9Leben - Bin neu hier im Forum

  • Im Grunde ja wirklich ähnlich, wie der Selbstbetrug eines Alkoholikers.

    Ich dachte immer, mir gehts doch nicht schlecht, ich funktioniere ja eigentlich ganz gut, andere machen viel Schlimmeres durch, ich werd nicht geschlagen usw usw…und habe nie gemerkt, dass ich schon mein Leben lang diese Co-Muster bediene. Bis hin zur Kontrollsucht und völliger Selbstaufgabe.

    Ich hoffe nun für mich, dass ich in Zukunft die Warnzeichen früh genug erkenne. Und jedem Co kann ich nur raten, bei sich zu bleiben. Vielleicht fällt es dann leichter, entweder den Süchtigen weiter zu begleiten (ob mit oder ohne dessen Wille und Einsicht sich Hilfe raus aus der Sucht zu holen) oder für sich selbst eine bessere Zukunft zu gestalten.

    Letzteres ist für mich definitiv besser.

  • Liebe Nova,

    genau so sehe ich das. ich hoffe auch, das ich künftig viel früher in einer für mich gesunden Weise reagiere. Als Co war ich während der Ehe darauf gerichtet, dass ich - nach Co-Verständnis- irgendwie der Gesundheit meines Mannes dienlich bin. Hier nochmal eine Anregung, da nochmal eine im Grunde nicht ernstgemeinte Trennungsdrohung. Pendeln zwischen Trinkerei Trinkerei sein lassen und Appellieren, Bitten, Fordern.

    Über die Zeit habe ich mich in dieser alkoholbelasteten Beziehung kräftetechnisch abgeschliffen wie ein Kieselstein, der im Meer vom Wasser umspült wird.

    Ein paar Jahre vor seinem Reha-Antritt hatte er mal während der x-ten Streiterei ums Trinken gesagt: "Wenn Du den Scheidungsantrag stellst, unterschreibe ich ihn." Und hämisch dann dazu: "Aber Du musst dann zahlen." Da habe ich gedacht, nö, ich lasse mir vor den Kindern nicht die Rolle der Bösen zuschieben, die durch Scheidung die Familie kaputtmacht und einen Suchtkranken im Stich lässt und dafür dann noch höhere Unterhaltszahlungen am Hals als in der Ehe hat. Ich hatte es wieder so gesehen: Wir sind noch nicht am Ende, weil ich nach meinem Gefühl noch nicht genug und noch nicht alles versucht habe. Dabei hing ich schon längst in der Sinnlos-Spirale nach unten fest, ohne es damals wahrhaben zu wollen.

    Dann kam die nächste Entgiftung, stationäre Vorsorge, der Reha-Antritt, was meine damalige Denke dann ja zu bestätigen schien, siehste, nur geduldig am Ball bleiben, dann kommt doch noch etwas Gutes. Die Zeit der Reha war nach langen Jahren mit die Beste für uns seit den Anfangsjahren. Was das für ein Hoffnungsschub war, ist nicht wirklich in Worte zu fassen. Bis das kam, was kommen musste, Rückfall. Der Anfang vom endgültigen Ende.

    Heute stelle ich rückblickend fest, dass ich sehr viel einschlägiges Lehrgeld bezahlt habe. ich bedaure, dass sich das Lehrgeld vor allem in meinen Lebensjahren ausdrückt. Aber umso mehr wird die verbleibende Zeit meinem Wohl gehören, und alkoholgeneigte Menschen werden nicht dazu gehören.

  • 9Leben ich finde es total schön, dass Du Dich hier angemeldet hast und anderen mit Deiner Geschichte die Augen öffnest.

    Deine Geschichte ist sehr ergreifend.

    Darf ich mal fragen wie alt Dein Mann geworden ist?

    Kinder waren bei Euch auch mit im Spiel?

    Ich müsste nochmal nachlesen…

  • Liebe Lotta,

    mein Mann ist im 52. Lebensjahr verstorben. Es wäre schön, auch anderen die Augen zu öffnen. Wir haben zwei Söhne, die erwachsen sind und im Berufsleben (naja, Ausbildung und Studium) stehen. Zunächst möchte ich meine Augen offen halten. In erster Linie dient es mir für meine Reflektion, weil ich merke, je länger der Tod her ist, desto mehr laufe ich Gefahr, all die schrecklichen Sachen zu verdrängen.

    Wie Geburtsschmerzen, die sofort vergessen sind, sobald man sein Kind das erste Mal zu sehen bekommt.

    Wenn ich die Geschichten der anderen Cos hier lese, denke ich so oft, eben, genau das war bei Dir doch auch, Stichwort Achterbahn- und Karussellfahrt. Das möchte ich für mich nicht wieder erleben.

  • Liebe Lotta,

    dann geht es ihm eben gut damit. Dir ginge es nur gut, ohne dass er weiter trinkt. Fazit: Ihr passt nicht zusammen.

    Bei meinem Mann hatte ich schon bald den Eindruck, dass er auch durch Schmerzen, körperliche Beeinträchtigungen nicht von der Trinkerei lassen wird. Aber ich habe weiter meine irrationale Hoffnung darüber gedeckt, ey, du bist kein Prophet, was, wenn doch? Wenn er doch zur Besinnung kommt?

    In der Tat hat ihm sein Körper dann sehr viele Signale gegeben, von diversen Ärzten hat er mehrfach gehört, dass er sterben wird, wenn er nicht konsequent aufhört. Aber nach und während der Reha hat er seinen Körper, d.h. die chronischen Schädigungen dann in nüchternem Zustand volle Kanne gespürt. Juckende Füße, Nervenschmerzen in den Armen und Beinen, Gefühlsstörungen in den Händen u.a.

    Meine Freude, dass er die Reha gemacht hat, war nicht seine Freude. Er hat da nämlich auch gehört und im Abschlussbericht ausgehändigt bekommen, was er beruflich alles nicht mehr kann bzw. gesundheitlich nicht mehr machen soll. Das erinnere ich noch, dass ihm das Ergebnis sehr zu schaffen gemacht hat.

  • Hallo 9Leben!

    Ich komme von der anderen Seite und lebe seit einigen Jahren unfallfrei abstinent. Ich habe den Absprung gerade noch rechtzeitig und hoffentlich dauerhaft geschafft.

    Deine prägnanten Ausführungen zu Deinem an seiner Sucht viel zu früh verstorbenen Mann haben mich sehr berührt, das schaffen nur ganz wenige.

    Heute stelle ich rückblickend fest, dass ich sehr viel einschlägiges Lehrgeld bezahlt habe. ich bedaure, dass sich das Lehrgeld vor allem in meinen Lebensjahren ausdrückt.

    Auch ich bedaure es sehr, etliche Jahre in der besten Phase meines Lebens absolut sinnlos versoffen zu haben. Mein jahrelanges Versagen habe ich mittlerweile aufgearbeitet und verdaut. Mein Blick ist nach vorne gerichtet. Wie heißt es so schön: "Das Leben wird nach vorne gelebt und nach hinten verstanden."

    Aber umso mehr wird die verbleibende Zeit meinem Wohl gehören, und alkoholgeneigte Menschen werden nicht dazu gehören

    Das ist auch mein Standpunkt. Trinkfreudige Herrschaften habe ich vollständig aussortiert, es werden keine neuen mehr hinzu kommen. Sie und der Alkohol sind es nicht wert, dass ich meine wertvolle Lebenszeit an sie verschwende.

    Ich freue mich darauf, weiter bei Dir lesen zu dürfen.

    Alles Gute wünscht

    Carl Friedrich

  • Wie heißt es so schön: "Das Leben wird nach vorne gelebt und nach hinten verstanden."

    Hallo Carl Friedrich,

    was für eine wunderbare Weisheit - die kannte ich noch gar nicht; dabei liebe ich Sprichwörter und Lebensweisheiten.

    Meinen tiefen Respekt vor Deiner bislang offenbar gelungenen Kehrtwende! Vielleicht war der Zeitpunkt Deines Absprungs später als möglich, aber für alles, was Du noch vorhast, hoffentlich nicht zu spät und vor allem dauerhaft.

    Ich freue mich auch von Dir weiter zu lesen und wünsche Dir ebenfalls alles Gute!

    Und super, dass es dieses Forum und Euch alle als Teilnehmer gibt, herzlichen Dank Euch allen!

    Viele Grüße

    9Leben

  • Hallo 9Leben,

    ich möchte Carl Friedrichs Thema nicht verwässern, durm scheib' ich bei dir weiter.

    "Bewusstsein ... müsste verankert werden" ... das muss in der Familie passieren, von Anfang an und das braucht Zeit. In den ersten 15... 20 Lebensjahren passiert das.

    Wenn ich, als Kind/ Jugendlicher, immer hin und hergerissen werde, wird das schwer.

    Habe ich das von Anfang an nicht gelernt und werde dann später als Erwachsener mit div. Meinungen, Ansichten, Erfahrungen befeuert wird das noch schwerer, wenn nicht gar unmöglich.

    Mit viel Unsicherheit, einer nicht gefestigten Meinung, Wertebasis werde ich immer sehr anfällig für den mainstream sein.

    Jeder Mensch sucht nach Anerkennung und wählt oft den einfachsten Weg, den wo man anerkannt wird.

    Da ist Alkohol die beste, einfachste, billigste Einstiegsdroge und (!) sie macht sogar noch glücklich, lässt alle Probleme verschwinden.

    Die Zeit wird immer hektischer, dauernd prasseln Informationen auf uns ein, Handy, Internet, 24h-TV ... und selbst der Mensch ist ständig verfügbar, dank der Technik.

    Und ist dann plötzlich Ruhe (z.Bsp. lock down) sind wir überfordert.

    Je mehr wir uns Stress machen bzw. wir uns stressen lassen, desto suchtgefährdeter werden wir.

    Wir haben (vielleicht die meisten) verlernt die Ruhe zu bemerken und diese zu geniessen.

    Wer kann schon ohne sein Bier, Wein entspannen am Abend?

    50 % ???

    Irgendwann bin ich süchtig und komme da nicht mehr raus.

    Wenn ich ständig trinke, mir bewusst ist, Alk. hilft und ich so langsam mein Gehirn vernebel ... für immer, habe ich doch gar keinen Platz mehr für Bewusstsein.

    Und die die nicht saufen, gehen zum Psychiater.

    2 Mal editiert, zuletzt von achelias (7. Februar 2023 um 14:53)

  • Auch im Lockdown waren ja Supermärkte und damit sämtliche alkoholischen Getränke zugänglich. Ich glaube, Carl Friedrich hat schon festgestellt, dass alkoholische Getränke die Produkte waren/sind, die wundersamerweise die Inflation nicht betrifft. ich habe das jetzt auch mal bewusster verfolgt und es stimmt.

    Dass der Umgang mit Alkohol vor allem bei der Erziehung der Kinder beginnt, da stimme ich vollkommen zu. Dann kommt die Pubertät und die Abgrenzung. Wenn man es verteufelt, macht man es gerade interessant für die Phase der Rebellion, wenn man es als nichts besonderes, aber ggf. gefährlich darstellt, kann es genauso schief gehen.

    Ein Zeit war immer mal wieder über Kinder um 9 -12 Jahre im Vollrausch, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, zu lesen. Ist das Problem jetzt vorbei oder ist nur die Nachricht uninteressant geworden? Damals wurde es in Zusammenhang mit Alcopops gestellt, wenn ich mich richtig erinnere. Die dann strengeren Verkaufsregeln unterworfen wurden. Danach hörten die Berichte auf.

    Trotzdem glaube ich nicht, dass das die Ursache war und solche Vorkommnisse nun nicht mehr existieren.

  • Dass der Umgang mit Alkohol vor allem bei der Erziehung der Kinder beginnt, da stimme ich vollkommen zu. Dann kommt die Pubertät und die Abgrenzung. Wenn man es verteufelt, macht man es gerade interessant für die Phase der Rebellion, wenn man es als nichts besonderes, aber ggf. gefährlich darstellt, kann es genauso schief gehen.

    Wir Erwachsenen reden und tun das Gegenteil.

    "Alkohol ist schädlich, aber ... wenn du erwachsen bist." oder der Vater trinkt ein Bier und verbietet es seinem Kind, das muss nach hinten losgehen.

    So habe ich es erlebt, bestimmt auch mein Opa, als er klein war.

    Verbote bringen da gar nichts.

    Von Seiten der Politik, baucht man gar nichts erwarten - mit Nicht-Konsum erwirtschaftet man keinen Profit.

    Auf der einen Seite wird vom Verkauf profitiert, auf der anderen werden Milliarden umgesetzt bei der Behandlung von Erkrankungen.

    Das zahlt der Staat? Das zahlt der Steuerzahler und wieder profitiert der Staat ... Umsatzsteuer, Mehrwehrtsteuer, Einkommenssteuer u.s.w. .

    Wenn der Bürger nichts, jeder für sich im Kleinen, verändert und dann (vielleicht) alle zusammen .... Was soll sich da ändern?

  • Von der Politik/Regierung erwarte ich schon seit Jahren außer Verbrechen gar nichts.

    In einer Erziehungsberatung hatte ich mal gehört, dass Kinder mit ca. 70%iger Wahrscheinlichkeit vorgelebte Muster der Eltern übernehmen.

    ich hatte eher 50% gedacht. Entweder Kinder übernehmen vorgelebte elterliche Gewohnheiten oder eben nicht und reflektieren ab Pubertät, was sie schon immer genervt hat und machen selbst das ehemals Nervige bewusst nicht.

    Es wäre ja schon hilfreich, wenn man Alkohol nicht so verharmlosen würde. Als erstes würde ich mir ein Werbeverbot wünschen. Die verkaufspsychologischen Methoden haben es schon in sich, wen man die Spots ansieht. Verführung hoch zehn.

  • Zitat

    Von der Politik/Regierung erwarte ich schon seit Jahren außer Verbrechen gar nichts.

    Bitte sachlich bleiben, danke.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Die Bundesregierung als "Kriminellenrudel" zu bezeichnen u. ä. Sprüche, das sind sind Stammtischparolen...

    Was hat das ganze Politisieren mit deiner Arbeit an dir selber zu tun? (rhetorische Frage)

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Die Frage hier war ja, wie man Kinder vor Alkoholgefährdung schützen kann und was es leichter machen könnte.

    Und da gibt es eben Bereiche/Akteure, die präventiv einwirken könnten, es aber aller Voraussicht nach wegen anderer Interessenlagen nicht tun werden.

    Zugegeben ein Seitenstrang meines persönlichen Hauptthemas.

  • wie man Kinder vor Alkoholgefährdung schützen kann

    an aller ersten Stelle stehen dabei immer die Eltern und die nahe Familie.

    Auf der einen Seite, durch ein stabiles liebevolles Aufwachsen, wodurch bestenfalls stabile selbstbewusste Jugendliche und Erwachsene entstehen, die sich auf gesunde Weise abgrenzen können.

    Auf der anderen Seite durch die Abwesenheit von vorgelebten Suchtstrukturen. Dadurch wird ja nachweislich die Gefahr selbst süchtig oder Co Abhängig zu werden erheblich verstärkt.

    Wie immer fängt man als erstes bei sich selber an, das hat den größtmöglichen Effekt im direkten Umfeld :mrgreen:

  • Hallo Lea,

    das sehe ich auch so, dass zunächst einmal ein stabiles Familienfundament und entsprechendes, möglichst störungsfreies Verhaltensvorbild für eine gesunde Kindesentwicklung von Bedeutung ist. Verlässliche Strukturen, geregelte Tagesabläufe, Zugewandtheit, Wertschätzung, Präsenz usw. als Ergänzung sind sicher auch hilfreich.

    Ich frage mich gerade: Wenn einem bewusst wurde, dass man in etwas Notwendigem für die psychische Gesundheit einen Mangel erfahren hat - kann man seinen Kindern dann trotzdem mehr geben als in einen selbst investiert wurde?

  • Liebe Hera,

    ich kann mir vorstellen, dass man als Betroffener natürlich merkt, was einem gefehlt hat und alles versucht, damit die eigenen Kinder dann nicht unter einem Mangel leiden. Aber bei Lieblosigkeit und/oder widersprechenden Doppelbotschaften ( "du schaffst das" - "typisch, du hast es schon wieder versemmelt") ist es, glaube ich, schwer für ein Kind, das so aufwachsen muss, Selbstvertrauen zu entwickeln, das dann später an das eigene Kind weitergegeben werden kann. Nicht unmöglich, aber schwer. Es ist ja selten etwas monokausal ursächlich.

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