• Hallo zusammen

    nun habe ich in einem anderen Thread, sehr viel Verallgemeinerungen gelesen, was einem Alkoholiker betrifft.

    Meine Frage .

    Was ist denn ein typischer Alkoholiker und wem hilft es , das so zu sehen ?

    Für mich ist es erstmals keine Sache, sondern eine Krankheit, deswegen halte ich es auch für verkehrt alles über großen Kamm zu schweren .

    Nun sind Verhaltensauffälligkeiten bei vielen ähnlich und die Sucht nimmt auch eine ähnlichen Verlauf .

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Naja, Hartmut .....
    wie Du selbst sagst, sind viele Verhaltensauffaelligkeiten erstaunlich aehnlich. Nicht die Personen dahinter. Schon klar.
    Wem das hilt, es so zu sehen?
    Mir hatte es damals unheimlich geholfen, um es nicht mehr "persoenlich" zu nehmen.
    Und ich denke, es geht vielen aehnlich. Weil sich ja zuerst einmal alles innerhalb der 4 Waende abspielt. Oder genauer gesagt....im Geflecht der Zweier-Beziehung. Sich Wechselseitige Reaktionen ergeben......
    Zu erkennen "das hat nichts mit mir zu tun, es ist egal, was ich sage, tue, denke......" das war der erste Schritt um Distanz reinzubekommen. Emotionale Distanz. Um das Geflecht aufzudroeseln aus : und dann hat er und dann hab ich und dann passierte das und dann mussste ich und daraufhin hat er......
    Den Fokus wieder auf "mich" und "meinen Anteil" an der Chose richten.
    Denn soooo einfach wie "Hier die "Boesen" und da die "Guten", die alles tun nur damit, und wie wirds gedankt....." Soooo einfach ist es ja nie.
    Das Taeter-Opfer-Schema passt nie.
    Da gibt es durchaus Anteile von Beidem bei Beiden!

    Wenn zwei Leute gemeinsam kochen und das Resultat ist ein ungeniessbares Etwas.....dann war das eben nicht nur Einer, der den Eintopf versalzen/anbrennen/unmoeglich abgeschmeckt hat.

    Gruesse, Lindi

  • Hallo,

    Zu Deinen Fragen:

    Zitat

    Was ist denn ein typischer Alkoholiker....

    Es gibt typische Verhaltensweisen/Verhaltensauffälligkeiten bei der Krankheit Alkoholismus. Dazu mal Tante google befragt, wird sie einiges diesbezüglich ausspucken. :wink:
    Der Rest ist in diesem Forum oft nachzulesen :wink:

    Ich habe übrigens hierzu mal in meiner realen Gruppe ein Schaubild gesehen, was in den Räumlichkeiten hing. Es war darauf abgebildet, wie "üblicherweise" eine Alkoholkrankheit abläuft. Ich habe mich in beinah allen Punkten wieder erkannt. Es mag sein, das 1-2 Punkte nicht auf mich zutrafen, aber das wars auch schon. Hier mag es dann doch noch geringe individuelle Abweichungen geben, aber das ist auch schon alles.

    Es gab auf diesem Bild aber auch zu sehen, wie man wieder rauskommen kann aus der Sucht. Und auch darin konnte ich mich wieder erkennen :)
    Und auch dieser Verlauf schien mir typisch zu sein. Ohne Hilfe lief da nix mehr. Aber mit entsprechender Hilde gab es dann auch leicht unterschiedliche Wege in die Trockenheit. Ich bin ja auch keinesfalls einen typischen gegangen (ohne Thera, ohne SHG, "nur" mit einer Entgiftung).
    Es gab aber auch auf diese Schaubild nicht hundert Wege aus der Sucht. SO individuell isses dann auch wieder nicht.

    Zitat

    ... und wem hilft es , das so zu sehen

    ?

    Es kann helfen, festzustellen, das man nicht allein dieses kranke Verhalten hatte. Das andere davon ebenso betroffen sind/waren. Es kann so die Scham mindern. Ich für meinen Teil habe mich jedenfalls oft für meine Sauf-Verhaltensweisen geschämt, aber ich war zu krank/zu abhängig, das noch aus eigeiner Kraft ändern zu können.

    Zitat

    Für mich ist es erstmals keine Sache, sondern eine Krankheit, deswegen halte ich es auch für verkehrt alles über großen Kamm zu schweren .

    Einerseits mag ich es überhaupt nicht, alles über einen Kamm zu scheren, ich hasse es sogar. Andererseits hat aber diese Krankheit einen sehr typischen Verlauf. Da gehts nicht darum, ob mir Verallgemeinerungen gefallen oder nicht. Die Krankheit spricht ihre eigene Sprache.

    Ich halte es sogar für gefährlich, sich für einen ganz individuellen Alkoholiker zu halten.
    Denn genau das kann einen auch sehr lange in der Sucht festhalten.
    Weil man doch "so ganz anders ist als die anderen Säufer da draussen auf der Straße, die bei Pen*y umme Ecke stehen mit dem Discount-Büchsenbier".
    Nein, zu denen gehört man nicht, man "genießt" doch das Glas Wein vorm Kamin oder das hochwertige amerikanische Gesöff aus edlen Gläsern mit dicken Kristall-Glasboden... und pipapo... :roll:

    Dabei ist alles nur ne Frage der Zeit... bei Jobverlust wegen immer größerer Unzuverlässigkeiten ist auch schnell die Bude weg, weil keine Kohle mehr reinkommt, da reichts dann auf einmal nur noch für das Discount-Dosenbier.
    Kurzum, hier schrieb mal jemand vor vielen Jahren (ich hab n verdammt gutes Gedächtnis :wink: ): "ich hätte auch Bier aus nem Gullideckel gesoffen".
    Ja, ich hätte das sicher auch getan, irgendwann.... ich war zwar noch nicht ganz dort, aber der Weg dahin war unaufhaltsam. Ich mache mir da nix vor. Und will es auch nicht.

    Ich bin also eine Alkoholikerin, die NICHT individuell im akuten Stadium ihrer Krankheit war, ich habe diese rosa Brille schon gleich nach meiner Entgiftung weggeschmissen.
    Ich habe gesoffen, wo und wann immer es ging. Ich konnte nicht mehr anders, ich bekam Panik, wenn kein Alk mehr im Hause war. Am Ende drehten sich all meine Gedanken darum. Ich habe im Grunde alles riskiert für meine Droge. Ich kann nur froh und dankbar sein, das ich Hilfe bekam, da nochmal rauszukommen. Und das bin ich auch. :)

    LG Sunshine
    (die gern individuell ist, aber nicht in Bezug auf ihre Krankheit :wink: )

  • Gut, Hartmut, dass Du diesen (neutralen) Extra-Thread eröffnet hast. Denn es fällt mir leichter hier, als in Karl65s oder Katharsis' Thread zu schreiben.

    Ich habe die Meinungsäusserungen sowohl von Lindi (und ihr Zustimmenden) als auch von Katharsis (und ihr Zustimmenden) gelesen.
    Trotzdem ich eindeutig zu der 'Säufer-Gruppe' zähle (auch wenn ich nunmehr seit über 18 Monaten nicht mehr trinke) erscheint mir Lindis (hartes) Urteil als zutreffendere Beschreibung.
    Ich halte nichts, aber auch gar nichts davon, einen selbst angesoffenen Alkoholismus in den Bereich einer quasi unverschuldeten, bösen Krankheit zu rücken.
    Und wer kann eine(n) Säufer(in) in seinen Verhaltensweisen besser (objektiv) beurteilen, als der/die Partner(in) oder Familienangehörige, egal ob nun "Co" oder nicht, oder irgendwelche (Ex)Leidensgenossen? Ich denke die, die ihn jahrelang ertragen müssen.
    Auch wenn es nicht gerne gehört wird, ich halte Saufen und die Unfähigkeit sich davon zu lösen tatsächlich zu einem überwiegenden Teil für Willensschwäche.

  • Hallo Carl,
    es sei Dir unbenommen, dass Du es ueberwiegend als Willensschwaeche siehst.
    Nur bitte - das habe ich weder gesagt, noch gemeint, auch nicht angedeutet...ich habe mir eben extra nochmal durchgelesen, was ich geschrieben habe.
    Was ich allerdings gesagt habe (auch dann in den weiterfuehrenden Diskussionen) ist, dass ich die Aufspaltung der Persoenlichkeit in den "lieben" Nuechternen und den "boesen" Betrunkenen so fuer mich nicht mehr akzeptiere. Beide Teile sind als Anlage in der Person vorhanden.

    Darueber kann ich nicht (mehr) hinwegsehen.
    Lindi

  • Hallo,

    Ein typischer Alkoholiker ist jemand, der übermäßig viel Alkohol trinkt, und sich dann dementsprechend betrunken verhält.

    Mehr hab ich nicht, sorry.

    Würde ich anfangen, nach typischen Merkmalen zu suchen, würde ich wie gewohnt meine eigenen nennen müssen, und die gehen tatsächlich eher in die Richtung des netten Betrunkenen, aber damit ist ja nun auch niemand geholfen, am wenigsten mir selbst.

    (jetzt an der Frage vorbei, aber es wurde hier angesprochen:) Ich kann’s auch bis heute nicht einfach als Willensschwäche abtun, denn damit würde ich die Wahrheiten meiner eigene Alkoholiker-Geschichte verleugnen müssen, und hätte dann ausserdem nicht mehr verstanden, wie ich damit aufhören konnte.

    Was ich die ganzen Jahre machen wollte, war jeden Abend viel Alkohol trinken, also habe ich letztendlich genau das gemacht, was ich wollte. Da ich in den letzten Jahren feststellen musste, dass ich nach kurzen Pausen immer wieder zum selben Rhythmus zurück fand, egal was, habe ich auch im nach hinein kein Problem damit, dieses als Symptom der Krankheit zu sehen. Nicht als Ausrede, sondern als Fakt, mit dem ich dann endlich Umzugehen lernen konnte.

    Gruß, Bruce

  • Hallo,

    das Thema dieses Threads ist gerade für mich in meiner Situation total hilfreich. Ich bin erst seit gestern hier im Forum. Anhand von Schilderungen anderer kann ich heute sagen, dass meine Frau offenbar eine typische Alkoholikerin ist.

    Wem das hilft? Mir hilft es ungemein! Ich weiß jetzt endlich wo ich/wir stehen. Es ist für mich eine Orientierung und ich kann mich in meiner Hilflosigkeit an Erfahrungswerten anderer orientieren. Ich kann mich hier vorbereiten auf das, was noch auf mich zukommen könnte.

    Ich sehe ihre Sucht heute schon mit anderen Augen. Die Kategorisierung als Krankheit hilft mir, meine Situation distanzierter zu sehen. Ich habe ihr ihren Suff heute nicht persönlich übel genommen. Und ihr könnt mir glauben, es war heute wirklich übel. Statt darüber nachzugrübeln, was ich anders machen könnte, damit sie nicht... oder nachzudenken, was wäre wenn... konnte ich mich einfach umdrehen, sie liegen lassen und eine Fahrradtour mit meinen Kids machen. Das waren keine kleinen Schritte der Erkenntnis. Das waren heute für mich Siebenmeilenstiefel auf meinem mir bestimmten Weg.

    Ich danke euch allen dafür, dass ihr so unermüdlich hier schreibt.

    VG
    Karl

  • Carl57 schrieb:

    Zitat

    Auch wenn es nicht gerne gehört wird, ich halte Saufen und die Unfähigkeit sich davon zu lösen tatsächlich zu einem überwiegenden Teil für Willensschwäche.

    Das sehe ich komplett anders.
    Ich galt und gelte als sehr willensstarker Mensch.
    Aber gegen die Alkoholsucht war ich völlig machtlos.
    Mein Wille nützte mir rein gar nix im akuten Stadium meiner Krankheit.
    Ohne professionelle Hilfe anzunehmen geht da gar nix mehr, und auch diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht.

    Ich habe Jahre später in einer realen SHG, in der ich kurze Zeit war, einige sehr starke, hochintelligente Persönlichkeiten kennengelernt. Menschen, die man sicher nicht so schnell vergißt.
    Aber weder ihre Willensstärke noch ihre Intelligenz half ihnen auch nur einen Pfifferling, als sie noch soffen.

    Von daher halte ich das für ein (sorry) ganz dummes Vorurteil von Menschen, die es einfach nicht besser wissen/gar nicht wissen wollen.

    Zitat

    Und wer kann eine(n) Säufer(in) in seinen Verhaltensweisen besser (objektiv) beurteilen, als der/die Partner(in) oder Familienangehörige, egal ob nun "Co" oder nicht, oder irgendwelche (Ex)Leidensgenossen? Ich denke die, die ihn jahrelang ertragen müssen.

    Auch das sehe ich anders.
    Angehörige sind selbst viel zu involviert, um noch objektiv auf den Kranken schauen zu können. Da ist schon so viel Wut, Enttäuschung, Trauer, Resignation etc.
    Wo sollte denn da noch bitteschön Objektivität herkommen?

    LG Sunshine

  • Hallo,

    was ein "typischer Alkoholiker" ist, hat mir auch anfänglich enorm geholfen!

    Ich kam mir damals in der Beziehung mit meinem Exmann verloren vor. Hilflos. Und schuldig! Denn alles, was ich dachte, ihm Gutes zu tun, hat nicht geholfen. Und alles, was ich dachte, was ihn aufrüttelt, auch nicht. Ich habe um ihn gekreist, wie ein Mond um eine Sonne, gewissermaßen. Oder aber auch, wir haben den grotesken Tanz einer Suchtbeziehung getanzt. Mal war er Opfer, mal ich, mal war er Schuldiger, mal ich...

    In meiner Hilflosigkeit, in meiner Wut, die immer größer wurde, habe ich viele Dinge getan, für die ich mich hinterher geschämt habe. Genau so, wie die Sucht bei meinem Exmann all die häßlichen Seiten seiner Persönlichkeit zutage gefördert hat, hat das meine Coabhängigkeit bei mir auch getan. Ich war hilflos, überfordert angesichts seiner Sucht. Und meiner Machtlosigkeit.

    Und dann las ich davon, dass sein Verhalten einfach normal sei für das Krankheitsbild Alkoholismus. Dass er nicht anders konnte, als immer wieder zu trinken. Zu lügen, zu beschuldigen, all das, was da so war und ist, um eben zu seinem Alkoholpensum zu kommen. Dass es eben typisch sei.

    Und dass ich, als Angehörige, Coabhängige, da nichts machen könne, aber eben auch keine Schuld habe.

    Das war wie eine Offenbarung, gewissermaßen. Wenn er also soff, dann musste er das tun, weil sein Körper das verlangte. Und nicht, weil ich etwas falsch gemacht hatte. Ich hatte im Prinzip erstmal grundsätzlich garnix damit zu tun. Ich las, dass ich durchaus das Recht hatte, ihn so sein zu lassen, es zu akzeptieren. Dass ich mir vom Leben auch noch die schönen Dinge gönnen dürfe.

    Das nahm enormen Druck raus! Es nahm Druck raus zu erkennen, unsere Art des Zusammenleben ist einfach typisch für eine Beziehung Abhängiger/Coabhängige.

    Es gibt mit Sicherheit da auch Unterschiede. Aber grundsätzlich ist es doch immer wieder ein ähnlicher Ablauf. Ich habe es so erfahren, in den Beziehungen, die ich selbst beobachtet habe in meinem Umkreis. In Erzählungen der realen Gruppe. In den Lebensgeschichten, die ich im Laufe der Jahre auch hier im Forum gelesen habe.

    Aber am Anfang, da war es mir noch egal. Da las ich nur:
    das ist typisch!

    Und das war für mich ein wichtiger Schritt, dass ich beginnen konnte, mich zu lösen, aus meiner eigenen Abhängigkeit raus zu kommen. Loslassen zu können. Mich nicht mehr als verantwortlich zu fühlen, als Frau, die die Fäden in der Hand haben musste. Weil ich eben nicht schuldig war, unfähig, all sowas. Auch half es mir, meinen Exmann als erwachsenen Menschen zu erkennen, der das Recht hat, zu sein, wie er will.

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Sunshine,

    du schreibst:

    Zitat

    Aber gegen die Alkoholsucht war ich völlig machtlos.
    Mein Wille nützte mir rein gar nix im akuten Stadium meiner Krankheit.
    Ohne professionelle Hilfe anzunehmen geht da gar nix mehr.

    Ich kann mich da überhaupt nicht rein versetzen. Deshalb habe ich auch so lange gebraucht, in dieses Forum zu kommen.

    Du hattest prinzipiell den Willen, aufzuhören, hast es aber eigenständig nicht geschafft. Was macht den Unterschied zwischen dem eigenen Willen aufzuhören und einer professionellen Begleitung?

    VG
    Karl

  • Hallo

    @Sunshine

    Zitat

    Vielleicht kann das mal ein Moderator korrigieren?

    na für dich mach ich doch das gerne :)

    Typisch ist für mich der Suchverlauf aber nicht der Alkoholiker. Da unterscheide ich zwischen Nass und Trocken . Sucht ist auch nicht individuell oder hat was mit Willensschwäche zu tun .

    Wenn, dann war mein Wille nicht schwach sondern krank. Ich konnte als nasser Alkoholiker, willentlich keine Entscheidung für mich treffen . Der Tiefpunkt und ein leichter Moment brachte mich dazu , sich zu entscheiden. Entweder für das Leben oder als Alkoholiker zu verrecken.

    Das alles unabhängig von Beruf , Familie oder Freunde. Die waren ab einem gewissen Zeitpunkt, zu Gunsten meines zwanghaften Saufens ausgeblendet.

    Ich halte es auch für gefährlich ,sich als bekennender Alkoholiker, rückwirkend als Willensschwach zu sehen . Ist das denn keine Tür um irgendwann wieder zu Saufen ?

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Zitat von Karl65


    Du hattest prinzipiell den Willen, aufzuhören, hast es aber eigenständig nicht geschafft. Was macht den Unterschied zwischen dem eigenen Willen aufzuhören und einer professionellen Begleitung?
    VG
    Karl

    Ich brauchte erstmal ärztliche Hilfe, Karl. Hätte ich versucht, kalt zu entziehen, hätte ich das ganz sicher nicht überlebt. Ich war körperlich komplett abhängig.
    Wenn ich nicht trank, bekam ich große Panik. Oftmals regelrechte Panikanfälle. Ich dachte, ich könne keinen Tag mehr ohne Alkohol überstehen.
    Dazu kamen die üblichen Entzugssymtome, wie Zittern, große innere Unruhe, starke Angstgefühle, Schweißausbrüche etc.
    Das einzige, was dann "half", war wieder trinken. Zuletzt "mußte" ich sogar nachts nachkippen, weil ich sonst nicht mehr weiter schlafen konnte.

    Der Wille, aufzuhören, war da, Karl. Ich habe es oft versucht, mit runtertrinken beispielsweise. Nur funzte es leider nicht. Ich hab das nicht geschafft, die Panikanfälle und das alles war so schlimm, ich konnte es dann einfach nicht mehr aushalten.

    Dann bekam ich professionelle Hilfe in Form einer Entgiftung. Und ich geb es auch offen zu, ich hab nicht selbst danach gesucht, ich habe mich viel zu sehr geschämt. Ich hatte am Ende einen körperlichen Totalzusammenbruch und mein Mann rief den RTW.
    Auf der Intensiv, wo ich sofort landete, kämpften die Ärzte mit mir um mein bisschen Leben. Ich hätte die Entgiftung beinah nicht überlebt.

    Professionelle Hilfe bekam ich dann weiterhin von meiner mich später begleitenden Hausärztin, die mich in allem sehr unterstützte. Noch viel später dann fand ich hier ins Forum. Auch das hier sehe ich als professionelle Unterstützung, denn wer weiß wohl mehr von unserer Krankheit als ebenfalls Betroffene?

    Ich brauchte diese Art von professioneller Hilfe, meine Willenskraft half mir nix, ich hing viel zu tief drin.

    Und wenn nun jemand meint, die Willenskraft reiche allein aus, war derjenige noch nicht dort, wo ich mal war.
    Dann wüßte er, was für ein Unsinn das ist.

    Ich habe übrigens mal vor Jahren mit einen Neurologen über meine Krankheit gesprochen anlässlich einer Untersuchung. Das erste, was er mich fragte, als ich ihn davon unterrichtete, das ich Alkoholikerin bin, war, ob mir bekannt sei, das ich nichts dafür kann, also keinerlei "Schuld" trage?
    Ja, das war mir da schon längst bekannt. :wink:
    Er sagte mit auch weiterhin, das niemand voraussehen könne, wer an Alkoholismus erkranken wird und wer nicht.
    Ja, also wenn mir das doch sogar ein Arzt sagt (meine mich begleitende Hausärztin sagt übrigens genau das gleiche) dann darf ich es wohl glauben, oder? :wink:
    Denn die Beiden sind ja nun auch vom Fach, sie haben täglich mit alkoholkranken Menschen zu tun.

    Und wenn ich dann hier sowas lesen, das man doch eigentlich selbst schuld sei an einer angesoffenen Krankheit, dann kann ich nur noch verständnislos mit dem Kopf schütteln. Ich weiss dann aber auch ebenfalls, das derjenige sicher noch nicht viel gelernt hat über unsere Krankheit.
    Aber egal, nich mein Problem.
    Schweigen werden ich allerdings nicht zu sowas.

    Ich bin übrigens seit 11 Jahren trocken, falls das interessiert.

    LG Sunshine

  • Hallo Zusammen
    Etwas über den Verlauf der ,,Krankheit,, zu erfahren war immens hilfreich für mich .
    Da ging es mir ähnlich wie Aurora und vielen anderen sicher auch.
    Sein Saufen und die damit verbundenen ,,merkwürigen,, Verhaltensweisen erstmal als ,,Krankheit,, zu sehen /begreifen puh das war ein Durchbruch.
    Endlich gab es eine Erklärung für Dinge die man sonst weder Verstehen noch auf Dauer aushalten kann.
    Bei uns z.B. diese Auszeiten,dann wenn er mich stehen lies (manchmal für Wochen), natürlich nahm ich das persönlich,ich hatte doch keinen Schimmer davon das solche Rückzüge um saufen zu können zur Krankheit dazugehören können.
    Diese aha Momente als ich hier neu war und bei den anderen las...ich dachte ,,mensch die kennen meinen xy,, gruselig war das manchmal.
    Aber es war auch der Schlüssel zum begreifen.
    Sicher bringt jeder Alkoholiker seine eigene Pesönlicheit mit ,aber es gibt ja auch viele Paralelen durch den Krankheitsverlauf, wie bei Masern,das kennt jede Mutter und kann entsprechend handeln.

    LG R..

  • Zitat von RenateO


    Sein Saufen und die damit verbundenen ,,merkwürigen,, Verhaltensweisen erstmal als ,,Krankheit,, zu sehen /begreifen puh das war ein Durchbruch.
    ......
    Sicher bringt jeder Alkoholiker seine eigene Pesönlicheit mit ,aber es gibt ja auch viele Paralelen durch den Krankheitsverlauf, wie bei Masern,das kennt jede Mutter und kann entsprechend handeln.

    LG R..

    Moin,

    dieser Vergleich legt bei mir eher die Vermutung nahe, daß Du noch nicht allzuviel über Alkoholiker gelernt hast.

    Zum Thema:

    Alleine die Tatsache, daß die Definitionen vom "typischen" Alkoholiker sogar bei den abstinenten Alkoholikern hier im Forum z.T. erheblich differieren, zeigt doch per se, daß es den "typischen" Alkoholiker nicht gibt. Und der Meinung bin ich selbst auch.
    Alleine schon der Zeitpunkt des Absprungs ist doch grundverschieden. Der Eine braucht den absoluten Tiefpunkt, quasi ne Nahtoderfahrung, die ihn wachrüttelt, der Andere merkt irgendwann, daß sein Konsum über das normale Maß hinausgeht und steuert vorher gegen, sucht sich Hilfe.
    Der Eine wird beim Saufen agressiv, geht auf Konfrontationskurs, der Andere zieht sich zurück, will seine Ruhe und niemand um sich rumhaben.
    Der Eine säuft ausnahmslos in Gesellschaft anderer Trinker, der Andere zieht sich zurück ins stille Kämmerlein und säuft sich dort alleine die Hucke voll.
    Der Eine säuft nur am WE, der Andere täglich, wieder ein Anderer immer nur Abends.
    Manche Trinker saufen täglich eine relativ geringe Summe Alkohol, andere Trinker saufen wochen- oder monatelang gar nicht, um sich dann für vier, fünf Tage regelrecht jeden Tag abzuschießen.

    Sehr interessant finde ich den Ansatz zur Willenskraft. Ich finde, trotz Krankheit hat es schon sehr viel mit Willlenskraft zu tun, ob man das Saufen aufhört oder nicht...weiter denke ich, daß es ebenfalls auch mit Willenskraft zu tun hat, ob man nach dem Entzug trockenbleibt oder wieder mit dem Saufen anfängt. Erst später kann man das anders sehen, wenn man irgendwann kapiert hat, daß man nicht auf Alkohol verzichten muß, sondern darf...sprich, wenn man, wie Hartmut es immer so schön treffend ausdrückt, nicht mehr mit der Faust in der Tasche rumläuft, sondern sich bewußt ist, daß das Leben ohne Alkohol für einen selbst besser und alternativlos ist (damit Muttis Lieblingswort auch mal in einem vernünftigen Kontext verwendet wird :-)).
    Gefährlich wird diese Ansicht nur, wenn man seine eigene Willenskraft überschätzt, also denkt, man könne allein über Willenskraft trockenbleiben. Das ist mEn. nicht der Fall. Willenskraft ist lediglich eine Komponente von vielen...ein Notfallkoffer ist aber auch nur dann von Nutzen, wenn man auch Willens ist, ihn im Notfall zu öffnen.

    Bzgl. der Aussage von Sunshine würde ich gerne nochmal klarstellen, daß Willenskraft keinesfalls mit Intelligenz zu vergleichen ist. Nicht jeder intelligente Mensch ist zwangsläufig willensstark, nicht jeder willensstarke Mensch ist zwangsläufig intelligent.
    Diese Kategorisierungen wie z.B. "alle Säufer sind dumm und willensschwach" sind natürlich plumpe Vorurteile, das muß man wohl nicht extra erwähnen. Ebenso plump wie noch einige andere Vorurteile, die man hier ab und an zu lesen bekommt.

    Wünsche allen eine schöne Woche und eine gute Zeit

    LG Andreas

  • Moin Andreas

    Zitat

    Bzgl. der Aussage von Sunshine würde ich gerne nochmal klarstellen, daß Willenskraft keinesfalls mit Intelligenz zu vergleichen ist. Nicht jeder intelligente Mensch ist zwangsläufig willensstark, nicht jeder willensstarke Mensch ist zwangsläufig intelligent.

    Ich habe Willenskraft nicht mit Intelligenz verglichen, ich bin nicht so unintelligent, das zu tun :P

    Ich schrieb:

    Zitat

    Ich habe Jahre später in einer realen SHG, in der ich kurze Zeit war, einige sehr starke, hochintelligente Persönlichkeiten kennengelernt. Menschen, die man sicher nicht so schnell vergißt.
    Aber weder ihre Willensstärke noch ihre Intelligenz half ihnen auch nur einen Pfifferling, als sie noch soffen.

    Falls es so mißverständlich rüber kam, diese Menschen die ich meinte, verfügten über BEIDES, Intelligenz UND einem starken Willen. Das ist also kein "Vergleich". Sondern sie waren einfach mit Beidem gesegnet :wink:
    Ansonsten hat ein starker Wille sicher nicht grundsätzlich mit Intelligenz zu tun.

    Du sprichst hier schon sehr individuelle Verhaltensweisen bezüglich des Saufens an. Das Schaubild, was ich eingangs ansprach, bezog sich aber gar nicht auf so individuellen Situationen.
    Sondern auf ganz allgemeine Krankheitsverläufe...
    Da wurde beispielsweise "Rückzug aus dem Freundeskreis/Isolation" genannt.
    Du schreibst:

    Zitat

    Der Eine wird beim Saufen agressiv, geht auf Konfrontationskurs, der Andere zieht sich zurück, will seine Ruhe und niemand um sich rumhaben.


    Beides hat im Endeffekt das Ergebnis, das man beginnt, sich zu isolieren. Entweder, weil man es sich mit allen verscherzt oder einfach, weil man niemanden mehr an sich ranlässt.

    Oder:

    Zitat

    Der Eine säuft nur am WE, der Andere täglich, wieder ein Anderer immer nur Abends.


    Das würde unter "regelmäßiger Alkoholkonsum" fallen.
    Nur am WE saufen oder täglich, oder nur abends, alles genannte wäre ja regelmäßig :wink: Könnte man auch als Saufrituale bezeichnen. Und in fast allen Fällen wird es immer mehr.

    Der Zeitpunkt des Abspringens aus der Sucht ist tatsächlich unterschiedlich. Das kann ich auch so aus meiner Erfahrung bestätigen. Nicht jeder durchläuft alle Punkte der Sucht.

    LG Sunshine

  • Zitat von Sunshine_33

    Moin Andreas


    Ich habe Willenskraft nicht mit Intelligenz verglichen, ich bin nicht so unintelligent, das zu tun :P

    Ich schrieb:

    Falls es so mißverständlich rüber kam, diese Menschen die ich meinte, verfügten über BEIDES, Intelligenz UND einem starken Willen. Das ist also kein "Vergleich". Sondern sie waren einfach mit Beidem gesegnet :wink:
    Ansonsten hat ein starker Wille sicher nicht grundsätzlich mit Intelligenz zu tun.

    Moin Sunshine,

    Deine Intelligenz stand nie in Frage :)

    Nee, es ist genau das, was Du selbst geschrieben hast...man hätte es so interpretieren können, deshalb wollte ich das nur nochmal klarstellen.

    Ich habe ja auch nicht behauptet, daß DU diesen Vergleich getroffen hast.

    LG Andreas

  • hallo

    nu ich auch noch. ich bin auch nicht doof, und ich habe einen sehr starken willen, das hab ich bewiesen als ich mich gegen alle widerstände selbstständig gemacht habe, trotzdem war es mir nicht möglich ohne hilfe aus der sucht zu kommen.

    ich wollte lange bevor ich es geschafft habe aufhören. ich habe meine kleinen kinder gesehen, war noch mal schwanger, ich wußte was ich mit dem saufen anrichte, ich bin krankenschwester. mir war sonnenklar welchen schaden ich meinem ungeborenen zufüge. ich wollte nicht mehr saufen, ich wollte für meine kinder und mich leben. tja und dann stand da immer wieder die flasche. mein verstand hat ganz laut tus nicht gebrüllt, aber ich konnte sie nicht stehen lassen, nur einen schluck, damit ich ruhig werde, diese unsägliche anspannung in mir weg geht. dieses gefühl des getrieben seins. ich wollte doch für meine kinder da sein, aber diese gefühle haben mich so irritiert das ich nicht denken konnte, nichts tun konnte. klar blieb es nicht bei dem einen schluck, und nach kurzer zeit lag ich wieder mal völlig zu in der ecke. am nächsten tag dann wieder diese unsägliche scham. was hab ich da schon wieder gemacht, wie konnte ich nur, ich wollte doch für die kinder.... und da war sie wieder, diese anspannung, diese unruhe, das gefühl völlig versagt zu haben, eine sch... mutter zu sein. und dann stand da wieder die flasche, nur ein schluck......

    so hat sich das angefühlt damals. ich wußte überhaupt nicht wohin, wer kann mir helfen, was kann ich tun. bis ich dann den führerschein verlor, was eine nachbarin mitbekam, die stand dann bei mir auf der matte, hat die suchtberatung angerufen und mich am nächsten morgen ganz früh dahin gefahren. ich weiß nicht ob ich gegangen wäre wenn ich nüchtern gewesen wäre, mit dem restalk bin ich mit ihr mit. mir war alles egal, ich wollte so nicht weiter machen. seit diesem tag habe ich keinen tropfen mehr angefasst.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

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