Hallo Zusammen und schon einmal gleich vorweg: Danke für die vielen Berichte, die ich bisher lesen durfte. Ich bin erstaunt, dass es so viele von "uns" gibt. Ich dachte immer, ich bin alleine und schämte mich ziemlich.
Ich stelle mich deshalb ehrlich gerne vor und glaube irgendwie daran, dass ich mit Euch weiter komme.
Ich bin 47 Jahre alt und seit fast 30 Jahren mit meinem Mann zusammen. Vor 16 Jahren haben wir ein Kind bekommen und damals auch geheiratet. Vor ein paar jahren haben wir ein Haus gekauft und werkeln seither daran herum. Eigentlich leben wir unser perfektes Leben. Wenn da nicht dieses Riesenproblem wäre.
Zu Beginn unserer Beziehung haben wir beide getrunken. Wir haben damals auch beide noch geraucht und uns so allabendlich benebelt. Wir waren in unserem Kosmos und haben auch niemanden anderen gebraucht. Mit unserem Kind kam die Veränderung. Ich habe mich eigentlich alleine um die Erziehung gekümmert. So fühlte es sich jedenfalls oft an. Für meinen Mann habe ich zurückgesteckt. Er war schließlich auch der Großverdiener. Ich war eigentlich eine gut finanzierte Alleinerziehende. Während dieser Zeit stand ich oft daneben. Ich konnte mich nicht mehr auf ihn verlassen. Denn meine Perspektive war nun eine andere. Er trank alleine. Ich habe mich je nach Lebensphase und Möglichkeit immer mal wieder darauf eingelassen. Ich habe mitgeraucht, mitgetrunken. Je nachdem, wie ich den Spagat zwischen Kind und Alltag mit meinem Mann geschafft habe. Er hat sich eigentlich nie wirklich auf uns eingelassen, sonder eher sein Ding durchgezogen. Ich habe mitgemacht.
Es schlummert schon lange in mir, dass ich so nicht weiter machen kann. In regelmäßigen Abständen kochte ich dann über und konfrontiere ihn mit meiner Wut. ich sagte, ich möchte, dass er weniger trinkt. Er hat mir irgendwann einmal gesagt, dass er sich für das Trinken entscheiden würde, wenn ich ihn vor die Wahl stelle.
Inzwischen wurde mein Trinkverhalten auch grenzwertig. Ich habe gemerkt, dass ich das Bier mit Limo strecke, damit ich mehr trinken kann. Unser Kind hat mich ja auch nicht mehr sooo sehr gebraucht. Wobei wir nicht mehr zusammen getrunken haben, sondern das Trinken nebenbei lief. Es war wie Wasser ständig am Anschlag und gegen 22 Uhr waren wir dicht.
Irgendwann gab es für mich einen Schlüsselmoment: Er war mit einem seiner Saufkollegen unterwegs. Mitten in der Nacht kam er nach Hause und ich habe ihn eingekotet und im Erbrochenen schlafend auch der Toilette gefunden. Das ist nun ca. 2 Jahre her.
Seither habe ich keinen Tropfen mehr angerührt.
Nun hänge ich aber in dieser Endlosschleife gefangen und ich finde den Ausweg nicht mehr. Er trinkt ja weiter und ich spüre, wie meine Kraft schwindet. Ich steigere mich immer mehr hinein. Ich kann es nicht mehr ertragen. Wenn ich etwas sage, meint er nur, dass ich nicht von ihm verlangen kann, dass er meinen Wandel plötzlich mitmachen würde.
Jedes Zischen einer Bierflasche triggert mich. Jede Flasche, die rumsteht erfüllt mich mit Ekel. Ich zähle die Flaschen, die noch da sind um zu checken, wie viele er getrunken hat. Es sind meistens ca. 3-4 Liter Bier pro Abend. Ich kann ihn nicht mehr riechen. Ich kann ihm teilweise nicht einmal mehr in die Augen sehen. Bei dem Gedanken daran verkrampft sich mein Magen. Mit ihm darüber zu sprechen traue ich mich nicht, weil ich vor der Konsequenz Angst habe. Wenn ich anfange, stehe ich meistens da, wie das Kaninchen vor der Schlange und habe nur Nebel im Kopf - zitternd. Ich schaffe keinen klaren Gedanken, Null!
Letzte Woche habe ich es endlich geschafft, mich einer Freundin anzuvertrauen. Ich habe es auch klar angesprochen: Mein Mann ist ein Alkoholiker. Seit all der Zeit war das, als würde ich zu enge Schuhe ausziehen, dei Blasen an den Füßen sich erholen lassen. Nebenbei habe ich gemerkt, dass von den Freunden nur noch sehr wenige übrig geblieben sind. Ich bin so froh, wenigstens die eine noch zu haben, denn von meiner Familie habe ich mich inzwischen auch abgewendet.
Manchmal denke ich, es ist ja eigentlich nicht schlimm, wenn er trinkt. Er tut mir ja nichts. Er schlägt mich nicht, er wird nicht aggressiv. Einerseits. Weil ich halt eben auch inzwischen genau weiß, wie ich mich verhalten muss, damit das genau nicht passiert. Ich rede es mir schön, entschuldige es, lüge mir selbst in die Tasche, weil ich am liebsten alles nur harmonisch und schön hätte. Wir haben doch eigentlich das Perfekte Leben.
Ich habe in 2 Wochen einen Termin bei einem Psychologen. Ich möchte an meiner Co-Abhängigkeit arbeiten. Ich habe so das leise Gefühl, dass ich da ziemlich tief drinne stecke.
Aber das Gespräch mit meinem Mann liegt mir auf dem Magen. Ich muss darüber sprechen. Im Moment könnte ich ihn aber nur mit Dreck bewerfen. Ich muss erst einmal klar werden. Ich kann es noch nicht als Krankheit sehen. Diesen Schritt schaffe ich im Moment nicht.
ich hoffe, dass ich das bald schaffe. Aber nach 30 jahren kommt es nun auf die eine oder andere Woche auch nicht mehr an.
Vielleicht ist der erste Schritt der schwerste?
Euch danke ich für das Lesen meiner Vorstellung. Vielen Dank.