Guten Morgen,
an Deiner Geschichte kann man anhand der Reaktionen sehen, wie unterschiedlich sie wahrgenommen wird. Es gibt offensichtlich Leute in Deinem Umfeld, die das Ganze gar nicht so wild finden und für die ein Auszug nicht gerechtfertigt wäre, wenn ansonsten alles stimmt. Hier lese ich von Linde und vor allem von Sunshine nun die komplett andere Richtung. Jeder sagt bzw. schreibt es so, wie er persönlich es empfinden würde und gibt dann entsprechenden Rat.
Ich scheine da offensichtlich auch anders zu empfinden, als manche hier. Das fällt mir nicht nur hier in diesem Tagebuch auf, sondern auch in einem anderen Tagebuch, wo es darum geht, dass der Opa trinkt, der ein paar Mal im Jahr besucht wird. Auch da habe ich es als nicht "so dramatisch" empfunden. Hier bei Dir... da bin ich mir noch nicht so sicher
Es ist nämlich immer gefährlich, die Dinge, in denen man nicht selbst steckt "als nicht so dramatisch" zu sehen. Es kommt eben nur darauf an, wie DU sie empfindest. Fakt ist: Du leidest darunter so sehr, dass Du Dich hier angemeldet hast. Also ist DEIN Leidensdruck offensichtlich groß genug.
Ob der Leidensdruck Deiner Kinder groß ist oder ob er überhaupt da ist, das können wir hier überhaupt gar nicht beurteilen.
Was ich jedoch denke ist, dass Kinder nicht auf die schiefe Bahn geraten, weil ein- oder zwei Personen in der Familie es falsch vorleben. Da bin ich ganz bei Deinem Mann
Kinder werden mit so vielen Dingen im Leben konfrontiert. Mit Menschen, die nicht richtig ticken. Ob aggressiv, Alkoholiker oder sonst was. Wichtig ist, dass man mit ihnen REDET. Ihnen erklärt, wie es richtig ist und die Beispiele eben als das zu sehen, was sie sind, nämlich: Dass man es SO eben nicht richtig macht.
Ich beziehe es mal auf meine Situation: Ich lebe in dem selben Haus meiner Schwiegermutter. Das hier ist ein riesiges Haus mit vielen Wohnungen, ich habe eine Wohnung hier, wie jeder andere in diesem Haus auch, was bedeutet, wir haben keinen gemeinsamen Eingang. Allerdings haben wir ein sehr herzliches Verhältnis zueinander, ich kenne sie seit meiner Kindheit und gehe seit dem in ihrem Zuhause ein- und aus. Jedenfalls trinkt sie auch sehr gern. Nicht täglich und auch nicht immer ohne Ende, aber eben viel. Deshalb hab ich früher auch immer gern hier mal angehalten, als ich noch nicht in diesem Haus gewohnt habe. Zum Feiern war hier immer Besuch und man konnte sich ganz wunderbar einreihen.
Nun sind die Umstände ja komplett anders, dadurch, dass ich selbst trocken bin seit vier Jahren. Unser Verhältnis hat sich nicht verändert, wir haben uns lieb und sie ist immer für mich da (was ich gerade nach dem Tod meiner eigenen Mutter sehr schätze). Aber: Ich bin abends nicht mehr bei ihr, wenn sie Besuch hat oder auch allein ihr "Gläschen Wein" (wie niedlich) trinkt.
Ich gehe fast jeden Morgen zum Kaffee runter, wir erzählen uns alles (ja, wirklich alles) und ich helfe ihr sehr viel, sie hat mir früher mit den Kindern auch oft geholfen, wenn ich arbeiten musste. Abends aber, wenn ich höre, dass die Musik lauter ist oder wenn ich höre, wie es unten lauter wird, bekommt sie mich nicht mehr zu Gesicht. Ich halte mich von dem komplett fern und das geht aufgrund der Wohnsituation auch. Nun weiß ich nicht, wie das bei Euch ist.
Worauf ich aber hinaus wollte: Mit meinen Kindern rede ich total offen. Wenn die feststellen "Was hat Oma denn da unten schon wieder zu feiern", dann entgegne ich auch "Gar nichts, ihr wisst ja, dass sie leider zu viel trinkt". Wenn dann wirklich mal eine Familienfeier ist und sie wird dann sehr laut und jaaaaa, sie wird auch peinlich manchmal. Dann finden meine Kinder das nervig, aber das wars dann auch schon. Ich hab sie allerdings dann auch abends mal gefragt "Was sagt ihr denn zum Verhalten von Oma?". Tja, sie entgegnen dann im Grunde genommen das, was ich ihnen vermittele. "Sie trinkt zu viel und wenn ich später mal Alkohol trinken sollte, möchte ich mich nie so peinlich benehmen".
Zu Zeiten, wo ich selbst noch getrunken hätte, da hätte ich das Verhalten meinen Kindern gegenüber verharmlost. Nach dem Motto "So ist das nun mal, wenn man feiert". DAS wäre fatal gewesen, wenn das so weiter gelaufen wäre. DANN hätten meine Kinder so ein Verhalten als normal beigebracht bekommen. Aber doch nicht, wenn ich ihnen klipp und klar sage, SO IST ES FALSCH und es anders vormache.
Nun kommt das hier aber auch alle paar Wochen mal vor, dass wir es am Rande mitbekommen. Ansonsten läuft das hier normal ab. Wenn ich aber alle paar Tage direkt damit konfroniert werden würde, weil wir uns aufgrund der Wohnsituation eben NICHT aus dem Weg gehen könnten, dann hätte ich da absolut keine Lust drauf.
Nun weiß ich ja nicht, wie das bei Dir ist. Deshalb muss das einfach echt jeder für sich ganz allein sehen, ob er mit der Situation zurecht kommt. Ob es für die Kinder eine Belastung ist. Reden ist einfach das Wichtigste und eine Entscheidung treffen. Denn so ein Hin- und Her Gefühlszustand geht ja an die Nieren.
LG Cadda