal länger blieb, merkte ich schnell, das das nicht das ist, was ich möchte.
    Mir ist meine Zeit zu schade, mich von Angetrunkenen vollbröseln zu lassen, ich mache in der Zeit lieber Dinge, die mir lieber und wichtiger sind.
    Von daher bin ich auch heute nicht auf Partys zu finden, wo viel Alk konsumiert wird.
    Es ist nicht mehr meine Welt. Und im Grunde war sie das auch nie, wie ich feststellen mußte.

    Auch hat sich mein Bekanntenkreis zum Teil grundlegend geändert, und bei uns Zuhause gibt es auch keine Saufpartys.
    Das braucht keiner von meinen Leuten und ich fühle mich wohler in einer Runde von Menschen, die keinen Alk zum Lustigsein brauchen.
    Allerdings muss ich sagen, das wir auch früher keine ausgesprochenen Saufpartys bei uns Zuhause machten, ich habe eher heimlich getrunken.

    Ich kann natürlich auch nicht überall dem Alk aus dem Weg gehen, weder beim Einkaufen noch beim Tanken oder anderen üblichen Tätigkeiten.
    Aber ich muss ihm auch nicht entgegengehen.
    Ich betreibe in diesem Sinne also auch weiterhin Risikominmierung.
    Ich wurde darauf auch schon öfters angesprochen und zwar in der Form:
    "Du bist doch nun so lange trocken, da kannst Du doch da etwas lockerer werden, oder?"
    Meine Antwort darauf ist dann immer "Vielleicht bin ich aber auch genau deshalb noch trocken ! WEIL ich eben nach wie vor meine Art von Risikominimierung betreibe." :wink:
    Dann is meist Ruhe im Karton wegen fehlender Gegenargumente :lol:
    Und lockerer werden muss ich auch nicht :wink: denn ich vermisse ja nichts und fühle mich vollkommen frei und locker :)

    LG Sunshine

  • Den völlig zutreffenden Ausführungen von Sunshine schließe ich mich ausdrücklich an.

    Ich brauche dem Stoff nicht hinterherlaufen. Warum auch?

    Mit zunehmender Abstinenz wird er -von selten gewordenen leichten Anfällen von Suchtdruck mal abgesehen- immer unbedeutender sprich er interessiert mich überhaupt nicht mehr.

    Gruß Carl Friedrich

  • Hallo Thalia,

    Zitat

    Gerade von den länger Trockenen, die schon auf eigene Erfahrungen zurückblicken, würde mich interessieren, wie Ihr das konkret handhabt, und auch vor allem, was Ihr am Anfang offenbar richtig gemacht habt, so dass Ihr jetzt eben bereits länger als ein paar Monate trocken seid? Oder auch was ihr, im Nachhinein betrachtet, vielleicht „falsch“ gemacht habt.

    bezogen auf das Ergebnis, dass ich heute immer noch sehr zufrieden trocken bin, habe ich offenbar alles richtig gemacht.
    Darauf kommt es mir aber gar nicht an, sondern mir ist wichtig, dass ich heute zufrieden (trocken) bin.
    Als ich deine Frage las, dachte ich darüber nach, was ich konkret richtig oder falsch gemacht haben könnte.
    Ja, Risikominimierung betreibe ich heute auch noch. Allerdings ist sie für mich nichts Neues oder Gewöhnungsbedürftiges mehr.
    Die Menschen in meiner Umgebung wissen, wie ich lebe und sind einfach mit dabei. Offenheit ist für mich einer der wichtigsten Punkte meiner Risikominimierung neben denen, die du auch anführst.
    Ganz oft war für mich anfangs ganz schlichtweg der Gedanke Motivation, die Dinge anders zu machen als vorher, denn ich wusste, wie bisher konnte es für mich nicht weiter gehen.
    Ich wusste nicht, was konkret bei mir funktionieren könnte. Ich probierte aus, was für mich passt, ohne dabei mit Alkohol (trinkenden Menschen) in Berührung zu kommen. Das eine oder andere passte und ist mir bis heute geblieben.
    Heute erlebe ich mich an Orten, bei Aktivitäten und mit Menschen, bei denen niemand mich vor zehn Jahren hätte sehen können.
    Ich wollte weg vom Leben in der Isolation in meinen vier Wänden und vom depressiven Lamentieren über die große Weltpolitik oder die "bösen" Anderen. Ich wusste also ziemlich genau, was ich nicht wollte.
    Heute weiß ich, dass ich mich in der Natur wohlfühle, auf dem Rad, beim Wandern, mit Freunden bei Tee, in meinem Garten und auch beim Basteln an diesem und jenem...
    Gerade vor einigen Tagen war ich auf einer großen Feier. Die erste dieser Art seit sieben Jahren. Mir fiel auf, dass es ganz unterschiedliches Publikum auf der Feier gab. Ich geriet, ohne großes Zutun, zu denen, die wenig bis gar nicht tranken. Andere sah ich zwar, begenete ihnen aber nur flüchtig.
    Meine Truppe ging dann auch geschlossen, als es uns zu laut wurde. Sehr wahrscheinlich war der Alkoholpegel zu der Zeit bei anderen auch nicht unerheblich gestiegen.
    Für mich wäre es eine Quälerei zu trainieren, in einer alkoholgeschwängerten Gesellschaft Zeit zu verbringen. Den Stress möchte ich mir nicht antun.
    Was ich sagen will, ich lebe gern trocken. Es ist für mich heute, anders als zu Beginn meiner Trockenheit, keine große Anstrengung mein Rückfallrisiko zu minimieren. Ich tu es für meine Zufriedenheit, denn die gibt es für mich nur trocken. Das ist heute nicht anders, als zu Beginn meiner Trockenheit.

    Viele Grüße,
    Penta

  • Hallo Thalia,

    meine Trinkpause dauert nun schon über sieben Jahre.
    Und dies obwohl ich definitiv nicht alles richtig gemacht habe.

    Im ersten Jahr dachte ich noch, dass viele Regeln für mich nicht gelten.
    Im zweiten Jahr habe ich dann kapituliert und eingesehen,
    dass es einen speziellen Correns-Weg in die Trockenheit nicht gibt.

    Das alkoholfreie Zuhause hat mich vor Rückfällen bewahrt.
    Wäre der Stoff in Reichweite gewesen, hätte ich zugriffen.
    Da jedoch kein Alk da war, blieb immer genügend Zeit zum Nachdenken.

    In der Anfangszeit waren die Alk-Abteilungen
    in den Supermärkten ein gewisses Problem für mich.
    Mittlerweile haben diese überhaupt keine Anziehungskraft mehr auf mich.
    Das nicht-Konsumieren von Alk ist für mich etwas total Normales geworden.

    Alk-Kneipen mit Happy Hour Tarifen habe ich
    von Beginn an von meiner Liste gestrichen.
    Heute wüsste ich nicht, was ich dort soll.

    Restaurants besuche ich immer wieder.
    Dass es dort Alk gibt, stört mich mittlerweile genau so wenig,
    wie die Tatsache, dass es im Supermarkt Alk gibt.

    Was etwas nervt sind ab und zu auftauchende Alk-Phantasien.
    Vielleicht werde ich diese nie ganz los.

    Der für mich nach wie vor wichtigste Baustein ist:
    Ein alkoholfreies Zuhause.

    Viele Grüße
    Correns

  • Hallo Thalia,

    Ich unterscheide im nachhinein eine Akutphase von ca. 1 Jahr von der Konsolidierungsphase.

    In der Anfangszeit habe ich einen grossen Bogen um alles gemacht, was nach Alkohol aussieht. Ich habe weder Biergärten noch andere Lokale besucht, bin nicht mehr abends essen gegangen und habe meinen Haushalt entalkoholisiert.
    Ohne gross drüber nachzudenken, habe ich einen maximalen Bruch mit alten Gewohnheiten durchgeführt.

    In der zweiten Phase war ich dann langsam in der Lage, darüber nachzudenken, warum ich gesoffen habe und diese Erkenntnis auch anzunehmen.

    Einerseits habe ich ganz viel über Alkohol gelesen und gelernt (für den Kopf), andererseits habe ich viel über mich nachgedacht (für mein Herz).

    Daraus hat sich meine heutige Haltung entwickelt:

    Es gibt Menschen, die trinken Alkohol (manche tun das im Übermaß), ich gehöre nicht mehr dazu.

    Diese Haltung vertrete ich mir und anderen Menschen gegenüber eindeutig.

    Liebe Grüße
    Hans

  • Moin Thalia,

    als ich nicht mehr trinken konnte, habe ich erst einmal nur nicht mehr getrunken. Verändert habe ich zunächst nichts. Allerdings habe ich mich zurückgezogen, hier im Forum gelesen, geschrieben, mich sortiert und mein Leben neu strukturiert. So habe ich Schritt für Schritt eine völlig neue Lebenseinstellung entwickelt. Suchtdruck kenne ich nicht. Eine schlimme gesundheitliche Krise habe ich ohne Gedanken an Alkohol überstanden.

    Auf die Idee, mir etwas antrainieren zu wollen, um mit Alkohol leben zu können, wäre ich nie gekommen. Ich habe einfach gelebt, wie ich es wollte und konnte, bin gekommen und gegangen, wenn und wann ich wollte. Für mich hat nicht trinken nichts mit Stärke oder Training zu tun, für mich ist mein trockenes Leben Haltung. Mit dieser Haltung lebe ich jetzt fast 9 Jahre ein freies, selbstbestimmtes Leben, mit allen Höhen und Tiefen.

    LG PB

    Es nützt nichts Jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.

  • Hallo Thalia,

    ich bin nun seit knapp 5 Jahren trocken. War von Anfang an hier im Forum und habe mich da natürlich auch mit den Grundbausteinen auseinander gesetzt.
    Mein - für mich - wichtigster Grundsatz ist auch heute noch das alkoholfreie Zuhause! Es käme für mich auch nie in Frage, für Gäste Alkohol zu kaufen, auch nicht alkoholfreies Bier etc. Mein Zuhause ist komplett alkoholfrei und wird es auch immer bleiben. Das ist mein Rückzugsort, mein "sicherer Hafen".
    In der ersten Zeit (so vielleicht 1-2 Jahre?) hab ich einen riesengroßen Bogen um alles gemacht, was irgendwie mit Alkohol zu tun hatte. Einfach, weil ich Angst hatte, dadurch Suchtdruck zu bekommen. Und auch, weil ich Alkohol einfach abstoßend empfand, seit ich nicht mehr getrunken hatte.

    Heute gehe ich (nicht wahnsinnig häufig, aber doch ab und zu) in Restaurants - dass dort Alkohol getrunken wird, macht mir inzwischen nichts mehr. Anders sieht es bei klassischen "Sauf-Kneipen/Bars" aus - da gehe ich auch heute nicht hin.
    Zu Veranstaltungen/Feiern, bei denen der Hauptzweck im Trinken liegt, gehe ich nicht - ist mir zu riskant und macht mir auch ganz einfach keinen Spaß...

    Ich war dieses Jahr das erste Mal, seit ich trocken bin, wieder auf der Geschäfts-Weihnachtsfeier. Ich bin dann relativ früh gegangen, als es zu alkohollastig wurde. Solche Abende hatte ich in den 5 Jahren vielleicht 2-3 Mal (auch aufgrund einer gewissen beruflichen "Verpflichtung", für die ich einen für mich akzeptablen Kompromiss gefunden habe - indem ich nur zu wenigen gehe und dann nur so lange bleibe, wie es sich für mich angenehm anfühlt).

    Ich fühle mich nach den 5 Jahren gefestigt genug, dass mir ein Bummel über den Weihnachtsmarkt z. B. nichts ausmacht - dennoch suche ich mir schon Unternehmungen/Freizeitaktivitäten aus, bei denen Alkohol keine (oder eine sehr geringe) Rolle spielt.
    Alkohol ist überall präsent in unserer Gesellschaft und ich denke, es ist Quatsch, dem komplett aus dem Weg gehen zu wollen. Denn das ist, in meinen Augen, schlicht und einfach nicht möglich, es sei denn, ich würde mich zu Hause einschließen... (z. B. einkaufen muss ich ja und in einem Supermarkt gibt es nun mal Alkohol - also das einfach mal als Beispiel).

    Durch meine Risikominimierung habe ich mittlerweile ein zufriedenes Leben, Alkohol gehört einfach nicht mehr dazu! Ich empfinde das auch in keinster Weise als Einschränkung, ganz im Gegenteil - erst durch die Trockenheit habe ich etwas erlangt, was ich als wirkliches "Leben" bezeichnen würde!!

    Daher betreibe ich auch weiterhin meine Art der Risikominimierung - denn wieso sollte ich mich unnötigerweise Situationen aussetzen, die mir "gefährlich" werden könnten?

    lg Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • Es ist alles ein bisschen entspannter geworden, aber richtig entspannt wurde es nie. Nicht so als hätte ich nie getrunken.

    Supermärkte mit ihren Bierdosenmonumenten sind mir heute egal (in den ersten Monaten hab ich meine Lebensmittel in türkischen Gemüseläden gekauft da war ich sicherer).

    Griechische Restaurants meide ich bis heute. Da gehörten Weizen und Ouzo immer dazu. Einmal hab ich das gemacht, nach 2 Jahren Abstinenz, mit Apfelschorle, und eine Woche später wäre ich gern nochmal hin aber dann “richtig“... war mir eine Lehre. Heute mach ich mir meinen überbackenen Feta eben selber :)

    Ich lasse die Weihnachtsfeiern im Beruf aus. Die Kollegen wissen warum. Die bechern da gerne. Dürfen sie auch. Aber ich muß es nicht angucken. Mich nerven Menschen auf Pegel, ich nehme es ihnen nicht übel, aber ich ticke da heute anders.

    Ein alkfreies Zuhause ist eh fundamental. Und sonst hab ich Glück... ich bin gern allein, gern in der Natur und hab eh einen Lebensstil in dem Alkohol keinen Raum hat. Das hat sich so entwickelt. Ich hab selten das Gefühl auszuweichen. Liebe Thalia, du bist ja auch Hamburgerin deshalb werd ich mal konkret... auf dem Kiez bin ich niemals. Im Duvenstedter Brooks aber mindestens einmal die Woche :) auch im November...

    Ich glaube nicht daß Ausweichen auf die Dauer eine Lösung ist, aber am Anfang (ein Jahr vielleicht ) notwendig. Wenn man dann neue Gewohnheiten entwickelt wird man finden was guttut. Dann muß man nicht mehr ausweichen. Dann lebt man eben woanders. Das ist ein sehr schönes Gefühl, ein Geschenk. Braucht aber etwas Geduld

    LG

  • Hallo Thalia,

    als ich feststellte, dass ich abhängig war, da war ich ja als „nur“ Coabhängiger hier im Forum. Weder das eine, noch das andere konnte ich einfach loswerden und da lag es für mich auf der Hand, denen, die hier die Regeln aufgestellt hatten, ohne Wenn und Aber zu folgen. Ohne Regeln, ohne Änderung meiner Einstellung, also einfach etwas zu tun, ohne zu hinterfragen, ging das nicht.

    Das Abstellen des Labereffektes und einfach konsequent etwas tun, hat dann vieles geändert.

    Das ist auch heute noch so. Ich wüsste nicht, warum ich nochmals Alkohol trinken sollte, aber Freunde, also die Menschen aus meinen Umfeld, die Wissen nicht was Alkohol anrichten kann, die vergessen sogar was alles mit mir passiert ist, warum, weshalb und verdrängen das gerne.

    Ganz am Anfang, da haben es die Freunde gut mit mir gemeint und wollten mir klarmachen, dass ich keine Probleme hätte und mich ganz einfach heilen, indem ich was trank. Die wussten es nicht besser und ich bin drauf reingefallen. Der Ursprung war, dass ich mich von den Freunden nicht rechtzeitig verabschiedet hatte, als ich noch konnte.

    Ich sein, beinhaltet auch anders sein, dazu muss ich ändern und ändern hat immer mit Scham und Angst zu tun, also mit Auslösern, die wie eine Zündschnur, die nur brennt, bis was hoch geht. Je weniger Risiko, je größer ist die Chance, dass nichts hochgeht.

    Wenn Du also an 365 Tagen 10 Gefahrenquellen mehr hast, dann ist im Laufe eines Jahres die Möglichkeit rückfällig zu werden 3650 Mal größer. Warum sollte ich mich dem aussetzen? Wie schnell ist ein Jahr rum?

    Rechne einmal zusammen, wie viele auslösende Gefahrenquellen es gibt, mal 365 Tage, mal 10 Jahre.

    Heute stehen ganz andere Dinge bei mir um Vordergrund, aber dieser gewaltige Risikoapparat hat mich nicht zusätzlich belastet.

    LG Karl

    Sie standen dar und fragten sich warum und nur einer meinte: warum nicht.

  • Vielen vielen Dank für die Diskussionsbeiträge bzw. wertvollen Erfahrungsberichte bis hierher!

    Ich kam auf die Fragestellung durch die Angst einer relativ frisch Abstinenten in meinem Umfeld, sie könnte, wenn sie den Alkohol meidet, sozusagen unvorbereitet sein, wenn sie dann doch mal in eine Situation gerät, in der getrunken wird, und dann nicht "gelernt" haben, damit umzugehen und, wie sie sagte, zu "widerstehen.

    Viele eurer Beiträge haben mir nochmal deutlich gemacht, dass es durch die wachsende, auch innere Distanz zum Alkohol (irgendwann) nicht mehr darum geht, zu "widerstehen".

    Das hier finde ich auch gut:

    Zitat von Penta

    die Dinge anders zu machen als vorher,

    Das ist etwas, an das ich mich auch heute nach dreieinhalb Jahren trockenem Leben noch manchmal erinnern darf, wenn ich wieder in alte Fahrwasser rutsche. So, wie ich früher gelebt habe, habe ich getrunken. Jetzt lebe ich anders.

    Schönen Sonntag Euch allen, und denen, die hier lesen.

    Thalia

  • Liebe Thalia,

    danke für deine Fragen.


    Zitat

    - keinen Alkohol zu Hause habe, auch nicht für Gäste


    Das ist ja quasi eine Basis. Als ich aufhörte zu trinken, war das für mich die erste selbst auferlegte Regel. Gedanklich erforderte es einen (kleinen) Mut, denn ich dachte zunächst, oha, aber wenn nun Gäste kommen, denen ich "etwas anbieten" muss/möchte.... dieses rein theoretische Problem stellte sich aber in der Realität gar nicht, vermutlich, weil ich mir dann auch schnell in der Theorie darüber klar war.
    Und wenn ich klar für mich bin, strahle ich das auch nach außen aus und es gibt keine innerliche kognitive Dissonanz und keine äußerlichen Unstimmigkeiten.


    Zitat

    - mich privat mit Menschen umgebe, die nie oder selten Alkohol trinken


    Mache ich auch so. Ich weiß aber, dass manche von denen durchaus mal ALkohol trinken, aber siee tun das nicht in meiner Gegenwart. Das reicht mir. Was sie in ihrem eigenen Zhause ohne mich treiben, geht mich nichts an.


    Zitat

    - auch im Berufsleben klargestellt habe, dass ich nicht trinke
    - und ähnliches mehr


    War für mich auch ein wichtiger Punkt und kostete mich anfangs durchaus Überwindung. Dieses Klarkriegen gegen meinen eigenen inneren Widerstand - nach dem Motto, das kann ich nicht bringen, HIlfe, was denken dann die Kollegen von mir? - war für mich wichtig und hat meine Trockenheit bestärkt.


    Zitat

    Aber ist es nicht auch wichtig, zu „trainieren“, in Gegenwart von Alkohol trinkenden Menschen zu sein, um die Erfahrung mit mir zu machen, dass ich auch dann nicht rückfällig werde, auch wenn sich mal Suchtdruck einstellen sollte?


    Weiß nicht.
    Ich hatte nie den Drang, da irgendwie pro-aktiv trainieren zu müssen. Abstinent zu leben und Trockenheit einzuüben war für mich Training genug. Das hatte auch damit zu tun, alte Gewohnheiten abzulegen und neue einzuüben.
    Wenn ich mir dann noch so eine Art Konfrontations-Therapie verordnet hätte... das wäre für mich nicht stimmig gewesen. Ich denke zwar nicht, dass es meine Abstinenz gefährdet hätte. Aber die kollektive Erfahrung hier im Forum spricht da ja eine andere Sprache.
    Ich habe das jedenfalls nicht vermisst und solche Situationen für mich nicht gesucht.


    Zitat

    Denn „ich kann dem Alkohol doch auf Dauer sowieso nicht aus dem Weg gehen“, wenn ich in unserer Gesellschaft leben will.


    Na und? Der Alkohol ist der Alkohol ist der Alkohol.
    Wie ich mich ihm gegenüber aufstelle, bestimme ich immer noch selber. Und nicht er.
    Also warum sollte ich mir eine gesellschaftliche Haltung bzw. Problematik zu eigen mache, die ich in meinem eigenen Leben gar nicht mehr benötige? Wenn alle anderen trinken wollen, ich aber nicht, dann konzentriere ich mich doch besser auf das, was ich für mich selber als richtig - im Sinne von stimmig für mein Leben - erkannt habe, als mainstream-mäßig mich nach dem Kurs der Masse auszurichten.


    Zitat

    Gerade von den länger Trockenen, die schon auf eigene Erfahrungen zurückblicken, würde mich interessieren, wie Ihr das konkret handhabt, und auch vor allem, was Ihr am Anfang offenbar richtig gemacht habt, so dass Ihr jetzt eben bereits länger als ein paar Monate trocken seid?


    Ich habe am Anfang alles entsorgt, was bei mir zuhause mit Alkohol in Verbindung stand, also nicht nur den Alk, sondern auch die Gläser, die Flaschenöffner, die Korkenzieher etc. Das war wie eine Befreiung.
    Ich habe analysiert, wo meine Trigger liegen. Da bin ich tiefer eingestiegen und habe alternative Routinen eingeübt.
    Ich habe äußerlichen Abstand hergestellt, also keine Kneipenbesuche, Barbesuche, trinkende-Menschen-Besuche, und auch innerlichen, indem ich mich mehr und mehr vom gedanklichen Alkohol gelöst habe. Dadurch konnte ich das Weinregal im Supermarkt sehr schnell links liegen lassen, ohne dass das Stress gemacht hätte.
    Ich habe meine Gewohnheiten hinterfragt und umgestellt. Dafür war es wichtig zu erkennen, welche Bedürfnisse den unterschiedlichen früheren Trink-Settings zugrunde lagen, und wie ich diese alternativ befriedigen könnte. Um dann genau diese Dinge im Alltag umzusetzen und gegebenenfalls leicht zu variieren, bis ich mich damit wohl fühlte.
    Ich wollte ja nichts vermissen. Beim Trinken habe ich trotz Trinken immer noch was vermisst. Dass das Trinken selber dazu betrug, hätte ich früher nicht gedacht. Jetzt ist es mir sonnenklar.


    Zitat

    Oder auch was ihr, im Nachhinein betrachtet, vielleicht „falsch“ gemacht habt.


    Ich war etwas ungestüm und ungeduldig am Anfang und wollte immer alles "richtig" machen. Das ist so ein altes Muster von mir.
    Dadurch habe ich mich unter Druck gesetzt, und Druck auf sich selber auszuüben ist potentiell riskant. Kann ich nicht empfehlen. Denn es kann zu Trinkdruck führen.
    Ich merkte aber auch schnell, dass ich ja viel mehr Zeit habe durch mein Nicht-Trinken. Und zwar qualitative Zeit, ohne Kater, ohne Watte im Kopf, ohne Verlangen nach Alk, und ich begann einfach damit, diese neue Zeit für meine trockene Weiterentwicklung zu nutzen. Bin dabei geblieben und lerne immer noch hinzu.

    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Liebe Viola,

    Danke für deine Antworten! :)

    Ich freue mich, dich zu lesen, und ich hoffe, es geht dir gut.

    Besonders gefällt mir dein Gedanke, dich (auch am Anfang) auf das zu konzentrieren, was du willst, und nicht auf das, was du nicht mehr wolltest. So einfach, und doch so wirkungsvoll.

    Und natürlich das hier:

    Zitat

    Beim Trinken habe ich trotz Trinken immer noch was vermisst. Dass das Trinken selber dazu betrug, hätte ich früher nicht gedacht. Jetzt ist es mir sonnenklar.

    Ich schick dir einen ganz besonders herzlichen Gruß!

    Thalia

  • Heute hatte ich mal wieder so ein Erlebnis, das mir aufzeigte, warum ich nichts mehr trinken will.

    Durch den gestrigen Sport, Hitze usw. hatte ich einen recht tiefen Komaschlaf, folglich bin ich heute morgen sehr gerädert aufgewacht und dachte im ersten Moment, dass ich besoffen bin und am Vorabend einen Vollrausch gehabt haben musste.

    Dieses Gefühl verschwand natürlich nach ein paar Sekunden und damit kam dann die Erleichterung, nicht nachdenken zu müssen, wo man sich schlecht aufgeführt hat, was man alles zerstört hat, welche Beleidigungen man wem an den Kopf geworfen hat, ob man Straftaten begangen hat, ob man sich irgendwo rechtfertigen oder verteidigen müsste oder ob vielleicht zur Abwechslung mal alles "im Rahmen" war und man es dennoch nicht beurteilen kann.

    Das wollte ich hier einfach mal so einstreuen.

    Grüße :)

  • Zitat

    Beim Trinken habe ich trotz Trinken immer noch was vermisst. Dass das Trinken selber dazu betrug, hätte ich früher nicht gedacht. Jetzt ist es mir sonnenklar.

    Da würde ich bei mir noch weiter gehen. Mich hat der leicht angeheiterte Zustand sogar genervt, weshalb es immer in schnellstmöglichem Zuschütten endete.

    Entweder 100 % nüchtern oder 100 % besoffen, nun fällt der zweite Teil eben weg. :)

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