Borussia - Lebst du schon oder trinkst du noch?

  • Ich bin zwar nicht der Sprecher von Borussia ;)

    Trotzdem machst du es ;) Aber alles gut, es war auf deine Post wegen dem "Dauerbrenner" gemünzt. Darum ging es ja nicht. Etwas ausgeschmückt, da wir ja nicht alleine im offenen Bereich lesen.

    Borussia , deine Antworten kannte ich. Angefangen vom schleppenden Weg zum Arzt, Entgiftung mit Kreislauf Problemen. Sich soweit wie möglich nicht als Alkoholiker outen . Dann Trennung, mehrmals Saufdruck. Trotzdem zur Hochzeit und weitere Gedanken ans nächste Konzert . Oder habe ich da was vergessen?

    Ich sah/sehe dich aus meinen langjährigen Erfahrungen auf wackeligen Füßen. Ich war/bin eher besorgt . Deswegen meine Post bei dir. Nichts für ungut.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Nur mal kurz was zum "Konzertgehen":

    2019 - also nach 7 Jahren Abstinenz- war ich das erste Mal wieder bei einem Konzert und zwar bei "Rammstein" in einem Fußballstadion. Ganz ehrlich, Ich hab bissl Angst um mich gehabt und war am Ende froh, dass ich unbeschadet aus der Sache rausgekommen bin. Alle ringsherum hatten Bierbecher in der Hand und haben gesoffen, ein Tresen stand am anderen ... und ich allein mittendrin (Bekannte oder so waren nicht dabei), eins weiß ich: Nie wieder. Ich hätte nie gedacht, dass mich das dermaßen triggert, passiert mir sonst - auf Feiern zum Beispiel - nicht.

    Also wie geschrieben, für mich war das auch nach sieben Jahren noch brandgefährlich und passiert mir wahrscheinlich erst mal nicht wieder.

  • Fibonacci

    Mit dem Risiko, damit ein riesen Fass aufzumachen: Ich persönlich sehe den Alkohol nicht als Feind und beneide diejenigen, die es konsumieren können ohne abhängig zu werden. Für mich funktioniert es nur nicht und das ist okay.

    Ich freue mich für dich, dass du so offen damit umgehen kannst und auch deine Familie mit einbezogen ist. Deine Frau muss unheimlich stolz sein.

    Hartmut

    Ich nehme deine Worte auch nicht persönlich. Manchmal muss man sie nur erstmal verdauen, um sie dann zu verarbeiten. Du wirst meine Situation mit deiner Erfahrung besser einschätzen können.


    Rattenschwanz

    Zufälle gibt's, ich war 2019 auch auf einem Rammsteinkonzert innerhalb Deutschlands. Ich war einer von denen, der sich hat volllaufen lassen... Alkohol war an dem Abend die harmloseste Substanz.

    Ich habe den Gedanken an das bevorstehende Konzert auch schon verworfen. Karte habe ich verschenkt.

  • Manchmal muss man sie nur erstmal verdauen, um sie dann zu verarbeiten.

    Da hast du natürlich recht. Meine Antworten sind nicht immer leichte Kost. Aber bevor ich antworte, schaue ich mir nicht nur die „Momentaufnahme“ an, sondern den ganzen Weg. Das war bei dir sagen wir mal „schwankend“

    Ich hatte auch mehrmals Versuche um trocken zu werden. Der letzte vor meinen trockenen Weg war näher am Tod als am Leben.

    Nun schaue ich auf fast 15 Jahre zurück, weil ich bereit war „pragmatisch" zu handeln, ohne groß darüber nachzudenken. Angefangen mit dem Abbau des nassen und mit gleichzeitigen Aufbau des alkoholfreien Umfeldes. Den Empfehlung der Langzeittrockene gefolgt. Ein Jahr alle Feste zu meiden was mit dem Saufen zu tun hatte. Zumindest größtenteils ist mir das gelungen. Hatte da und da auch Stolpersteine.

    Ich hatte keine Therapie, aber auch da läuft es ja so ähnlich ab.

    „Man“ wird erstmal für paar Wochen „weggesperrt“ und somit ist schon für das alkoholfreie Umfeld gesorgt. Keine Partys, keine Geburtstage oder sonstige Feste. Sich auf sich konzentrieren und den trockenen Weg erlernen. Im Alkoholiker Jargon heißt es „Käseglocke“ Die Umsetzung für den privaten Bereich folgt erst danach.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Ich persönlich sehe den Alkohol nicht als Feind und beneide diejenigen, die es konsumieren können ohne abhängig zu werden. Für mich funktioniert es nur nicht und das ist okay.

    Nein, er ist auch nicht mein Feind. Er ist einfach nur eine flüssige Substanz, die ich nicht vertrage und mit der ich auch nicht umgehen kann. Der Alkohol ist passiv, um sein schädliches Potential zu entfalten, muss ich schon aktiv auf ihn zugehen, ihn ergreifen und ihn rein kippen.

    Allerdings bin ich nicht (mehr) neidisch auf Leute, die im moderaten Umfang was trinken können. Den Punkt kannst auch Du erreichen.

    Das sind die 3 Stadien, die zu durchlaufen sind:

    1.) Ich darf nicht trinken.

    2.) Ich will nicht trinken.

    3.) Ich brauche nicht trinken.

    Ich bin bei Nr.3 angelangt, du hängst irgendwo bei 1, maximal 2.

    Der Ausstieg aus dem Alkohol geschieht nicht binnen weniger Wochen. Das dauert eine Weile. Mit zunehmender Zeit verändert sich der Blickwinkel auf den Alkohol und die innere Einstellung zu ihm. So war es zumindest bei mir.

    Gut, dass Du die Karte fürs Konzert verschenkt hast.

    Gruß

    Carl Friedrich

  • Ja, das mit den Karten finde ich eine ganz starke Aktion von Dir. :thumbup: Respekt

    Ich sehe in Alkohol ein frei verkäufliches Gift. Und es schadet jedem. Es greift auf der Stelle die Zellen und vor allem die Hirnzellen an. Bringt den Hormonhaushalt durcheinander. Dockt an Rezeptoren an die für was anderes gedacht sind. Kontrollierte Trinker vergiften sich eben nur ein bisschen. Und nur weil das der Körper dann bekämpfen kann heißt das nicht, dass es gut für sie ist. Allein schon der Umstand, dass er es bekämpfen muss sagt es doch schon. Ich würde nicht mal kontrolliert trinken wollen wenn ich es könnte. Naja, die Option habe ich eh nicht ;)

    Hab wohl zu viele Beiträge dazu gesehen und gelesen. In dem Fall schadet mir der Fanatismus aber nicht.

  • Danke, Alex_aufdemweg, genauso sehe ich es auch!

    Alles andere ist Verharmlosung und Schöngerede.

    Warum soll ich jemanden beneiden dass er Gift trinken kann ohne süchtig zu werden? Er schadet sich ja trotzdem...

  • Heute ist ein Tag, den ich nie wieder vergessen werde.

    Genau heute vor vier Jahren ist ein Freund von mir an einer Überdosis gestorben. 2018 war ich soweit, dass ich selber nicht mehr weitermachen wollte.

    Das Suchtgedächtnis schlug an, die Gedanken kreisten: Stoß auf ihn an, dann geht es dir besser. Betäub die Wut die du empfindest, weil du ihn nicht retten konntest. Ertränk die Schuldgefühle, dass er nicht mehr da ist und du schon. Verdränge die Trauer darüber, dass er den Kampf gegen die Sucht verloren hat. Verdränge die Erinnerungen mit Hilfe des Rausches.

    ..aber das wäre nicht in seinem Sinne. Er würde mir eine mit seinen Drumsticks verpassen, dass ich nur daran denke meine Sucht zu befriedigen und mein Leben nicht zu schätzen weiß.

  • Ich muss leider gestehen, dass ich vor zwei Wochen rückfällig geworden bin.

    Weil ich eine Fehlentscheidung nach der anderen getroffen habe.

    Als im Urlaub zwei Freunde mit einem Kasten Bier vor meiner Haustür standen um mich "abzulenken", mich bedrängten und ich nicht in der Lage war, sie abzuwimmeln, traf ich die erste falsche Entscheidung.

    An dem Abend habe ich nichts getrunken und den Kasten aber im Haus gelassen. Nach zwei Tagen fiel mir nichts besseres ein, als die Flaschen selber zu öffnen, anstatt mir Hilfe zu holen, und im Waschbecken entleeren zu wollen. Dann nahm das Elend seinen Lauf.

    Ich habe da weitergemacht, wo ich aufgehört habe. Habe getrunken, als würde ich was nachholen müssen.

    Ich kann nicht in Worte fassen, wie besch.. ich mich fühle, wie enttäuscht ich von mir selber bin dass ich es soweit hab kommen lassen. Also alles wieder auf Anfang... Nächste Entgiftung, Freund eingeweiht.

  • Hallo Borussia,

    danke für den Mut und deine Offenheit.


    Hier im offenen Bereich tauschen sich jedoch nur trockene oder trocken werdende und entgiftete Alkoholiker aus. Aus diesem Grund und aus Schutz schließe ich vorsorglich bis auf Weiteres diesen Thread und hebe gleichzeitig die Freischaltung auf. Er kann auch jederzeit wieder geöffnet werden.

    Du kannst Dich jedoch wieder, wenn Du so weit bist, im Vorstellungsbereich melden.
    Wir werden Dich, wenn es Dein Wunsch ist, auch in Zukunft weiter unterstützen.

    Ich wünsche Dir alles Gute bis dahin.

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo, der ein oder andere wird mich von meinem alten Feed noch kennen.

    Im April bin ich nach 41 Tagen Abstinenz rückfällig geworden. Ich habe nicht nur wieder zur Flasche gegriffen, sondern bin auch in alte Verhaltensmuster zurückgefallen. Schnell war ich wieder bei dem Pegel, bei dem ich aufgehört habe.

    Nachdem ich mit beiden Füßen wieder in der Sucht stand, bin ich nach einem Sturz unter Alkoholeinfluss eingeliefert worden. Habe mich selber entlassen und erneut zur Flasche gegriffen. Einen Termin für eine erneute stationäre Entgiftung hatte ich aber bereits.

    So saß ich am Tag vorher am Grab meines verstorbenen Freundes und leerte gedanklich mit ihm die letzte Flasche. Versprach ihm, dass ich es nun schaffe oder gar nicht mehr. Versprach ihm, dass ich nicht so sterben werde und eine unverschließbare Lücke im Leben meiner liebsten hinterlasse wie er es tat.

    Es folgte meine 2. Entgiftung.

    Nach einem Rückfall den Absprung wieder rechtzeitig zu schaffen und sich einzugestehen, dass man schlichtweg wieder trinken wollte, ist die Grundvoraussetzung um überhaupt wieder in Richtung Abstinenz zu kommen- das fiel mir sehr schwer. Mit Unterstützung von einer bestimmen Person habe ich es aber geschafft. Er war mir in der Zeit und auch jetzt noch eine große Stütze und ein Freund.

    Ich hatte bedingt durch meine Krankenhausaufenthalte viel Zeit nachzudenken- über meinen Rückfall, was dazu geführt hat, ob er unbewusst von mir vorbereitet wurde.

    Gefestigt hat sich der Gedanke, dass das Trockenwerden Arbeit an mir selber und auch an meinem Umfeld ist.

    Ich änderte einiges, was meines Erachtens Auslöser dafür war, dass ich meine Probleme ertränken wollte:

    Von den zwei Freunden, die u.a. dazu beigetragen haben, dass ich rückfällig geworden bin, habe ich mich komplett distanziert. Ich habe mir noch anhören dürfen, dass ich ihnen "betrunken besser gefalle.

    Ich habe meine Eltern eingeweiht, mit dem Risiko sie noch weiter weg von mir zu stoßen.

    Sie wollten es mir gar nicht glauben. Zu gut habe ich meine Rolle gespielt, ja fast perfekt.

    Auch wenn ich kein gutes Verhältnis zu meinem Vater pflege, so war es für mich persönlich von Bedeutung es laut auszusprechen.

    Was mir am meisten wehtat, war die Konfrontation mit meiner Frau. Ich "betrog" meine Frau mit dem Alkohol und trieb sie so in die Arme eines anderen.

    Wir haben uns darauf geeinigt, uns offiziell scheiden zu lassen, ein glatter Schnitt- zumindest der Stand heute.

    Sie wäre den Weg aus der Sucht mit mir gegangen, sagte sie. Aber ich kann an der Seite dieser Frau nicht trocken bleiben. Zu groß ist der Vertrauensbruch auf beiden Seiten und die Persönlichkeitsveränderung.

    Meine oberste Priorität ist es, wieder leben zu wollen. Ich will Gefühle zulassen können, ohne danach das Bedürfnis zu haben mich zu betäuben. Ich will Dinge hinnehmen können.

    Ich will nicht mehr trinken müssen und das kann ich nur erreichen, wenn ich mein Leben selbstbestimmt ändere.

    Es reicht nicht die Flasche stehen zu lassen, das ist reiner Betrug. Und wenn ich eines gut kann, dann ist es mich selber zu betrügen- keinen anderen betrüge ich so gut.

    Es tut weh, sich mit seinen seelischen Verletzungen und Problemen auseinander zu setzen. Aber um diese zu heilen, sowie zu lösen, braucht es einen starken Willen, viel Zeit und Unterstützung.

    Tja, also da bin ich wieder und würde es hier gerne nochmal probieren wenn ich darf.

    Einmal editiert, zuletzt von Linde66 (22. Mai 2022 um 02:04) aus folgendem Grund: Verknüpfung editiert

  • Hallo Borussia,

    Willkommen zurück!

    Ich habe dein erstes Thema wieder geöffnet und deinen aktuellen Beitrag angehängt, damit es übersichtlich bleibt.

    Sag mir nur nochmal die Überschrift, dann ändere ich das noch.


    Du hast einiges in die Wege geleitet, Respekt. Ich freue mich wirklich, daß du wieder hier bist.

    Wann hast du zum letztenmal getrunken?

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

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