Heute also Gespräch mit einer Beraterin der Suchtberatung gehabt, eine sehr nette, junge Frau hat sich um mich gekümmert. Ich sollte erst einmal von mir und meiner Situation erzählen. Ich bin eigentlich mit dem festen Vorsatz in das Gespräch, alles möglichst emotionsfrei und wertneutral zu schildern. Aber schon nach wenige Minuten kamen dann doch die ersten Tränen und mir wurde klar, wie nah mir das alles doch geht.
Klar, ich habe auch eine unheimliche Wut in mir: Wut auf meinem Mann, weil er in meine Augen in seiner Lethargie verharrt und sein "Leben" zu genießen und mich und meine Bedürfnisse zu ignorieren scheint.
Wut auf mich, weil ich mich eigentlich lange Zeit selbst belogen und versucht habe, eine für beide Seiten gute Beziehung aufzubauen und dabei meine Bedürfnisse so lange hintenan gestellt habe.
Das wurde mir klar, als ich gegen Ende des Gesprächs gefragt wurde, was ich eigentlich für mich tue (hab ja viel erzählt, was mein Mann alles so treibt) und was ich mit meiner Zeit so anfange (bin nicht mehr berufstätig und Sohnemann ist ja auch schon erwachsen, Enkel noch nicht in Sicht). Erst nach ein paar Minuten habe ich dann erzählt, dass ich einen eigenen Hund habe und mich im Tierschutz engagiere (Hunde in Pflege nehmen oder im Tierheim aushelfen). Aber sonst?
Früher habe ich viel Sport getrieben (fühle mich jetzt zu alt dafür), habe mich für Fotografie interessiert und mehrere Jahre experimentiert (meine Kamera hab ich schon lange nicht mehr mitgenommen). Ich bin gern in Museen, zu Ausstellungen oder Konzerten gegangen (letztes Konzert EAV 2018 - allein) und habe viel gelesen, kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein Buch in der Hand hatte.
Mittlerweile kann ich meine Freunde an einer Hand abzählen, habe mich immer weniger um Kontakt bemüht und mich um meine Freunde gekümmert. Ich fühle mich grad schrecklich, weil so viel auf der Strecke geblieben ist und ich es noch nicht einmal bemerkt habe.
Insgesamt muss ich feststellen, dass vieles weggebrochen ist, weil ich so viel Energie in die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung unserer desolaten Beziehung gesteckt habe.
Nun ja, so ist der status quo. Ich werde mich erst einmal damit auseinandersetzen, was ich mit meiner Zeit und ohne meinen Mann Sinnvolles anfangen möchte. Außerdem werde ich wie heute im Gespräch vorgeschlagen ein Seminar besuchen, wo sich Angehörige über die Thematik "Sucht und Co-Abhängigkeit" informieren können. Vielleicht kann ich da Kontakte knüpfen, da ich in meinem Umfeld keine Gesprächspartner habe, die mit der nötiger Distanz zu mir bzw. Alkohol mit mir über die Suchtproblematik sprechen können.
Bin zwar ziemlich platt, aber irgendwie tat es gut, ein wenig Ballast abwerfen zu können.