...the day after... und neu in diesem Forum

  • Hallo zusammen,
    ich kopiere meinen Text aus der Vorstellung. Hoffe, das ist okay so.

    ich heiße Klaudia und mein Partner ist Alkoholiker. Wir sind vor einem halben Jahr zusammengezogen. Wir waren vor unserem Zusammenziehen erst ein halbes Jahr zusammen, er hat mir direkt am Beginn unserer Beziehung gesagt, was Sache ist, somit "wusste" ich Bescheid. Theoretisch. Im Zusammenleben zeigt sich die häßliche Fratze des Alkohols und auch die Fratze, in die sich mein Partner verwandelt.
    Ich habe viele Dinge gnadenlos unterschätzt.

    Ich habe die Vierzig überschritten und bringe selbst Lebensgeschichte mit, die ich zwar bestmöglich aufgearbeitet fühle, die mich aber sicher in der Beziehung zu meinem Partner beeinflusst. Ich weiß um die Gefahr der Co-Abhängigkeit und sicher habe ich die Tür dazu längst aufgemacht.

    Die Frage liegt nahe, warum ich bei meinem "Wissen" nicht gehe.
    Ich bin nicht an diesem Punkt.
    Ich setze mich damit auseinander und dieser Weg ist nicht meine letzte Option, aber eben auch nicht die erste.
    Dass ich nicht gehe, obwohl ich "weiß", hat viel mit meiner eigenen Lebensgeschichte zu tun. Viel gelitten und entbehrt und mich in mein Leben gekämpft. Ohne Menschen, die an mich geglaubt haben, wäre ich nicht hier.
    Ich glaube an meinen Partner. Und liebe ihn, fühle mich ihm verbunden.
    Warum ich an ihn glaube?
    Er ist einer von vier Geschwistern. Sein Vater war Alkoholiker, ist letztlich an den Folgen gestorben.
    Sein Bruder war Alkoholiker und ist mit Mitte vierzig gestorben.
    Mein Partner lebt noch.
    Vielleicht ist er "widerstandsfähiger". Vielleicht hatte er mehr "Glück", aber er ist noch hier.

    Mein Partner ist genauso krank wie sein Vater und sein verstorbener Bruder, das ist mir klar und alles, was ich in meiner Unwissenheit und vielleicht auch Naivität anfangs unterschätzt habe, habe ich in diesem halben Jahr zusammen leben schmerzhaft erfahren und lernen müssen.
    Mein Partner arbeitet hart, trinkt in der Woche nur ganz selten. Freitags am Abend läßt er sich dann völlig in den Alkohol fallen. Billigwodka und "Markennamen entfernt", zum Nachspülen vier Dosen Bier, das ist die Regel. Wenn er einen gewissen Pegel erreicht hat, versinkt er oft im totalen Schmerz, weint hemmungslos. Er sagt mir in solchen Momenten "sieh zu, dass Du Land gewinnst...ich zieh Dich mit in den Abgrund...".
    Totale Nähe kann innerhalb einer Sekunde zu Eiseskälte und Aggression werden.
    Die Aggression beschränkte sich auf verbale Ausfälle, die ich nicht runterspielen will.
    Gestern abend war etwas anders.
    Ich war zum Essen verabredet. Er wäre eigentlich mitgegangen, hat dann aber abgesagt, weil er noch Arbeit reinbekommen habe. Er macht Homeoffice.
    Er hatte mich vorher gebeten, ihm vom Einkaufen "Markennamen entfernt" mitzubringen. 0,3 Liter waren das insgesamt, er verlangte nicht nach Bier. Ich habe mir schon oft gesagt, vorgenommen und geschworen, ihm keinen Alkohol mitzubringen und ihm gegenüber auch formuliert, dass ich ihm zumindest keinen Schnapps mehr mitbringe. Selten und mit jedem Mal zuviel habe ich es dann doch getan, so dann auch gestern. Er hatte diese 0,3 L "Markennamen entfernt" hier, ich hoffte, dass ihm das genug ist und er einfach schlafen geht.
    Er hatte mir aber irgendwann eine Nachricht geschrieben, ich solle ihm noch nen "Markennamen entfernt" mitbingen. Ich entschied, es zu ignorieren.
    Fuhr nach Hause und als ich an der Ampel stehe, sehe ich ihn mit seinem Auto abbiegen, ebenfalls auf dem Weg nach Hause.

    Ich wurde wütend, fühlte Hilflosigkeit, Verzweiflung. Ich wußte, er hat die 0,3 Liter "Markennamen entfernt" getrunken und hat sich ins Auto gesetzt, um Nachschub zu holen.
    Wir kamen gleichzeitig zu Hause an. Ich sagte nur "ich denke, ich muss nichts sagen."
    Sein Gesicht sprach Bände, er fühlte sich ertappt und überführt, ich sah im an, dass er sich schämte.
    Er hatte sich eine große Flasche "Markennamen entfernt" geholt, die er auch trank.
    Ich trank einen einzigen mit.
    Ich entschied, mich nicht meiner Hilflosigkeit und Traurigkeit, die sich in solchen Momenten auch schon in Wut entladen hat, hinzugeben.
    Nickte zu Wortschwällen, ignorierte Provokationen und spielte zwischendurch mit meinem Handy.
    Ich kann rückblickend nicht sagen, wie es passiert ist.
    Irgendetwas traf mich im Gesicht, ich spürte Schmerz und ich spürte, wie mir Blut am Gesicht entlanglief.
    Entweder hat er tatsächlich etwas nach mir geworfen oder er hat seinen Arm ausschweifend bewegt und hat mich mit seiner Uhr im Gesicht getroffen.
    Es war aber keine Attacke im Sinne von "er hat mich geschlagen".
    Letztlich ist das egal. Meine Platzwunde habe ich anderthalb Stunden später im Krankenhaus kleben lassen.

    Meine Reaktion auf meinen Schmerz im Gesicht und das Spüren meines eigenen Blutes hat mich selbst Kontrolle verlieren lassen. Schüssel auf den Boden geschmettert, sein Glas mit dem "Markennamen entfernt" irgendwohin gepfeffert, mein Handy gegen die Wand geschmissen und er hat meine Hände als allererste Reaktion auf Beinen und Armen gespürt.
    Sein Kontrollverlust stand meinem gegenüber. Er erschrak über mein Blut im Gesicht, er fasste selbst in die Scherben der zerdepperten Schüssel, blutete dann auch.
    Machte sich später über meinen "Kratzer" lustig, ging selbst mit blutender Hand ins Bett. Ich fuhr dann ins Krankenhaus, war schnell versorgt und kam nach Hause, er schlief.
    Wachte irgendwann auf, wollte wissen, ob ich im Krankenhaus war. Sorge, die beruhigt wurde, kippte wieder in sich lustig machen. Er ging irgendwann schlafen.
    Stand heute morgen um 7 auf, war noch ziemlich alkoholisiert, setzte sich an seine Arbeit.
    Seitdem begegnen wir uns in unserer Wohnung für Augenblicke.
    Er zunächst eiskalt, sagte heute morgen "das war es dann wohl".

    Ich sagte ihm vor einer Stunde "das hier ist ein Tiefpunkt. Die sind für genau eine Sache gut. Wir sind wohl beide an einem Tiefpunkt. Ich will Dich nicht verlassen und ich will unsere Beziehung nicht kampflos aufgeben. Du wirst Deinen Kampf haben und ich habe meinen. Und vielleicht unseren zusammen. Das will ich Dir sagen."

    Wir konnten eben zusammen eine Zigarette rauchen. Er spricht nicht viel. Es gibt Spuren dieses Kampfes am Abend, die ich nicht zu beseitigen beabsichtige.
    Ich lasse sie nicht als Vorwurf bestehen, ich will aber auch nicht den Radiergummi nehmen und den Abend wegradieren in seiner nachträglichen Sichtbarkeit.
    Ich sehe ihn, wie er sie ansieht und ich sehe ihm Schmerz an. Wir schweigen beide für den Moment, ich lasse ihn und er lässt mich.

    Warum habe ich mich nun hier angemeldet?
    Ich habe von Anfang an drei Freundinnen eingeweiht. Aber sie sind Freundinnen, nicht betroffen und nicht erfahren.
    Ich hoffe hier im Forum aus Austausch. Vielleicht ist es sogar der "erste" Schritt zum Gehen.
    Ich fühle mich da nicht. Aber ich ignoriere diese Türe nicht, sie ist genauso sichtbar.

    Danke fürs erste Lesen.
    Klaudia

  • Liebe Klaudia. Hallo erstmal und schön dass du dich so öffnest. Was ich dir sagen kann.....Renn so weit und so schnell du kannst!!!!! Da wird gerade die nächst höhere Eskalationsstufe still und heimlich von ihm ausgehandelt. Wenn du jetzt bleibst passiert nur eins : es wird beim nächsten Mal schlimmer. Er sagt er trinkt, er warnt dich,er rät dir zu gehen!!!!! Er wird nicht aufhören und du wirst ihn nicht dazu bringen. Ich habe mal etwas gelesen: „wenn du eine Krabbé in einen Eimer tust,brauchst du einen Deckel,weil sie rauskrabbeln wird. Tust du zwei Krabben in einen Eimer,brauchst du keinen Deckel,weil die Eine die Andere immer wieder zurückzieht,sollte sie aus dem Eimer entkommen wollen“. So ist das bei einem Alkoholiker und einem Coabhängigen. Da will einer den anderen nicht gehen lassen......aber glaube niemals,dass das aus Liebe geschieht....... Lieber sterben beide,als dass der eine und auch der andere sein Suchtmittel ziehen lassen will . Geh so schnell und so weit du kannst. LG Mcfly

  • Liebe Mcfly

    Vielen Dank für Deine Zeilen. Ich erschrak, als ich sie las.
    "... Da wird gerade die nächst höhere Eskalationsstufe still und heimlich von ihm ausgehandelt."
    Ein solcher Gedanke tauchte noch nie bei mir auf.
    Ich will ihm das nicht zutrauen, spüre aber, dass Deine Worte irgendwo in mir etwas berühren, was ich vielleicht vor lauter Liebe und Hoffnung völlig verdrängt habe.
    Ich weiß, dass ich höllisch auf mich aufpassen muss.
    Wahrscheinlich bin ich schon tiefer im Strudel der Co Abhängigkeit, als ich mir selbst eingestehen will.
    An den Zeilen mit den Krabben ist was Wahres, ich erkenne uns/mich in diesem Bild.

    Ich muss nachdenken. Es ist nicht leicht. Wir sind noch gar nicht so ewig zusammen...gott sei dank muss ich wohl sagen. Mit jedem Tag mehr und jedem Hoffen mehr wird es wohl schwerer zu gehen.

    Der Teil in mir, der leidet weiß, ich sollte gehen.
    Der Teil, der ihn liebt, hofft.

    Danke für Deine Zeilen. I
    LG Klaudia

  • Hallo Klaudia,
    immer wenn es zwischen einem Paar körperlich brutal wird, bekomme ich beim Lesen Beklemmungen. Bist du dir sicher, daß das schon dein Tiefpunkt ist? Denn du bist ja immer noch dort. Wartest du auf einen "richtigen" Faustschlag ins Gesicht? Wo ist deine Schmerzgrenze? Scheinbar ist sie ja noch nicht erreicht. Wenn du von außen auf euch draufkuckst, dann würdest du gehen, oder? Es gibt ihn nicht ohne Alk und Brutalität, körperlich und verbal. Es ist eine Illusion zu glauben, daß er sich ändern wird. Wie war deine Geschichte bis vor dieser Beziehung? Klar ist man nicht gern allein, aber sowas tut ja nicht wirklich gut, egal wie alt man ist.
    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Linde,
    Ob ich mir sicher bin, dass das "schon" mein Tiefpunkt ist? Ich weiß es nicht.
    "Denn Du bist ja immer noch dort"...
    Deine Worte an mich sprechen sicher aus Erfahrung mit einem alkoholkranken Menschen.
    Ganz sicher ist der eine Alkoholiker in seiner Erkrankung und seinen Mustern und auch Manipulationen wie der andere Alkoholiker.
    Und genauso sicher ist es, dass es viele Gemeinsamkeiten zwischen co abhängigen Menschen gibt.

    Aber ich bin ich und bringe meine Geschichte mit. Und er ist er und bringt seine Geschichte mit.
    Meine Zeilen werden sicher viele Leserinnen und Leser an eigenes Erlebtes und Überstandenes erinnern.

    Der Rat liegt schnell auf der Zunge und die Tasten des PCs lassen sich leicht drücken.
    Versteh mich bitte nicht falsch, ich bin mir sicher, dass Deine Worte mir wohlgesonnene sind und die aus Erfahrung sprechen.

    Nur erlebe ich genau jetzt, was ich erlebe. Und bin mit meinen Gefühlen konfrontiert, die ich nicht an zehn Fingern abzählen kann.
    Ich schrieb, dass ich mich nicht an dem Punkt fühle zu gehen.
    Dass ich diesen Punkt sehe und ich vielleicht hier schreibe als ersten Schritt zum Gehen.

    Ich lese im Umgang mit alkoholkranken Menschen immer, dass es keinen Sinn macht, ihn zum Aufhören überreden oder überzeugen zu versuchen.
    Allzu leicht scheint es aber zu sein, einer Co Abhängigen (ich setze jetzt einfach mal voraus, dass ich das bin) zu raten, schnell Land zu gewinnen, Argumente zu nennen.

    Mich befremdet das ehrlich gesagt.

    Ich meldete mich hier in der Hoffnung an, mich austauschen zu können.
    Man kennt hier einander nicht. Liest einen Teil Lebensgeschichte. Die man vielleicht in Teilen oder in großen Teilen selbst erlebt und bewältigt hat.
    Nur kennst Du mich nicht, Du kennst ihn nicht. Kennst nicht meinen Lebensweg und meine gewonnenen Kämpfe und Du kennst ihn nicht.
    Er ist der Alkoholiker, der kranke Mensch, der Säufer, wenn man die ganz blinden und tauben Worte benutzen möchte. Betrachte ich ihn mit diesen Augen, dann unterscheidet er sich sicher nicht sonderlich von allen anderen Alkoholikern. Aber ich schaue durch meine Augen. Meine Augen sehen den Menschen und Mann, in den ich mich verliebte. Den ich zu lieben begann. Der leider etwas mitbringt, was Liebe zerstört. Aber JETZT empfinde ich diese Liebe für ihn, diesen Mann, der einen Namen hat, der ohne Alkohol ein Schatz von Mensch ist. Ich vergesse dabei nicht den Alkohol, ohne den es diesen Mann nicht gibt.

    Es tut mir leid, wenn ich Dir und/oder anderen Lesern meiner Zeilen nun Unrecht tu.
    Aber ich habe keine Erkältung. Ich kann nicht in eine Apotheke gehen und ein Rezept einlösen, was da heißt "Verlass ihn so schnell wie möglich".

    Was habe ich mir hier vorgestellt oder gewünscht?
    Sicher wünschte ich mir so etwas wie "Rat".
    Am meisten wünschte ich mir sicher so etwas wie "ich weiß, wie das ist. Habe ich so oder so ähnlich erlebt und habs geschafft/ bin auch am strampeln/kämpfen... Bei mir war es so/mir hat geholfen........"

    Ich will hier niemamdem zu nahe treten. Und wer sich die Zeit nimmt, meine Zeilen zu lesen, dem danke ich einfach schon dafür, dass er dies getan hat. Genauso für die Zeit und die Energie, auf meine Zeilen zu reagieren/zu antworten.

    Nur ist mir mit dem Rat "hau so schnell wie möglich ab" nicht geholfen.
    Ich bin dankbar für Gedanken/Perspektiven, die ich vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm hatte und die mir dabei helfen, meinen Weg zu finden.

  • hallo Klaudia,

    herzlich willkommen bei uns im Forum.

    Hier schreibt jeder aus seiner Sicht und von seinem erlebten.
    Ich bin nicht gegangen, aber das war ein Leben ohne Gemeinsamkeiten. Ich habe mir ein eigenes Leben aufgebaut.
    Bis ich hier ins Forum kam habe ich auch ähnlich gedacht wie du.
    Hätte ich so weitergemacht, wie vor meiner Anmeldung hier, gäbe es mich heute nicht mehr. Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht mir etwas anzutun.
    Mit einem nassen Alkoholiker kann ich keine Partnerschaft führen. Ich war alleine, er war nie da, obwohl er im Haus war.
    Ich werde dir auch keine Trennung nahelegen, weil ich es selbst nicht getan habe aber ich habe immer wieder darüber nachgedacht.
    Was ich dir aber sagen kann ist, es wird immer schlimmer.
    Das du deine eigene Geschichte mit bringst ist doch klar, und vieles habe auch ich erst im Rückblick verstanden.
    Es ist um dich, was kannst du tun damit es dir besser geht ? Was kannst du alten Mustern entgegensetzen, oder wie kannst du sie durchbrechen?
    Deinem Freund kannst du nicht helfen, tu etwas für dich. Das möchte ich dir ans Herz legen, weil du sonst vor die Hunde gehst.
    Nasse Alkoholiker sind die besten Schauspieler, sie können sehr gut manipulieren und sie kennen vor allem alle "Knöpfe" bei ihren Cos.
    Pass auf dich auf.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Liebe Klaudia,

    "Herzlich Willkommen" im Forum.
    Hast du schon mal aufgeschrieben, was du an XY liebst und was nicht? Natürlich hat dein Freund auch seine guten Seiten, die hat doch jeder Mensch.
    Man hat beim Lesen das Gefühl, dass du jemand bist, auf die man sich verlassen kann, ehrlich, hilfsbereit, ein Kumpel zum Pferde stehlen?

    Überlege mal, was hast an Beziehung in deinem Elternhaus vermisst und gibt es etwas an deinem Partner, dass dir die vermissten
    Bedürfnisse zurück gibt? Siehst du bei ihm Charakterzüge, die auch die deinen sind und sitzt ihr deshalb im gleich Boot?

    Wenn ja, ist das alles nicht die Liebe, die dauerhaft ist und dir Halt geben kann.
    Dein Partner ist vielleicht kein schlechter Mensch, allerdings glaube nicht, dass ihr viele Gemeinsamkeiten habt.
    Oder würdest du jemanden, der dir vertraut und alles für dich tut, mit boshaften Worten verletzen, seine Würde mit Füßen treten,
    ihn für deine Zwecke missbrauchen oder wenn er nicht kuscht noch nachtreten?

    Sieh es mal so! Falls ihr zwei zusammen gehört, dann könnt ihr euch ja das geben, was euch gut tut, euch weiter bringt, wo ihr
    Gemeinsamkeiten habt, ihr Spaß haben könnt. Eben so wie echte Freunde miteinander umgeben.
    Dafür muss man nicht unbedingt zusammenleben und die dunklelsten Seiten des anderen aushalten, wo er selbst sagt, dass du
    gehen sollst. Es schürt meist so richtig die Aggressionen, wenn sich ein Säufer in den eigenen 4 Wänden "volllaufen" lassen will und dabei beobachtet und bekrittelt wird. Zudem ist das ein Verhalten, dem er sich als Single voll hingeben konnte.
    Das gehört zum Alkoholiker-sein dazu. Was war denn der Grund, dass ihr zusammen gezogen seid? Oft weiß man, dass eine Alkoholikerkarriere sehr kostspielig ist und alles Hab und Gut langsam den Bach runter geht.
    Falls er mit den harten Sachen so weiter macht, was glaubst du wie lange er sich dann beruflich noch halten kann?

    Das sind alles Überlegungen, die dir bewusst sein müssen, wenn du den selben Weg gehen willst.

    Auch wenn das Leben bisher nicht besonders gut zu dir war, hast du die Ressourcen um für dich einzustehen. Sehr essentielle Ressourcen, die
    der nasse Alkoholiker nicht hat.

    Fakt ist: Man kann aus "eckig nichts rundes" machen. Pass auf dich auf!
    Alles Gute, Emma

  • Liebe Klaudia,
    vielleicht hilft Dir ein Gedanke:
    Der Mann KANN nicht der wunderbare Mensch sein, in den Du Dich verliebt hast, wenn er trinkt.
    Er WÄRE der wunderbare Mensch - ohne Alkohol.
    Aber er ist es nun einmal nicht. Es gibt die wunderbaren Seiten, gewiss. Nur sind sie eben nur ein Teil von ihm. Du wirst sie nicht so erleben, wie Du es Dir wünschst. Die Co-Abhängigkeit besteht u.A. darin, jenes auszublenden, das nicht wundervoll ist und sich nur auf die Hoffnung zu fokussieren, der gute Teil bliebe dann erhalten.
    Ich war mit einem wunderbaren Mann zusammen. Sensibel, musikalisch, gebildet, reflektiert.
    Er trank. Und für mich begann eine Zeit, in der ich immerzu wartete auf die (wenigen) Momente, in den er dieser wunderbare Mann war. Ich war "artig", bescheiden, stellte meine Bedürfnisse zurück um ab und zu ein wenig zu erhaschen von diesem wunderbaren Mann. Das war meine "Droge", ich war dauerhaft auf Entzug. Ab und zu ein Krümel seiner guten Seiten - eben wie die kleine Dosis einer Droge.
    Und genau dieser Mangel macht süchtig. Es macht süchtig, unzuverlässig Zuwendung zu bekommen. Du weißt nie, wann Dich was erwartet. Du weißt nie, ob und wie er reagiert auf Dich. Seine Sucht macht Dich zu einer Person in Hab-Acht-Stellung. Du wartest, Du hoffst, Du passt Dich an.
    Schlimmstenfalls fühlst Du Dich schuldig, dass er mit Dir nicht so liebevoll umgehst, wie Du es Dir wünschst.

    Ich rate Dir vor Allem zum Besuch einer Selbsthilfegruppe für Angehörige.

    I miss the one I saw in you

  • Liebe Klaudia. Dann schreibe ich dir mal wie es mir ging. Ich habe mich recht bald räumlich von meinem Alkoholiker getrennt und der war bei weitem nicht so heftig drauf wie deiner. Wir wollten die Beziehung weiterführen,halt in zwei Wohnungen. Am Abend seines Auszuges hatte er ne Neue, die er mir zwei Monate vorenthalten hat. Ich wusste nichts und habe mich halt gewundert warum er sich nicht mehr mit mir treffen wollte. Irgendwann habe ich eingesehen,dass wir keine Beziehung mehr haben und habe mich Offiziell getrennt. Zwei Monate später hatten wir telefonisch Kontakt. Er wollte mir erzählen,wie schlecht es ihm geht,er hat seine Beziehung „rückabgewickelt“ und würde gestalkt werden........er wollte allen Ernstes Rückhalt von mir...... Als das ins leere lief hat er sofort wieder eine gehabt. Und alle drei denken wir,es war die große Liebe......echt jetzt????? Und ich.....habe gelitten . Weil MEIN Suchtmittel weg war. Gott sei Dank wollte er mich nicht mehr sehn!,,,, Ich musste mit meinem Entzug klar kommen. Ich habe bei Alanon eine SH Gruppe gefunden und zwei Sponsorinnen. Ich habe tolle Freunde,mit denen ich viel geredet habe. Ich habe aus meinem Umfeld Alkohol verbannt. Habe mir einen Chor gesucht und singe mehr. Gehe viel spazieren und ins Fitnessstudio. Jetzt nach fast einem Jahr stehe ich gefestigt da und habe keine Ahnung mehr,was ich mir da eigentlich angetan habe. Ich fange an mich selber wirklich gern zu haben und würde mir das was in meiner ach so tollen Beziehung so passiert ist sicher nicht nochmal bieten lassen. Was mir auch geholfen hat war eine plus-minus Liste. Sehr aufschlussreich!!!!!! Ganz liebe Grüße Mcfly

  • hallo Klaudia,
    du kannst hier sehr viele Geschichten lesen, ohne etwas zu schreiben.
    du wirst deine Situation in vielen anderen wieder erkennen. auch die antworten die du bekommst, werden ähnlich ausfallen.
    aber, du wirst in dir auch was bewegen.
    ich stehe auch noch am Anfang meines Forums dabeisein, und spüre wie ich mich bewege, ob vor, zurück oder im Kreis, das ist unwichtig.

    wichtig ist das ICH etwas tue. nicht gleich den Handtuch werfen.

    lg ideja

  • Auch ich kopiere meine Zeilen aus der Vorstellungsrunde:
    Hallo Klaudia,

    wow! Ich bin sprachlos!
    Deine Geschichte ist meiner so ähnlich. Nur, dass bei uns (bisher) kein Blut geflossen ist. Aber ansonsten finde ich mich da absolut wieder.
    Und ich habe den Wunsch, mich mit dir auszutauschen. :)
    Ich habe hier bisher schon ganz viele verschiedene Geschichten gehört und auch sehr hilfreiche Tipps bekommen.
    Auch ich bin noch nicht soweit, dass ich gehen kann. Aber ich weiß, ich muss es tun. Das ist "unsere" einzige Chance. Und wenn nicht das, dann ist es zumindest "meine" Chance.
    Viele Grüße
    destiny

  • Ihr Lieben,
    ich danke Euch für Euere Worte, Euere Gedanken und auch fürs Verständnis, für die Zeilen hinter den Zeilen, in denen ich deutlich spür "die wissen, wovon sie reden und was zu tun war".

    Nicht geschieht ohne Grund und jeder Mensch, den man in sein Leben einziehen läßt, ist aus einem bestimmten Grund da, bedient etwas im andern.
    Das ist in meinem Leben bisher meine Erfahrung gewesen.
    Mein großes Thema im Leben ist das der Nähe zu Menschen und der gleichzeitigen Fähigkeit, mich abzugrenzen.
    Somit passt es total, dass mein Freund in mein Leben getreten ist bzw. ich ihn eingeladen habe.

    Ich verstehe immer mehr, dass ich nur eins tun kann und muss: mein Leben leben.
    Es ist auch letztlich das einzige, was ich für ihn tun kann.
    Es klingt so banal, aber es ist nicht banal und es ist auch nicht einfach umzusetzen. Denn mit meinen Gefühlen für ihn, die ich als sehr intensiv erlebe und fühle, bin ich in Sorge um ihn. Und wer sich um den andern sorgt, "läßt ihn nicht einfach allein".

    So richtig und hilfreich genau das wohl im Endeffekt ist (für beide), so gegensätzlich ist es eben zu dem, wie ja jeder für einen geliebten Menschen da sein will.

    Entschuldigt bitte, dass ich etwas gebraucht habe, um hier wieder zu schreiben.
    Da sind zum einen Pflichten und zum anderen brauchte ich ein paar Stunden mit mir, um Euere Gedanken nicht nur zu lesen, sondern auch richtig zu verstehen und ihnen Platz in mir zu schaffen.

    LG Klauda

  • Liebe Klaudia,

    ich finde es gut, dass du hier bist, es gab schon sehr viele Leute, die konnten mit diesen Sachen, die dir auch geschrieben wurden, -noch- nicht umgehen. Und fühlten sich erschlagen. Aber das möchte ja hier niemand, Ratschläge können aber bei Menschen sehr schnell als Schläge ankommen, vor allem, wenn die Menschen schon sowieso sehr verunsichert sind und kein Selbstbewusstsein haben. Wie das bei Cos sehr oft der Fall ist.

    Du stellst dich den Dingen und bist klar im Vorteil damit. Und du bist ehrlich, zu dir, zu allen, indem du sagst, dass du -noch- nicht aufgeben möchtest.

    Alle Dinge hier sind ein Angebot. Du darfst dir aussuchen was zu dir passt und was nicht. Ich habe mich auch nicht von einem auf den anderen Tag getrennt, im Gegenteil, als meine Freundin mal davon sprach war ich stinkesauer auf sie. Irgendwann habe ich aber für mich begriffen, dass es für mich der einzige Ausweg war.

    Zitat

    Denn mit meinen Gefühlen für ihn, die ich als sehr intensiv erlebe und fühle, bin ich in Sorge um ihn. Und wer sich um den andern sorgt, "läßt ihn nicht einfach allein".

    Genau das ist eine der größten Schwierigkeiten im Zusammenleben mit einem Abhängigen. Du siehst hinter dem Volltrunkenen ja den Mann, wie du ihn mit deinem Augen auch siehst oder kennst. Vielleicht hast du dir Gründe für seine Sucht überlegt, ich hatte das damals schon. Und darum tat mir mein Exmann auch leid. Er war ein Opfer in meinen Augen. Und er war ja ein Mensch. Und wenn er so betrunken war tat er mir leid. Wenn er geweint hat zum Beispiel. Längere Zeit war das in mir so Mitleid und meine Helferpersönlichkeit konnte das kaum mit ansehen. Ich musste doch was tun um ihn da raus zu holen. Ihm zu helfen.

    Hilfe fand er auch toll, also er fand es gut ein warmes Zuhause zu haben, ordentliche Kinder, gutes Essen auf dem Tisch, eine Ehefrau, die sich kümmerte. Ihm den Weg ebnete für seine eigene Bedürfnisbefriedigung. Er konnte ja seiner Sucht in Ruhe nachgehen, ich habe mich um alles gekümmert. Denn hinter dem betrunkenen Mann sah ich auch den hilflosen Buben, der nicht erwachsen werden durfte. Oder wollte. Das rührte mich so an.

    Später hat es mich ihn hassen lassen...

    Wobei er aber keine Hilfe wollte war dabei, wenn es um Veränderungen ging. Also wenn ich ihn bat, mal über sich nachzudenken, ihn bat, mit dem Saufen aufzuhören, da was zu ändern, sich professionelle Hilfe zu suchen. Er wollte das nicht ändern oder er konnte das - noch- nicht. Er hat wohl erkannt, wie es um ihn stand. Aber ändern wollte er nichts. Es war viel einfacher es so zu lassen wie es war. Er hatte ja im Prinzip auch alles was er brauchte.

    Nun stand ich da und war am Ende. Die viele Hilfe, das Sorgen und Kümmern und die viele Angst um ihn, das hatte mich zermürbt. Im Laufe der Jahre kamen noch viele Dinge dazu, bedingt sicher auch durch die Sucht und dem Kontrollverlust. Er wurde immer gemeiner und gehässiger, verletzte mich verbal und vernachlässigte alles. Und er hat mich nicht mehr geachtet. Ich war zu einem Gebrauchsgegenstand geworden. Und er hat mich benutzt. Auch s.exuell. Ich habe mich benutzen lassen. Denn noch immer dachte ich, dass er mir leid täte. Ich habe mein Leben hinten angestellt. Irgendwann hatte ich kein eigenes Leben in dem Sinne mehr. Ich wurde gelebt, zuerst mal durch ihn und dann auch noch durch seinen stark übergriffigen Bruder und dessen Frau.

    Da waren es dann ganz andere Dinge geworden, die mich an dieser Beziehung haben festhalten lassen.

    Zitat

    Mein großes Thema im Leben ist das der Nähe zu Menschen und der gleichzeitigen Fähigkeit, mich abzugrenzen.

    Das zum Beispiel...

    Und Ängste aller Art...

    Zitat

    Ich verstehe immer mehr, dass ich nur eins tun kann und muss: mein Leben leben.

    Dass du das verstanden hast ist so unglaublich wertvoll! Ich habe Jahrzehnte dafür gebraucht, dabei ist das doch das Selbstverständlichste der Welt. Und ja, du kannst dein Leben leben... und das gleiche Recht hat er eben auch. Und da sind wir wieder am Anfang.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Liebe Klaudia. Ich wollte dich mit meinem Ratschlag schnell zu gehen auch sicher nicht überfordern oder überrollen. Ich war nur schockiert,dass dein Freund eine Platz Wunde die er dir ,wie auch immer,zugefügt hat als Kratzer abtut. Da gehen bei mir alle Warnlampen an. Ich wünsche mir für dich,dass du schauen kannst was du möchtest....nur für dich in deinem Leben.... Und dass du für dich selber der wertvollste und wichtigste Mensch bist oder wirst. Es ist dein Leben und nur deins was an erster Stelle stehen sollte. Schau mal von außen drauf und stelle dir vor deine beste Freundin oder gar deine Tochter würde dir erzählen,dass ihr das so passiert ist,wie du es beschrieben hast......was würdest du fühlen,was würdest du dir für sie wünschen????? Viel Kraft und viel Liebe für dich selber wünsche ich dir. Mcfly

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