Lea .Hallo, ich stelle mich dann mal vor…

  • Liebe Lea,

    Ich danke dir so sehr für deine Offenheit und deinen Mut, mit uns deine Vergangenheit und deine Gefühle zu teilen. Ich finde mich teilweise in dem was du geschrieben hast wieder, obwohl ich eine schöne Kindheit hatte. Meine Kinder sind vermutlich auch der Grund, warum sich meine Sichtweise geändert hat und für die ich stark sein will.

    Woher kommt das mit den Schubladen??? Hab da auch jemanden bzw. mehr als einen die ich gerne da reinstecken möchte.

    Ich habe auch Angst, dass die räumliche Distanz nicht ausreicht, um von den Gefühlen befreit zu werden.

    Ich hoffe sehr, dass deine Schubladen noch so lange halten, bis du bereit bist sie zu öffnen.

    Alles Liebe

    Sporty

  • Guten Morgen Sporty,

    etwas in Schubladen zu packen oder in Kisten ist mir schon oft begegnet. In der Therapie oder in Büchern. Hat mir aber immer nur so halb gepasst. Ich denke gerne sehr bildlich und der Apothekerschrank ist dann irgendwann in meinem Inneren entstanden. Mir fallen die in Filmen immer sofort ins Auge und in der Realität finde ich sie auch toll.

    Man sagt ja auch: jemanden in eine Schublade stecken. Finde ich gar nicht so falsch ganz grundsätzlich zu gucken, was man da so alles für Schubladen zur Verfügung hat. Und wenn es eine flexible Zone gibt und niemand auf ewig ungerechtfertigt irgendwo verweilen musst 🤪

    Es ist toll, wenn du auf eine schöne Kindheit zurück blicken kannst und da freut mich für dich! Das gibt dir Kraft und da kannst du für immer drauf zugreifen. Es hilft dir auch, deine Eltern mit Milde und Dankbarkeit zu betrachten. Und vor allem hast du ein Bild, wie es sein könnte. Das kann dir helfen Klarheit zu erlangen, darüber was du für dich und deine Kinder willst und was eben nicht.

    Liebe Grüße, Lea

  • Liebe Sporty,

    nun habe ich zwar einen Teil meiner eigenen Geschichte erzählt, aber es kommt mir so vor, als sei ich die eigentlich Antwort schuldig geblieben. Vermutlich musste ich mich erstmal sammeln und erinnern.

    Jetzt probier ich es nochmal mit mehr Bezug zu dir ☺️

    Wie haben ich das also gemacht?

    Eigentlich ging es die ganze Zeit um das ausloten und setzen von Grenzen.

    Zuerst kommt die Frage, wo deine persönlichen Grenzen liegen. Welche in Stein gemeißelt sind und/oder welche besonders wichtig für dich sind.

    Dann kommen die Grenzen der anderen. In deinem Fall erstmal die deine Kinder und von dein Mann.

    Mit der Abgeschlossenen Tür ziehst du ja auch eine Grenze, die du vor einer Weile noch nicht notwendig gefunden hättest. Ich denke das ist Übungssache und du bist auf einem guten Weg raus zu finden, was zu dir passt und was eben nicht oder nicht mehr.

    Ich selbst habe da ganz klein angefangen. Auf Anrufe nicht mehr reagiert und nur selbst angerufen. Dann mir danach war oder ich ausreichend gut „sortiert“ war.

    Nein gesagt, wenn etwas von mir verlangt wurde, das mir gegen den Strich ging, was ich vorher einfach gemacht hätte um Frieden zu haben.

    Auch das startete mit banalen Dingen, wie Essenszeiten, Ausflugszielen oder so und endete dann damit, das ich zum Beispiel ablehnen konnte, wenn meinte Mutter uns besuchen wollte, obwohl uns das zu dem Zeitpunkt gar nicht gepasst hat.

    Ich habe Regeln aufgestellt, für Besuche in meinem Zuhause. Hände waschen nach jeder Zigarette, ansonsten wird kein Kind angefasst. Null Alkohol- draußen und drinnen und auch nicht vor dem Besuch so das man es gemerkt hätte.

    Zugegeben, mit der Zeit wurden es eine Menge Regeln ☺️ Vor allem, weil ich selbst mir immer wichtiger wurde. Aber auch, weil es reine Übungssache ist die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und dann auch zu benennen. Je genauer ich hin guckte, was ich wollte und was nicht, desto einfacher wurde es das zu formulieren und desto mehr konnte ich auch spüren, was für mich richtig und notwendig war.

    Den Süchtigen macht das glaube ich total irre, wenn er sich so massiv anpassen muss. Mir wurde Kontrollwahn vorgeworfen und das sich immer alles komplett nach mir richtigen muss. Ein Stück weit war/ist da sicherlich etwas dran. Als mir irgendwann aufgefallen ist, dass meine Schmerzgrenze bei guten Freunden ganz anders aussah (zB beim Rauchen) habe ich den Zusammenhang erkannt, wie stark das aktuelle Verhältnis zu meinem Gegenüber da rein spielt.

    Diese Suche nach Grenzen und Regeln für eine harmonischere Begegnung waren das zentrale Element in der Zeit, in der es noch nicht darum ging sich dauerhaft zu distanzieren. Ich habe mir ja lange einen „funktionierenden“ Umgang gewünscht und auch mit therapeutischer Hilfe nach Möglichkeiten gesucht, wie sich das umsetzen lässt. Meine Mutter war nur leider nicht in der Lage, selbst die kleinsten Grenzen zu akzeptieren.

    Bei euch, liebe Sporty, gibt es ja eine positive gemeinsame Vergangenheit. Mit dieser Basis ist vielleicht eine viel sanftere räumliche Trennung mit anschließendem Umgang möglich, wer weiß.

    Wobei ich die räumliche Trennung inzwischen für absolut wichtig halte! Wir hatten das auch mal vor, in die gleiche Gegend ziehen, ein gemeinsamer Bauernhof oder sowas wild romantisches 😂 Gott sei Dank habe ich vorher gemerkt - für uns wäre das der Supergau geworden 🙈

    Natürlich wurde ich auch immer Mal nach meinen Eltern gefragt. Früher habe ich sowas gesagt wie wenig Kontakt, weit weg, irgendwas ausweichendes eben. Dann hatte ich eine sehr offene Phase, musste aber leider feststellen, wie wenig hilfreich Personen ohne ähnliche Erfahrungen da für mich waren. Es war eher so, das ich verunsichert wurde oder mich nach einem intensiveren Gespräch schlecht gefühlt hatte. Besonders schlimm wurde das, als ich mich für einen endgültigen Kontaktabbruch entschieden hatte. Ich begründe da auch nicht mehr groß. Wir haben keinen Kontakt mehr, meine Eltern sind krank und sind nicht bereit etwas an diesem Zustand zu ändern. Das verstehen nur ganz wenige. Leute die mich von früher kennen und damit auch Passagen aus meiner Kindheit noch am ehesten. Wobei da auch gerne mal sowas kommt: na ihr habt euch ja früher schon nicht verstanden. Es bleibt so ein Gefühl von Schuld übrig, weil man sich als Kind, gesellschaftlich gesehen, nicht von den Eltern abwenden darf. Ab und an wird auch sowas wie eine Begründung erwartet. So nach dem Motto… war es denn wirklich so schlimm, bist du sicher das dies oder jenes dein Verhalten wirklich legitimiert. Da habe ich eine Weile gebraucht um zu erkennen, dass ich mich vor niemandem Rechtfertigen muss (nicht einmal vor mir selbst 😎). Inzwischen sehe ich das als eine Frage der Loyalität mir gegenüber. Wer mich kennt und wem ich wichtig bin, der kann meine Entscheidung als richtig akzeptieren. Für mich richtig und für mich der einzig möglicher Weg. Da muss mir niemand mehr ins Gewissen reden oder sowas. Loyalität ist für mich extrem wichtig und ich bin auch selbst sehr loyal.

    Freunde die einfach zu zuhören konnten, mir Halt gegeben haben oder die mir das Gefühl geben konnten - wenn ich so entscheide, dann wird es such richtig so sein. Diese Freunde und vor allem mein Mann haben mir diesen Weg allerdings deutlich erleichtert!

    Inhaltliche Hilfe, habe ich allerdings nur von fachlich kompetenten außen stehenden bekommen können. Es gab sogar mal eine Mediation. Das war erstaunlich hilfreich und hat mich selbst klarer und gleichzeitig sanfter gemacht. Es hat aber auch deutlich gezeigt, wie aussichtslos der Wunsch nach harmonische Begegnung ist. Und es gab auf Seiten meiner Mutter ein Gesicht in der Mediation und eins im direkten Anschluss 😂

    Von meiner Seite gab es zu jedem Zeitpunkt den Wunsch und den Willen für Kompromisse und Lösungen, damit eine gemeinsam Form der Begegnung weiterhin möglich wäre.

    Absolute Voraussetzung war für mich aber die Krankheitseinsicht und der Wille etwas dagegen zu unternehmen. In meinem Fall kam das leider nie und irgendwann ist es dann wohl leider zu spät.

    Dann kam der Kontaktabbruch….

    Ich habe mit relativ wenigen Worten gesagt ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr, ab sofort und auf unbestimmte Zeit will ich keinen Kontakt mehr!

    Wie das dann so ablief, danach darfst du mich jederzeit fragen, wenn es wirklich aktuell wird. Mit etwas Glück, muss es ja gar nicht so weit kommen. Euer Auszug bringt vielleicht genug Abstand oder eröffnet Möglichkeiten, wie ihr in Zukunft Familienleben anders gestalten könnt. Oder er öffnet deinen Eltern die Augen. Wer weiß…

    Ich habe auch Angst, dass die räumliche Distanz nicht ausreicht, um von den Gefühlen befreit zu werden.

    Am Anfang wird das auch sicher nicht so sein. Aber auch emotionalen Abstand kann man üben!

    Angst ist aber kein guter Berater, sie hilft dir nicht weiter und sie kann dir auch nicht helfen etwas besser zu machen.

    Ich selbst habe mich auch verrückt gemacht, wie es denn nun weiter gehen wird mit meiner Mutter, wenn ich mich nicht mehr kümmere. Ich bin auch eingeknickt und habe mich doch wieder informiert, aber immerhin nicht mehr eingemischt. Und nach und nach habe ich so viel Abstand bekommen, dass Sorgen oder überhaupt an sie denken mich nur noch ganz selten überraschen.

    „Einfach“ nur ausziehen oder mit jemandem nicht mehr reden reicht wirklich nicht. Aber du kannst dir Hilfe suchen, du kannst üben, du kannst deine Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenken.

    Meine kleine Familie hier hat ein Maximum meiner Aufmerksamkeit verdient und daran arbeite ich jeden Tag. Mal sehr erfolgreich und auch mal weniger, aber ich gebe mein Bestes!!!

    Mir tut zB dieses Forum aktuell sehr gut und es war spannend, mich so intensiv mit diesem Aspekt meiner eigenen Geschichte auseinander zu setzen. Ich lese hier sehr viel, es tut wahnsinnig gut mich verstanden oder bestätigt zu fühlen, aber unterschiedlichen Sichtweisen wie zB von Cadda bereichern meine eigenen Überlegungen ungemein. Danke, an alle die hier sind!

    Für mich wird nämlich demnächst die nächste Stufe kommen und ich versuche mich auf Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Tod meiner Eltern vor zu breiten, mich rechtzeitig zu stärken und zu sammeln.

    Ich fasse jetzt nochmal meine ursprüngliche Antwort zusammen, is ja schon recht lang geworden alles, mein Kopf ist ganz schön voll ☺️

    So habe ich es bis hier hin geschafft:

    1. Hilfe (Therapie, Mediator, Selbsthilfegruppen), Unterstützung, Menschen die eingeweiht sind, Rückhalt suchen und hoffentlich finden vom Partner und von echten Freunden.

    2. Grenzen erkennen und Regeln finden, um diese Grenzen nicht zu überschreiten. Das geht auch gemeinsam/gegenseitig.

    3. Räumliche Trennung. Selbst entscheiden können wieviel Nähe/Kontakt oder eben auch Abstand.

    4. Wenn alles andere ausgeschöpft ist oder der persönliche Schmerzpunkt erreicht wurde. Kompletter Kontaktabbruch.

    5. Ein wunderschönes Leben, ohne den ganzen Misthaufen permanent vor der Nase.

    Diese Woche habe ich mit der Kinderärztin über ein völlig anderes Thema gesprochen, aber der Buchtitel fällt mir gerade wieder ein…

    Grenzen Nähe Respekt

    Da dreht es sich doch irgendwie immer drum. Ich glaub das mach ich mir zum Motto für sie nächste Zeit 😊

  • Liebe Lea,

    lieben Dank für deine Gedanken, deine Zeit und deine Mühe mir so ausführlich zu antworten. Ich habe ein gutes Gefühl klar zu sehen, ich fühle mich gefasster und stärker. Ich weiß jetzt was ich will und was ich nicht will und ich habe Menschen an meiner Seite die mich unterstützen und bereit sind jeden Weg mit mir zu gehen. Dank diesem Forum und dem Austausch mit euch allen und besonders mit dir Lea.

    Nur eins hat mich doch noch mal hinterfragt. Eine Frau aus der SHG hat gesagt mit einer Trennung würde ich meiner Mutter die Chance geben gesund zu werden. Irgendwie hat mich das sehr nachdenklich gemacht. Ich weiß, das viele Alkoholiker ein Erlebnis/Zwickmühle benötigen um eine Einsicht ihrer Krankheit zu bekommen und den Willen spüren dagegen etwas zu unternehmen. Andererseits weiß ich auch das Alkohol eine Familienkrankheit ist. Ich frage mich inwieweit ich nicht vielleicht doch auch eine Mitschuld trage.

    Liebe Lea noch einmal zu dir. Ich finde vieles bei mir wieder und deine Punkte hab ich soweit schon abgearbeitet und bleibe weiter dran. Das hilft mir sehr. Danke ❤️

  • Liebe Lea,

    ich habe jetzt nicht den ganzen Thread im Detail gelesen, aber das Grundsätzliche habe ich mitbekommen.

    Meine Eltern sind auch Alkoholiker, meine Mutter hat sich im Frühjahr totgesoffen. Von meinem Vater und Stiefvater ist das Gleiche zu erwarten. Als die Leberzhirrose bei meiner Mutter ins Endstadium gerauscht ist, war mein kleiner Sohn 4. Er ist sehr aufgeweckt und stellt dementsprechend auch seine Fragen, auch in Richtung „Warum ist Oma so/ ist Oma krank?“.

    Ich kann dir nur ganz stark ans Herz legen, erstens deinem Instinkt zu vertrauen, wenn du eigentlich keinen Kontakt möchtest und zweitens mit den Kindern offen zu reden! Alles, was unter den Tisch fällt oder klein geredet wird, verwirrt sie, gibt doofe Gefühle und Unsicherheit. Kinder nehmen viel mehr wahr, als wir denken, sie verstehen aber vieles anders und gerade das Verhalten Suchtkranker Personen macht Angst. Weil es irrational und ‚anders‘ ist. Erkläre ihnen offen die Situation! Mein Sohn wusste seit 3 Jahren, dass Oma krank ist, weil sie zu viel trinkt und dass sie voraussichtlich daran sterben wird. Er weiss, was das im Körper anrichtet und gleichzeitig habe ich ihm die Angst nehmen können, dass uns das von ein wenig Alkohol ab und an auch passieren kann. Das ist ebenfalls ganz wichtig, mit denen zu klären!

    Ich habe mir immer gewünscht, dass mein Kleiner Omas und Opas hat. Meine ehem. Schwiegereltern sind auch Sonntagsgroßeltern, also nicht im Alltag unterstützend da, aber wenigstens zu familiären Gelegenheiten (also, für mein Kind, ich bin da ja raus).

    Daher wollte ich meine Familie zusammen halten. Ich habe aber früh feststellen müssen, dass das weder mir noch meinem Sohn gut tut und habe mich meinen Eltern möglichst entzogen. Dafür musste ich natürlich auch jede Menge Vorwürfe einstecken, meine Familie ist extrem. Aber mein Instinkt war stärker, mein Kind möglichst wegzuhalten.

    Jetzt, Monate, nachdem meine Mutter gestorben ist, hat sich mein Sohn mir zum ersten Mal offenbart und sagte mir, er habe sich bei Oma nie wohl gefühlt, er mochte sie auch nicht so gerne, weil sie immer so komisch war. Das habe er mir aber nicht sagen wollen, weil er mich nicht verletzen wollte.

    Mir bricht es das Herz, wenn ich überlege, was er für mich ausgehalten hat, um mich zu schützen - und ich dachte, ICH halte was aus, nur, damit er wie andere Kinder Oma und Opa hat.

    Wenn dir dein Gefühl sagt, es geht dir damit nicht gut, lass dir Finger davon und bleib da weg.

    Alles Gute für dich!

    loewenzahnkind

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

  • Liebe loewenzahnkind,

    vielen Dank für den Einblick in eure Geschichte!

    Ja, ich denke auch, Kinder bekommen so viel mehr mit als wir oft merken. Deins spricht immerhin, wenn auch nach Monaten. Wir haben hier so kleine Experten, die ganz viel am liebsten mit sich selbst abmachen 🙈 Allerdings nehmen sie zum Glück manche Dinge auch als Selbstverständlichkeit an und malen sich dementsprechend nicht so viel aus, wie wir erwachsenen es leicht mal machen.

    „Leider“ bleiben sie ja nicht ewig klein und mir den Jahren werde ich wohl deutlich mehr erklären müssen.

    Auch dir alles Gute!

    Lea

  • Wir haben hier so kleine Experten, die ganz viel am liebsten mit sich selbst abmachen 🙈

    Das kenne ich aber auch - umso mehr hat mich das eigentlich gewundert, dass er damit jetzt um die Ecke kam 🥴 Ich kenne hauptsächlich auch die Fragerei (Kids fragen ja gerne auch mal von hinten durch die Brust, so dass man gar nicht sofort rafft, worauf sie hinaus wollen). Ich glaube, das ist vielleicht auch das Ergebnis unserer häufigen Gespräche zu dem Thema meine Mutter/seine Oma.

    Irgendwie ging es auch eigentlich um was ganz anderes, ich glaube darum, dass es in meiner Kindheit und Jugend nie Aufmerksamkeit und körperliche Nähe, sondern immer nur blöde Sticheleien und Streit seitens Mutter gab. Da wurde er sauer und meinte, er würde mit Oma schimpfen, wenn sie noch lebte. Kann also auch sein, dass das ein Zeichen seiner Loyalität mir gegenüber war, sich zu offenbaren.

    In den Knirpsen steckt man nicht drin, die überraschen einen immer wieder.

    Aber das ist ja auch schön irgendwie ❤️

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

  • Hallo Lea,

    auch ich danke dir fürs Teilen deiner Geschichte.

    Der Weg, der hinter dir liegt, ist gewiss nicht leicht gewesen.

    Ich möchte gerne noch ein paar Gedanken dazu da lassen, die deinen Weg bestätigen.

    Solche Glaubenssätze wie „eine Mutter bleibt immer die Mutter“ „man kümmert sich um seine Mutter“ und so weiter sind mir auch vertraut und tief in meinem Bewusstsein verankert und, wie ich aus meiner Familie und meiner Schwiegerfamilie weiß, nicht nur in meinem Bewusstsein.

    Vom Grundsatz her haben diese Glaubenssätze ja auch eine gewisse Berechtigung, sie dienen dem Schutz der Eltern, wenn sie alt sind und nicht mehr so für sich sorgen können.

    Wie ist das Ganze aber zu sehen, wenn mündige Eltern ihrer Verantwortung für sich selbst nicht nachkommen und etwas tun, was ihnen selbst und vielleicht auch anderen schadet? Geht die Verantwortung für meine Eltern etwa so weit, dass es völlig auf meine Kosten und möglicherweise sogar auf Kosten meiner Kinder geh darf? Gibt’s da etwa so eine Pflicht, mich und meine Kinder opfern zu müssen?


    Nein, gibt es nicht!

    Auch ich habe eine sehr, sehr lange Zeit dafür gebraucht, zu erkennen, dass ich genau so wie alle anderen das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit habe, und dass meine Eltern bzw. meine Mutter für sich selbst verantwortlich sind.

    Ich habe lang mit Scham zu kämpfen gehabt, wenn ich mich nicht genug um meine Mutter gekümmert habe, und in den letzten Jahren mit Wut und Ohnmacht, weil mein Körper und meine Psyche mich schließlich immer wieder im Stich gelassen haben, wenn ich mich kümmern wollte.

    Das war nicht leicht, denn da es nicht möglich ist, die Handlungsimpulse beider Gefühle zugleich auszuleben, geriet ich innerlich regelmäßig unter enorme innere Anspannung.

    Ich war auch wütend auf die ganze traurige Situation und kämpfte mit Trauer, Enttäuschung, Wut, weil meine Mutter sich mit ihrer Wahl schließlich selbst in diese Situation gebracht hatte.

    Viele Grüße

    AufderSuche

  • Hallo zusammen und vielen Dank für die Offenheit in euren Beschreibungen. Es macht mir viel Mut, zu hören, dass so eine Geschichte immer viel Gedanken um Gefühle bringt und man sich als empathischer Mensch auch ein paar Runden im Kreis drehen darf.

    Das Kümmern um die Eltern wird ja auch gerne als impliziter Generationenvertrag betrachtet. Ich bin dem ausgewichen, indem ich (unterbewusst bewusst 😄) 400km weit weg gezogen bin.

    Ich stelle mir nun aber auch die Frage, wo eine Pflegebedürftigkeit hinführen würde und wie schnell so etwas wohl eintreten wird.

    Ich denke aber, diese Generationenbindung wird heute in vielen Familien auch unabhängig von einer Alkoholproblematik aufgeweicht und das ist einfach der Lauf der modernen Gesellschaftsentwicklung. Und manche können und wollen den Wechsel in betreutes Wohnen oder durch eine frühzeitige eigene Wahl eines Altersheimes mitgestalten und andere, die sich damit nicht auseinander setzen wollen, müssen dann aber halt auch nehmen, was kommt.

    Deine Situation mit den Grosseltern scheint mir recht ähnlich zu meiner, nur dass bei mir die Oma zum Rauchen rausgeht und die 6 Flaschen Wein ganz offen in der Tasche zu uns reingetragen werden 🥲, deswegen antworte ich dir jetzt mal aus meiner Perspektive. Da die Oma inzwischen mehrmals von sich aus nicht mitgekommen ist zu Besuch, ist der Opa alleine vorbeigekommen und die Treffen waren auch immer entspannt und die Kinder haben gerne mit ihm gespielt. Allerdings ist er kein Ersatz für die Oma, die trotzdem als geliebter Spielpartner vermisst wird. Die Grosse mit 6Jahren fragt auch schon sehr differenziert nach und ich bin ihr gegenüber ehrlich, versuche nur, meine eigene Verzweiflung über die Lage etwas zu dämpfen, um ihr zu zeigen, dass unsere Welt in Sicherheit und stabil ist, egal, wie es gerade bei der Oma aussieht, ob sie nun kommt oder nicht, ob wir irgendwann mal wieder hinfahren oder nicht. Sie bekommt mit, wieviel wir Erwachsenen über das Thema diskutieren und sie sagt selbst, sie wünschte, die Oma wäre nicht krank und hätte niemals geraucht oder getrunken.

    Ich denke, wenn ihr der Oma ohne den Opa Treffen anbieten könnt und sie das auch annehmen möchte, ist das für alle eine gute Lösung, ohne dass man ausschliessen muss, dass es auch noch gemeinsame Treffen mit allen gibt.

    Was für mich immer inakzeptabel war und wo ich eingeschritten bin, ist eine Verharmlosung der Stoffe und Lügen. Wenn meine Tochter also der Oma eine Zigarette raussuchen wollte, habe ich das unterbunden, weil es kein Spielzeug sein soll. Wenn die Oma behauptet hat, sie braucht kurz eine Spielpause an der frischen Luft, habe ich erklärt, dass die Oma eine Zigarette rauchen geht. Und auch die entsprechenden Nachfragen habe ich beantwortet (Warum raucht sie? Warum hustet sie? Wird sie krank davon? Muss sie dann sterben?), wo von ihr höchstens die Antwort kam:“ Jeder macht irgendeine Dummheit.“

    Ich probiere aber auch, die positiven Seiten der Person wach zu halten, welches Geschenk von ihr kommt oder was sie gespielt hat mit den Kindern.

    Ich finde die Fragen deiner Kinder also sehr klug, dass sie sich Gedanken machen, warum der Opa von ihnen weggeht und wenn der Opa das nicht selber erklären kann, finde ich es wichtig, dass du das erklärst, damit die Person und das Suchtverhalten getrennt werden können. So können die Kindern den Opa, der sie lieb hat und den Opa, der suchtkrank ist, auch trennen. Wenn es dann noch unbeschwerte Treffen nur mit der Oma geben kann, umso besser.

    Was wünschen sich denn deine Kinder? Mit wem wollen sie sich treffen und spielen?

    Liebe Grüsse und alles Gute für die Planung sozial stressfreier Weihnachtszeit

  • Liebe Merlyn,

    danke für die liebe Nachricht und den Einblick in euer Oma&Opa Leben.

    Dein Timing ist super, das Thema ist hier nämlich die letzten Tage aus jeder Ecke raus gekrabbelt und hat für Ärger und Traurigkeit gesorgt. Opa liegt für ein paar Tage (mit ungefährlichem Kleinkram) im Krankenhaus und ich hatte die Idee spontan Oma Besuchen zu fahren. Weil sie dann endlich mal sehen könnte, wie ein Treffen ohne ihn aussehen kann und weil es die Gelegenheit eröffnet ein Gespräch zu führen und ihr erneut das Angebot zu machen uns öfter Mal alleine zu treffen.

    Mein Mann lehnt das ab. Er meint es führt nur zu Ärger und macht Oma traurig, weil sie sowieso nie im Leben alleine zu uns kommen wird. Ich fand, das ist dann ja ihr Problem, aber wir haben wenigstens versucht nochmal mehr Kontakt zu ermöglichen. Für die Kinder, für Oma und weil ich es mir wünsche.

    Das Ganze endete dann „total erwachsen“ als ich beleidigt meinte: „dann ist sie eben traurig, vielleicht merkt sie wenigsten was sie verpasst. Ist ja ihre Macke, wenn sie für den lieben Frieden daheim drauf verzichtet alleine her zu kommen um ihre Enkel zu sehen. Mein Mann: „Vielleicht hast ja auch du die Macke, weil du nicht loslassen kannst und sie unbedingt zu etwas bringen willst was nicht erwünscht ist.“

    Das ist hier sonst eher nicht der übliche Umgangston und nun bin ich verletzt, ratlos und wütend. Und es passiert weiterhin nichts…

    Bin ich egoistisch, weil ich eine ausweglose Situation ändern möchte mit der zwar niemanden glücklich ist, aber die funktioniert. Geht es mir wirklich um die Kinder oder ist es vor allem der Wunsch nach mehr „normaler“ Familie oder gar Unterstützung durch Oma. Kommt da mein Co Abhängiges inneres Kind ans Ruder das unbedingt ändern will was es nicht ändern kann?

    Ich ringe sehr mit mir!

    Und dann hat das älteste Kind beim Abendessen plötzlich gefragt ob Oma und Opa überhaupt noch leben und wann wir sie denn mal wieder sehen könnten 😭

    Liebe Grüße von einer ratlosen und traurigen Lea

  • Liebe Lea,

    Vielleicht schafft ihr es, die Treffen weniger als Vorgeschmack auf weiteres zu sehen, sondern einfach den Moment dieses einen Treffens zu leben? Wenn das schön ist, sehe ich nicht, warum das traurig machen soll. Man muss ja aus einem Besuch von euch bei ihr nicht darauf schliessen, dass sie umgekehrt zu euch kommen muss. Ihr könnt ja auch zusammen den Opa im Krankenhaus besuchen und danach noch alleine mit der Oma eine gute Zeit verbringen.

    Was wäre denn, wenn du wegen etwas beruflichem oder privatem Unterstützung bräuchtest beim Kinder hüten, wer käme dann?

    Es spielt für mich keine Rolle, ob deine Kinder oder du den Wunsch haben, die Oma auch mal ohne Opa zu sehen, es ist beides ein legitimes Anliegen. Und das darfst du auch so kundtun, finde ich. Wenn deine Mama dann allerdings sagt, dass sie das nicht möchte, muss man das leider so akzeptieren.

  • Hallo Merlyn,

    es sind ja nicht meine Eltern, sondern die Schwiegerfamilie, deshalb mag ich auch nichts angehen, was mein Mann blöd findet.

    Er denkt, ein plötzlicher Besuch zum jetzigen Zeitpunkt, nachdem wir uns ewig nicht gesehen haben, kommt in jedem Fall schlecht an. Opa wird sauer sein, weil wir ausgerechnet jetzt kommen. Also will er nicht das wir es überhaupt vorschlagen. Grundsätzlich finde ich deinen Vorschlag aber gut, vielleicht kann ich es so noch einmal angehen.

    Was wäre denn, wenn du wegen etwas beruflichem oder privatem Unterstützung bräuchtest beim Kinder hüten, wer käme dann?

    Hier kommt Niemand, nie und egal was anliegt! Das ist natürlich Etwas, was ich mir auch anders wünsche. Aber dafür müssten wir ein anderes Verhältnis haben, vielleicht geht es mir ja unterbewusst auch darum dort hin zu kommen. Oma alleine wäre auch was sowas angeht eine andere Nummer.

    Aktuell sehen wir uns einige wenige Male im Jahr und das ist nicht hilfreich sondern ausschließlich anstrengend.

    Lg

  • Hallo Lea,

    Deine Kinder haben ja gefragt, wann sie Oma und Opa mal wieder sehen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie weniger Probleme mit der Art des Opas haben, also Du.

    Ich kann ein bisschen nachvollziehen, weshalb Dein Mann mit Versuchen, die Oma zu anderen Gewohnheiten zu überzeugen, ein Problem hat, wenn er erkannt hat, dass die Oma vielleicht gar nicht unzufrieden ist mit ihrer Situation und sie daher gar nicht verstehen wird, wo das Problem ist. Vielleicht findet Dein Mann das ihr gegenüber einfach übergriffig und möchte das deshalb nicht.

    Ich glaube, das Alles hat ganz viel mit Deiner eigenen Situation wegen Deiner eigenen Eltern zu tun. Verständlich!!!

    Wenn Du in Dich hineinhorchst:

    Wärst Du selbst nicht mit dem Thema Alkoholismus konfrontiert worden in Deiner Elternbeziehung… würdest Du dann auch soweit gehen, den Opa ausschließen zu wollen aufgrund seines nicht so liebevollen Charakters und schwierigen Persönlichkeit?

    Wäre dann für Dich auch Handlungsbedarf?

    Noch etwas ganz Anderes: Deine Beiträge auch in anderen Themen gefallen mir gut. Ich finde es klasse, wie Du Dich so austauscht :)

    LG Cadda

  • Hallo Cadda,

    ich habe mich über deine Nachricht heute Morgen sehr gefreut, vielen Dank für das Kompliment ☺️

    In deiner Perspektive über den Opa steckt einiges an Wahrheit, in meinem unguten Gefühl aber leider auch. Es ist so schwer einen Weg in der Mitte zu finden.

    Ich frage mich ja selbst immer wieder, ob da überhaupt ein Alkoholproblem besteht, Zweifel an meiner Wahrnehmung und an meinem Bedürfnis uns so stark ab zu Grenzen. Vorhin habe ich mir Fotos von ihm angeguckt, seine Augen, seine Haltung, es fühlt sich einfach nicht gut an. Dein Beispiel mit deiner eigenen (ich bin grad nicht ganz sicher) Schwiegermutter im Haus

    zeigt ja schön, wie durch räumliche Abgrenzung der Kontakt funktionieren kann, trotz Alkohol. Da wir uns, aufgrund der Entfernung, ja immer für mehrere Tage besuchen müssen, ist Angrenzung eher schwierig.

    Die Oma ist unglücklich darüber, uns so selten zu sehen. Aber es stimmt schon, sie sieht da wohl wenig Zusammenhang. Ich will vielleicht zu viel, vor allem zu viel Kontrolle meinerseits.

    Es bleibt so eine schwierige Sache. Es belastet mich, es belastet uns alle und aktuell bin ich es leid einfach nur die Besuche möglichst weit weg zu schieben. Ich wünsche mir eine Lösung, einen neuen, einen besseren Weg. Vor allem, weil die Kinder es sich inzwischen ja auch anders wünschen.

    Heute (oder vielleicht seit ein paar Tagen) bin ich einfach so wütend, dass das Thema Alkohol mir immer und immer wieder begegnet und Dinge erschwert, die sich anders und leichter anfühlen sollten.

    Viele Grüße, Lea

    Einmal editiert, zuletzt von Lea (16. Oktober 2021 um 11:00) aus folgendem Grund: Huch… da war es abgeschickt bevor ich fertig war 🤷🏻‍♀️

  • hallo Lea, jetzt kenne ich Deine Geschichte auch etwas besser! Wie sieht es momentan aus, hat sich hier etwas ergeben?


    Ein Gedanke der mir kam (schon bevor ich den eher unsensiblen Kommentar deines Mannes gelesen habe): wieviel von Deiner eigenen Kindheit steckt in dem Wunsch, dass die Oma mehr Zeit mit Euch verbringt? Was verbirgt sich hinter dem Wunsch?

    Dass du bei Deiner Vergangenheit den Opa nicht in der Nähe haben möchtest kann ich voll verstehen.

  • Huhu Mona, mit den Großeltern hat sich bis jetzt nichts weiter ergeben. Das liegt vor allem an Corona, aber ich habe den Vorwand wohl auch gerne genutzt, um an dieser „Front“ weiterhin meine Ruhe zu behalten.

    In mir drin hat sich unheimlich viel bewegt!

    Der aktive Austausch hier im Forum hat mich näher an meine Beweggründe und verschütteten Wünsche gebracht. Vieles sehe ich inzwischen sehr klar vor mir. Auch auf einen besseren Kontakt mit den Großeltern werden diese inneren Veränderungen sich positiv auswirken. Bilde ich mir aktuell jedenfalls noch ein :lol:

    Es waren intensive Monate und auch die Weihnachtszeit, so schön sie auch sein mag, ist oftmals emotional sehr belastend.

    Ich hatte hier schon Aha Momente… holla die Waldfee!

    Erst neulich bin ich, aufgescheucht durch einen schwammigen Traum und dann durch einen Beitrag hier plötzlich ganz klar, über meine eigenen Co-Anteile gestolpert. Da denk ich im Moment noch viel drauf rum. Weil ich es ganz schwer finde mich selbst da ein zu ordnen. Muss ich aber vielleicht auch gar nicht.

    Einen lieben Gruß, Lea


  • Völlig richtig - man muss nicht immer alles durchdefinieren, vor allem nicht sofort und gleich! Und gerade wenn es um die Seele geht und was wir in uns tragen, muss man ja auch mal richtig graben- und dann rutscht auf einmal das ganze Gerümpel zur Seite und man denkt sich: ahhsooooo.

    Freut mich sehr, dass das Forum dir dabei schon viel geholfen hat- ich wühle auch mal weiter!

    Lg

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