• Hallo liebes Forum!

    So, jetzt versuche ich auch mal, mich kurz vorzustellen: Ich bin kttnlos, 27 Jahre alt und schreibe gerade meine Masterarbeit. Ich bin hier, weil ich große Teile meiner Kindheit mit zwei suchtkranken Menschen, meiner Mutter und ihrem Partner, verbracht habe. Ich wusste schon sehr lange, dass meine Kindheit mich sehr gebeutelt hat. Doch wie sehr, ist mir erst in den letzten Jahren bewusst geworden, als es mir immer schlechter ging und ich deswegen eine Therapie angefangen habe. Nun, knapp 2 Jahre und eine Langzeittherapie später, haben sich meine akuten Symptome deutlich verbessert und ich bin mir meiner Muster bewusster. Und trotzdem fühle ich mich häufig so unfassbar lost und überfordert. Ich dachte, wenn ich die Therapie beendet habe, werde ich ein neuer Mensch sein, mich wie neu geboren fühlen. Mittlerweile ist mir klar, dass die Arbeit jetzt erst so richtig anfängt. Es fällt mir noch immer schwer, meine Bedürfnisse zu erkennen, Grenzen zu setzen, meine Gefühle zu akzeptieren, zu validieren und gut zu mir selbst zu sein. Besonders unter meinem Bindungsverhalten leide ich noch sehr. Meine Therapeutin hat mir empfohlen, mich nach Abschluss der Therapie an eine Selbsthilfegruppe zu wenden. Ich habe noch nicht den Mut, zu einer realen Selbsthilfegruppe zu gehen, aber möchte unbedingt weiter an mir arbeiten, den Weg nicht aus den Augen verlieren und mich mit Menschen austauschen, die ähnliches erlebt haben wie ich und die Fallstricke kennen!

    Ich freue mich auf euch,

    kttnlos

  • Hallo Kttnlos,

    herzlich Willkommen in dieser Online-SHG.

    Ich selbst bin ebenfalls EKA, geprägt durch meine Kindheit und Jugend mit einem alkoholkranken Vater. Ich kann gut nachvollziehen, wie du empfindest und was für ein Weg hinter dir liegt.

    Und trotzdem fühle ich mich häufig so unfassbar lost und überfordert. Ich dachte, wenn ich die Therapie beendet habe, werde ich ein neuer Mensch sein, mich wie neu geboren fühlen. Mittlerweile ist mir klar, dass die Arbeit jetzt erst so richtig anfängt.

    Das kommt mir bekannt vor.

    Als ich erkannt hatte, dass ich Hilfe brauche, glaubte ich, dass die Heilung zügig erfolgen kann, wenn ich mich nur entsprechend intensiv bemühe. Und ich hab mich bei meinen Bemühungen wahrlich nicht geschont.

    Aus der Rückschau erkenne ich, dass und wie Enttäuschung, Frust und überzogene Selbstkritik auf diese Weise bei mir vorprogrammiert waren.

    Inzwischen denke ich anders darüber und ich gehe das Ganze auch etwas anders an.

    Die gute Nachricht ist ja, dass so etwas wie Heilung möglich ist. Und da ich inzwischen mein Inneres Selbst näher kennen- und lieben gelernt habe, sehe ich auch, wie sehr es verletzt worden ist, und ich nehme wahr, für wen ich mich da bemühe. Und für dieses innere Selbst nehme ich mir gerne alle Zeit der Welt.

    Und auf meinem Weg gibt es so Vieles zu entdecken.

    Hier in diesem Forum bin ich auf Menschen gestoßen, die nachvollziehen können, wie es mir geht, und ich erhalte immer mal wieder Hilfe zur Selbsthilfe.

    Ich wünsche dir einen guten und hilfreichen Austausch.

    Viele Grüße

    AufderSuche

    Einmal editiert, zuletzt von AufderSuche (6. Juli 2021 um 08:50)

  • Hallo Kttnlos,

    willkommen im Forum!

    Der Therminus den wir hier verwenden ist EKA (Erwachsenes Kind von Alkoholiker(n))

    Das Forum versteht sich als eine Selbsthilfegruppe ;) nur ohne feste Termine und 24/7 geöffnet.

    Es ist denke ich wie du schon erkannt hast wichtig zu sehen, dass es ein Prozess ist, die Schäden können nicht ungeschenen gemacht werden und ignorieren führt nur dazu, dass sich Leichen im Keller auftun die dann als Zombis wieder herauskriechen ... das kann auf Dauer nicht gut gehen.

    Daher kann man lernen damit gut zu leben und ganz viele neue, intressante Erfahrungen machen und sich selbst neu kennenlernen und auch wieder etwas mehr Balance zum inneren Kind zu finden.

    Grüße

    Barthell

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo AufderSuche und Barthell,

    danke, dass ihr euch Zeit für ein paar Begrüßungsworte genommen habt. Ich bin mir sicher, ich bin in diesem Forum gut aufgehoben

    Als ich erkannt hatte, dass ich Hilfe brauche, glaubte ich, dass die Heilung zügig erfolgen kann, wenn ich mich nur entsprechend intensiv bemühe. Und ich hab mich bei meinen Bemühungen wahrlich nicht geschont.

    Aus der Rückschau erkenne ich, dass und wie Enttäuschung, Frust und überzogene Selbstkritik auf diese Weise bei mir vorprogrammiert waren.

    Oh ja, damit kämpfe ich noch immer. Ich arbeite hart an mir, dennoch fällt es mir total schwer, nicht ungeduldig mit mir selbst zu sein, weil ich noch immer schnell in alte Gedanken- und Verhaltensmuster falle. Dann fällt es schwer, den Mut nicht zu verlieren - es gibt einem ja auch niemand eine Rückmeldung, ob das überhaupt alles sinnvoll ist, wie man versucht zu heilen. Ich weiß also nie: Bin ich auf dem richtigen Weg und brauche einfach nur mehr Zeit? Oder habe ich da jetzt eine falsche Abzweigung genommen? Vielleicht schaffe ich es ja irgendwann, eine ähnliche Einstellung wie du zu entwickeln.

    und ignorieren führt nur dazu, dass sich Leichen im Keller auftun die dann als Zombis wieder herauskriechen ... das kann auf Dauer nicht gut gehen.

    Oh ja, diese Erfahrung habe ich in den letzten Jahren gemacht. Glücklicherweise habe ich das bereits jetzt erkannt und habe einen Richtungswechsel eingeschlagen: Fühlen. Unangenehm, aber effizient(er) :D .

    Ich freue mich jedenfalls, jetzt in diesem Forum zu sein und mehr von euch zu erfahren und zu lernen!

    Kttnlos

  • Danke Hartmut, für die Freischaltung!

    Ich habe mich die vergangenen Tage in einige Threads eingelesen und erkenne mich in vielem wieder. Ich werde mich in Zukunft bestimmt auch rege einbringen - sobald ich mich etwas orientiert und zurechtgefunden habe. Ich habe mir vorgenommen, das Forum zu nutzen, um nun, nach Abschluss meiner Therapie, weiterhin meine Vergangenheit aufzuarbeiten. Zwar ist bei mir "nach außen" gerade alles im Lot, aber drinnen brennt es häufig noch gewaltig. Deshalb möchte ich im Lauf der Zeit im Forum die Erkenntnisse, die ich in meiner Therapie erlangt habe, berichten; vertiefen, was mir im Alltag noch schwer fällt.

    Als erstes erzähle ich euch vielleicht noch ein bisschen mehr meiner Geschichte:

    Die ersten 8 Jahre meines Lebens waren relativ behütet. Meine Mutter war alleinerziehend, mein Vater hat die Familie verlassen, als ich ein Baby war und ich habe keinen Kontakt. Es gab also nur meine Mutter und mich. Das war aber sehr schön. Zwar habe ich von damals bereits einige Erinnerungen, in denen meine Mutter "irgendwie anders" war (und das mochte ich gar nicht), aber damals konnte ich es weder zuordnen, noch war es besonders häufig. Als ich 8 wurde, lernte meine Mutter ihren langjährigen Lebensgefährten kennen (heute sind sie getrennt). Er ist ein - noch heute uneinsichtiger - Alkoholiker, der 2x die Woche nachts betrunken und verbal extrem aggressiv und streitlustig nach Hause kam. Eine meiner ersten Begegnungen mit ihm war, dass er mich im Suff gepackt und aufs Bett geschmissen hat, weil ich nicht schlafen gehen wollte. Seitdem lag ich immer mit riesiger Angst im Bett, wenn er mal wieder nicht nach Hause kam, weil ich wusste - heute rastet er wieder aus. Als ich etwa 11 / 12 Jahre alt war, merkte ich zunehmend, dass mit meiner Mutter etwas nicht stimmte; sie schlief nur noch und war ganz komisch. Irgendwann bedrängte ich sie so sehr, dass sie mir gestand, sie habe ein Alkoholproblem (das Wort Sucht vermied sie damals noch tunlichst). Und seitdem war es ein Auf- und Ab-; mit viel Hoffnung und vielen Rückfällen und vielen Enttäuschungen. Zwischenzeitlich war sie 6 Jahre lang trocken, aktuell ist sie wieder seit 3 Jahren trocken. Aber ehrlich gesagt warte ich nur auf den nächsten Rückfall. Was ihr Alkoholismus und der Alkoholismus ihres Partners mit mir gemacht hat, ist noch immer ein Tabu-Thema. Dann fallen Sätze wie: "Ja, ich weiß, es war schlimm für dich. Aber denk doch mal an mich - ich bin doch krank, nicht du" etc. Dann wird sich damit gebrüstet, wie gut ich trotz der Sucht doch geraten bin, ohne dass sie wirklich jemals danach fragt, wie es mir eigentlich geht. In den vergangenen Jahren habe ich dann gemacht, was wohl viele EKAs machen: Ich habe mir selbst einen mindestens alkoholmissbrauchenden Partner gesucht und alles gemacht, was man halt so tut: Ich habe versucht zu helfen, obwohl ich von ihm keine Unterstützung zu erwarten war, habe mir den Mund fusselig geredet und bin auf falsche Versprechungen reingefallen. Das ging 3 Jahre so, dann habe ich die Beziehung beendet (eine der besten Entscheidungen meines Lebens).

    Heute versuche ich viel mehr auf mich selbst zu achten, aber ich merke, dass meine Energiereserven durch diesen jahrelangen Kraftakt einerseits und dem permanenten Aufarbeiten einfach aufgebraucht sind. Weshalb ich mich momentan auch ehrlich gesagt gar nicht unbedingt besser fühle, obwohl vieles besser geworden ist!

    Das ist so die grobe Geschichte. Ich hoffe, der Text ist nicht zu lang geworden. Es tut einfach gut, die Geschichte mit Menschen zu teilen.

    Eure Kttnlos

  • Hallo Kttnlos,

    Danke dir für deine ausführlichere Vorstellung, so kann ich mir ein besseres Bild von dir machen und was dich bedrückt.

    In Manchem, was du von dir erzählst, entdecke ich etwas von mir wieder, beispielsweise die Angst oder Erwartung eines nächsten Rückfalls deine Mutter. Das ging mir bei meinem Vater ähnlich, nur dass seine Trockenzeiten kürzer waren als die deiner Mutter und ich auch noch deutlich jünger war.

    Dass deine Mutter nicht wahrnehmen kann oder will, was ihr Alkoholismus und der ihres Partners mit dir gemacht hat, ist mir auch nicht gänzlich unbekannt.

    Meine Mutter hat zwar wahrgenommen, was die Alkoholkrankheit meines Vaters und ihr Verhalten mit mir und meiner Schwester gemacht hat, aber das ganze Ausmaß konnte sie nicht verstehen. Irgendwann begriff ich oder spürte ich auch, dass sie völlig daran zerbrochen wäre, wenn sie es ganz an sich herangelassen hätte. Ab dem Zeitpunkt habe ich das Thema ihr gegenüber nicht mehr angesprochen. Es hat sie so schon schwer getroffen, dass auch ich an Depressionen erkrankt bin, ebenso wie sie.

    Deinen Worten entnehme ich, dass du dir wünschst, dass sie dich sieht, und dass du enttäuscht bist, dass sie es nicht tut, sondern nur sich und ihre Krankheit wahrnimmt.

    Darf ich dich fragen, was du dir davon erhoffst, dass sie dich sieht? Glaubst du, dass ihr Schuldeingeständnis dir Erleichterung verschaffen würde?

    Ich selbst habe mir das nämlich eine Weile gewünscht. Ich sehnte mich so sehr danach. Es hätte mir nachträglich so etwas wie Geborgenheit gegeben.

    Das Gefühl, dass die Kraftreserven aufgebraucht sind, ist mir ebenfalls vertraut. So ging es mir auch eine ganze Weile, denn ich hatte das Gefühl, immer kämpfen zu müssen.

    Inzwischen habe ich neue Kraftreserven bekommen. Nicht immer fühle ich mich stark und ich habe ab und zu auch schlechte Phasen, aber die Tendenz sieht ganz gut aus.

    Entscheidend für mich war, mich selbst und meine Stärken kennengelernt zu haben. Gelernt zu haben, mir Pausen für mich zu nehmen und mich auf die Suche nach dem zu begeben, was MiR wirklich gut tut.

    Dazu gehört, immer wieder auf das Positive zu achten und es gebührend wahrzunehmen.

    Dazu gehört auch - und ich gestehe, dass mir das wirklich schwer fällt - mich eine Weile gerade nicht mit meiner Vergangenheit zu beschäftigen, sondern mit der Gegenwart, mit dem Hier und Jetzt.

    Und was das Drinnen betrifft, das habe ich hier in diesem Forum gelernt, so habe ich begonnen, mich auf die Suche nach meinen Inneren Helfern zu begeben.

    Gerne lese ich mehr von dir.

    Herzliche Grüße

    AufderSuche

  • Liebe AufderSuche,

    ja, ich denke, wir EKAs haben so einiges gemeinsam. Meine Therapeutin empfahl mir damals das Buch "Familienkrankheit Alkoholismus" und ich dachte die ganze Zeit nur "Oh mein Gott, das bin ja ich!".

    Irgendwann begriff ich oder spürte ich auch, dass sie völlig daran zerbrochen wäre, wenn sie es ganz an sich herangelassen hätte. Ab dem Zeitpunkt habe ich das Thema ihr gegenüber nicht mehr angesprochen.

    Ich weiß, dass meine Mutter es nicht eingestehen kann, aus ebendiesem Grund. Aber ich empfinde es als nicht richtig, dass ich deswegen Nachsicht haben muss. Ich dachte jahrelang, ich habe meinen Frieden damit gefunden. In der Therapie hat mich eingeholt, dass das gar nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob ihr "Schuld"eingeständnis mir Erleichterung verschaffen könnte. Die Verletzungen sind in der Kindheit entstanden und was ich damals gebraucht habe, kann man mir jetzt schlichtweg nicht mehr geben. Ich sehe es auch nicht als Schuldeingeständnis, wie du es nanntest AufderSuche. Ich sehe es "als Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen". Damit meine ich nicht nur ihre Sucht, sondern auch, dass sie ihren Lebenspartner immer über mich gestellt hat; immerhin lag ich 6 Jahren lang jede Nacht vor Angst zitternd im Bett und sie wusste das. Meine Mutter und ich, wir haben ein schwieriges, verstricktes Verhältnis, meine Therapeutin nahm auch die Worte "emotionaler Missbrauch" in den Mund. Ich möchte eigentlich an dieser Beziehung arbeiten. Aber man kann nur an einer Beziehung arbeiten, bei der beide Teile das auch möchten. Meine Mutter lebt in der völligen Illusion, dass bei mir alles prima ist und will auch gar nichts anderes hören. Sie wundert sich nicht einmal, dass ich mich kaum melde oder hinterfragt das; sie erfindet einfach Begründungen für sich selbst ("Wenn du nicht mehr so beschäftigt bist mit der Masterarbeit, melde dich mal wieder mehr!"). Jeder Versuch zu kommunizieren, was ich für eine bessere Beziehung brauche, wird im Keim erstickt. Stattdessen ist da totaler Stillstand: ich bringe es nicht übers Herz zu sagen "So will ich keinen Kontakt zu dir", weil sie das zerstören würde. Gleichzeitig macht mich die Situation, wie sie jetzt ist, total fertig.

    Entscheidend für mich war, mich selbst und meine Stärken kennengelernt zu haben. Gelernt zu haben, mir Pausen für mich zu nehmen und mich auf die Suche nach dem zu begeben, was MiR wirklich gut tut.

    Und diese Worte, liebe AufderSuche, passen perfekt zu dem Thema, das mich momentan beschäftigt. Ich bemerke, dass ich überhaupt nicht weiß, was mir Freude bereitet. Ich habe ein extrem anspruchsvolles Studium gewählt und früher in 3 Jobs gearbeitet, um mich finanzieren zu können. Dann noch eine Partnerschaft mit einem Süchtigen - Leben in Extremen. Da war gar kein Raum sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und langsam wird mir klar, dass das wohl auch unterbewusst der Sinn des Ganzen war. Jetzt stehe ich da und merke: Mir gehts richtig beschissen. Ich weiß, ich muss jetzt besonders gut zu mir sein, mir Freuden bereiten etc. und ich weiß einfach nicht mit was. Spazieren gehen, ein Bad nehmen, gut für mich kochen, ein gutes Buch lesen. Ich probiere alles aus, aber nach diesen ganzen Extremen fühlt sich alles so abgestumpft für mich an.

    Was hilft euch denn so?

    Um den heutigen Beitrag mit etwas gutem zu beenden: Heute habe ich diese negativen Gefühle zum ersten Mal als etwas positives gedeutet. Ganz plötzlich war da der Gedanke: "Hey kttnlos - immerhin FÜHLST du etwas. Egal, wie ungeil es ist. Das hast du jahrelang verdrängt und jetzt hast du Zugriff darauf. Und diese Gefühle sind deine FREUNDE. Sie zeigen dir, dass du noch besser nach dir Schauen musst und sie zeigen dir, was dir fehlt!

    Tut mir Leid für diesen endlos langen Beitrag - es ist nur einfach noch sooooo viel Redebedarf da.

    Eure Kttnlos.

    Einmal editiert, zuletzt von Kttnlos (19. Juli 2021 um 17:55)

  • Liebe Kttnlos,

    nun schaue ich auch bei dir vorbei und lasse dir ein paar Gedanken da.

    Ich weiß, dass meine Mutter es nicht eingestehen kann, aus ebendiesem Grund. Aber ich empfinde es als nicht richtig, dass ich deswegen Nachsicht haben muss. Ich dachte jahrelang, ich habe meinen Frieden damit gefunden. In der Therapie hat mich eingeholt, dass das gar nicht stimmt. Ich weiß nicht, ob ihr "Schuld"eingeständnis mir Erleichterung verschaffen könnte. Die Verletzungen sind in der Kindheit entstanden und was ich damals gebraucht habe, kann man mir jetzt schlichtweg nicht mehr geben. Ich sehe es auch nicht als Schuldeingeständnis, wie du es nanntest AufderSuche. Ich sehe es "als Verantwortung für die eigenen Taten übernehmen". Damit meine ich nicht nur ihre Sucht, sondern auch, dass sie ihren Lebenspartner immer über mich gestellt hat; immerhin lag ich 6 Jahren lang jede Nacht vor Angst zitternd im Bett und sie wusste das.

    Ich weiß nicht, ob ich das Nachsicht nennen würde.🤔

    Ich selbst sehe das eher als Einsicht in etwas, was ich nicht ändern kann.

    Wenn ich dich richtig verstehe, wünschst du dir, dass deine Mutter „Verantwortung für die eigenen Taten“ übernimmt, weil du in der Therapie gelernt bzw. wahrgenommen hast, dass du eben nicht deinen Frieden mit der Vergangenheit gefunden hast und weil du an eurer Beziehung arbeiten möchtest.

    Das Problem ist nur, dass sie eben nicht mitzieht.

    Ich kann gut nachvollziehen, dass dich das belastet.

    Darf ich fragen, ob du eine gewisse Wut auf deine Mutter verspürst?

    Ich hab in der Klinik das Buch „Das Drama des begabten Kindes“ von Alice Miller gelesen, das mir ein Mitpatient empfohlen hatte, und bin bei der Lektüre auf die Wut gestoßen. Ich bin meiner eigene Wut auf meine Eltern bei einem meiner vielen Spaziergänge, die ich während meiner Klinikzeit täglich absolviert habe, nachgegangen.

    Mir hat das damals tatsächlich geholfen.

    Für mich habe ich erkannt, dass ich nur für mich selbst „Verantwortung für die eigenen Taten“ übernehmen kann. Was andere tun, darauf habe ich keinen Einfluss.

    Natürlich tut mir das ein oder andere weh und mitunter leide ich nicht wenig darunter, was andere tun oder eben nicht tun. Da ich daran aber nichts ändern kann, suche ich mir meinen eigenen Weg. Nicht ohne Grund habe ich mir den Nickname „AufderSuche“ gewählt. ...

    Und diese Worte, liebe AufderSuche, passen perfekt zu dem Thema, das mich momentan beschäftigt. Ich bemerke, dass ich überhaupt nicht weiß, was mir Freude bereitet. Ich habe ein extrem anspruchsvolles Studium gewählt und früher in 3 Jobs gearbeitet, um mich finanzieren zu können. Dann noch eine Partnerschaft mit einem Süchtigen - Leben in Extremen. Da war gar kein Raum sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und langsam wird mir klar, dass das wohl auch unterbewusst der Sinn des Ganzen war. Jetzt stehe ich da und merke: Mir gehts richtig beschissen. Ich weiß, ich muss jetzt besonders gut zu mir sein, mir Freuden bereiten etc. und ich weiß einfach nicht mit was. Spazieren gehen, ein Bad nehmen, gut für mich kochen, ein gutes Buch lesen. Ich probiere alles aus, aber nach diesen ganzen Extremen fühlt sich alles so abgestumpft für mich an.

    Als ich in der Klinik war, wusste ich auch nicht, was MIR wirklich gut tut. Ich kannte zwar das, was man im Allgemeinen so hört - du hast ein paar Beispiele genannt - , aber irgendwie berührte mich das nicht. Und so versuchte ich, während eines meiner längeren Spaziergänge, herauszufinden, was MIR eigentlich wirklich gut tut. Erst kam da gar nichts. Mir ist noch nicht mal aufgefallen, dass zum Beispiel meine täglichen Spaziergänge, zu denen es mich innerlich von Anfang an drängte, weil das Gebäude, in dem ich untergebracht war, direkt an einem Wäldchen liegt, dazu gehören. Das erste, was aus meinem Inneren kam, war: Ein warmes Körnerkissen, so eins mit Dinkel gefühlt.

    Nach und nach kam anderes aus mir hoch.

    Gut tut mir inzwischen definitiv das Kuscheln mit meinen Hunden.

    Gut tun mir ab und zu Meditationen.

    Usw.

    Negative Gefühle versuche ich auch so wie du zu deuten. Sie zeigen mir Bedürfnisse an.

    Letztens habe ich gelesen, dass Krisen als Chance zu betrachten, eine wichtige Ressource der Resilienz ist.

    Liebe Grüße

    AufderSuche

  • Liebe Kttnlos,

    ich möchte dir noch ein paar Gedanken da lassen. Wenn du etwas damit anfangen kannst, gut, wenn nicht, lass sie einfach liegen.

    Du sprachst von dem Gefühl, dass deine Kraftreserven aufgebraucht sind. Das Gefühl kenne ich, wie gesagt, selbst ziemlich gut und auch ich suche da meinem eigenen Weg.

    Meine Erfahrung ist, dass die Beschäftigung mit meiner Vergangenheit zwar irgendwie notwendig für mich ist, um weiterzukommen, um verstehen zu können, was mit mir geschehen ist und um Heilung zu finden, dass sie mich aber auch enorm Kraft kostet. Wenn ich mich den Dingen allein widme - und ich neige dazu, das zu tun -, dann finde ich dort keine besseren Lösungen. Mein Arzt hingegen, der mich bislang therapeutisch ein wenig begleitet, der vermag meinem Blick auf etwas Positives zu lenken, er vermag mich zu stärken, in dem er hier und dort darauf verweist, dass ich gut/ sinnvoll/ ... gehandelt habe.

    Mein Inneres System ist bisweilen auch ziemlich in Aufruhr und das überfordert mich dann auch. In solchen Momenten ziehe ich mich meist zurück und kuschle mich irgendwo (Bett oder Sofa) ein.

    Manchmal aber suche ich meine beiden besten Freunde auf, die beide ebenfalls an Depressionen leiden, die Krankheit also von Innen kennen, aber gut und emphatisch zuhören können und mir auf ihre Weise Hilfestellung geben können. Bislang war es immer so, dass die Unruhe vorüber war, wenn ich von ihnen wegfuhr.

    Ansonsten bin ich auf der Suche, was MICH denn überhaupt stärken könnte.

    In der Regel ist das etwas, was im JETZT liegt.

    Ich übe mich in dem Gedanken, einfach so sein zu dürfen und dass das genug ist. - DAS fällt mir teilweise noch ziemlich schwer.

    Meditationen, die sich besonders mit auf den Atem beziehen, empfinde ich da als hilfreich.

    Ich spreche Selbststärkungssätze, wie ich sie innerlich gerade vor mir vertreten kann.

    Ich versuche mich darauf zu besinnen, was ich selbst an mir liebenswert finde.

    Ich übe mich in Achtsamkeit. Achtsames Gehen, achtsames Wahrnehmen, achtsames Essen usw., denn das lässt mich ganz bei mir sein.


    Als ich in der Klinik war, erinnerte ich mich daran, dass ich so gerne mal Motorrad fahren wollte. Und so war mein erstes großes Projekt, als ich aus der Klinik kam, den Motorradführerschein zu machen.

    Dass ich Motorradfahren als so schön empfinden würde, wie ich das jetzt tue, hätte ich damals nie erwartet. Ich hab inzwischen eine Maschine, auf der ich mich so richtig wohl fühle. Das Motorradfahren macht irgendwie auch den Kopf frei, weil ich einerseits konzentriert aufs Fahren bin und andererseits meinen Gedanken und Eindrücken freien Lauf lassen kann und im Moment, im JETZT bin. Es ist ganz anders als Fahrradfahren oder Autofahren oder Spazierengehen, auf eine andere Art sind das Sehen, Riechen, Fühlen, Hören sehr intensiv.

    Liebe Grüße

    AufderSuche

  • Hallo liebes Forum,

    nach langem Schweigen melde ich mich zurück. Ehrlich gesprochen: Ich war zu eingenommen von meiner Abschlussarbeit und wollte mich (vorerst) nicht zusätzlich belasten, indem ich mich intensiver mit mir auseinander setze. Jetzt ist die Abschlussarbeit schon seit einiger Zeit abgeschickt und ich habe große Lust, wieder aktiver im Forum zu schreiben, von euch zu lesen und zu lernen! Bei mir ist viel passiert. Nachdem sich die Situation mit meiner Mutter weiter zugespitzt hat, habe ich beschlossen, den Kontakt abzubrechen und ich muss sagen: Es war eine sehr schwere, aber befreiende Entscheidung. In der Außenwelt treffe ich teilweise auf großes Unverständnis. Ich habe oft das Gefühl, mich vor nahestehenden Personen für meine Entscheidung rechtfertigen zu müssen. Vielleicht treffe ich ja hier im Forum auf Mitleidende, die meine Entscheidung irgendwie verstehen können.

    Liebe Grüße,

    kttnlos

  • Hallo kttnlos,

    sowas verstehen EKAs eher als erwachsene Kinder von nicht-trinkenden Eltern.

    Aber unabhängig davon mußt du es nur einer Person rechtmachen: dir selber.

    Abstand tut gut, man kann sich stabilisieren.

    Aus einem örtlichen Abstand kann mit der Zeit ein innerer Abstand werden.

    Ich war jahrelang zig Kilometer von daheim weg. Das war gut so.

    Jetzt bin ich wieder in engem Kontakt mit dem Elternhaus, aber innendrin kann ich bei mir bleiben.

    Ohne meinen jahrelangen äußeren Abstand, ich weiß nicht, ob ich das heute so gut hinkriegen würde mit der Nähe.

    LG, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo kttnlos,

    Ich kann das gut verstehen und es war eine gute Entscheidung, den Kontakt abzubrechen.

    Mir ging es ähnlich mit meinen Vater, auch ich brach vor Jahren den Kontakt gänzlich ab, ich konnte das ganze Elend nicht mehr ertragen, ich bemerkte, daß ich zu viel litt und der Vater fröhlich weiter soff.

    Auch viele ehemaligen Freunde des Vaters, welche sich schon zuvor abwandten, fragten nach. Ich rechtfertigte mich nicht, ich sagte ihnen die Wahrheit, auch sie erlebten meinen Vater in desaströsen Zuständen und bat sie, mir zu berichten, wie es ihm geht, wenn sie ihn mal wieder besuchten.

    … keiner besuchte ihn...

    Du kannst dich nur selbst schützen, sonst wird "der Knacks" immer größer.

  • Hey kttnlos,

    Du bist hier absolut nicht alleine mit deiner Entscheidung. Ich habe auch nachdem ich meine Schmerzgrenze erreicht habe, den Kontakt zu meinem mittlerweile verstorbenen Vater abgebrochen. Obwohl der Abbruch erst als „einschlafen lassen“ oder Kontakt ruhen lassen gedacht war. Ich habe dann gemerkt, dass ich einfach keine Kraft habe immer wieder über die selben Themen zu reden.

    Zum Thema Unverständnis im Umfeld habe ich eine Frage:

    In der Außenwelt treffe ich teilweise auf großes Unverständnis. Ich habe oft das Gefühl, mich vor nahestehenden Personen für meine Entscheidung rechtfertigen zu müssen.

    Teilt dir dein Umfeld das aktiv mit oder hast du nur ein Gefühl. Denn da sehe ich einen riesigen Unterschied. Ein Gefühl käme aus dir selbst heraus und daran kann man etwas ändern ;).

    Vielleicht kannst du etwas mit meiner eigenen Erfahrung dazu anfangen. Ich hatte auch lange Zeit das Gefühl, dass alle sich fragen wie ich nur den Kontakt abbrechen kann, dass ich eine Rabentochter bin und meinen Vater im Stich lasse, dass man* sowas ja nicht macht mit den Eltern……blablabla…….dann irgendwann als ich mich schön mies gefühlt habe, hab ich mir die Fragen gestellt: hat mir sowas irgendwer schon mal direkt ins Gesicht gesagt oder habe ich mitbekommen, dass hinter meinem Rücken dazu geredet wurde? Was soll ich sagen, die Antwort war nein.

    Ich habe dann mit einigen Personen in meinem Umfeld genau dazu gesprochen und nirgendwo bin ich auf Unverständnis gestoßen. Das Gefühl war eben nur ein Gefühl und hatte mit der Realität nichts zu tun.

    Irgendwann später kam dann noch eine andere Frage dazu. Wie finde ich Leute die so über mich denken und lege ich Wert auf deren Meinung? Sind das dann wirklich Menschen, denen etwas an mir liegt? Ich hab für mich beschlossen, dass ich versuche darauf zu sch***en. Ich sage extra VERSUCHE. Denn das ist für uns EKA‘s nicht ganz einfach. Die Schuldgefühle und die Unsicherheit haben wir ja brav jahrelang gelernt.

    Die Arbeit zu unserer Vergangenheit wird wahrscheinlich nie wirklich enden. Du schreibst du hast eine Langzeittherapie gemacht und gelernt deine Muster langsam zu erkennen. Das finde ich sehr wertvoll und hoffe, dass du damit ein gutes Handwerkszeug für die Zukunft hast. Ich selbst profitiere immer wieder von meiner Therapie und kann das gelernte mal besser und mal weniger gut anwenden aber ich bleibe am Ball :). Dazu nutze ich auch dieses Forum.

    Ich wünsche dir Frieden mit deiner Entscheidung. Eine Entscheidung, die in meinen Augen richtig ist, denn sie hilft dir ja offensichtlich.

    Ganz liebe Grüße,

    Helena

  • Hallo liebe Forumsmitglieder,

    ich wollte die Osterfeiertage nutzen und ein kleines Update von mir geben und auf eure unterstützenden Beiträge eingehen.

    Du kannst dich nur selbst schützen, sonst wird "der Knacks" immer größer

    achelias obwohl meine Mutter nicht mehr trinkt, kann ich mich diesen Wort zu 1000 Prozent anschließen. Meine Mutter ist seit Jahren trocken, aber die Suchtstrukturen - Grenzverletzungen, Schweigegebote, Rollentausch - sind noch immer da.

    Helena_Strahlende auf deinen Beitrag würde ich gerne etwas genauer eingehen. Dafür braucht es jetzt aber etwas Kontext:

    Ich habe mich seit Beginn meiner Therapie zunehmend von meiner Mutter distanziert. Mir ist klar geworden, dass mir die Beziehung zu ihr nichts zurück gibt, dass sie emotionale Unterstützung von mir einfordert, aber mich quasi nicht kennt. Sie weiß überhaupt nicht, was mich umtreibt, belastet und es interessiert sie auch nicht. Meine Therapeutin bezeichnete ihren Umgang als emotionalen Missbrauch. Selbstverständlich merkte sie meinen Rückzug und konfrontierte mich immer wieder. Nach einem Jahr erklärte ich ihr dann doch, dass ich mich schlichtweg nicht gesehen fühle in unserer Beziehung und sie reagierte... positiv!

    Sie schlug eine Familientherapie/-beratung vor. Etwas, das ich mir schon immer gewünscht hatte. Ich machte mich also auf die Suche - und bemerkte dabei nicht, dass sie mich die ganze Arbeit mit Therapeuten/Beratersuche allein machen ließ. Lange Rede, kurzer Sinn: 2 Stunden vor unserem ersten Termin sagte sie das Ganze mit einer absolut lächerlichen Ausrede ab. Daraufhin brach ich den Kontakt ab mit den Worten: Wir können gerne wieder Kontakt miteinander haben, wenn sie bereit ist, die Beratung mit mir zu machen. Ich selbst gehe btw. immer noch in die Beratung, um besser mit der ganzen Situation umzugehen.

    Teilt dir dein Umfeld das aktiv mit oder hast du nur ein Gefühl.

    Klar, mein Partner, meine Freundinnen und Freunde unterstützen mich in meiner Entscheidung. Die haben ja auch mitbekommen, wie sehr ich Jahre gelitten habe. Aber auch wenn z.B. der Berater akzeptiert, dass ich erstmal keinen Kontakt zu meiner Mutter haben will, hat er schon öfter angedeutet, man könne zwar den Kontakt abbrechen, aber eine familiäre Bindung abzubrechen sei nicht so einfach. So nach dem Motto: Ein Kontaktabbruch ist keine langfristige Lösung.

    Mein Partner ermutigte mich vor ein paar Monaten immer wieder, mich seinen Eltern anzuvertrauen. Als ich nach mehrmaligen Motivationen seinerseits also einen vorsichtigen Versuch wagte (Ich erzählte in einer passenden Situation, dass meine Mutter mir schrieb, sie wünschte, sie hätte mich als Kind meinem Vater überlassen), nahm seine Mutter am Ende meine in Schutz. Ich war so gekränkt danach, dass mir die Tränen kamen. Safe to say, dass ich das Thema dort nie wieder aufbringen werde.

    Von meiner Cousine weiß ich, dass meine Mutter am Geburtstag meiner Oma nur darüber geredet hat, was für eine gemeine Tochter ich doch sei. Und in einem Wutanfall schrieb sie mir (neben 'Wie kann man als erwachsene Frau nur so nachtragend und selbstsüchtig sein) auch, dass selbst mein Patenonkel mich nun wirklich nicht mehr verstehe, obwohl der doch IMMER auf meiner Seite gewesen sei bisher.

    Und gestern die neue Krönung: Gestern rief ich meine Oma an, um ihr Ostergrüße dazulassen. Da ich gerade meinen Master absolviert habe, gehen mein Partner und ich ab Freitag für 2 Monate nach Chile, bevor ich meine neue Stelle im Sommer antrete. Und aus dem nichts meinte meine Oma: Du, kttnlos, bevor du nach Chile gehst, meldest du dich aber bei deiner Mutter. Sie ist soooo verzweifelt, weil du nicht mit ihr sprichst. Wenn du dich nicht meldest, das packt sie nicht. Dann ist sie in der Psychiatrie, wenn du wieder kommst.

    Einerseits triggert mich das ganze wahnsinnig. Es ist kein schönes Gefühl, die Hälfte der Menschen, die man liebt, gegen sich zu wissen. Es ist natürlich auch nicht schön für mich, dass es meiner Mutter schlecht geht. Und ein Teil von mir hat ein schlechtes Gewissen und will 'es wieder gut machen'.

    Aber der andere Teil wird immer wütender. Ich bekomme von allen Seiten Druck gemacht, doch bitte Einsicht zu zeigen. Aber ich empfinde das Verhalten meiner Mutter als manipulativ und mein Verhalten als gesund. Sie erklärt jedem, der uns beiden nahe steht, wie böse und gemein ich doch bin, stellt sich in die Opferrolle und verdreht Tatsachen. Sie ist nicht bereit MEINE Grenzen zu akzeptieren. Da ist in meinen Augen null Reflexion. Und jetzt wird MIR latent vermittelt, ich sei dafür verantwortlich, dass es meiner Mutter schlecht geht, und dass ich dafür verantwortlich bin, wenn sie in der Psychiatrie landet. Das alles führt dazu, dass ich immer weniger Kontakt zu ihr haben will. Ich will nicht erpresst werden.

    Das schlimmste ist, dass ihr Verhalten zieht. Seit gestern kreisen meine Gedanken um das Gespräch. Ich zweifle wirklich an mir: Soll ich nicht meinen Stolz runterschlucken und dafür meine Ruhe haben? Stelle ich mich wirklich einfach nur an, oder IST das manipulativ? Ich hoffe, eure Gedanken dazu können mir helfen, den Kopf wieder etwas freier zu kriegen.

    Eure kttnlos :)

  • Hallo kttnlos,

    deine Mama trinkt seit Jahren nicht mehr, gut. Nur, daß sich anscheinend nicht viel veränderte.

    Sie kann dir nicht verzeihen, was auch immer, und du „verzeihst“ ihr nicht, daß sie so ist, wie sie ist.

    Dazu ist jetzt auch noch die Oma dabei (auch eine Mama, die für ihr Kind das Beste will), deine Mutter akzeptiert keinen Mediator/ Beratung … wenn ein Miteinander nicht geht und dich dieses ständige Gegeneinander krank macht, bleibt nur noch, sich zurück zu ziehen.

    Vergibt deiner Mutter und beginne neu, begrabe das Kriegsbeil. Was nützt es, wenn jeder auf seiner Position verharrt und alles nur noch schlimmer wird? Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern.

    Gestalte die Gegenwart, versuche eine gute Grundlage für die Zukunft zu schaffen.

    Natürlich gibt der Klügere nach.

    Auch mit meiner Mama war es nicht immer einfach, doch wir arrangierten uns und profitierten beide.

    Nun ist sie tot.

  • Moin Kttnlos,

    in meinem Fall waren zwar fast alle verständnisvoll meiner Entscheidung gegenüber, dafür habe ich mich aber, wenn mir die Person wichtig war und eine Bereitschaft mir zuzuhören gegeben war, länger erklärt. Dabei war oft genug meine Wut und Hilflosigkeit Antriebsmotor. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sehr einen das aus der Bahn wirft, wenn die Situation verdreht wird. Bei meinem Papa war es mir eine ganze Zeit lang wichtig die Schuldfrage zu klären.

    Aber auch wenn z.B. der Berater akzeptiert, dass ich erstmal keinen Kontakt zu meiner Mutter haben will, hat er schon öfter angedeutet, man könne zwar den Kontakt abbrechen, aber eine familiäre Bindung abzubrechen sei nicht so einfach. So nach dem Motto: Ein Kontaktabbruch ist keine langfristige Lösung.

    Da würde ich persönlich eine Unterscheidung machen und das nicht in einen Topf schmeißen. Man kann die familiäre Beziehung (Bindung finde ich ein furchtbares Wort dafür, denn in der Natur ist es vorgesehen, dass sich die Kindern von den Eltern LÖSEN) anerkennen wie sie ist und TROTZDEM keinen Kontakt haben. Wer zwingt mich denn dazu, dass ich mich dieser entschuldige mal „s***-show“ aussetze, die mir weh tut….mich vielleicht sogar kaputt macht? Ich liebe meinen Papa immernoch, wollte ihn zu der Zeit aber trotzdem nicht sehen, denn das hätte weder mir noch ihm etwas gebracht. Ich finde das geht wunderbar zusammen. Da widerspreche ich mal dezent deinem Berater.

    Das schlimmste ist, dass ihr Verhalten zieht. Seit gestern kreisen meine Gedanken um das Gespräch. Ich zweifle wirklich an mir: Soll ich nicht meinen Stolz runterschlucken und dafür meine Ruhe haben? Stelle ich mich wirklich einfach nur an, oder IST das manipulativ?

    Für mich ist es völlig unerheblich ob das manipulativ IST? Wenn es sich für dich manipulativ ANFÜHLT, dann reicht das so. Dann zweifle ICH nicht an deiner Entscheidung. Manche würden das vielleicht so hinnehmen, eventuell ihren, wie du schreibst, Stolz runterschlucken. Mir persönlich würde der wahrscheinlich wortwörtlich nach kurzer Zeit wieder hochkommen. Eine gegen Frage: hättest du dann wirklich RUHE?

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Nachdem ich meinen Beitrag gelesen hab, kam mir mein erster Absatz ein wenig unvollständig vor. Eine kleine Ergänzung:

    in meinem Fall waren zwar fast alle verständnisvoll meiner Entscheidung gegenüber, dafür habe ich mich aber, wenn mir die Person wichtig war und eine Bereitschaft mir zuzuhören gegeben war, länger erklärt. Dabei war oft genug meine Wut und Hilflosigkeit Antriebsmotor. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sehr einen das aus der Bahn wirft, wenn die Situation verdreht wird. Bei meinem Papa war es mir eine ganze Zeit lang wichtig die Schuldfrage zu klären.

    Die Schuldfrage habe ich dann irgendwann ruhen lassen, weil sie mich nicht weitergebracht hat und nie eindeutig zu klären war :D.

    Außerdem wollte ich noch ergänzen, dass ich momentan auch wieder mit diesem Thema zu tun habe. Mein Vater hat einen Zwillingsbruder, der ebenfalls Alkoholiker ist. Mein Opa, also sein Vater, schwankt sehr in seiner Sichtweise und ist an manchen Tagen vollkommen bei uns und hat Verständnis, dass wir auch zu meinem Onkel versuchen den Kontakt auf ein Minimum herunterzufahren. An anderen Tagen steht er dann wieder komplett zu meinem Onkel und macht uns (meiner Mama, meiner Schwester, mir und meinem Mann) manchmal Vorwürfe, wie wir meinen Onkel behandeln bzw. nicht behandeln würden. Mir hilft da immer ein Stück weit die Vogelperspektive einzunehmen und zu schauen woher die Ansichten und Reaktionen meines Opas kommen. Verständnis zu zeigen. Er kann ja auch nicht aus seiner Haut…..das sind immernoch seine Jungs….Alkohol hin oder her…..er möchte als Vater trotzdem zu seinen Jungs halten. Er ist selbst zerrissen und verteidigt sein eigenes Handeln.

    Hinzu kommt noch, dass ich gemerkt habe, dass die Meisten Alkoholsucht nicht als Krankheit greifen und begreifen können. Deshalb wenig Verständnis davon haben, was Angehörige durchmachen und was ihnen gut tun würde. Da ist einfach viel zu viel Unwissenheit. Ich fahre gut damit, meine Geschichte, meine Gefühle und was die Reaktion meines Gegenübers mit mir macht, schonungslos auszusprechen. Empfehle den Leuten sogar sich mal ernsthaft mit Alkoholsucht auseinanderzusetzen. Natürlich nur wenn ich die Kraft dazu habe und ich es als zielführend empfunden habe. Dabei ist es mir egal, ob meine Worte was auslösen bei meinem Gegenüber. Manchmal muss das einfach aus meinem System raus. Nicht falsch verstehen, ich renne nicht draußen rum und verkünde jedem, dass mein Papa Alkoholiker war.:D.

    Wie gesagt, das bin ich. Ich kann sehr gut nachempfinden, wenn das nicht für alle das probate Mittel und die Hemmschwelle da einfach zu groß ist:).

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Lieber achelias,

    bei deinem Beitrag musste ich erstmal stutzen, denn für mich wirken diese beiden geschriebenen Aussagen wie ein Widerspruch.

    Miteinander nicht geht und dich dieses ständige Gegeneinander krank macht, bleibt nur noch, sich zurück zu ziehen.

    Vergibt deiner Mutter und beginne neu, begrabe das Kriegsbeil. Was nützt es, wenn jeder auf seiner Position verharrt und alles nur noch schlimmer wird? Die Vergangenheit kann man nicht mehr ändern.

    Gestalte die Gegenwart, versuche eine gute Grundlage für die Zukunft zu schaffen.

    Natürlich gibt der Klügere nach.


    Auch mit meiner Mama war es nicht immer einfach, doch wir arrangierten uns und profitierten beide.

    Ich möchte meiner Mutter für die Vergangenheit vergeben, sehr sogar. Dann hätte ich nämlich endlich Frieden. Aber zwei Dinge blockieren mich da leider: 1. Ich glaube nicht daran, dass meine Mutter trocken bleibt. Darauf zu vertrauen birgt ein riesiges Risiko für mich - nämlich wieder enttäuscht zu werden. Ich erwische mich noch immer bei dem Gedanken "Mal schauen, wann es wieder los geht." Ich bin permanent in Hab-Acht-Stellung. 2. Um vergeben zu können brauche ich Abstand. Ich muss in Ruhe meine Wunden lecken - wie lange das dauert, kann ich selbst nicht sagen. Aktuell fühlt es sich an, als würde das noch Jahre dauern. Das Problem ist, dass meine Mutter das nicht akzeptieren kann.

    Liebe Helena,

    deine Worte finde ich wahnsinnig beruhigend. Ich kann dir eigentlich in jedem Punkt nur zustimmen. Es hat Jahre gedauert, bis ich irgendwann verstanden habe, dass ich nicht alles schlucken muss, nur weil es sich bei der Person, die mich verletzt, um meine Mutter handelt. Ich habe mir die Zuversicht, dass es ok ist, sich zu distanzieren, soooo hart erkämpft - vor allem vor mir selbst. Jedes Mal, wenn jemand diese Entscheidung in Frage stellt, fühlt es sich so an, als würde man versuchen, mir diese Erkenntnis wieder wegzunehmen. Dann sitze ich da und versichere mir selbst: Es ist nicht so schlimm, wenn andere mich nicht verstehen. ICH verstehe mich. Aber es kostet mich dennoch Kraft.

    denn in der Natur ist es vorgesehen, dass sich die Kindern von den Eltern LÖSEN

    Ich sehe es ganz genau so. Doch meine Mutter lässt mich einfach nicht los. Sobald ich ihr das kleinste bisschen entgegen komme, tritt sie zuerst verbal nach mir (vielleicht um mich zu bestrafen, wer weiß das schon) und tut schon bald darauf auf heile Welt. Dann schreibt sie mir jeden Tag wegen dem unnötigsten Kram und will von mir hören, wie toll sie dies macht, wie gut sie jenes macht, wie toll und jung sie noch aussieht - wie ein kleines Kind das ruft "Mama, Mama, guck mal". Total verdreht. Und wenn ich ihr das nicht gebe, wird wieder geschnappt, aber erwartet, dass ich brav in der Spur laufe. Ich möchte einfach eine freundliche, aber distanziertere Beziehung zu ihr.

    Ich habe vorhin @Auroras Beitrag in Apis Strang gelesen:

    "Es ist dieser Allmachtsgedanke, der uns Cos umtreibt und immer wieder an den Abhängigen fesselt. Oft genug hat er das vielleicht auch selbst so gesagt: ohne dich kann-will-werde ich nicht weiterleben. So in der Art. Um dich festzuhalten, dir Verantwortung und Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich habe damals sogar aus dem Familienkreis sowas in der Art gesagt bekommen. "Ohne dich geht er drauf. Ohne dich geht er völlig den Bach runter". Solche Dinge. Das sind regelrechte Totschlagsätze. Die mich festgehalten haben. Und die MICH noch zusätzlich zu allem mit kaputt gemacht haben."

    Und ich dachte nur: Genau das passiert bei mir gerade! Der Alkohol ist weg, aber die Suchtstruktur ist da. Und ich fühle einfach so sehr, dass ich das nicht in diese Rolle gedrängt werden will. Nur fühle ich mich dabei wie ein egositisches *****loch.

    Eure kttnlos

  • Hallo kttnlos,

    deine Mutter will, daß du ihren Vorstellungen gerecht wirst, dieses passt dir nicht. Andererseits möchtest du deine Mutter gern so, wie du sie gern hättest.

    Keiner will (kann ?) sich ändern, die Meinungen „prallen“ aufeinander.

    Als meine Mutter nicht mehr arbeitete und auch keinen Partner hatte, kam sie mir der Einsamkeit nicht zurecht, versuchte ständig sich in mein Leben einzumischen, daran teilzuhaben, überhäufte mich mit Tips und gut gemeinten Ratschlägen und hatte immer Recht. Ich versuchte zu reden, zu argumentieren – die Mutter endete immer mit dem Satz: „ Ja, aber … „ .

    Irgendwann begriff ich, daß die Wahrheit/ Realität meiner Mutter nicht die meine war. Ich hatte eine andere! Ich bemerkte, ich kann meine Mutter nicht ändern, ich kann sie nur so nehmen, wie sie ist.

    Wenn ich einer Konfrontation aus dem Weg gegen will, kann ich nur „die Klappe“ halten und versuchen, das Beste daraus zu machen. Den Frieden wahren.

    Diese ständigen kleinen Streitereien/ Machtkämpfe, bei denen es in Wirklichkeit, um nichts ging, machten auch mir zu schaffen.

    Ich möchte einfach eine freundliche, aber distanziertere Beziehung zu ihr.“ das wünschte ich mir auch. Ich distanzierte mich und ging nicht mehr auf „ihr Gerede“ ein. Auch wenn es mir schwer fiel.

    Es dauerte lange Zeit bis meine Mutter begriff, zumindest akzeptierte, akzeptieren mußte.

    Was bringt es, wenn du deiner Mutter gegenüber alles ansprichst, es versuchst (für dich) zu klären und die Situation immer schlimmer wird?

    P.S. Natürlich standen meine beiden geschriebenen Aussagen im Widerspruch, es ist wie die Wahl zwischen Rückzug und Frieden. Du kannst auch den Krieg wählen und dich weiter aufreiben.

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