Jump! aus dem Hamsterrad - Neustart?!?

  • Gestern, nachdem ich das mit dem Alkohol-Tester gepostet hatte, habe ich mich den ganzen Tag schlecht gefühlt. Flau. Mich geschämt. Ich habe schon lange das Gefühl, dass das schräg ist, irgendwie kommt es mir demütigend vor, wenn er mir "beweißt", dass er nüchtern ist. Eigentlich war das dazu da, Vertrauen wieder aufzubauen, mir die Angst zu nehmen, meine Wahrnehmung zu stützen oder gerade zu rücken, wenn ich so ein "komisches Gefühl" hatte. Nach der ersten Reha hatte er den Tester auf meinen Wunsch angeschafft (seither natürlich neue gekauft, die Dinger müssen ja kalibriert werden...).

    Als ich gestern heim kam, hab ich ihn gefragt, weshalb er das eigentlich macht? Ob er sich damit selbst eine Hintertür schließen will, also für sich? Oder mich damit beruhigen will, also für mich? Er war grad am kochen (schlechter Zeipunkt , aber ich wollte es sofort sagen, bevor ich einen Rückzieher mache) und er meinte nur: Ich mach das mir zuliebe. Und ich mach das dir zuliebe. Für ihn ist das kein Ding. Einfach nur eine praktische Möglichkeit. Er macht sich da keinen Kopf.

    Ich hab dann jedenfalls gesagt, dass ich das nicht mehr will. Dass ich ihn nicht mehr kontrollieren will und meine Angst vor einem Rückfall selbst hinkriegen muss. Im Grunde bin ich ja sowieso ein personifizierter Alkoholtester. Ein fleischgewordenes Messgerät. Ich sehe es sofort an seinem Gesichtsausdruck.

    Als ich dann nach dem Essen ins Bad bin kam die schiere Panik über mich. Durchatmen. Mich im Spiegel anschauen. Mir meine Werte vergegenwärtigen. Nein, ich will keine Beziehung, die nicht auf Augenhöhe ist und in der sich einer klein macht. Auch wenn er es nicht so sieht, mir kommt es so vor. Meine Werte. Meine Standards. Er muss mir nichts beweisen. Ich werde es sowieso früh genug merken. Ich muss die Ohnmacht aushalten. Oder ich muss gehen. Meine Entscheidung. Nicht seine Verantwortung.

    Jump! 🏵️

  • Guten Morgen liebe Jump,

    Ich finde es super, wie du Dich immer wieder reflektierst. Und die Verhaltensmuster eines Co's lassen sich ja auch nicht von heute auf morgen abstellen. Das ist doch auch harte Arbeit und "Rückfälle" passieren da auch (für mich verständlicherweise). Ich denke aber, sobald das einen bewusst ist und man es reflektiert ist man doch schon auf dem richtigen Weg. Du arbeitest ja an Deinen Themen.

    Dir mal einen schönen sonnigen Freitag.

    LG Momo

  • Hallo Jump,

    ich hatte einen ähnlichen Beitrag an dich im Kopf, und wollte ihn dir schicken. Jetzt bist du selbst darauf gekommen, dass finde ich klasse. Du hast es richtig erkannt, es ist quasi das ausleben der COabhängigkeit an einem Trockenen. Vertraue deinen Wahrnehmungen, denn ich bin mir sicher, dass du dich darauf verlassen kannst.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • ...und das Kontrollschnuppern, die Angst oder das flaue Gefühl im Magen werden Euch noch lange begleiten berfürchte ich.

    GlG WW

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • ja, leider dauert es. Bei mir sind es jetzt 1.5 Jahre und manchmal denke ich noch drüber nach, wenn er auf Geschäftsreise ist, aber sehr selten. Wir reden auch nicht mehr oft drüber.

  • Im Grunde bin ich ja sowieso ein personifizierter Alkoholtester

    Ersetze Alkoholtester mit CO und du bist auf dem richtigen Weg. Alles andere ist vergleichbar mit einem Rückfall bei Alkoholikern. Scham empfinden ist immer eine Richtungsweiser.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Guten Morgen,

    eine Frage: ich wollte mal etwas spenden. Gibt es einen speziellen Grund weshalb da dazu aufgeordert wird den Benutzernamen anzugeben? Vielleicht bin ich paranoid, aber wenn ich da bei Verwendungszweck Jump! schreibe und als Empfänger Alkoholiker-Forum, dann wäre es ja für einen findigen Bankmitarbeiter oder eine KI ein Leichtes mein Pseudonym mit meinem Namen zu verbinden. 🤔

    Die andere Frage: was bedeutet der Balken mit den 2000 Euro? Auf welchen Zeitraum bezieht sich das? Ist das die Summe, die nötig ist, um das Forum zu finanzieren?

  • Huhu, ich gebe deine Fragen mal an unseren Admin weiter, der für die Technik und die Finanzen zuständig ist. :)

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Du kannst da auch anonym spenden. Meinst du Banküberweisung oder PayPal? Beides geht komplett anonym, sogar der Betrag falls gewünscht.

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Ja, das habe ich verstanden. Ich frage mich nur, ob es einen bestimmten Grund hat? Es wirkt auf mich, als sei es gewünscht, dass der Benutzername angegeben wird.

    Bei Pay Pal gibt es dann ja drei Möglichkeiten, ich glaube öffentlich, anonym und noch ein drittes, was ich jetzt grad nicht mehr weiß. Da habe ich auch nicht recht kapiert was das jetzt genau heißt 🤔 Ich dachte der Betrag wäre sowieso auf jeden Fall anonym? Will's einfach nur verstehen...

  • Nein.

    https://alkoholiker-forum.de/spenden/

    Bei Banküberweisung oder PayPal Spende kann man angeben das Spende und Betrag anonym sein sollen. Bei Banküberweisung einfach im Betreff eingeben, bei PayPal auch. Einfach das, was gewünscht ist. Beide Konten sind ausschließlich für das Forum, landet also nicht auf mein Privatkonto.

    Es wird nur für den Betrieb der Selbsthilfegruppe verwendet.

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Die Angaben des Usernamens sind völlig freiwillig. Manche möchten in der Liste namentlich drinstehen, andere nicht.

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    - Nightbirde

  • Guten Morgen, ist ja so still zur Zeit im Forum...hoffe ihr genießt das schöne Wetter 🌞

    Ich möchte eine Erinnerung mit euch teilen. Von früher. Grundschul-Alter. Ich hatte eine Freundin, die bei uns im Viertel gewohnt hat. Sie war frech, lustig, selbstbewusst und wir zwei waren zusammen wild und haben viel gelacht. Sie war meist im "Zweierpack" mit ihrer leicht jüngeren Schwester unterwegs. Diese war ganz anders, still, verschleierter Blick. Wir haben immer draußen gespielt. Da waren viele Kinder. Waren eine richtige Kinder-Bande. Einmal hat sie mich zu sich in die Wohnung mitgenommen. Und da saß er. Ihr Vater. Ich weiß nicht mehr was er gesagt hatte oder wie er aussah. Ich erinnere mich nur noch an die Atmosphäre und dass ich als Kind sofort gespürt hatte, da ist etwas ganz ganz komisch. Ich bin stehen geblieben. Ich war wie angewurzelt. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht gewohnt war betrunkene Leute um mich zu haben. In meiner Familie wurde sehr viel getrunken, immer in Gesellschaft, Anlässe gab es zuhauf. Es beschäftigt mich, weshalb sich dieses Bild dermaßen eingeprägt hat, dass ich es noch fast 50 Jahre später abrufen kann - es muss mich sehr verstört haben. Dabei waren es nur wenige Sekunden. Meine Freundin hat mich flehentlich am Arm weiter gezogen, komm! komm! - in ihr Kinderzimmer. Und wir haben wieder Quatsch gemacht, gespielt , gelacht.

    Heute weiß ich, dass ihr Vater Alkoholiker war. Damals war ich nur völlig durcheinander. Konnte es überhaupt nicht einordnen.

    Sie war sehr mutig. Meine Eltern waren samstags oft abends weg und ich hatte Angst alleine Zuhause. Da hat sie gesagt sie kommt zu mir, sie könnte sich Zuhause unbemerkt weg schleichen. Bei mir Zuhause haben wir dann die ganze Bar durchprobiert. Vor allem die Liköre, aber auch alles andere, als Mutprobe. Wenn sie um 23 Uhr wieder heim ist, habe ich ihr am Küchenfenster nachgeschaut, bis sie kurz vor ihrem eigenen Hauseingang verschwunden ist. Ich hätte mich niemals getraut um diese Zeit noch alleine draußen rum zu laufen. Unsere Eltern haben das nie raus gekriegt.

    Wahnsinn. Verschobene Welten. "Normal" war nicht normal.

    So viele Erinnerungen...

    Jump! 🏵️

  • hallo Jump,

    ja diese Erinnerungen, manche haben sich so fest eingegraben.

    Ich hatte eine Freundin, die sehr oft bei mir war, ich aber fast gar nicht bei ihr. Ich wurde nicht eingeladen, war darüber immer sehr traurig. Habe mir immer eingeredet, es läge an mir. Jahrzehnte später fiel mir ihr Nachname im Beruf auf. Dort sah ich sie dann wieder, als sie ihrer Mutter etwas brachte. Wir kamen wieder ins Gespräch, und sie sagte: Jetzt weißt du wieso ich dich nie einladen konnte und wollte. Sie hatte sich geschämt, weil ihre Mutter Alkoholikerin war, und sie hätte es gerne so schön gehabt wie ich. Ein zuhause, wo immer jemand da ist, ich wurde in einem 3 Generationenhaushalt groß, war auch nicht immer schön, aber sie hatte mich darum beneidet. Warmgehaltenes Mittagessen war für sie wie ein Geschenk. Das hat mich damals sehr tief berührt.


    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Hallo Jump,

    ich habe als Kind genau 1 x Kindergeburtstag mit Schulkameradinnen gefeiert, nie wieder. Und ich habe maximal 5 x während meiner Kindheit andere Kinder bei mir gehabt, eher weniger.

    Es war sooo beklemmend bei uns daheim. "Es" wurde nie thematisiert, ich wußte auch nicht wirklich was "es" überhaupt bedeutet. Aber was ich wußte war, daß es besser ist, wenn mich keine Freundin besucht.

    Daher war ich immer woanders. Habe Stunden, Tage, Nächte bei Freundinnen verbracht, ohne mir etwas dabei zu denken. Deren Eltern sich aber auch nicht, zumindest hat nie jemand nachgefragt.

    Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Ja, und genau das war so sehr spürbar! Diese stumme Bitte meiner Freundin mich nicht abschrecken zu lassen von etwas was nicht benannt werden konnte.

    Was mich aber auch erschreckt ist, dass ich in diesem Alter schon die Bar meiner Eltern geplündert habe...das hatte ich bislang eher als "lustige Episode" abgetan - aber mein Verhältnis zum Alkohol, meine eigenen Grenzen und Standards (diese beiden Begriffe begleiten mich jetzt unentwegt) sind von klein auf wirklich bedenklich gewesen. Kein Wunder...

    Ganz herzlichen Dank Linde für deine Offenheit. Wenn andere mir von sich erzählen, dann sind das für mich wahre Schätze!

    Jump! 🏵️

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