• hallo,

    ich bin etwas aufgeregt, aber auch erleichtert, nachdem ich mich hier angemeldet habe.

    es ist mein erstes mal in so einem forum. aber es "treibt" mich schon lange um. Alkohol trinke ich seit der Jugend. und es war ja nie ein problem, mein leben habe ich gut hingekriegt, familie, beruf, es läuft.( oder ich denk das nur, weil die Kritik in meiner Familie an meinen Konsum schon dringlicher wurde). und trotzdem immer Alkohol als ständiger Begleiter, in zunehmenden maße fieser werdend, fordernder. mittlerweile trinke ich täglich. es fängt am späten nachmittag mit einem bier an und bis ich schlafe folgt dann mindestens eine flasche wein. weil meine frau das nicht mehr wollte, habe ich angefangen, heimlich, bzw. halb heimlich zu trinken, so dass sie zumindest die menge nicht realisiert (auch so eine Selbsttäuschung, denn natürlich kriegt sie's mit). nach partys, bei Einladungen gibt's dann auch schon mal Filmrisse oder echt dämliches verhalten. und Schuldgefühle, schlechtes gewissen, selbstvorwürfe, ängste. und immer das Gefühl, das trinken zu lassen. bis zum nächsten bier ... .

    eine zeitlang habe ich versucht, kontrolliert zu trinken oder alkoholfreie Phasen einzulegen. das klappt dann immer wieder, allerdings nur mit Unmengen an alkoholfreiem bier oder alkoholfreiem Sekt.

    in letzter Zeit hat meine Alkoholabhängigkeit nochmals einen sprung gemacht: auf den urlaub konnte ich mich nicht mehr richtig freuen, weil ich dachte, wie kann ich unter Beobachtung trinken?

    das war der Moment, der mich die Reißleine ziehen ließ. ich habe angefangen viele podcasts zu hören und nachzudenken: kontrolliertes trinken schaffe ich nicht, ich will ganz aufhören. gestern habe ich nach länger zeit keinen Alkohol getrunken. erstaunlicherweise war das auch nicht schwer. und der Wille ist da, das jetzt ganz zu lassen -und nicht mehr wie früher fünf, sechs Wochen zu pausieren.

    ich habe aber auch das Gefühle, dass ich das alleine wohl nicht immer schaffe und daher freue ich mich auf dieses forum und hoffe, dass es mir hilft im Austausch mit euch, trocken zu bleiben ... .

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • Hallo Paul,

    willkommen bei uns in der Selbsthilfegruppe!

    Es ist gut, dass Du Dir ernsthaft Gedanken über Deinen Alkoholkonsum machst.

    Jedoch bist Du, nach Deiner Schilderung der Trinkmenge in letzter Zeit, derzeit im kalten Entzug.

    Den Artikel kannst Du anklicken und lesen:

    Das Forenteam
    14. Mai 2021 um 22:29

    Lies Dich noch ein wenig ein bei uns im Forum und auch diesen Artikel:

    Das Forenteam
    4. Dezember 2021 um 21:37

    Und dann überlege Dir weitere Schritte. Du bist alkoholkrank und solltest Dir ärztliche Unterstützung holen.

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo und willkommen Paul.

    Hier in unserer Selbsthilfegruppe wird niemand gefressen also brauchst du nicht aufgeregt zu sein.

    Da du gestern mit dem Trinken aufgehört hast, bist du im Kalten Entzug. Du entziehst deinem Körper den Stoff und der reagiert, will Nachschub.

    Das kann sich verschieden äußern, z.B. mit Zittern, Unruhe, Schwitzen, Schlaflosigkeit. Aber auch mit epileptischen Anfällen, Herzproblemen, Blutdruckproblemen.

    Daher rate ich dir, dir ärztliche Hilfe zu suchen und zwar heute noch. Du schreibst, alleine schaffst du es wohl nicht. Das stimmt. Ein wichtiger Schritt ist es, den Hausarzt mit in's Boot zu holen. Und dich deiner Frau anzuvertrauen.

    Nach der körperlichen Entgiftung, die ca 7 bis 10 Tage dauert, fängt die richtige Trockenarbeit an. Nämlich zu erkennen, wo sind meine Trigger, wie gehe ich mit Suchtdruck um, wie lebe ich einen sicheren, lebenswerten Alltag mit meiner chronischen Alkoholkrankheit, usw. Denn Alkoholsucht ist eine chronische Erkrankung, die dich durch dein Leben begleitet und die du nur durch Abstinenz stoppen kannst.

    Und dafür sind wir dann da :) , für den Austausch, für Erfahrungen, für Mutmachen, für Wege.

    Liebe Grüße Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Anfang ist schwer, aber nicht unmöglich . Traut Dir nächste Tage auch ohne Alkohol verbringen ....und dann nächste ....und dann nächste ....

    Leben ganz ohne Alkohol ist sehr zufrieden und lebenswert .

    L.G.Iwona

  • hallo aurora,

    erst einmal trinke ich nicht. Entzugserscheinungen habe ich bislang nicht festgestellt. gestern hab ich mich ein wenig unruhig gefühlt und heute nacht habe ich geträumt, dass ich wieder rauche (was ich mir vor vielen, vielen jähren abgewöhnt habe).

    dann stelle ich mein verhalten um. ich geh abends nicht mit den Kollegen in die kneipe und seh ihnen nicht beim Biertrinken zu. geh lieber heim. da ich grad nicht zu Hause bin, sondern in einer anderen Stadt arbeite, kann ich mich auch ganz gut auf mich konzentrieren und viel nachdenken und zum Thema lesen und hören. ausserdem habe ich mir die Adressen von den AA hier rausgesucht. ich hab aber noch nicht so wirklich den Mut, da hin zugehen.

    ich weiß, am nachmittag kommt immer die gier. da war ich heute walken und jetzt geht's ganz gut.

    die letzten male, wenn ich das trinken für einige Wochen aufgegeben habe, war es immer ein hinfiebern auf den letzten tag (an dem ich dann immer das jährliche Blutbild machen habe lassen), um gleich wieder los zu legen, so ist's diesmal anders. ich mag nicht mehr trinken.

    familiär gibt's Unterstützung.

    was meinst du, sollte ich tun?

    lb gr

    paul

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • Hallo Paul,

    was ich meine, was du tun solltest, ist auf eine Art nicht wichtig. Denn es geht ja nicht um mich sondern um dich hier. Du entscheidest, es ist DEIN Leben.

    Ich kann dir Anregungen geben Dinge zu tun, die so gut wie alle Alkoholiker, die ich kenne, gemacht haben. Um einen guten Start zu haben. Einiges davon machst du ja schon von selbst und das finde ich gut.

    Zum Beispiel dass du Zeiten, in denen du Suchtdruck hast, mit anderen Aktivitäten füllst. Dass du Unterstützung in der Familie hast. Du gehst nicht mehr mit Kollegen in Kneipen, ganz wichtig!

    Ein Arztbesuch ist immer wichtig, einfach um abzuchecken, wie dein Körper so drauf ist.

    Dann kannst du hier:

    https://alkoholiker-forum.de/article-list/

    mal bisschen was lesen, im Forum bei den Alkoholikern auch.

    Da steht sooo viel, das sind sozusagen die Fachleute auf dem Gebiet der Trockenheit. Sie haben alles selbst erlebt und gefühlt.

    Ich selbst bin Coabhängige meines ersten Mannes, der Alkoholiker war, gewesen, in 2. Ehe mit einem seit 17 Jahren trockenen Alkoholiker verheiratet. Ich bin also "nur" erfahren in der Suchthilfe, betroffen nicht. Ich weiß in der Theorie ganz viel aber weiß nicht, wie es sich anfühlt.

    Daher sind Selbsthilfegruppen so wertvoll. Wenn du es vor Ort in einer realen Gruppe probieren möchtest, hab Mut. Du hast da nichts zu befürchten, dort wissen alle, worum es geht, sie sind selbst betroffen und werden dich nicht verurteilen. Genauso wie hier.

    Hier kannst du dich auch austauschen. Aber eine Freischaltung machen wir erst, wenn die körperliche Entgiftung vorbei ist. Also frühestens 8 Tage nach dem letzten Schluck Alkohol. Solange kannst du hier alles lesen und hier in deinem Thema Fragen stellen. Bitte bleibe aber nur hier bei dir und schreibe in keinem anderen Vorstellungsfädchen.

    Das kommt später.

    Lieber Gruß Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • So, jetzt ist eine Woche ohne Alkohol vergangen.

    Und es war eine gute Woche. Entzugserscheinungen gab es kaum, meist am Nachmittag mal mehr mal weniger Unruhe. das hab ich mit Sport wegbekommen (nachmittags war immer der "Startpunkt" für's tägliche trinken). abends war's dann kein Problem. allerdings bin ich auch Versuchungen aus dem weg gegangen, also bin ich zu Hause geblieben und nicht in die kneipe. für's erste und zum konsolidieren scheint mir das richtig.

    schön sind die morgen. aufzuwachen und einen klaren kopf zu haben, mich fit zu fühlen, das ist großartig. meist geh ich dann walken, nicht mehr um den Kater rauszulaufen, sondern um in der Natur zu sein. die Luft riecht, die sonne scheint... schön.

    eine Woche ohne, das kenn ich natürlich schon, aber diesmal ist es anders. "vorher" war es immer so: sechs wochen, einmal pro jahr, habe ich aufgehört. warum? weil dann die jährliche Blutuntersuchung anstand und ich wollte ein akzeptables Blutbild haben (leberwerte!). hat auch meist geklappt. aber das ziel war ganz klar: nach den sechs Wochen wird eine gute Flasche wein entkorkt und dann noch eine und dann geht's grad so weiter. in diesen sechs Wochen habe ich sehr viel alkoholfreies bier und alkoholfreien wein und Sekt getrunken. das war halt nah dran .... .

    diesmal ist es anders, zum ersten mal. keine sechs Wochen, kein alkoholfreies Getränk, kein bald geht's weiter .... und das fühlt sich gut an.

    mein frau unterstützt das sehr und ist froh, dass ich diesen schritt gehe.

    angst machen mir die anlässe des alltags: die erste Geburtstagsparty, die erste einladung, das erste abendliche Geschäftsessen, die fragen, warum ich jetzt wassser trinke und "ein glas kannst du doch trinken ..." es gibt einfach so viele trigger. da brauch ich sicher Hilfe.

    ich habe mir die Adressen von den örtlichen AA rausgesucht und das beruhigt. und ich bin froh, dass ich hier bin, bei euch "fachkundigen".

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • Hallo Paul,

    das ist halt der Weg. Zuerst muss das Gift aus deinem Körper raus. Und dann kommt die Hauptsache. Das Nüchternbleiben.

    Mal ein paar Tage ohne Alkohol auszukommen, das kenne ich von vielen Abhängigen. Aber den Gedanken, die Gewissheit zu haben, dass es jetzt für immer so ist, daß ist die Herausforderung. Und dafür braucht es viele Veränderungen.

    Dafür ist der Austausch da, hier kannst du dich bewerben:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Draufklicken, kurz was schreiben und los geht's. Dein Thema findest du nach der Freischaltung im Bereich

    Erste Schritte für Alkoholiker.

    Lieber Gruß Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Paul,

    Du bist jetzt für die offenen Bereiche freigeschaltet.

    Und Du kannst überall schreiben, jedoch bitte nicht die ersten 4 Wochen bei den

    neuen Teilnehmern im Vorstellungsbereich.

    Ich wünsche Dir einen guten und hilfreichen Austausch.

    LG Elly

    ---------------------------------------------------------------------------------------

    Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.

    - Trocken seit 06.01.2013 -

  • Hallo Paul,

    Glückwunsch zur ersten Woche.

    Bei der Geburtstagsparty überleg dir, ob du überhaupt hingehen solltest. Es kann durchaus nach der Veranstaltung zu Suchtdruck kommen.

    Ich würde absagen; wenn du bettlägerig krank wärst, würdest du auch nicht hingehen.

    Wenn du etwas gefestigter bist und zu Geburtstagsfeiern gehst, gibt es einige Hilfsmittel. Gleich ein Glas Wasser in die Hand nehmen, dann drückt dir keiner ein Glas Sekt auf. Darauf achten, dass du die Party jederzeit verlassen kannst (Auto, Hotel) und das ggf. auch machst.

    Beim Geschäftsessen sollte es eigentlich nicht unüblich sein, dass man nicht trinkt. Auch hier kannst du überlegen, welches Treffen du absagen kannst.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • hallo seeblick,

    ja, das werde ich wohl so machen und nicht hingehen. es ist eben alles noch sehr frisch und ich muss mich vor bestimmten Situationen schützen. ausserdem bin ich noch nicht so weit, erklären zu wollen oder zu können, warum ausgerechnet ich jetzt keinen Alkohol mehr trinke. es ist halt noch sehr schambesetzt.

    schönen tag Paul

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • irgendwie war es blöd heute morgen. einerseits hat's mich gefreut: zwei Wochen, das ist ja schon mal ein Anfang. aber eben auch nicht mehr. heute morgen war da diese fiese stimme, die mir das einreden wollte: "horch mal, zwei Wochen, das ist doch ein Wort! das hast du locker geschafft, da kannst du dir doch auch mal wieder einen lustigen Abend mit wein und ähnlichem gönnen. und der Kater am nächsten morgen ist ja auch nicht so schlimm! also, auf geht's!"

    jetzt ist es abends und die stimme ist leiser geworden und schließlich ganz verstummt. dank der Arbeit heute. aber mich beschäftigt trotzdem, wie schnell die Erinnerung an die schreckliche zeit des Suffs verblasst. ich will das nicht, will mich genau erinnern, weil das eine schutzmauer ist.

    ihr habt doch sicher auch ähnliche Erfahrungen gemacht. wie geht ihr damit um und dämpft, bekämpft diese fiese stimme?

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • Hallo Paul,

    ich habe auch erst vor 11 Tagen mit dem Trinken aufgehört. Deine Geschichte ähnelt meiner sehr. Auch ich habe diese fiese Stimme im Kopf. Ich habe ihr sogar schon einen Namen gegeben. Habe sie Erik getauft und darauf mit einer Tasse Tee angestoßen. Erik deswegen, weil Erik ein nordischer (ich liebe die nordische Kultur) Name ist und dort so viel wie "ewiger Herrscher" bedeutet, aber auf Türkisch bedeutet der Name "Pflaume". Wenn wir trinken, dann herrscht der Sprit über uns und wenn wir nicht trinken, dann kann uns diese Pflaume gar nichts anhaben. Wir sind stärker!

    Mir fällt es leichter, mich mit einer fiktiven Person zu unterhalten als mit etwas, dass für mich nicht wirklich greifbar ist. Erik ist bei mir im Kopf diese Art Mann, der Frauen immer klein machen möchte, weil er selbst nur ein abgesägter giftiger Gartenzwerg mit großer Klappe ist. Ja, gelegentlich streiten wir uns sogar richtig heftig. Ich werfe ihm dann Dinge an den Kopf, bei denen ich im realen Leben knallrot anlaufen würde, aber es wirkt sehr befreiend. 8) Natürlich streite ich mich mit ihm nicht laut auf offener Straße, denn sonst hätten sie mich wohl schon abtransportiert.

    Dieses "ach komm, einer geht noch. Du kannst ja morgen wieder neu beginnen, dann klappt es bestimmt besser" oder aber "Hey, du wirst schon sehen, irgendwann säufst du ohnehin wieder." bis hin zu "Blamier dich nicht, es glaubt dir sowieso niemand, dass du die Finger vom Stoff lassen kannst."

    Fuck, was für ein Scheiß. Aber je aggressiver die Stimmer wird, desto standhafter bin ich. Erik bekommt von mir keine Nahrung mehr. Ich hungere den Typen einfach aus, und zwar so lange, bis er wimmernd vor mir liegt und nur noch ein Häufchen Elend ist. Und ja, ich glaube fest daran, dass Erik eines nahen Tages den Hungertod sterben wird.

    Ich entschuldige mich in aller Form bei allen, die hier im Forum Erik heißen :saint:.

    Manchmal ist der richtige Weg nicht der einfachste Weg!
    Pocahontas

  • Treibsand, das finde ich richtig klasse :mrgreen:

    Jeder hat seine Art, damit umzugehen, Hauptsache es hilft!

    ich will das nicht, will mich genau erinnern, weil das eine schutzmauer ist.

    Ging mir auch immer so. Ich hab mich auch erinnert und immer zu Ende gedacht, wo führt es mich hin, wenn ich jetzt trinke? Wie fühle ich mich währenddessen oder danach? Dann wurde die Stimme leiser bzw. verschwand komplett.

    Viele lenken sich auch ab, einfach raus an die Luft und Bewegung. Situation verändern. Sich „einfach“ laut und entschlossen selbst ein klares „NEIN“ sagen.

    Oder eben „Nein, Erik!“ :mrgreen:

    LG Cadda

  • Cadda, ich hoffe inständig, dass kein Kind von mir, meinen zukünftigen Enkel irgendwann Erik nennen wird :S .

    mich beschäftigt trotzdem, wie schnell die Erinnerung an die schreckliche zeit des Suffs verblasst. ich will das nicht, will mich genau erinnern, weil das eine schutzmauer ist.

    Ich möchte es auch nicht vergessen, weil es ein Teil meines Lebens ist und egal, wie dieser Teil war, es hat mich geprägt und mir auch gezeigt, dass ich grundlegend in meinem Leben etwas verändern muss, um der freie Mensch zu werden, der ich schon immer sein wollte. Erinnerungen sind tatsächlich wie eine "Schutzmauer". Momentan ist die Mauer noch enorm, aber sie wird mit der Zeit kleiner werden. Ich habe die Hoffnung, dass bis dahin viele neue Bereicherungen in mein Leben ohne Alkohol kommen und ich dadurch das freie Leben so sehr genieße, dass ich diese Mauer einfach nicht mehr brauchen werde. Gerade habe ich aber ebenso wie Du einfach nur Angst davor.

    Manchmal ist der richtige Weg nicht der einfachste Weg!
    Pocahontas

  • danke schön für eure Unterstützung und support. ich war dann heute beim Sport und das hat die Trinkgier oder den "Erik" (toller name für den wicht!) vorerst zum schweigen gebracht. Dann habe ich noch ein paar podcasts zum Thema gehört und mir schließlich gedacht: komm nur, du Wichtigtuer, wir sind viele und wir sind stark. jetzt gibt er ruhe und das ist ein gutes Gefühl. just another Day longer in Paradise!

    lg

    Abstinent seit dem 22.9.2023

  • Hallo Paul,

    Deine Geschichte erinnert mich sehr an meine.

    Bevor ich da weiter drauf eingehe möchte ich dir aber erstmal sagen, was mir in diesen Stresssituationen hilft. Vielleicht hilft es Dir ja auch.

    Zitat

    ihr habt doch sicher auch ähnliche Erfahrungen gemacht. wie geht ihr damit um und dämpft, bekämpft diese fiese stimme?

    Für mich hilfreich wenn solche Stimmen, Erinnerungen oder andere unangenehme Gedanken kommen:

    - Mir klar machen, dass diese Gedanken nicht meine sind, sondern ein Resultat der Sucht, und was die positive Konsequenz des Gedankens sein kann.

    -> Beispiel "dir geht es gut, trink doch was" -> positive Konsequenz "ich hinterfrage mein Trinkverhalten, und überlege warum mein Kopf so reagiert. Ich analysiere mein Leben und ziehe positive Schlüsse für mich. Der Gedanke hat mir somit geholfen."

    - An ganz andere Dinge denken, die mich interessieren.

    - Bei ganz absurden Gedanken, mache ich mir klar, dass sie durch die aktuelle Stresssituation für meinen Körper & Gehirn ausgelöst sind, und nicht mein denken repräsentieren. Auch hier kann man überlegen, was dieser Gedanke einem sagen will, was ist evtl. die positive Konsequenz?

    - Meditationsmechanismen (Tief durchatmen, auf den Atem konzentrieren, an nichts denken außer den eigenen Körper, Körperwahrnehmung).

    - Wenn es ganz schlimm ist, und man quasi im Gedankenkreisel hängt, hilft meiner Erfahrung nach Sport oder etwas forderndes lesen (z.B. Fachlektüre, wissenschaftliche Artikel etc.) am besten.

    Zitat

    heute morgen war da diese fiese stimme, die mir das einreden wollte: "horch mal, zwei Wochen, das ist doch ein Wort! das hast du locker geschafft, da kannst du dir doch auch mal wieder einen lustigen Abend mit wein und ähnlichem gönnen. und der Kater am nächsten morgen ist ja auch nicht so schlimm! also, auf geht's!"

    Mir ging und geht es aktuell nach etwas über 5 Wochen ohne Alkohol noch immer ähnlich wie dir.

    Das ist das schlimme an der Sucht, sie lässt dich in manchen Momenten all das schlechte vergessen, gar nicht richtig begreifen. Du denkst das war alles spaßig und lustig. Erst wenn man intensiv und ernst darüber nachdenkt, was einem der Alkohol alles genommen hat, was er angerichtet hat, begreift man dass es einfach gar nicht lustig war.

    Selbst wenn mir mein Suchtgedächtnis noch so sehr erzählen will, wie toll, lustig und spaßig die Abende waren.

    Ich weiß jetzt, dass sie meist belanglos waren, ich das meiste eh vergaß, es sogar sehr schlimme, peinliche und gefährliche Momente gab, und nur aus der Sucht heraus überhaupt vieles getan habe. Man trinkt aus Sucht, nicht aus Spaß. Dinge sind nicht lustig, weil man trinkt. Wenn Dinge nur lustig mit Alkohol sind, sind es keine Dinge die in einem Leben platz haben sollten. Sie sind belanglos oder sogar schädlich.

    Wichtig ist, zu ergründen warum man in Situationen getrunken hat oder trinken will. Warum Dinge einen dann anscheinend "Spaß" machen. Das geht sehr gut in einer Therapie. Und man versteht, dass es eigentlich kein Spaß war.

    Das hinterhältige ist aus meiner Erfahrung, dass man nach dem akutem Entzug kaum körperliche Symptome hat, und ggf. auch kein als solches empfundenes Bedürfnis nach Alkohol, viel mehr sagt einem der Kopf, dass alles gut ist, man also weitermachen könnte und "wieder Spaß haben könnte".

    Aber das ist nicht so. Halte durch. Zieh es durch.

    Der körperliche Entzug (i.d.R. 2 Wochen) ist erst der Anfang.

    Dein Geist und vor allem Gehirn braucht länger, um sich zu erholen. Es verbindet Alkohol eventuell noch mit Freude & Spaß. Das liegt daran, dass Alkohol in der Suchtzeit meist Hauptquelle für Dopamin (Glückshormone) ist.

    Das muss sich nun wieder ändern. Dein Körper muss selbst wieder lernen diese Hormone zu produzieren und einen Ausgleich zu schaffen, und das braucht Zeit. Zusätzlich musst du natürlich an Dir arbeiten, um selbst ohne Alkohol glücklich zu sein und die Gründe für dein Trinken zu hinterfragen (siehe oben, Therapie / Selbsthilfegruppen). Diese Zeit musst du durchhalten, sonst kommst du nie aus dem Teufelskreis. Sobald du wieder trinkst, und sei es nur ein Wein, hast du all deinen Fortschritt ruiniert. Dein Körper und Gehirn würden sofort in alte Muster zurückfallen.

    Diese Phase der Regeneration ist stressig, nervig und anstrengend weil sie langwierig ist, natürlich auch mal Begleiterscheinungen hat und erfordert, dass man aktiv an sich arbeitet. Ich bin da auch mittendrin.

    Aber sie ist 100 mal besser als das Leben in immer stärker werdender Sucht, Ängsten und alles was noch folgt (Psychosen, etc.).

    Und das beste ist - sie geht i.d.R. mit der Zeit vorbei.

    Insofern - zieh weiter durch!

  • hallo Donnie,

    danke für deine ausführliche Antwort und die hilfreichen ratschläge. das Suchtgedächtnis ist schon ein gemeiner, trickreicher Schurke. aber ich beginne ihn zu durchschauen. es triggert mich, wenn ich durch das Studentenviertel lauf und dort ab nachmittags in der sonne bier, wein, Sprizz ... in geselliger runde getrunken wird. andererseits vergeht das Gefühl auch wieder recht schnell. und ehrlich gesagt, macht es mir nichts aus, wenn ich im Supermarkt an den Weinregalen vorbeilaufe. immerhin. seltsamerweise sagt meine innere stimme nicht: geh zur flasche, gehe direkt dorthin, gehe nicht über los und ziehe nicht 400 euro ein. die sucht äußert sich in innerer Unruhe. da hilft Sport und Bewegung und .... krimihörbücher.

    heute bin ich in die Nachbarstadt zu einer Musicalaufführung gefahren. ich war etwas nervös davor und hab noch überlegt, soll ich oder nicht. weil: Zugfahrt ist verbunden mit einem kleinen Fläschchen wein, dann ein Glas vor der Aufführung, ein glas in der pause, danach mit freunden noch ein zwei Gläser mehr, heimfahrt ein bier und daheim dann noch eine Flasche wein oder mehr. heute habe ich gedacht, dass Ausflüge, Theaterbesuche, partys keine anlässe zu freuen oder etwas schönes zu Erleben waren, sondern willkommene Gelegenheiten mich sanktionsfrei besaufen zu können.

    insofern war es super schöner tag: der weg zum Bahnhof im Sonnenschein, der Himmel blau (und ich nicht!), im Zug Zeitung gelesen und mich gefreut auf die Aufführung. in der pause am Rhein gesessen und den schiffen zu gesehen. nach der Vorstellung Obst gegessen und im Zug zurück den soundtrack des Musicals gehört. das war ein sehr, sehr schöner tag.

    hilfreich ist auch (bei allem Mitleid für die armen) die alkoholkaputten an den Bahnhöfen zu sehen, dieses elend will ich nicht für mich.

    in der Arbeit bin ich viel klarer und erlebe dinge viel purer. wenn ich mich freu, dann glaub ich mir das auch und wenn ich mich ärgere, dann ärgere ich mich eben und ein Konflikt ist ein Konflikt und kein Grund zum saufen.

    und so sehr ich mich heute freu, weiß ich auch, morgen ist wieder ein neuer tag und eine neue Herausforderung.

    schönen Abend

    Abstinent seit dem 22.9.2023

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