Abby - ich bin eine Angehörige

  • Hallo zusammen,

    Ich bin Abby, bin 57 Jahre alt und lebe mit meinem an Korsakow erkranktem Lebensgefährten zusammen. Ich bin Wiederholungstäterin, mein vor 3 Jahren verstorbener Ehemann hat sich im wahrsten Sinne des Wortes totgesoffen, Leberzirrose. Ein halbes Jahr vor seinem Tod hatte ich die Kraft ihn zu verlassen. Meinen jetzigen Lebensgefährten kenne ich seit über 20 Jahren, er war immer für mich da und es war ihm wichtig, dass es mir gut geht. Gerade in der Zeit der Selbstvorwürfe, der Trauer und meiner Angst vor dem allein sein, war er da.

    Ich habe es nicht gesehen, nicht sehen wollen, nicht wahr haben wollen, verdrängt. Auch er ist Alkoholiker, das Bier am Abend, dass nicht das einzige blieb oder die Abende an denen wir uns nicht trafen weil er keine Zeit hatte. Letzten September erkrankte er an einer Wernicke Enzephalopathie und der Neurologe diagnostiziert ein Korsakow Syndrom. Tagsüber wird er in einer Tagespflege Einrichtung betreut und nach Feierabend kommt er nach Hause. Ich betreue ihn und bin nebenbei noch Berufstätig, merke aber das mein Tag zu wenig Stunden hat. Ich bin Co Abhängig und hatte tatsächlich gedacht sowas könnte mir nicht nochmal passieren 😢. Ich würde mich über einen offenen Austausch freuen und vielleicht auch über den einen oder anderen Tipp oder , oder, oder...

    LG Abby

  • Hallo Abby S.

    willkommen im Forum.

    Du weisst ja quasi was dich erwartet.

    Das Blöde ist: Alkohol bleibt immer gleich...

    Wenn der Tag zuwenig Stunden hast, nimmt dir irgend etwas Stunden weg, in dem Fall: die Pflege (oder der Beruf oder eine eigene Krankheit, wovon ich grade nicht ausgehe).

    Den Tip den ich geben kann: stelle dich selbst an erste Stelle.

    Du hast beileibe schon genug gelitten in deinem Leben, du darfst auch einmal jetzt nur für dich da sein. Gibt es denn die Möglichkeit dir selbst mehr Zeit zu "verschaffen" ohne dafür Beruf, Schlaf oder sonstige Lebensnotwendige Dinge zu beschneiden? Kannst du deinen Lebensgefährten zeitweise auch anders Pflegen lassen?


    Grüße

    Barthell

    Train to survive

    survive to train

  • Hallo Barthell,

    Danke für deine Worte. Ich weiß ich steh mir selber im Weg, Verstand gegen Herz. Ich habe morgen ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Pflegestützpunktes um zu schauen ob Pflegetechnisch was zu ändern ist. Im Moment versuche ich einen Psychologentermin zu bekommen.

    Auf der einen Seite weiß ich was zu tun ist, nur warum ist es dann so schwer?

    LG Abby

  • Hallo Abby,

    herzlich willkommen in unserem Forum .

    Psychologentermine sind leider dünn gesät, du kannst dich aber für den Anfang bei einer Suchtberatungsstelle melden, diese beraten auch Angehörige.

    Wenn du dich hier gerne weiter austauschen möchtest, kannst du dich mit diesem Link für den offenen Bereich bewerben.

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    dort beginnt dann der richtige Austausch.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Aurora 5. Mai 2022 um 13:45

    Hat den Titel des Themas von „Angehörige“ zu „Abby - ich bin eine Angehörige“ geändert.
  • Hallo,

    wieder eine Nacht in der ich nicht schlafen kann, meine Gedanken sich im Kopf drehen. Was ist richtig, was nicht? Ich war heute bei meiner Hausärztin und habe tatsächlich einen Rehaantrag für mich ausgefüllt bzw ausfüllen lassen. Nach dem Gespräch mit der Mitarbeiterin des Pflegestützpunkt habe ich mich an einen Betreuungsverein gewendet und dort für Mittwoch einen Termin bekommen. Der Mitarbeiter am Telefon war nett und kennt sich mit der Diagnose Korsakow aus und deren Folgen. Es geht um gesetzliche Betreuung und evtl eine stationäre Unterbringung meines Partners. Allein das zu schreiben tut weh. Ich weiß das wird der Weg sein, die ersten Schritte sind gemacht und trotzdem fühlt es sich falsch an. Lasse ich ihn nicht im Stich, bin ich egoistisch, warum tut es so weh? Er hat durch die Erkrankung das Trinken vergessen, verändert sich gefühlt aber täglich, erkennt in einem Moment Zusammenhänge nicht mehr und ist ein paar Minuten später für kurze Zeit wieder da, dann denke ich, könnte es nicht doch besser werden? Nur um dann zu merken, ich mach mir was vor.

    Entschuldigt bitte....

    Am Mittwoch weiß ich mehr und hoffe dann vielleicht klarer zu sehen.

    Schlaft gut

    Abby S.

  • Hallo Abby S. ,

    ich verstehe deinen Schmerz, es ist verdammt schwer loszulassen, sei es bei Korsakow oder Alzheimer. Doch ein „gesunder Egoismus“ ist erlaubt, will man nicht selbst zu Grunde gehen.

    Mehr möchte ich dazu nicht schreiben, denn das muß jeder mit sich selbst ausmachen und ich weiß, das tut verdammt weh und kostet unheimlich (!!!) viel Kraft.

    Ich wünsche dir diese Kraft.

  • Hallo Abby,

    na klar ist da viel Gedankenkarussell in dir.

    Es ist nicht einfach, solche Entscheidungen zu treffen. Aber dein Partner wird doch eh tagsüber schon in einer Einrichtung betreut, vielleicht ist es für ihn sogar sinnvoller, nicht aus diesem Zusammenhang Tag für Tag herausgehen zu müssen.

    Es ist auch wichtig, dass du gut für dich selbst sorgst. Denn ein erschöpfter Mensch kann nicht gut für jemand anderen da sein. Es macht also alles schon Sinn, solche Einrichtungen gibt es ja aus gutem Grund.

    Es ist aber auch wichtig, dass du deinen Schmerz und die Trauer annimmst. Weinst, wenn dir danach ist. Denn der Mensch, der er mal war, ist er in dieser Form nicht mehr und das tut sehr weh.

    Liebe Grüße

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Abby,

    ich bin Krankenschwester und habe leider einmal zu oft völlige fertige Angehörige betreut, die an der enormen Belastung der Pflege ihrer Angehörigen zerbrochen sind. Häufig sind es auch noch Berufstätige, deren Tage gerne 20h und länger gehen, 1 oder 2h Schlaf pro Nacht sind keine Seltenheit.

    Meine persönliche Meinung ist tatsächlich, dass man bestimmte Kranke nicht zu Hause pflegen kann, es sei denn man hat eine 24h Betreuung. Eine Heimunterbringung ist ja eigentlich auch nichts anderes. Krankenpflege ist anstrengend, zeitaufwendig und nervenaufreibend - aus genau diesem Grund haben wir ja auch ein so extremes Personalproblem. Der Unterschied ist aber, ich habe nach 8h Feierabend und kann dann nach Hause gehen. Bei dir klingt es hingegen so, dass du nach 8h Arbeit nach Hause gehst und dann nochmal 16h dran hängst. Das ist einfach zu viel, so eine Belastung hält KEIN Mensch durch.

    Du brauchst dich deswegen nicht schuldig zu fühlen. Obendrein verlierst du deinen Partner ja nicht. Im Gegenteil kannst du ihn sooft du willst besuchen und dann könnt ihr eine viel schönere, qualitativ bessere Zeit miteinander verbringen, als wenn du ihn zwar jeden Tag zu Hause hast, du dort aber nur überlastet, müde und gestresst bist.

    Obendrein kann ich auch aus persönlicher Erfahrung sagen: Pflegeeinrichtungen sind fast immer besser als ihr Ruf.

    Lass dich nicht unterkriegen.

  • Ihr Lieben,

    vielen Dank für eure Worte. Gerade diese Momente wenn ein kleines Stückchen von ihm da ist macht es so schwer. Obwohl es auch Momente gibt die zeigen, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn er sich in eine Idee verrennt und dann nicht mit sich reden lässt.

    Ich hoffe und wünsche mir etwas Klarheit nach dem Termin morgen.

    LG Abby

  • Ich war gestern bei einen Betreuungsverein, die gerade auch mit der Diagnose Korsakow vertraut ist und habe einen Antrag auf einen externen gesetzlichen Betreuer gestellt. Auch habe ich ihn auf die Warteliste bei 2 stationären Pflegeeinrichtungen setzen lassen. Am Montag habe ich in einer der Einrichtungen einen Termin um es mir anzuschauen. Die Sozialpädagogische Leitung mit der ich gesprochen habe meinte, ich soll es mir anschauen um auch mir die Möglichkeit zu geben, loslassen zu können. Meine Gedanken fahren Karussell und ich habe das Gefühl Hinterhältig und gemein zu sein, da alles ohne sein Einverständnis und Wissen ( wenn er es noch irgendwie verstehen würde) passiert.

    Bin ich tatsächlich so schrecklich wie ich mich gerade fühle?

  • Du läßt ihn doch nicht im Stich! Wie kommst du auf sowas?

    Du holst ihm externe Hilfe für seine Erkrankung. Das alles zu organisieren und koordinieren ist doch schon schwer genug.

    Du machst das toll. Und tief drinnen weißt du das auch.

    Viele liebe Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Bin ich tatsächlich so schrecklich wie ich mich gerade fühle?

    Nein, nein und nochmals NEIN.

    Du benimmst dich wie ein erwachsener, vernünftiger Mensch, der Verantwortung übernimmt. Verantwortung setzen immer alle gleich mit selber machen, sich quälen, durchsetzen etc., aber viel häufiger (und leider viel weniger oft umgesetzt) bedeutet Verantwortung für sich und seine Taten zu übernehmen, in dem man ganz offen eingesteht: Ich kann das nicht. Ich habe es versucht (was du hast), aber es geht nicht.

    Und Linde hat schon ganz recht: Jeder, der schonmal in der Situation war sich mit Betreuung und Pflege Angehöriger auseinander setzen zu müssen, weiß, das ist der pure Stress.

    Du machst das toll. Und auch, wenn du es dir vielleicht nicht vorstellen kannst, aber wenn alles geschafft ist - dein Partner in seinem neuen Zuhause angekommen etc. - wird der Punkt kommen, an dem du nach einem anstrengenden Arbeitstag heim kommst und dort tatsächlich einfach nur Ruhe herrscht. Du bist zum umkippen müde und stell dir vor: Nichts hindert dich daran dich jetzt auf die Couch zu werfen, Füße hoch und Feierabend. Wirklich echter, wohlverdienter Feierabend.

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