Vereinsamung Alkoholiker

  • Hallo zusammen ,

    da die Vereinsamung oder das Gefühl als Trauerklos zu enden angesprochen wurde ,will ich das Thema mal zur Diskussion stellen

    Mich würde mal die schon etwas längere Trockenen lesen, wie die Erfahrungen dazu waren und heute sind.

    Natürlich bestehen da auch berechtigte Ängste, von den neu trocken werdende Alkoholiker.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • So, dann antworte ich gleich mal drauf:
    Ich hatte am Anfang meiner Trockenheit auch solche Ängste.
    Das ich nun nie wieder wirklich lustig sein kann ohne Alk im Blut. Als hätte ich in diesem Moment vergessen, wie schrecklich die Sauferei längst für mich gewesen ist.
    Es blieb bei mir nie bei der lustigen Party, ich hab zu Hause regelmäßig bis zum Komplett-Absturz weiter gesoffen.
    Die Partys waren ja eigentlich immer am WE, warum also dann nicht den totalen Abschuss?

    Als ich die erste Zeit abstinent lebte, ging es mir viel zu schlecht durch meine sehr schwierige Entgiftung, ich mußte danach erstmal wieder laufen lernen, und auch essen usw.
    Da hab ich sicher nicht an Partys gedacht. Aber später kamen dann auch solche "Verzichtsgedanken" in Sachen "Kein Spaß mehr ohne Alk"
    Ich bin dann über 1 Jahr lang zu keinerlei Feierlichkeit gegangen.
    War mir viel zu gefährlich.
    In meiner Familie und meine Freunde wußten alle Bescheid, wenn bei mir Feiern stattfanden, gab es selbstverständlich keinen Alk mehr.
    Weggeblieben ist trotzdem deshalb niemand.

    Im Laufe der Zeit merkte ich dann, das ich ohne Alk auch total lustig sein kann und viel Spaß habe an ganz vielen Dingen, die ich schon lange nicht mehr machen konnte, als ich noch gesoffen habe.
    Desweiteren schaute ich nach Leuten, die ebenfalls keinen Alk trinken. Aber jetzt nicht explizit nach Trockenen Alkoholikern, denn ich wollte mich nicht nur in diesen Kreisen bewegen.

    Mit Leuten zusammen zu sein, die Spaß am Hobby haben, am geselligen Beisammensein, am gemeinsamen Feiern ohne Alkohol, bedeutet NICHT, das ab jetzt nur noch innerhalb der realen SHG oder so machen zu können.
    Es ist ja nicht so, das alle Leute Alk zum feiern und Spaß machen brauchen.
    Diese Erfahrung muss man aber erstmal machen :wink:
    Und sich dafür auch mal vom Hintern erheben und diese Kontakte auch SUCHEN, also selbst aktiv werden !
    Und nich rumjammern über die "böse Gesellschaft"... "es wird ja überall gesoffen"... und blablabla... das ist definitiv nicht so!
    Und es ist auch nicht immer so, das man trocken den gesamten Freundes/Bekanntenkreis austauschen muss. Bei mir war es beispielsweise nicht so.
    Nur einige mußten gehen...

    Ein "Trauerkloß" oder gar "vereinsamt" bin ich also nicht geworden, ganz im Gegenteil. Ich habe mein schönes Hobby Fotografie wieder vor Jahren aktiviert und bin von daher eh immer
    sehr viel unterwegs. Gerne auch mit anderen Leuten zusammen, die ebenfalls nix mit Alk am Hut haben.
    Wir haben wahnsinnig tolle Zeiten miteinander in der Natur,
    und oftmals lachen wir uns geradezu scheckig. Und wir genießen die gemeinsame Zeit.

    Ich habe auch noch andere Hobbys und vielerlei Interessen, denen ich auch gern nachgehe.
    Ich habe wieder Power, habe einfach sehr viel Lebensfreude und will nie wieder nach ner durchgesoffenen Nacht morgens nicht hochkommen.
    Die Tage sind viel zu schön, um sie zu verpennen und das Leben ist einfach klasse ohne Sauferei.

    Für mich ist es jedenfalls so.
    Das nicht jeder Tag eitel Sonnenschien ist, is ja wohl auch klar.
    Auch ich habe Probleme zu meistern, mein Leben läuft ja nun auch nicht immer glatt.
    Aber damit kann ich heute wesentlich besser umgehen.
    Ich kann die Probleme nun anpacken und muss sie nicht mehr wegsaufen, weil ich keine Kraft mehr habe, sie anzupacken (wegen der Sauferei). Was für ein unseliger Teufelskreis war das doch...

    LG Sunshine

  • Hallo Hartmut,

    Für mich war gerade dieses die absolut wichtigste Voraussetzung zur dauerhaften Trockenheit: nämlich von nun an ohne Alkohol ein zufriedenes Leben führen zu können.

    Wie das nun aussehen sollte, konnte ich selbst bestimmen. Das bedeutete auch, ich konnte selber bestimmen, ob ich fortan mit Faust in der Tasche anderen Leuten beim Trinken zusehe (anders wäre das bei mir nicht gegangen - ich wäre ein eher nutzloses Ex-Mitglied in meiner ehemaligen Gesellschaft gewesen), oder ob ich mir ein neues Leben aufbaue, bzw. den Schwerpunkt auf die Dinge setze, die mich nüchtern schon interessierten und mir Vergnügen bereiteten. Ich entschloss mich für letzteres, und auch dafür, den Alkohol voll und ganz aus meinem Umfeld zu entfernen.

    Ab und dann sehe ich auch, wie dies von Aussenstehenden als "voller Furcht durch die Gegend kriechend" interpretiert wird, als ob man jede Minute nur noch in Angst davor lebt, von der Alk-Reklame an der Bushaltestelle schon die nächste Flasche in den Hals gerammt zu bekommen. Dies könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Ich gebe zwar auf mich acht, aber ich nehme den Alk auf der Straße schon lange so gut wie gar nicht mehr wahr. Ich brauche auch im Supermarkt keinen Bogen um die Alk-Abteilung zu machen, weil dieser Bereich eh schon lange nicht mehr zu meiner Routine beim Einkauf dazu gehört.

    Vereinsamt war ich übrigends eher als Alkoholiker. Jetzt bin ich halt die trockene Version von mir selbst, weiß wieder etwas besser, wer ich nun eigentlich wirklich bin, und was ich alles auf die Beine stellen kann. Wenn ich trocken nur noch als Trauerkloß durch das Leben geschlurft wäre, hätte ich als Gegenmittel ja doch nur wieder den Rausch als Möglichkeit gesehen.

    Gruß, Bruce

  • Hallo

    danke euch Beiden .

    Vielleicht kommt ja noch etwas mehr von den anderen User ?

    Nun war bei mir nach dem Aufhören auch das kurzfristige Denken im Vordergrund. Mein nasses Leben wurde ja durch jahrelange Sauf -Rituale mit geprägt . So hatte ich auch mein Umfeld ausgerichtet .

    Im Nachhinein gesehen, war gerade das Saufen die Vereinsamung, da ja ab einen gewissen Level keiner mehr was von mir wollte und umgekehrt .

    Also war ich auch froh nicht mehr trinken zu müssen . Alles hinter mir zu lassen was mich wirklich einsam machte. Heute hat sich mein Freundeskreis wie die Aktivitäten an mein neues Leben angepasst. Nichts ist schlimmer für mich irgendwo dabei sein zu wollen wo ich nicht mehr dazu gehöre. Das bedurfte aber sehr viel Geduld mit mir um etwas anderes aufzubauen.

    Mein Motto "Tun muss man Tun "stand da im Vordergrund

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo Hartmut,

    es sind schon sehr viel weniger Menschen um mich herum. Das ist so.

    Aber bei mir verhält es sich ganz ähnlich meinen Vorschreibern. In der Anfangszeit meiner Trockenheit habe ich mich komplett zurück gezogen, ich hatte zu lernen, wie ein Leben ohne Alkohol geht. Das kannte und konnte ich überhaupt nicht. Alkohol war mein langer Begleiter. So war natürlich alles auf Alkohol ausgerichtet, die Menschen mit denen ich mich umgab und die Interessen, die ich verfolgte.

    Nach und nach merkte ich, dass ich mich entscheiden musste, entweder ich und meine Trockenheit - oder wie Bruce es sehr treffend ausdrückt:

    Zitat

    ...ob ich fortan mit Faust in der Tasche anderen Leuten beim Trinken zusehe (anders wäre das bei mir nicht gegangen - ich wäre ein eher nutzloses Ex-Mitglied in meiner ehemaligen Gesellschaft gewesen)

    Ich entschied mich für mich und so dünnte sich mein Bekanntenkreis allmählich aus. Nun sind Menschen übrig geblieben, die mir wirklich sehr wertvoll sind und denen ich wohl auch wertvoll sein muss, denn sonst würde das nicht die Nähe hergeben, die ich heute erfahren darf.

    Mein Resümee ist, dass ich zu nassen Zeiten einsamer war. Ich selbst war gar nicht in der Lage Verbindungen aufzunehmen bzw. aufrecht zu halten. Die Pulle und mein Suff standen dem im Weg. Viele "Freundschaften" waren total oberflächlich.

    Heute sind es weniger Leute, aber die Wertigkeit ist umso höher. Ich kann Verbindungen eingehen, mitfühlen, ohne mich selbst zu verlieren. Für mich das größte Geschenk in der Trockenheit. Das fühlt sich "echt" an.

    Einsamkeit kenne ich schon, aber dann liegt es auch immer an mir... und finde ich persönlich auch nicht so schlimm. Dieses Gefühl der Einsamkeit hat eine andere Form. Ist nicht vergleichbar mit der Einsamkeit des Suffs und des Abgeschnittensein vom eigenen Ich.

    Zitat

    Nichts ist schlimmer für mich irgendwo dabei sein zu wollen wo ich nicht mehr dazu gehöre.

    So seh' ich das auch.

    Lg Maria

  • Hallo

    Ja, das wäre das letzte gewesen, was wer zu mir hätte sagen dürfen: Vereinsamter Trauerkloß.
    Oder vereinsamter spießiger Trauerkloß. Noch schlimmer.
    Da hatte ich richtig Muffensausen davor. Freitag und nichts vor? Samstag und nichts vor?
    Keine verpassten Anrufe, keine unbeantworteten Mails für unter der Woche? Kreisch!
    Das wäre die Katastrophe schlechthin gewesen.
    Früher.
    Ich hab einen ziemlich coolen Drachen gezeichnet, einen Drachen beim Klauen, an diesem Wochenende. Für ein Kind.
    Ich würde ihn nicht eintauschen gegen die Veranstaltungen und Leute von früher.
    Ich habe mich für das entschieden was aus meinem Inneren kommt und nehme nicht mehr alles an, was so angeboten wird an Freizeitgestaltung.
    Möglich, dass eine Person wie ich einen vereinsamten, traurigen Eindruck macht, weil ich nicht auf Partys und seltenst in Konzerte gehe, aber ich fühle mich nicht so.
    Ich fühle mich reich an vielem auch an Erlebnissen die mir noch bevor stehen.
    Während ich mich beim Saufen einfach nur im Kreis gedreht habe, selbst wenn rings um den Kreis jede Menge Menschen standen, denen ich zugelacht habe, am Ende kam ich wieder da an wo ich angefangen hatte.
    Und jetzt geht was weiter. Weil ich ja jetzt mich habe und weiß dass das auch reicht um mir einen schönen Abend zu machen. Die gehören jetzt wieder mir.

    Finde ich ja direkt beneidenswert schön.


    :)

  • Hallo zusammen ,

    vielleicht ist jemand der an die Vereinsamung oder als Trauerkloß glaubt zu enden, schon immer einsam gewesen und hat es mit dem Saufen nur übertüncht ?

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo zusammen,

    vereinsamt war ich eher in der Zeit, als ich allein trank, da ich ja Rückzugstrinker war und in der Öffentlichkeit eher unauffällig.
    Zudem war ich ja selbständig und dadurch nicht gezwungen zu regelmäßigen Terminen irgendwo zu erscheinen.

    In der Tat ist es NICHT einfach, sich einen neuen Freundes- und Wirkungskreis aufzubauen. Ich habe intensiv und gezielt daran gearbeitet.
    Das dauert eben Jahre, wäre aber mit Saufen praktisch unmöglich.

    Ich gehe heute 2x die Woche in eine SHG, übernehme dort auch jahresweise Dienste/Leitungsaufgaben, arbeite ehrenamtlich 3-4 mal im Monat in einer sozialen Einrichtung und gehe 2-mal die Woche zum Sport. Zuhause habe ich eine alkohol- und drogenfreie 3-er WG gegründet. Ich arbeite heute max. halb so viel wie früher, komme finanziell dennoch klar und bin zufriedener.

    Ich sage immer: "Für mich ist jeder Tag ein Feiertag." , da ich ein selbstbestimmtes und von Drogen, Konsum, Geld (nahezu) unabhängiges Leben führen kann.

    LG Jürgen

  • Hallo zusammen,

    ich hatte mich durch das Trinken von allem zurückgezogen. Das "Beste" war damals allein zu sein, um trinken zu können.

    Das ist jetzt glücklicherweise vorbei. Heute würde es mich nerven, wenn ich allein bin. Heute gehe ich gerne wieder unter Leute und unternehme viel mit anderen.

    Da dass dann aber nicht die Situationen sind, in denen ich früher getruken habe, ist es für mich in Ordnung, wenn der eine oder andere dabei was trinkt.

    Ich sehe es so, dass jeder auf sich schauen muss, was ihm gefährlich werden könnte.

    Ich denke für Leute, die früher viel in Gesellschaft getrunken haben, sollten sich jetzt davon fernhalten.

    Wer aber früher meist allein getrunken hat, warum soll er jetzt nicht wieder unter Leute gehen?

    Viele GRüsse
    Zotti

  • Hallo Zotti,

    Zitat

    Wer aber früher meist allein getrunken hat, warum soll er jetzt nicht wieder unter Leute gehen?

    Auch ich habe vorzugsweise meistens alleine in meinen eigenen vier Wänden getrunken. Aber wenn ich mal Abends weg ging, habe ich immer getrunken. Da muss man erst mal wieder von runter kommen, und ich habe mir alle Zeit der Welt gegeben. Inzwischen bedeutet „unter die Leute gehen“ auch zum Glück wieder was anderes für mich, und ja, wo Menschen trinken und dumm rum quatschen bin ich nicht mehr zu finden.

    Gruß, Bruce

  • Zitat von Hartmut

    vielleicht ist jemand der an die Vereinsamung oder als Trauerkloß glaubt zu enden, schon immer einsam gewesen und hat es mit dem Saufen nur übertüncht ?

    Hallo,

    ein Party-Mensch war ich nie, früher hatte ich meine Familie, hatte dann aus beruflichen Gründen immer mit Menschen zu tun (erst Großküche, später waren die Kollegen in der Gastronomie meine Familie, später Büro, dort war es zumindest am Anfang sehr okay).

    Ich gehöre zu den Menschen, die auch gut allein sein können und manchmal auch müssen. Das war mir früher übrigens nicht klar. Ich dachte, mit mir stimmt etwas nicht, weil ich beispielsweise zu Karneval keinen Spaß daran hatte, wie eine Sardine in der Dose eingequetscht in einer Kneipe zu stehen, mir war das bereits damals zu laut, zu ungemütlich, zu ..... ).

    Es kam als ich Alkohol immer missbräuchlicher einsetzte zu einem Problem, dass mir immer wieder sehr peinlich war. Ich fing an zu stottern, wenn ich volltrunken war, konnte keinen vollständigen Satz mehr herausbringen.

    Diese Sprachbremse hat sich bis in den nächsten Morgen hingezogen, was bedeutete, das ich mich von meinen Mitmenschen möglichst distanzieren musste, habe teilweise keine Antwort gegeben und galt als ziemlich sonderlich.

    Es ist nicht so, dass ich mich nie einsam fühle, aber ich weiß heute doch, wie ich Kontakte anknüpfen kann und vor allem welche Art von Kontakten ich heute mag. Ich mag es lieber, mich in einem kleinen Kreis von Menschen zu unterhalten, es gibt Tage, da reicht es mir, hier im Internt zu sein, zu schreiben, zu lesen, zu telefonieren. Es gibt Internetbörse, wo sich Menschen finden lassen, die meine Interessen teilen.

    Meine Bindungs-un-fähigkeit konnte ich mit Alkohol ganz gut kompensieren, da war sie trotzdem. Heute sehe ich diese nicht mehr als persönlichen Makel, sondern als etwas zu mir gehöriges, was ich ggf. auf andere Weise angehen kann.

    Heute habe ich auch nicht mehr den Anspruch, den ich in meiner damaligen nassen Scheinwelt hatte, dass ich mich jemand aus meiner Einsamkeit oder meinen Schwierigkeiten befreien muss.

    Ich habe heute mehr Spaß am Leben, in einem kleineren ruhigeren realistischerem Rahmen, als ich mir das früher hätte vorstellen können.

    LG,

    Iowa

  • Hallo Hartmut,
    Ich fürchtete früher die Einsamkeit und "sah" sie bei denen, die weniger unter Leute gingen oder so langweilige Dinge tun, bei denen es weniger "gesellig" (also alkfrei) zuging.
    Ich machte mich dadurch einsam, dass ich andauernd Dinge tat, die mir gar nicht entsprachen und leidete letztlich darunter. Mein Antidepressivum war für mich der Alk.
    Eine fatale Situation.
    Ich lehnte genau das ab, was mir heute guttut.
    Mir fielen bei "unter Leute gehen" lediglich Veranstaltungen oder Aktivitäten ein, die in irgendeinem Zusammenhang zu Alk standen. Richtig abgeschossen habe ich mich jedoch meistens allein.
    Zunächst war es die blanke Risikominimierung, die mich zu anderen Aktivitäten drängte. Sie eröffnete mir Möglichkeiten, die ich bis dato immer abgewehrt habe. Inzwischen habe ich Möglichkeiten gefunden, so "unter Leuten" zu sein, wie es mir gefällt und ohne mich zu verleugnen. Auch für mich sind heute die intensiven und klaren Begegnungen wertvoll.
    Davon gibt es nicht so sehr viele. Das ist für mich genau das Richtige.
    Als ich noch trank und in der ersten Zeit meiner Trockenheit wusste ich nicht, wie alkfreie Aktivitäten für mich aussehen könnten und lehnte sie teilweise aus Angst vor Einsamkeit ab. Wie ich nass und "gesellig" war, weiß ich heute und will es gerade deshalb nicht mehr.
    Das macht für mich den wesentlichen Unterschied aus.
    Einsam bin ich immer noch hin und wieder. Angst macht mir das jedoch nicht mehr. Die Einsamkeit gehört für mich inzwischen dazu, wie auch das sehr starke Gefühl der Geborgenheit, das ich aus meinen nassen Zeiten so nicht kenne und heute bei den Leuten empfinde, bei denen ich mich wohlfühle.
    Gruß Penta

  • Guten Morgen,

    als ich noch trank fühlte ich mich weder einsam noch allein. Ich traf nachmittags meine "Freunde", trank mit ihnen Alkohol. Nach zwei Stunden ging ich immer heim und freute mich auf den Abend mit weiterem Alkohol.

    Jetzt als trockene Alkoholikerin fühle ich mich zwar nicht einsam, aber manchmal doch alleine. Ich trennte mich inzwischen von meiner Freundin, sie setzte mir mit ihren Problemen mehr zu, als mir gut tat, ich mußte für mich den Schnitt machen.

    Sicher, ich habe nette Bekannte, die wissen, dass ich Alkoholikerin bin, aber sie selbst trinken eben auch mal Bier oder ein anderes alkoholisches Getränk und manchmal ertrage ich es nicht und bleibe deshalb bei Treffen fern.

    Ich sagte meinem Psychodoc vor nicht langer Zeit, dass ich mich gelegentlich ausgegrenzt fühlen würde und nicht immer nur die total zufriedene trockene Frau sei. Er meinte, dass er meine Reflektion gut fände.

    Ich finde, einsam zu sein ist schlimmer, als das alleine sein. Im Hintergrund habe ich nach wie vor meinen Sohn und das ist für mich viel wert.

    Liebe Grüße
    Tabitha

  • Hallo zusammen,

    ich bin ja jetzt nicht das Musterbeispiel für eine langzeittrockene Durchstarterin :lol: , möchte aber trotzdem meinen Senf dazu hierlassen.

    In nassen Zeiten war ich tatsächlich mehr unter Leuten, meistens als Anhängsel meines Ex. Es wurde da immer kräftig gebechert und ich hab mitgetrunken, mich allerdings nie betrunken. Das war mir in Gesellschaft zu peinlich. Das hab ich dann daheim nachgeholt.

    Als ich trocken geworden bin, habe ich dann mit meiner sozialen Inkompetenz herumgekämpft - es fällt mir bis heute schwer, mich anderen gegenüber durchzusetzen. Das wird wohl noch ein langer Weg für mich :roll: . Ich hab mich also weiterhin brav zwischen all die Trinkenden gesetzt, bloß nicht auffallen, bloß keinen Ärger anzetteln, keine Ecken und Kanten.
    Schnell habe ich dann gemerkt, dass mich das regelrecht zerstört hat. Zu sehen, wie all die netten Menschen, mit denen ich angeregte Gespräche führen konnte, nach und nach zu sabbernden Idioten wurden. Wie mich der Alk antriggerte. Wie ich mich irgendwann nur noch fremdschämte, gegen Bedrängungen aller Art wehren musste und immerzu mit mir gekämpft hab, nicht doch nur ein kleines Gläschen zu trinken...
    Irgendwann hab ich gemerkt, dass ich es in dieser Gesellschaft früher nur ausgehalten habe, weil ich selbst getrunken habe. Nüchtern haben mir viele von diesen Menschen nichts mehr gegeben, und ich fand ihre Gegenwart über mehrere Stunden nur noch anstrengend und ätzend. Und hin und wieder kam mir das Gefühl, dass es den anderen auch so geht.

    Was soll ich also da? Wieso sollte ich mich freiwillig mit Menschen umgeben, die ich nur betrunken ertragen kann?

    Irgendwann hab ich dann also den Mut gefasst, diesen Veranstaltungen fern zu bleiben. Zu fordern, dass in meiner Gegenwart kein Alkohol getrunken wird, traue ich mich bis heute nicht, also bleibe ich weg. Ich sage mittlerweile zwar dass ich wegbleibe weil ich nicht unter trinkenden Menschen sitzen will (großes Kino für mich ;) ), aber mein Umfeld zieht daraus keine entsprechenden Schlüsse, also bleibe ich weg.

    Mir geht es so ähnlich wie Iowa: Ich bin ohnehin eher eigenbrödlerisch veranlagt und fühle mich alleine recht wohl. Habe zwei gute Freundinnen, die in meiner Gegenwart völlig selbstverständlich nichts trinken. Ich weiß, wie ich Kontakte knüpfen könnte, hab das hin und wieder auch mal versucht, leider waren die neuen Bekanntschaften dann doch trinkfreudig, so dass ich da wieder fern geblieben bin. Vereinsamt fühle ich mich auf keinen Fall.

    Ich denke, grad die Zuschreibung des Trauerkloß kommt von den Trinkenden. Sie wollen sich selbst damit erhöhen, denn von jemandem zu sagen, er sei ein Trauerkloß, impliziert ja zwischen den Zeilen, dass man selbst genau das nicht ist. Oft steckt dahinter Neid oder der Trinkende weiß mit dem Nüchternen einfach nichts anzufangen - und umgekehrt.
    Ich bin auch ein sehr humorvoller Mensch und lache gerne, aber die lustige Welt von Betrunkenen erschließt sich mir nicht mehr. Wenn jemand versucht "Alle meine Entchen" zu furzen oder die Katze des Gastgebers mit Bier zu beglücken, dann finde ich das definitiv nicht lustig.

    Es ist natürlich aus so, dass man sich vor dem Alkohol nicht verkriechen kann, weil er einem im Stadtbild häufig begegnet. Aber gerade darum (!) muss ich mich ihm ja in meiner Freizeit nicht auch noch zusätzlich aussetzen. Es ist nicht möglich, sich gegen Alkohol "abzuhärten". Das Suchtgedächtnis bleibt ein Leben lang bestehen, und es bleibt im 15. oder 20. oder 30. Trockenjahr genauso gefährlich wie am ersten Tag.

    Ich persönlich bin jedenfalls nicht mehr bereit, mich gesellschaftlichen Verpflichtungen zuliebe dieser Gefahr auszusetzen.

    LG
    Pleja, die Romanschreiberin :oops:

  • Eigenbröderlische Menschen find ich ja sowas von sympathisch. :)

    Die einsamsten Momente sind mir eingefallen. Wenn ich nach Hause gekommen bin, Samstag und/oder Sonntag in der Früh, betrunken, wenn der neue Tag anbrach und ich alleine da stand, wenn alles und wenns auch noch so lustig war, was in der Nacht passierte nicht mehr zählte, wenn der neue Tag nichts für mich zu bieten hatte, weil ich alles in der Nacht ausgegeben hatte, jedes Gefühl, alle Endorphine, die ganze Kraft und auch das Geld und trotzdem mit leeren Händen da stand, da war ich einsam.
    In einem dieser Momente hätte ich mich garantiert in absehbarer Zeit umgebracht.
    Es wäre mir völlig egal gewesen.

    Vereinsamter Trauerkloß.
    Ich kann mir nicht helfen, irgendwie finde ich das witzig bis absurd. Klingt irgendwie so, als wäre Alkoholismus bloß eine Einstellung.
    Eine, die ich der Geselligkeit und Freude wegen ändern könnte.
    Einfach wieder mal mitmachen gelle.

    Am Ende lieg ich dann alleine tot am Boden. Und die Menschen, zu denen ich wollte sagen: Wie einsam, wie traurig.

    Nein. Das macht sie nicht, die ich ist.
    Das lass ich einfach bleiben.


    Schönen Tag

  • Moin Birgit,

    Arbeitskollegen kann man sich meist nicht raussuchen...da muß man mit Idioten z.T. einfach leben.
    Ein Hobby, gerade wenn es etwas ausgefallen ist, kann man nicht mit jedem teilen und nicht jeder hat Verständnis dafür.
    Das ist an sich aber auch kein Drama. Denn letztendlich macht man ein Hobby nur für sich ganz alleine...schöner ist es zwar schon, wenn man es mit anderen teilen kann, aber wenn nicht, dann ist das auch nicht so schlimm.
    Die Freude, die man dabei empfindet, kann einem niemand nehmen...und darum gehts.
    Ich kann Dir nachfühlen, wie es Dir geht, wenn solche dämlichen Aussagen und Gesten kommen. Mich erklärt man auch gerne mal für verrückt, wenn ich erzähle, daß ich für ein Spiel meiner Mannschaft mal so eben 1350 km einfach gefahren bin...aber mir ist das egal...denn die Leute können einfach nicht nachempfinden, was für eine Freude MIR das bereitet...und darum gehts letztendlich.

    Schönen Gruß

    Andreas

  • Guten morgen,
    mir sind einige aktive Trinker bekannt, die ganz allein gestorben sind. Vereinsamt.

    Mit meiner beginnenden Abstinenz habe ich dem Grossteil meines Bekanntenkreises den Ruecken gekehrt.
    Seitdem gehe ich am Wochenende kaum noch abends weg, verbringe meine Freizeit im engsten Kreis.
    Ich merke jetzt nach fast 5 Jahren, dass ich mich zumindest auf grossen Familenfeiern wieder wohlfuehle und koennte mir langsam wieder vorstellen, tanzen zu gehen. Ohne mich vollig fehl am Platz zu fuehlen.
    Aber das braucht Zeit.
    Da ich auf Feiern immer alkoholisiert war, nie ohne Alkohol in gute Stimmung gekommen bin, faellt es mir an dieser Stelle besonders schwer, mich " normal" zu fuehlen.
    Aber ich habe in der Zeit erfahren, was mir guttut.

    Jeder von uns muss lernen, mit sich klar zu kommen, ohne was zu beschoenigen, ohne besonders lustig, besonders schraeg, besonders aufgekratzt zu sein. Eben nuechtern.

    Niemand vereinsamt, weil er trocken ist.
    Dies scheint nur in einer Uebergangsphase so.

    Gestern habe ich eine Einladung zu einem grossen Fruehlingsfest am 2. April bekommen.
    Mit Musik und Tanz und allem.
    Ich freue mich schon drauf.
    Bis dahin brauche ich kein weiteres.
    Und ich werde dort mit Sicherheit NICHT der Letzte sein, der morgends nach Hause geht.

    Frank

  • Hallo Zusammen
    Ich komme von der Co Seite und hab es gerade umgekehrt erlebt.
    Nämlich wie sich mein ex ,je mehr er trank (Pegeltrinker) immer mehr zurückzog (er trank nur Zuhause und Allein) Während der Entgiftung und anschliessender Tagesklinik wurde er geselliger,mehr und andere Unternehmungen waren möglich.
    Inzwischen trink er wieder und hat außer seiner Teilzeitarbeit keinerlei Außenkontakte mehr ,er ist versunken in seiner Welt des Alkohols und PC spielen.
    Selbst Menschen aus seiner Gruppe und Verwandte schliesst er inzwischen gänzlich aus.
    Arbeit und Zuhause das ist noch sein Restleben.
    Ich finde das erschreckend.

    LG R..

  • Ich möchte mal anmerken, dass weder mein Mann noch seine Saufkumpels irgendwie lustig sind, wenn sie trinken. Es gab mal vor vielen Jahren eien Zeit, wo man gemeinsam in die Disko ging, etwas trank und Ungehemmter war, gut drauf, lustig. Im Laufe der Jahre hatte sich aber alles verändert. Mein Mann trank nicht mehr um Party zu machen, sondern weil er mittlerweile wohl nciht mehr anders konnte und wirde dabei immer griesgrämiger, streitsüchitg, aggressiv. So auch seine Kumpels, sofern es noch welche gab. Auch andere Menschen, die ich im Laufe meines Lebens begegnete, die sich als Alkoholiker/innen heraus stellten wirkten auf mich keiensfalls lustig, lebensfreudig oder lebensbejahend. Mir kommt es so vor, als ob es in eienr Phase, wo man noch kontrolliert und in Maßen trinkt und trinken kann der Alkohol solch eine wirkung hat. Aber offenbar, vermutlich durch die Gewöhnung? dieser Zustand gar nicht mehr eintritt, nachlässt. Oder irre ich mich da?
    Oder bildet an sich gar ein immer noch lustig zu sein, weil man es im Rausch selber so empfindet?

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