stef2303 - Der Weg in ein suchtfreies Leben - Zeit wird es!

  • wenn Du es Dir finanziell leisten kannst, dann mach noch was Anderes ausser Arbeiten

    Dies gilt (meiner Meinung jedenfalls nach) übrigens auch, wenn du es dir finanziell nicht leisten könntest.

    Denn am Ende zählt doch nicht, wie viel Geld auf dem Konto ist, sondern wie zufrieden du bist mit dem, was du jeden Tag tust. Und das lässt sich nicht aufschieben.

    „Ein klarer Geist ist wie ein stiller See – jeder Tropfen hinterlässt Wellen, aber die Ruhe kehrt immer zurück.“

  • Schnell auf dem Smartphone gedrückt, daher kurz (auch weil es schon spät ist):

    Ja, langsam aber sicher - das macht wohl das Alter - realisiere ich, dass Arbeit nicht alles ist. Früher gab es nur die Firma und die stand über allem. Ging es dort drunter und drüber, dann hielt die Trinkerei Einzug. Und dann ging es bergab. Körperlich, mental, sozial - beruflich und privat. Dann wurde die Notbremse gezogen, es folgte ein bisschen eine Stabilisierung und schließlich (mit dem Ereignis "x") ging es wieder von vorne los - meistens heftiger als zuvor. Ein Auf und Ab mit einer kontinuierlichen Tendenz nach unten... Eine gefährliche Entwicklung.

    Leider realisiert man das (wie es wirklich ist) immer erst nachher, wenn es mal so richtig gekracht hat (bei mir war das dann letztes Jahr - da hätte für den kompletten Absturz nimmer viel gefehlt).

    Aktuell fahre ich nun tatsächlich meine Arbeit zurück und nehme mir mehr Zeit für Privates. Das sind größere und kleinere Dinge, die ich jetzt angehe. Fernab des Jobs. Auch wenn es Kleinigkeiten sind. Noch vor einem Jahr wäre es z.B. undenkbar gewesen, mal einen Roman zu lesen. Das hielt ich für reine Zeitverschwendung oder war abends einfach zu müde dafür. Auch so Dinge wie ehrenamtliches Engagement fanden keinen Platz in meinem Leben bzw. wurden auf später verschoben. Später im Sinne von dann, wenn ich in Rente bin. Größere bzw. zeitintensivere "Projekte" plane ich zumindest mal im Gedanken (ein Sabbatical mit einem mehrmonatigem Ausstieg würde mich schon reizen), aber hier grätscht mir doch noch immer wieder die Arbeit rein. Ich glaube, da bleibt es eher beim Gedanken daran...

    Nichtsdestotrotz bin ich guter Dinge, dass ich mich doch noch ändern kann. Bei mir dauert nur leider alles etwas länger - auch die Einsicht, dass mir die Trinkerei außer Problemen rein gar nix gebracht hat. Das habe ich erst nach Jahren gesehen, als so manches schon den Bach runtergegangen war und auch die letzten Anker kurz vorm Losreißen waren... bzw. die berühmten Einschläge schon so nahe an mich herangekommen waren, dass ich den Luftzug spüren konnte...

  • Ich bringe mich selbst mal als gelungenes Beispiel, dass aus einem reichlich vergeigten Leben immer noch ein zufriedenes Leben werden kann.
    Meine Sturheit kann nicht nur dazu verwendet werden, an ungesunden Gewohnheiten festzuhalten, sondern auch dazu, mein Leben nachhaltig zum Besseren zu ändern. Kommt auf die Ziele an, die ich mir setze.

    Ich bin schon früh an den Gedanken gewöhnt worden, dass man am Ende des Lebens nichts mitnehmen kann.
    Ob danach noch was kommt oder nicht, spielt in meinem Denken auch keine besondere Rolle.
    Und ich habe keine Kinder, denen ich unbedingt was vererben muss.

    Also, für mich die zentrale Frage, wofür arbeite ich eigentlich. Bzw, wofür habe ich gearbeitet, ist ja bereits weitgehend Vergangenheit bei mir.
    Bei mir ist es so, das wichtigste am Arbeiten war letztlich doch der Lebensunterhalt. Und es sollte noch für ein finanziell sorgenfreies Alter reichen.
    Ich habe auch ein paar spannende Sachen gemacht, aber nichts davon ist unverzichtbar.
    Und heute, ohne tägliche Verpflichtungen, bringe ich den Tag trotzdem sehr leicht rum.
    Ausser dem obengenannten lese ich sehr gerne, bin naturwissenschaftlich interessiert, und hin und wieder habe ich auch Spaß am Schreiben, so wie hier.
    Ich habe auch ein Ehrenamt, aber da muss ich mich manchmal schon dagegen wehren, dass die Aufgaben nicht schnell mehr werden, als ich möchte. Grundsatz, nur so viel, wie es auch Spaß macht.

    Bei mir besteht keine große Gefahr, dass mir nüchtern langweilig wird.

    LG LK

    Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
    Das Gras wächst auch nicht schneller, wenn man es anschiebt.

    Aber das Gras wächst.
    Sei sparsam mit dem Düngen:mrgreen:

    Einmal editiert, zuletzt von Lebenskuenstler (12. Mai 2025 um 09:11)

  • Später im Sinne von dann, wenn ich in Rente bin.

    Mit der Rente wurde ich abstinent und habe angefangen zu leben. Das glücklich Leben hätte ich gerne früher gelebt. Der Blick für etwas anderes außer Arbeit und Alkohol war verstellt. Heute ist es so und ich habe es akzeptiert.
    Von der Bleikugel Alkohol hast du dich befreit und dein Geist ist klar. Jetzt stehst du wieder im Steuerstand, du hast alles in deiner Hand. Du bestimmst was, wann, wie und wo und ganz oben steht deine Abstinenz und die will gepflegt sein, auch mit guten Büchern. Ich wünsch dir viel Freude dabei.

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          - abstinent seit 6.01.2024 -

  • Hallo, liebe Leute!

    Nachdem bei es bei mir hier dauerregnet (nein es schüttet, man könnte fast schon die Arche Noah startklar machen) und damit jegliche Outdoor-Aktivität ausfällt... ja, da denke ich mir, ich könnte wieder ein bisschen was in meinen Faden schreiben.

    Immer wieder liest man in den Fäden von denjenigen (anfangs meist übermotiviert und Fest-)Entschlossenen, die sich für die dauerhafte Trockenheit entschieden haben, dass hier vor allem anfangs der Faktor Zeit oft zum Problem wird. Klar - ich nehme jetzt mal mich her und ich bin sicher kein Einzelfall - in der nassen Phase war eigentlich auch genug Zeit da. Aber nahm man (ich) die als solche wahr? Wohl eher nicht, das verhinderte der Alkohol. Mitunter trank ich auch, weil ich mit meiner Zeit nicht wirklich etwas anfangen konnte. Wenn es nichts zu tun gab (und ich mich auch nicht wirklich mit wem oder was anderen beschäftigen wollte), dann ging es im Grunde aus Gewohnheit ins Arbeitszimmer oder in die Garage... Durch den Alkohol kam ich dann so auch durch den Tag (oder Abend, je nachdem). Das war irgendwie bequemer. Kurzfristig. Im Moment. Über die Zeit natürlich eine Katastrophe!

    Dann war es vorbei mit der Trinkerei und die eigentlich immer schon vorhandene Zeit wollte jetzt auch ordentlich (sinnvoll?) genutzt werden. Und das ist schwieriger gesagt als getan: Wenn jemand dieses Thema anschneidet, dann kann ich den (oder die) voll und ganz verstehen.

    Mit gingen da viele Gedanken und Ideen durch den Kopf und parallel dazu war dann ja auch gerade anfangs noch der kleine Suchtteufel mit seinen Versuchen da, doch wieder in die alten Muster zu verfallen. Was z.B. auch hieß: Ich könnte jetzt dieses, jenes und auch das machen, aber eigentlich mag ich ich nix davon so wirklich angehen bzw. kann ich mich nicht entscheiden: Warum also nicht der Weg zur Tankstelle, sich den damals üblichen "Zeitvertreib" besorgen? Das wäre doch so viel einfacher.

    Tat ich nicht, aber natürlich ist es nicht einfach, Gefahr zu laufen, dass das Gehirnkarussell seine Runden zu drehen beginnt. Deshalb braucht es Ersatzaktivitäten, weil gerade in der Anfangsphase der Abstinenz Grübeleien und Nichtstun schlimme Freunde sind, die einen schneller zum Glas / zur Flasche bringen als man glaubt.

    Warnen kann ich aber im Zusammenhang mit der Ersatzbeschäftigung nur vor einer "Überkompensation". Statt der Trinkerei X mache ich jetzt z.B. den Sport Y, aber nicht bloß "normal", sondern um nicht auf dumme Gedanken zu kommen, im übertriebenen Ausmaß. Z.B. Ich machte bereits meine Trainingseinheit indoor. Dann kommt das Suchtgedächtnis und ich gehe daher eine Stunden raus zum Radfahren, laufen oder egal. Und das Ganze vielleicht nochmal, wenn ein paar Stunden später dieselbe Situation eintritt.

    Um was für eine Ersatzbeschäftigung es sich dabei handelt, ist glaube ich nicht wesentlich: Handarbeiten, putzen, lesen, kochen (essen) - das ist zumindest noch billig. Shoppen, spielen - da wird es dann schon teurer. Und und und. Eine Bekannte von mir z.B. hat die Angewohnheit, wenn ihr alles zu viel wird, shoppen zu gehen (und das tut sie oft).

    Mich jedenfalls hat es insoweit bei der körperlichen Betätigung ein wenig "erwischt". Sprich: Ohne zwei, drei Stunden Sport am Tag (egal ob indoor oder outdoor) fehlt etwas bzw. ist der Tag nicht "komplett". Ist schon interessant, oder? Im Grunde wird eines (die Trinkerei) auf anderes verlagert (was auch immer).

    Hier hat meine Therapeutin schon vor einiger Zeit gesagt, ich solle aufpassen, dass ich nicht von der einen Abhängigkeit in eine andere gerate. Ja, und hiervon wegzukommen ist auch alles andere als einfach. Denn wenn die Ersatzbeschäftigung zum nächsten "Extrem" wird, dann wird sich das Problem mit dem "was tun mit der vielen Zeit" fortsetzen (wenn es wieder ums Aufhören geht). Im Grunde bleibt man im System gefangen.

    Deshalb, so ein kleiner Denkanstoß von mir: Wenn man trocken werden und bleiben will, sollte man auch bei den "Zeitfüllern" (Ersatzaktivitäten zur Trinkerei) aufpassen und diese so wählen, dass es mehrere davon gibt und diese nicht zu anstrengend sind und einen zu großen Teil des Lebens einnehmen. Denn wenn man sich zu sehr auf eine Sache konzentriert und diese übertreibt und dadurch seine Alkoholabhängigkeit überkompensiert, dann fällt man vermutlich über kurz oder lang in alte Muster zurück. Im schlimmsten Fall kommt dann vielleicht sogar wieder der Griff zur Flasche.

    Um dies zu verhindern, bin ich jetzt selbst dabei, mich wieder ein wenig zu bremsen. Denn ich habe die letzten Monate über gemerkt, dass eine Ersatzbeschäftigung zur Trinkerei, die im Grunde ja ihre Vorteile hätte (und vielleicht auch grundsätzlich gesund ist: -35 Kilo in 7 Monaten und eine Kondition wie ein 30-Jähriger - aber für wie lange?), im Falle des Übertreibens und mangels echter Abwechslung durchaus gefährlich werden kann. Gefährlich in dem Sinne, dass dann, wenn ich diese Aktivität nicht ausüben kann, das Suchtteufelchen von früher mit seinem Dreispitz wieder an die Tür klopfen könnte. Weil es ja so einfach wäre...

    Ja, das wären wieder einmal so ein paar Gedanken gewesen, die mir durch den Kopf gegangen sind... Hoffe, ich bin nicht ganz so allein mit diesen Gedanken...

    LG und noch ein schönes Wochenende, Euer Stef.

  • Hi Stef,

    interessant, dass Du das schreibst. Ich hab das "Problem" nicht, aber ich weiß noch als Du vor einiger Zeit schriebst wie viel Du abgenommen hast das ich dachte holy shit.

    Liebe Grüße

    Kazik

  • eine Ersatzbeschäftigung zur Trinkerei, die im Grunde ja ihre Vorteile hätte (und vielleicht auch grundsätzlich gesund ist: -35 Kilo in 7 Monaten und eine Kondition wie ein 30-Jähriger - aber für wie lange?), i

    Liest sich für mich nach einer Suchtverlagerung. Nur weil Du körperlich zur Zeit trocken bist, ist Dein Suchtgedächnis weiterhin aktiv. 35Kg in 7 Monaten ist nicht gesund und klingt extrem. Ich würde da mal genau in mich gehen. Pass gut auf Dich auf.

  • 35 Kilo in 7 Monaten

    Oh Gott! Das klingt wirklich krass. Warst du denn vorher sehr adipös? Denn wenn man von einem ‚Normalgewicht‘ ausgeht wäre das ja tödlich (z.B. bei mir). Ich wünsche dir dass du zu einem normalen Körperempfinden zurück kommst. Ich mache auch gerne und viel Sport- ‚viel‘ heißt bei mir so 5 Stunden - pro Woche (!!!).

    Von Suchtverlagerung habe ich schon öfter gehört und kann es sehr gut nachvollziehen.

    Ich hatte auch das Problem, dass ich ohne Alkohol erst mal eine Leere spürte und das ohne Kater einfach mal rumhängen ohne mich dabei schlecht zu fühlen erst lernen musste. Inzwischen geht es ganz gut- allerdings freue ich mich wenn dabei schlechtes Wetter ist und ich dann nicht raus ‚muss‘.

  • Hallo Kazik!

    Das mit dem Gewicht ist nicht so schwer.

    Ich bringe mal ein Rechenbeispiel (ich sage jetzt nicht wie viel es bei mir vor dem Aufhören war - wirklich sagen könnte ich das sowieso nicht, aber im Nachhinein betrachtet war es mehr als viel zu viel):

    100 ml Weißwein haben ca. 84 kcal, bedeutet 1 Flasche (0,75 l) sind 630 kcal und 2 Flaschen 1.260 kcal.

    100 ml Bier haben ca. 42 kcal, bedeutet 1 kl. Flasche (0,33 l) sind 140 kcal / Flasche und 4 Flaschen machen dann ca. 560 kcal.

    Macht pro Tag 1.820 kcal x 7 Monate ergibt ca. 382.000 kcal.

    1 kg Körperfett entspricht in etwa 7.700 kcal.

    Bedeutet also: knapp 50 kg.

    Nicht zunehmen würde man ja nur dann, wenn man auf das Essen verzichtet. Also auch wenn man im Verhältnis wenig isst, wird man durch die Trinkerei über kurz oder lang zunehmen. Und zwar ordentlich.

    Bei mir war es etwas weniger, aber... man sieht... Daher ist auch im Hinblick auf eine Gewichtsreduktion das Weglassen des Alkohols nicht nur sinnvoll sondern auch effektiv (es sei denn, man gleich den weggelassenen Alkohol durch Süßes, Salziges und Schmalziges wieder aus)...

    LG, Stef.

  • Bedeutet also: knapp 50 kg.

    Ich bin jetzt ein Jahr nüchtern. Laut dieser Hochrechnung bin ich jetzt verschwunden 😂

    Ich weiß was du meinst. Aber ich glaube der Stoffwechsel stellt sich auch irgendwie um.
    Ich esse seit meiner Abstinenz eher weniger weil ich nicht zu Chips und Nüsschen greife. Aber ich habe gar nicht abgenommen. Bin aber auch normalgewichtig, da ist es ja auch gut so.

  • Liebe Leute,

    Danke für die Rückmeldungen. Sicherheitshalber möchte ich hier bitte nur etwas sagen bzw. die Sache etwas entschärfen:

    Über viele Jahre lang war ich Sportler (Triathlon) und auch entsprechend muskulär "aufgebaut". Durch die Trinkerei nahm ich mal zu, dann - wenn ich wieder zu trainieren angefangen habe und nix mehr trank - wieder ab. Mein Maximalgewicht hatte ich während der Corona-Zeit (da sage ich lieber nicht, wie viel).

    Die 35 kg, von denen ich jetzt spreche haben 105 kg als Ausgangsbasis. Dieser Wert ging gerade noch, war aber dennoch unangenehm. Also bin ich jetzt mit den 35 kg weniger bei einem BMI angelangt, der im absoluten Ideal-Bereich liegt. Gott sein Dank. Den Marathon schaffe ich wieder in unter 4 Stunden. Parallel dazu habe ich meine Ernährung so umgestellt, dass ich kaum noch Gewicht verliere. Bestenfalls marginal.

    Die Gewichtsreduktion sehe ich derzeit, da ich diese praktisch zum Stillstand gebracht habe, daher nicht als Problem.

    LG, Stef.

  • Hallo, liebe Leute!

    Ein echtes Update kann ich nicht liefern, aber so manch ein Gedanke oder Ereignis, wie das folgende, bringt mich dann doch zum (hier) Schreiben:

    Es ist jetzt noch gar nicht mal so lange her, da musste ich als Personalverantwortlicher in meiner Firma einen langjährigen Mitarbeiter (ich kannte ihn sicher schon 10 oder 12 Jahre und wir verstanden uns recht gut) entlassen. Hin und wieder schaute er zu tief ins Glas und leistete sich dann auf der Arbeit (und teils auch ziemlich heftig auf Firmenfeiern) den einen oder anderen Fauxpas. Nichts wirklich Schlimmes im Einzelnen, aber irgendwie sah ich kein Licht mehr am Ende des Tunnels. Insgesamt nicht mehr akzeptabel.

    Dann kam das Gespräch, wobei ich der Ansicht bin, er wusste schon im Vorfeld, worum es gehen würde. Ich möchte dazu anmerken, dass ich derartige Gespräche nicht ausstehen kann - diese sind mir extrem unangenehm, weil ich doch lieber den Sonnenschein (die Harmonie) als das Regenwetter (Unstimmigkeiten) im Betrieb habe...

    Verlaufen ist das Gespräch wie man es doch immer wieder erlebt: Zuerst tut man überrascht und es wird geleugnet (nein, ich habe nichts getrunken, wie kommt ihr bloß auf sowas?), dann der Versuch, die Sache anderen in die Schuhe zu schieben bzw. als eine Art Komplott darzustellen (die Kollegen wollen mir ja nur was anhängen) bis hin zum Schlechtmachen von anderen (der ist auch nicht besser, den sollte ihr euch mal anschauen) und dann doch das Eingeständnis des Problems mit der Sauferei und das Versprechen der Besserung (ja, ich weiß, dass ich ein Problem habe, aber ich reiß mich zusammen, das kommt nicht mehr vor, ich gehe in Therapie und und und). Zuletzt kommen dann oft auch noch die traurigeren Dinge des Lebens, aber lassen wir das mal weg.

    So gut (oder eher so schlecht): Die Entscheidung stand jedenfalls fest.

    Was mich nachdenklich macht: Ich kann es nicht zu 100% sagen, aber ich denke, damals, als ich noch getrunken habe, hätte ich vermutlich eher Verständnis für den Mitarbeiter gehabt (bzw. ihn nicht entlassen). Da saßen wir ja quasi im selben Boot, machten ähnliches mit, tranken immer wieder mal ein Bier zusammen. Jetzt ist es anders. Und auch wenn objektiv betrachtet die Entscheidung richtig war, kommen doch die Gedanken, wie groß die Unterschiede im eigenen Verhalten und in der eigenen Wahrnehmung sind, je nachdem, ob man trocken ist oder eben nicht.

    Und was mich irgendwie am meisten beschäftigt ("verfolgt"?), ist dabei der Gedanke, dass mein Mitarbeiter zwar nichts sagte, aber sich vielleicht doch gedacht hat so etwas wie: "Denk' mal zurück wie Du warst, als Du noch getrunken hast. Wie Du Dich benommen hast. Mich aber wirfst Du raus."

    Hmm, schön ist diese Vorstellung nicht, aber ich nehme an, so ist das Leben und die Trockenheit bringt einen auf Gedanken, die man sonst vermutlich nicht hätte...

    LG, Stef.

  • Was mich nachdenklich macht: Ich kann es nicht zu 100% sagen, aber ich denke, damals, als ich noch getrunken habe, hätte ich vermutlich eher Verständnis für den Mitarbeiter gehabt (bzw. ihn nicht entlassen).

    Hallo Stef, in jeder größeren Firma, wird einem auffällig gewordenen nassen Mitarbeiter die Chance gegeben,durch einen Therapienachweis seinen Job zu erhalten? Das lese ich bei dir nicht raus.:/

  • Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht.

    Es gab einige Vorfälle, vor allem solche, bei denen durch ein alkoholbedingt flegelhaftes und unqualifiziertes Verhalten in der Öffentlichkeit die Reputation des Betriebs gelitten hat. Am Anfang fiel das nicht so auf und wenn ja, dann wurde das eher mit Stress, schlechter Laune, privaten Problemen zu Hause etc. begründet.

    Natürlich macht es auch noch einen Unterschied, in welchem Bereich der Mitarbeiter gearbeitet hat. Je näher an der Öffentlichkeit bzw. dem Kunden, desto problematischer. Hier war das echt problematisch.

    Eine Anweisung an einen Mitarbeiter, einen Alkoholtest zu machen, ist nicht so einfach bzw. kann dies ohne Angaben von Gründen verweigert werden, außer die Nüchternheit wäre ein absolutes Arbeitskriterium (z.B. Busfahrer). Wenn ein vermeintlich durch Alkohol Beeinträchtigter seinen Konsum nicht zugibt, kann ich ihn erstmal nur nach Hause schicken (Dienstfreistellung, Suspendierung). Weil er seine geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt. Und dann? Meldet sich krank (Gründe muss man nicht angeben), bleibt er ein paar Tage zu Hause und kommt dann wieder... Wenn es gut läuft, passiert nichts, wenn nicht, dann droht vermutlich bald das nächste Ungemach.

    Wenn es hart auf hart kommt, kann ich ihn zum Betriebsarzt oder zum Amtsarzt schicken. Wenn hier der Mitarbeiter aber nicht kooperiert (z.B. zwar hingeht, aber nichts sagt), habe ich wieder ein Problem...

    Fakt ist, der betroffene Mitarbeiter wurde immer wieder auf seinen - aus unserer Sicht problematischen - Umgang mit Alkohol und sein Verhalten in der Öffentlichkeit angesprochen, bloß geholfen hat es: Nix.

    Daher musste dann wohl über kurz oder lang Schluss sein, wobei ich dennoch alles andere als zufrieden mit der Entwicklung bin - eben, weil auch ich eine nicht ganz kleine Vorgeschichte habe...

  • Ich schreibe mal meinen Blick und verwende andere Wörter/Wortbedeutungen:

    Als Vorgesetzter, der trockener Alkoholiker ist, dürfte/sollte man ein besseres/größeres Verständnis für so einen Menschen und solche Problematik haben als ein Vorgesetzter, der selbst in der Sucht gefangen ist.
    Verständnis hier im Sinne: Der Trockene hat die Erfahrung des Ausstiegs, kennt Mühen, Probleme, ggf. Misserfolge, hat sich Verdrängungstaktiken bewusst gemacht, etc.

    Das "in einem Boot"-Verständnis, was Du Dir für "damals" (also vor rund 8 Monaten) vorstellst, würde ich eher als Solidarität/Komplizenverhalten bezeichnen.

    Nun spielen immer auch andere Aspekte rein. Symathie/Antipathie, gemeinsame Vorgeschichte (ohne Alk), Verdienste, Wichtigkeit für die Firma und mit allem abgewogen der Delikt- und Schadensumfang. Je nach Firmengröße, Macht, Mitbestimmungsrecht und herrschendem Geist hat der Entscheider da durchaus auch einen Ermessensspielraum, der manchmal beeindruckend weit ausgenutzt oder auch knallhart abgehandelt wird.
    Andererseits gibts im Firmenkontext auch objektive Kriterien/Grenzen, wann es genug ist und Konsequenzen erfolgen (müssen).

    Tja und eigentlich fehlt mir noch das Wort Mitgefühl in der Betrachtung. Das lese ich bei Dir nicht. Aber das wäre dann womöglich so eine Sache wie bei den Co's.

    Es ist menschlich eine sehr unangenehme Sache. Ich habe beide Seiten des Tisches erlebt (aber eindeutig noch ohne jedes Alkoholproblem, Kontext waren jeweils Strukturveränderung/Schließung).

  • Die Sache liest sich nicht ohne und beschäftigt Dich. Gut, dass Du es aufgeschrieben hast
    Pass gut auf Dich auf.


    Und...

    was mich irgendwie am meisten beschäftigt ("verfolgt"?), ist dabei der Gedanke, dass mein Mitarbeiter zwar nichts sagte, aber sich vielleicht doch gedacht hat so etwas wie: "Denk' mal zurück wie Du warst, als Du noch getrunken hast. Wie Du Dich benommen hast. Mich aber wirfst Du raus."

    Nun ja, die Gedanken sind frei (s. Volkslied).
    Ich kenne nur Deine Sicht und kann das nicht im Detail beurteilen.
    Aber da würde ich mich einfach an die objetiven Kriterien halten, die Du in #155 beschrieben hattest.

  • Ja, das ist keine schöne Geschichte, aber eine wichtige.

    Wir wissen ja, dass man niemanden zur Einsicht zwingen kann, und ohne Einsicht und den eigenen klaren Entschluss zur Abstinenz geht es nicht.

    Die Firma hat ihn mehrfach verwarnt, weil er nicht nur sich selbst geschadet hat, das hat nichts bewirkt. Die Konsequenzen sind bitter, können bestenfalls aber beim Trinker als Augenöffner wirken - wie das Verlassenwerden durch den Co- Partner.

    Auch am Arbeitsplatz kann man Co-Tendenzen entwickeln, habe ich in der Reha gelernt: wenn man Trinker aus falsch verstandenem Mitgefühl oder Verständnis "durchschleppt", ohne klare Grenzen aufzuzeigen. Dann macht man sich der Suchterhaltung mitschuldig.

  • Lieber Oskar, liebe Rennschnecke!

    Danke für eure Worte.

    Im Grunde ist diesen nichts hinzuzufügen (sie treffen ins Schwarze!), bloß jenes:

    -) Ich komme deswegen ins Grübeln, weil ich mir denke: Jetzt hast Du demjenigen, der ohnehin schon auf der Kippe stand, mit der Entlassung sein Leben endgültig ruiniert. Wo soll er noch Arbeit finden? Seine Frau ist weg, nun auch noch die Arbeit. Er wird sich nun komplett "abschießen" und daran bist Du schuld. [Wirklich krass, dieses Co-Denken!]

    -) Die Sache mit dem Mitgefühl... Kann man das in solchen Fällen wirklich haben? Ja, ich bedauere den armen Kerl. Aber andererseits hat er sich doch auch selbst in diese Situation gebracht. Und es ist ja auch nicht so, dass seine Krankheit nicht thematisiert worden wäre. Bloß: Wer nimmt einen über Alkoholmissbrauch debattierenden (schimpfenden?) Chef, der selber nur allzu oft einen über den Durst getrunken hat, wirklich ernst? Ich meine, in Mitarbeitergesprächen? Eigentlich konnte ich (ich habe mir das nicht leicht gemacht, sondern den letzten Schritt verschoben, verschoben, verschoben) nur so entscheiden: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende! [Co-Denken, die 2.]

    -) Ich habe nie geraucht. Aber es hält sich doch auch hartnäckig das Gerücht, dass diejenigen Nichtraucher, die mit dem Rauchen aufgehört haben, zumeist zu den "extremeren" Zeitgenossen ihrer Zunft gehören. Oft viel schlimmer als die, die nie geraucht haben. In ihren Ansichten, ihrem Verhalten, ihrer Konsequenz. Ist das vielleicht bei den trockenen Alkoholikern auch so? Dass man sich als trockener Alkoholiker erst recht beweisen will und eine härtere Gangart gegenüber denjenigen einschlägt, die den Absprung leider nicht geschafft haben? Ich fürchte es fast ein wenig...

    Naja, ich lasse es lieber für heute. Zuviel nachdenken war noch nie gesund.

    LG, Stef.

  • Mir stellt sich die Frage: Was hätte er wohl getan, wenn die Rollen vertauscht gewesen wären?

    Aber gut – das Grübeln über die eigene Lage bringt wenig, wenn ich in der Verantwortung stehe. Am Ende zählt, dass Entscheidungen im Sinne des Geschäfts getroffen werden, auch wenn man sich in manch einer Situation selbst wiedererkennt.

    Persönliche Ähnlichkeiten dürfen das professionelle Handeln eben nicht überschatten.

    Das andere sind die Gefühle, und ich ziehe daraus auch andere Schlüsse.

    Hättest du nicht aufgehört zu trinken, wärst du die Person gewesen, die du selbst entlassen musstest Es ist nicht der Umstand, der einen zum Grübeln bringt, sondern ehr der Spiegel, in den man rückwirkend schaut.

    Mal etwas anders gedacht.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

    Trocken seit 2007

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