Mein Weg - meine Gedanken - nüchtern betrachtet..

  • Ich bin körperlich deutlich schlechter dran, als „vorher“ - ich muss mehr Tabletten nehmen. Zudem habe ich kaum Energie. Der Gedanke geht dann in die Richtung: warum geht es mir trotz Entgiftung nicht besser? Warum lassen die Schmerzen nicht nach? Wann wird es endlich besser? Und diese Fragen verstärken das negative Gefühl. Eigentlich wünsche ich mir nur mal einen Tag, der rundum positiv ist. Und ich weiß dass das Jammern auf hohem Niveau ist.

    Danke!

  • Das Selbstmitleid... also ich kann nur sagen wie das bei mir so ablief. Meine Geschichte ist jedoch mit Deiner nicht wirklich vergleichbar. Aber vielleicht kannst Du ja was daraus ziehen.

    Ich war mein Leben lang ein Opfer. Die Opferrolle trieb ich so weit dass ich gar das Opfer meiner selbst war.

    Die Opferrolle - so sehr sie am Selbstwertgefühl und an der Lebensqualität nagt - die hat auch Vorteile. Die Opferrolle ist eine Überlebensstrategie, die man sich schon recht früh im Leben aneignet und unter Umständen nicht wieder los wird. Die Opferrolle bringt Aufmerksamkeit, und weckt bei anderen die Helfernatur / Beschützerinstinkt. D.h das bringt tatsächlich was. Aber der Preis, den man bezahlt ist VIEL zu hoch.

    Dann kam der Schlaganfall. An und für sich wäre das ja der Moment, in welchem ich so richtig loslegen könnte, mit der Opferrolle. Da gibt es wirklich was, wofür mich beinahe JEDER bemitleiden tät - also eine Art Steilpass.

    Doch was hab ich getan? Irgendwie war das mein persönlicher Tiefpunkt, und mir wurde im Krankenhaus nahegelegt, eine positive Geisteshaltung einzunehmen, zwecks rascher Genesung. Und das hab ich richtig gut getan. So gut, dass ich meine Opferrolle richtiggehend vergessen habe. Für den Moment. Und recht später ist mir das aufgefallen. Mittlerweile verachte ich diese Rolle - sie ist schädigend für die Psyche, energieraubend, und wenig Zielführend. Sie treibt einen in Depressionen, macht einen klein.

    Fliegen ist angesagt. Abheben. Wie ein Adler, der seine Schwingen ausbreitet.

    Die positive Geisteshaltung heilt. Sie gibt viel Energie. Sie ist für mich unentbehrlich für ein suchtfreies Leben.

    Es gibt ja da den Spruch: Das Glas ist entweder halb voll oder halb leer. Das ist ein Vorstoss in die richtige Richtung, mir persönlich aber viel zu wenig.

    Denn schon der Begriff "Halbvoll" ist negativ behaftet. Denn da ist noch dieses "Da würde noch mehr reinpassen, aber ich begnüge mich mit der Demut und Bescheidenheit eines verdammten Ghandi's". Nee.. für mich haben diese Gläser "etwas drin", und das ist schön so.

  • Hallo Tippi,

    ich finde es gut, dass du dich hier mit deinen Sorgen meldest. Nun ist es ja nicht so, dass alles wieder gut wird, nur weil man nicht mhr trinkt.

    Die Schmerzen hast du auch vor deiner Abstinenz gehabt? Aber mit Alkohol bekämpft. Dass die Schmerzen bleiben (sofern sie nicht vom Konsum kommen), ist nachvollziehbar. Aber die Last des Trinkens ist weg: Die Sorgen um die Beschaffung, das zusätzlich schlechte Befinden durch das Trinken, die Angst vor den körperlichen Schäden...Die Liste ist lang.

    Wenn du selber schon sagst, dass es eigentlich Jammern auf einem hohen Niveau ist, kannst du dann versuchen, dich mehr auf die positiven Dinge zu konzentrieren? Ich schreibe in dem Zusammenhang gern von den Übungen aus meiner Therapie, weil die mir erstaunlicherweise geholfen haben. Auch jetzt noch, wenn ich einen schlechten Tag habe. Zum einen kannst du dir bei jedem auch noch so kleinen, schönen Erlebnis eine Kaffebohne/Erbse oder sonstwas in eine Tasche stecken. Am Ende des Tages siehst du, dass der Tag viel Positives zu bieten hatte. Du kannst dir auch am Ende des Tages überlegen, was gut war. Suche dir irgendwas heraus (die warme Sonne im Gesicht, der nette Plausch mit der Nachbarin) und denke daran.

    Das hilft dir vielleicht für die positive Grundstimmung, von der Florian schrieb.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • Danke für eure hilfreichen Antworten. Ich versuche täglich, mich mehr auf das Positive zu konzentrieren. Ich hoffe einfach, dass mir dies in Zukunft besser gelingt. Habt ihr bestimmte Programme absolviert oder Literaturempfehlungen?

    Vielen Dank ❤️

  • Hallo Tippi,

    ich finde es auch gut, dass du dich hier meldest und mag gerne ein paar Gedanken da lassen.

    Ich weiß auch grad nicht, wie lange du schon abstinent bist, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass sich bei mir körperlich etwas zum Positiven verändert hat, seit ich den Alkohol weggelassen habe.

    Ich hab MS, was hier und da ein paar Beeinträchtigungen mit sich bringt. Im Laufe des vergangenen Jahres, dem ersten Jahr meiner Abstinenz, durfte ich feststellen, dass sich tatsächlich einiges wieder gebessert hat, von dem ich’s so gar nicht mehr erwartet hätte. Das geschah nicht von jetzt auf gleich, aber so nach und nach. Ich erkläre mir das damit, dass der Alkohol, was ja ein Nervengift ist, dem Körper auch an Stellen Schaden zufügt, die ich so gar nicht erwartet hätte.

    Wer weiß, was das im Moment gerade in deinem Körper ist, du kannst aber davon ausgehen, dass Alkohol es nicht besser, sondern eher schlechter macht. Dein Suchtgedächtnis wird dir vermutlich etwas anderes vorgaukeln.

    Versuche irgendwie von dem Selbstmitleid und einer Art „Opferrolle“ wegzukommen. Vielleicht hilft dir dabei das Wissen, dass Alkohol es eben nicht besser gemacht hat. Was auch immer gerade mit deinem Körper ist, er signalisiert dir wahrscheinlich Schonung. Hab Geduld mit ihm und sei so freundlich wie möglich zu ihm, er und du, ihr habt das verdient.

    Wichtig ist tatsächlich, sich möglichst weiterhin auf die positiven Dinge zu konzentrieren. Sprichwörtlich: Achte nicht auf den dichten Wald und die vielen Bäume, sondern achte auf die Zwischenräume, durch die das Licht dringt.

    Viele Grüße

    AufderSuche

  • Hallo Tippi,

    ich schließe mich den Anderen an und finde es toll, dass Du für Dich sorgst, indem Du Dich hier mit Deinen Gedanken meldest.

    Ich bin körperlich deutlich schlechter dran, als „vorher“

    Vielleicht solltest Du Dich fragen, wie es Dir erst gehen würde, wenn Du jetzt auch noch zusätzlich trinken würdest.

    Du kannst definitiv davon ausgehen, dass es Dir körperlich nicht schlechter geht, WEIL Du aufgehört hast zu trinken. Das wird Dein Suchthirn Dir vermutlich schon ein paar Mal zugeflüstert haben. Du kannst Dir sicher sein, dass Dein Körper Dir nicht krumm nimmt, dass Du den Alkohol weggelassen hast. Vielleicht hast Du dadurch, dass Du oft angetrunken oder betrunken warst, Deine körperlichen Beschwerden einfach nur nicht so wahrgenommen, weil Du mit anderen Dingen wie Katerbekämpfung oder schlechten Gewissen wegen des Trinkens beschäftigt warst. Das fällt nun weg und Dein Fokus liegt automatisch auf den Dingen, die nun übrig bleiben oder zumindest eh so gekommen wären, vermutlich noch viel schlimmer, wenn Du nicht aufgehört hättest zu trinken.

    LG Cadda

  • Letzte Nacht war schlimm: ich habe geträumt dass ich ein Glas Wein getrunken habe und davon bin ich sofort mit Herzrasen aufgewacht und heute morgen wusste ich nicht mehr ob das nur ein Traum war - das Gefühl war richtig schlimm und beängstigend - ich weiß gar nicht woher der Traum kam 😥

  • Mach dir nichts draus.

    Gerade am Anfang der Trockenheit kommen solche Saufträume öfter vor.

    Selbst ich habe nach mehr als 15 Jahren Abstinenz noch ab & an solch merkwürdige Träume.

    Die Träume am Anfang waren bei mir z.T. auch recht heftig, so dass ich Traum von Realität nach dem Erwachen gar nicht nicht auseinander halten konnte, aber das gibt sich mit der Zeit.

    Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
    Vor uns liegen die Mühen der Ebenen. (Bert Brecht) 8)

  • Hallo Tippi,

    die Träume habe ich auch immernoch. Zu Anfang hatte ich sogar mal kurz den Geschmack von Bier im Mund. Auch jetzt noch träume ich ab und an vom Alkohol - in ganz unterschiedichen Variationen. Manchmal trinke ich heimlich, manchmal halte ich mich selbst gerade davon ab.

    Unheimlich sind diese Träume immer. Ich schüttel sie ab und bin froh, dass ich den Alkohl aus meinem Leben verbannt habe.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • Hallo Tippi,

    der Traum war nur ein Traum. Auch ich träumte auch schon Erschreckendes, daß ich schweißgebadet, panikartig hochschreckte und sogar Angst hatte, wieder einzuschlafen, aus Furcht der Traum könne von Neuem beginnen.

    Im Unterbewußtsein werden schmerzhafte Erinnerungen/ Erlebnisse oft, auch noch Jahre später, „verarbeitet“ , auch positive.

    Beantworte einmal für dich, ob das Weintrinken angenehm war und dich diese Erkenntnis schreckte oder … ?

    Wie Dante schon schrieb, das kommt vor und vergeht, so nach und nach. Hab keine Angst davor, denn die Angst ist ein guter Nährboden für die Angst. Versuche sie zu ergründen, zu verstehen.

    Viele Grüße

  • Tippi, das kenne ich!!! Sehr oft hatte ich das. Ich fand das Gefühl auch schrecklich. Das wiederum empfinde ich positiv. Denn es zeigt mir, wie es mir bei/nach einem Rückfall gehen würde!

    LG Cadda

  • Tippi, das kenne ich!!! Sehr oft hatte ich das. Ich fand das Gefühl auch schrecklich. Das wiederum empfinde ich positiv. Denn es zeigt mir, wie es mir bei/nach einem Rückfall gehen würde!

    LG Cadda

    jau, das sagt es mir jeweils auch, wenn ich dann erwache. Und ich bin jedes Mal sehr froh, dass ich das bloss geträumt habe.

    In den letzten solchen Träumen träumte ich dann jedoch, dass ich dies ja eh nur träume. So war's bereits im Traum nimmer so schlimm.

  • achelias also am Anfang war das ein paar Mal, und insgesamt hatte ich vielleicht 5 solche Träume innert 2 Jahren. Also verschmerzbar selten. Ist aber sicher individuell. Ich hatte sie aber eher wegen der Raucherei. Das Trinken kam einmal vor. Die restlichen gehen auf's Rauchen und Kiffen.

    Wann das passiert? Da sehe ich keinerlei roten Faden... es ging mir weder schlecht noch war ich überbelastet, oder davor besonders glücklich. Es passierte einfach nur so. Es geht mir seit dem grossen Wechsel überdurchschnittlich gut, und - bis auf wenige kleine Momente - bin ich glücklich und zufrieden.

    Einmal editiert, zuletzt von °Avalon° (25. Januar 2022 um 12:41)

  • Hallo!

    Das Träumen vom Alkoholkonsum gehört einfach dazu. Wir verarbeiten in unseren Träumen unser Leben und dazu gehört leider auch die Phase des exzessiven Saufens.

    Ich träume noch mehrfach im Jahr, nicht monatlich, vom Konsum. Mal stört er mich nach dem Erwachen, mal ist es mir wurscht. Mal trinke ich ihn mit Abneigung, mal mit scheinbarem Genuss.

    Ich mache mir darüber keine tiefer gehenden Gedanken mehr.

    Ich kann nur raten, die Sache tiefer zu hängen und in einem Traum bloß nicht einen unmittelbar bevorstehenden Rückfall zu sehen.

    Gruß

    Carl Friedrich

Unserer Selbsthilfegruppe beitreten!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!