Hey,
nachdem ich hier nun einige Wochen im Forum gelesen habe, möchte ich mich heute vorstellen:
Ich bin männlich, 37 Jahre alt, seit 16 Jahren in einer Beziehung, davon die letzten 7 Jahre verheiratet. Aus unserer Beziehung haben wir 2 wunderbare Töchter von 6 und 9 Jahren. Ich bin Vollzeit berufstätig, meine Frau arbeitet Teilzeit und betreut hauptsächlich die Kinder.
Meine Frau ist leider dem Alkohol verfallen. Sie hat seit jeher psychische Probleme, die aus ihrer Kindheit herrühren. Seit Beginn unserer Beziehung sind mir die Probleme bekannt, sie wollte aber nie darüber sprechen. Das ging auch lange Zeit gut.
Rückblickend kann man die Geburt unserer 2. Tochter als Startpunkt unserer persönlichen Misere festhalten. Also nun rund 6 Jahre. Ihr ging es psychisch nach der Geburt nicht gut, uns allen ging es bedingt dadurch eigentlich nicht gut. Hier fing es an, dass sie vermehrt zum Alkohol griff, vor allem abends, als die Kinder im Bett waren. Dies geschah anfangs noch gemeinschaftlich. Es wurde zu einer Regelmäßigkeit, dass abends etwas getrunken wurde. Für mich war das nicht bedenklich. Es war nicht verwerflich, dass wir uns nach den „Strapazen“ zum TV schauen o.ä. eine Flasche Wein aufmachten, hier trank ich auch mit. Bis ich merkte, dass die Mengen bei ihr immer mehr zunahmen. War die Flasche nach einem Abend sonst immer noch halb voll, bzw. zumindest noch ein Glas drin, musste sie dann immer leer sein. Ich erinnere mich rückblickend, dass ich da schon sagte, dass die Flasche nicht immer leer sein muss.
Ich bin auch in der Phase abends an mehreren Abenden in der Woche meinen Hobbys nachgegangen, das war für mich ein wichtiger Ausgleich. Also trank sie abends dann alleine, und auch hier kam es dann immer häufiger vor, dass sie die Flasche Wein auch alleine leer bekam.
Ich kann mich noch an den Abend erinnern, im November 2020, als ich das erste Mal googelte, was denn eigentlich so die Merkmale des Alkoholismus sind. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Ich war geschockt. Meine Frau eine Alkoholikerin? Nein das kann nicht sein! Unmöglich.
Und doch war der Samen der Skepsis gesät. Es folgte eine schlimme Phase, in der sie auch tagsüber trank, mal mehr, mal weniger. Bier, Wein, Schnaps. Ich war geschockt, wusste damit nicht umzugehen und fühlte mich hilflos. Denn auf Gespräche reagierte sie abwehrend, gestand sich nichts ein. Ich ließ sie auch weitestgehend gewähren, ihr ging es auch psychisch/nervlich sehr schlecht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie dazu noch ständig mit ihrem Alkoholkonsum zu konfrontieren.
Als Paar hatten wir natürlich auch unsere Probleme. Ich überredete Sie zu einer Psychotherapie um ihre psychischen Probleme anzugehen. Alles unter dem Deckmantel, dass es uns allen nicht gut geht. Ich hatte dort auch einige Termine für mich, die mir auch tatsächlich sehr gut taten. Vor Vereinbarung der Termine, zog ich den Therapeuten ins Vertrauen. Ich war damals noch der Meinung, sie trinkt wegen der psychischen Probleme, wenn die beseitigt werden, gibt es keinen Grund mehr, weiter zu trinken. Heute weiß ich es besser.
Sie sagte auch klipp und klar: Wenn ich bei der Therapie irgendwas von Alkohol sage, bricht sie sofort ab. Die Termine taten uns beiden gut, das merkte sie auch. Doch nach wenigen Terminen fand sie, sie sei austherapiert. Ich wollte gerne weiter an uns arbeiten, doch da kam das Argument, das ich seitdem in einer Regelmäßigkeit höre: Ich sei nie zufrieden, ich wolle immer mehr.
Ich fand leere Flaschen an den unmöglichsten Orten und fing an versuchen zu wollen, zu „kontrollieren“ was und wie viel sie trank. Zählte Leergut, malte Eddingmarkierungen an Schnapsflaschen, kontrollierte das Altglas. All das, was ich auch hier schon von anderen las. Was mich fuchste und bis heute beschäftigt: Irgendwo musste sie noch ein Zwischenlager haben, trotz intensiver Suche, habe ich es bis heute nicht gefunden.
Je mehr ich aufdeckte und ihr in (Streit-)Gesprächen unter die Nase rieb, desto ausgefuchster wurde sie. Ich merkte bspw., dass in den Bierkisten Flaschen mit verschiedenen MHDs waren, die beim Kauf alle gleich waren. Also füllte sie die Kiste immer mal wieder auf. Altglas brachte sie früher nie weg, auf einmal bringt sie immer das Altglas weg. Ich fand Kassenzettel, nicht oft, aber ab und an, wo Wein draufstand, den ich nie zu Gesicht bekam.
So ging es weiter mit allen auf und abs, die ich hier in so vielen Berichten gelesen habe. Ich bin dankbar, dieses Forum gefunden zu haben. Ironischerweise musste ich bei so manchem Beitrag lächeln weil ich dachte: Das hätte ich 1:1 so geschrieben haben können.
Die Muster ähneln sich extrem.
Es ist etwa 4-5 Monate her, als ich am Tiefpunkt war, ich wusste nicht mehr weiter. Ich habe seit langer Zeit Rückenschmerzen, die ich inzwischen auf unsere Situation zurückführe.
Trennung war für mich nie eine Option. Das kam in meiner Gedankenwelt gar nicht vor. Ich dachte immer: Wie kann man nur die Flinte ins Korn werfen? Wenn es Probleme gibt, bespricht man sie, rauft sich zusammen und so wird das werden. Übrigens hatte mir der Therapeut eine Trennungsangst attestiert, worüber ich erst in dieser Phase nachgedacht habe.
Ich weiß nicht, wie es kam, dennoch erlaubte ich mir gedanklich vorzustellen, was bei einer Trennung passieren würde, wie das aussehen würde. Zu meinem Erstaunen war da plötzlich ein riesiges Gefühl der Erleichterung. Es fühlte sich an, als würde ich Ballast abwerfen. Das war so unfassbar schön.
Diese Launen nicht mehr ertragen zu müssen, diesen glasigen Blick nichtmehr sehen zu müssen. Sich all das vorzustellen war wunderschön.
Doch: Was passiert mit den Kindern? Ihre Krankheit ist nicht diagnostiziert, niemand weiß es offiziell. Sie selbst ist sich keines Problems bewusst. Was passiert also? Ich kann es gedanklich nicht ertragen, dass die Kinder bei ihr sein sollen. Sie bekommt das zwar im Alltag alles noch gut auf die Reihe, aber wie lange? Das ist eine tickende Zeitbombe. Ich denke mir, in der jetzigen Situation habe ich noch den besten Einfluss auf alles. Kann sie schützen, zu ihnen stehen, für sie da sein.
Ich kann mir gut vorstellen, meine Vollzeit Stelle in eine Teilzeit Stelle umzuwandeln, jedoch glaube ich nicht, dass die Kinder hauptsächlich zu mir kommen würden.
Dennoch war dieser Zeitpunkt Initialzündung: Ich achtete mehr auf mich, distanzierte mich von ihr, trieb mehr Sport, hörte Musik, las Bücher. So muss ich sagen, dass ich von diesem Tiefpunkt von vor ein paar Monaten inzwischen weit entfernt bin.
Ich bin seit längerem im Gespräch mit Ihrer Freundin, die vollkommen Bescheid weiß und sich wirklich um uns bemüht. Wir haben zusammen eine weitere Freundin meiner Frau involviert, diese war nicht sonderlich verwundert, als wir es offenbarten. Sie führte schon tagsüber Telefonate mit meiner Frau, und sie lallte nur ins Telefon. Mein Ziel war es, dass meine Frau auch mal von anderen auf den Alkohol angesprochen wird, nicht nur von mir.
Wie ist die Situation aktuell? Letzten Sonntag haben wir (wiedereinmal) ein Gespräch gehabt. Auf Initiative von ihr, da ich mich zunehmend distanziere. Vorher behandelte ich sie wie Luft, da sie sich Donnerstag und Freitag abends richtig einen genehmigte und Samstagabend richtig abschoss.
Ich sagte ihr sehr deutlich, dass ich nichtmehr kann und verwies wieder auf den Alkohol. Sie sagte erneut, dass sie kein Problem mit Alkohol habe. Sie sagte, dass es ihr derzeit gut geht wie lange nicht, sie weniger trinkt (was auch seit einigen Wochen stimmt) und auch mit den Kindern geduldiger ist (was auch stimmt). Ich vermute, dass das eine Reaktion auf meine zunehmende Abkapslung ist. Ich habe auch ihre „Verbesserungen“ nicht wirklich honoriert. Ich will nicht wieder Hoffnung schöpfen, um dann krass auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden. Das habe ich einige Male durch und tat jedes Mal höllisch weh.
Sie warf mir wieder vor, ich sei nie zufrieden mit ihr, egal was sie macht, ich hätte immer was zu meckern. Seit Sonntag hat sie (höchstwahrscheinlich) nichts getrunken. Ich vermute, sie versucht zu beweisen, dass sie kein Alkoholproblem hat. Dafür ist sie oft übler Laune und manchmal fragt man sich, ob die Lockerheit des Alkohols nicht doch besser ist (böse – ich weiß). Das Thema „Kalter Entzug“ hab ich auf dem Schirm und sie ist dementsprechend unter Beobachtung.
Sie passt meiner Meinung nach auf keinen Trinkertypen. Phasenweise ist es auch unterschiedlich. Schnaps wie zwischendurch, trinkt sie seit ca. 1,5 Jahren nicht mehr. Es ist Wein und Bier. Phasenweise war es jeden Tag, dann wieder alle paar Tage. Dann wiederum auch tagsüber, dann wieder nur abends.
Sorry, wenn es für die Vorstellung so ausführlich geworden ist, ich wusste aber nicht, wo ich mich einschränken soll. Trotzdem ist der Bericht sicher noch nicht vollständig. Zudem entschuldige ich mich, wenn es etwas durcheinander sein sollte. Ich würde mich wirklich sehr über einen Austausch freuen.
Ich weiß nicht, wie es weitergeht, ich bin aber entschlossen, es step by step anzugehen. Ich habe diese Woche noch einen ersten Termin bei einem Suchtberater, um mich weiter zu informieren.
LG
Volka