Merkmale für ein EKA

  • Oh, ich bin Neuling und rufe jetzt einen älteren Thread wieder auf. Ich gebe zu, dass ich nach den ersten Seiten alle weiteren überflogen habe.
    Verzeiht es mir bitte, sollte ich Wichtiges übersehen haben.
    Also ein EKA unterscheidet sich vom Co-Alkoholiker darin, dass er zu einer anderen Zeit seine Erfahrungen machte.
    Der EKA war das Kind. Da gibt es Präge- und Sozialisierungsphasen u.s.w., die es beeinflussten..
    Der Co-Alkoholiker lernt einen Suchtabhängingen außerhalb der Familie kennen?
    Ein EKA kann sich seiner Situation nicht entziehen, da es ein Kind ist, auch wenn es irgendwann mal älter ist. Ein Co-Alkoholiker ist meist erwachsener und es passiert im ausserfamiliären Umfeld?

  • Hallo Maskottchen,

    ein EKA ist tatsächlich erst mal in einer anderen Position. Wenn die Kinder klein sind und mit abhängigen Eltern bzw. einem abhängigen Elternteil aufwachsen sind sie tatsächlich der Situation ausgeliefert. Da entwickeln sich dann Prägungen, die das ganze Leben beeinflussen.

    Im Prinzip sind die Verhaltensweisen dabei sehr ähnlich wie die bei Coabhängigen. Nur dass das Kind eben nicht entscheiden kann sich zu trennen. Wenn es klein ist.

    Oft sind EKAs später auch perfekte Coabhängige oder sie werden selbst von einem Suchtmittel abhängig. In beiden Verhaltensweisen spiegeln sich die erlernten und bekannten Muster wider.

    Der Coabhängige bringt bestimmte Prägungen mit, das kann eben einmal durch eine Kindheit in einem Suchthaushalt sein aber auch durch andere Prägungen. Das Frauenbild der vorigen Generationen war schon so ausgerichtet, dass Frauen sich coabhängig auch verhalten. Ich weiß nicht, ob dieses Frauenbild heute schon so anders ist. Ich bin jedenfalls so groß geworden. Mein Selbstbewusstsein wurde nicht gefördert, ich sollte angepasst, anschmiegsam, hilfsbereit und wunschlos sein. Mal ganz grob gesagt.

    Coabhängigkeit gibt es auf vielen Gebieten. Dass kann in der eigenen Familie sein aber auch im Freundeskreis, unter Arbeitskollegen, im menschlichen Zusammensein eben. Mal ganz grob gesagt besteht menschliches Zusammenleben auch aus einer gewissen Coabhängigkeit, dem Sorgen füreinander. Krank wird es eben dadurch, dass massiv Grenzen überschritten und das Verhalten gewissermaßen nicht mehr kontrolliert werden kann. Wenn es ausufert bis zur Selbstaufgabe.

    Da wir hier eine SHG für Alkoholiker sind sind hier eben die Cos bzw. eben auch EKAs der Alkoholiker.

    Ich hoffe, das hilft dir ein wenig beim Sortieren, was ich gerade geschrieben habe.

    Liebe Grüße
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Aurora,
    Eine tolle Erklärung. Danke dir!
    Ich hatte die Tage anderes um die Ohren, deswegen leider jetzt erst meine Antwort.
    Es ist doch wie immer im Leben, alles wesentlich komplexer und ineinander verwoben-
    Gut so!
    ( und manchmal auch weniger gut😊)
    Ganz liebe Grüße

  • Ha! Ich habe mich in vielem hier wiedererkannt - Neigung zur Kontrollsucht, „Flöhe husten hörena, Angst und Panik, geringes Selbstwertgefühl, verantwortlich fühlen, Schreckhaftigkeit (als Kind viel Streit zwischen Mutter und Partner mitbekommen), brauche dauernd Bestätigung, dass mein Partner mich immer noch liebt, konfliktscheu,... habe ich alles.

    Nun habe ich nicht alle Beiträge durchgelesen, sondern nur so einige überflogen, aber wurde Geheimniskrämerei schon erwähnt als eine typische EKA-Eigenschaft?

    Dadurch dass bei uns das Thema Alkohol immer totgeschwiegen wurde (was sollen die Nachbarn denken?), habe ich mir angewöhnt, meine Probleme für mich zu behalten. Ich habe Angst, erpressbar zu sein oder verachtet oder ausgelacht zu werden, wenn ich sage, was ich fühle, und darum vertraue ich mich anderen Leuten nicht an. Meine Sorgen habe ich damals verarbeitet, indem ich Tagebuch geschrieben habe wie eine Irre und hinterher das Geschriebene vernichtet habe, damit es ja keiner liest und weiß, was ich denke.

    Ein Rest dieser gelernten Heimlichtuerei ist noch übriggeblieben. Bis heute habe ich noch nie einem Menschen erzählt, dass meine Mutter alkoholabhängig ist/war. Nicht mal mein Mann weiß davon. Und auch sonst neige ich dazu, Sachen für mich zu behalten, die ich mit gutem Gewissen auch einfach erzählen könnte.

    Liebe Grüße!

  • Habe jetzt nicht 35 Seiten gelesen ...
    Bin EKA (Vater begann zu trinken, als ich etwa 14 war).
    Symptome:
    - versuche, nie negativ aufzufallen (genügsam)
    - Probleme, Grenzen zu setzen (Pubertät mit den typischen Grenzüberschreitungen fiel aus, sh. oben
    - sehr zuverlässig und fleissig
    - anhänglich, auch wenn man nicht so nett zu mir ist
    - ein Partner mit Alkoholproblemen
    - fühle mich dauernd verantwortlich, vor allem für die Laune des Anderen
    - Co-Abhängige Züge
    - extrem anpassungsfähig
    - Wenig Selbstbewusstsein
    - Suche Sicherheit, wo keine ist. Wie ein Kind eben
    - Hochsensibel, bemerke jede Stimmung und versuche auszugleichen

    Und das Schlimmste:
    - Versuche mit Wohlverhalten Anerkennung und Zuneigung zu bekommen

    I miss the one I saw in you

  • Ich habe mich in sehr vielen Beiträgen wiedergefunden. Ein Problem das ich habe ist, dass ich es oft nicht schaffe, mich genug um mich selbst zu kümmern. Entweder schlafe ich zu wenig, oder ich gönne mir zu wenig Ruhepausen, oder ich trinke zu wenig.... Aber ich kümmer mich gerne immer um die Anderen. Es fällt mir sehr schwer, dies zu ändern.

  • Bis vor Kurzem war mir der Begriff EKA noch gar nicht geläufig. Ich bin so froh, hier so viel darüber zu lesen, bin ich doch mit meinen "typischen Charaktereigenschaften" scheinbar ganz und gar nicht allein und finde endlich Antworten nach einer langen und verzweifelten Suche nach Gründen.

    Sich ein Leben lang irgendwie falsch fühlen und sich wundern, warum anderen Dinge scheinbar viel leichter zu fallen scheinen, bei denen ich größte Probleme habe. Irgendwie fehlt bei mir das "Fundament". Kein Wunder, habe ich doch schon als kleines Kind angefangen, mich den Stimmungen zu Hause bestens anzupassen und meine eigenen Bedürfnisse gar nicht wahrzunehmen.

    Ich habe nicht gelernt, Ich zu sein. Traurig, aber wahr.

  • Hallo Mari,

    dein Text hat mich berührt- habe mich darin total wiedergefunden.
    Das Fundament fehlt. So ist es. Ich fühle mich oft instabil, unsicher, schnell überlastet und
    auch oft grundlos leer und einsam.
    Der Alkohol hat mir lange Zeit eine trügerische Sicherheit gegeben, war mein Zufluchtsort.
    Abgeschreckt hat mich mein Vater mit seiner Sucht nicht, er war lange Zeit mein Vorbild, ih habe ihm
    "nachgeeifert" und bin selbst abhängig geworden.

    LG
    Carmen

  • Liebe Carmen,

    ich wollte dir eigentlich schon längst antworten.

    Aber das ist auch so ein Problem von mir, ich ändere eine Antwort manchmal tausendmal um, bis ich am Schluss nicht mehr weiß, was ich überhaupt sagen wollte. Und am Ende landet dann vieles im "Papierkorb" und ich schweige. Ich glaube, als Kind war ich selten unbefangen, habe immer ganz genau überprüft, was ich sage und wie ich etwas sage. Ich könnte mir vorstellen, dass das vielleicht auch EKA-typisch sein könnte.


    Der Alkohol hat mir lange Zeit eine trügerische Sicherheit gegeben, war mein Zufluchtsort.

    Ja, so war das bei mir auch. Der Alkohol ist nun weg und jetzt treten alle Unsicherheiten zutage. Vieles können wir uns wahrscheinlich antrainieren und Risse kitten, aber ob EKAs jemals das Gefühl haben werden, auf einem echten Fundament zu stehen? Ich hoffe es.

    LG

    Mari

  • Hallo, liebe Mari,

    ich kann selbst noch nicht genau sagen, was typische Merkmale für ein EKA sind.
    Bei uns kommt dann ja auch noch die eigene Alkoholabhängigkeit hinzu.


    aber ob EKAs jemals das Gefühl haben werden, auf einem echten Fundament zu stehen? Ich hoffe es

    Ich hoffe auch, dass das möglich ist. Allerdings denke ich, dass der Weg dorthin ziemlich lang ist.

    LG
    Carmen

  • Hallo Ihr Lieben

    Ich danke Euch für Eure Offenheit. In vielen Beiträgen finde ich mich wieder mit all meinen Verletzungen. Mir fehlt die Wut...ich kann nicht wütend sein, auf dass was ich erlebt habe. Kennt ihr das ? Ich suche meine Wut ....es kann doch nicht sein, dass ich der einzige Mensch auf Erden bin, der sie nicht fühlen kann. Ich kann noch nicht mal aufschreiben, auf wen ich wütend sein muss ! Nichts geht mir. Könnt ihr mir helfen ? LG Emlin

  • Hallo Emlin,

    Mir fehlt die Wut...ich kann nicht wütend sein, auf dass was ich erlebt habe. Kennt ihr das ?

    da bist du nicht allein, das kenne ich auch. Ich weiß nicht, ob du auch mit Depressionen zu kämpfen hast? Oft sind Wut und Depression miteinander verknüpft.

    Mir hat eine Therapie da rausgeholfen. Dort kommt man in Kontakt mit den ganzen alten Gefühle und kann lernen, konstruktiv damit umzugehen.

  • Ich hab als Kind nahezu hellseherische Fähigkeiten entwickelt, wie die Lage daheim ist. Was geht grad ab, wer mit wem, wer gegen wen, warum weshalb wieso, und vor allem wie viel. Hatte alles mit dem Überleben zu tun. Ich sammelte möglichst viele Info's, um irgendwie in diesem Chaos von Sucht und Mißbrauch zu überleben.

    Heute kommt mir diese Fähigkeit zu Gute. Ich kann sehr schnell Zusammenhänge erkennen, Dinge miteinander in Bezug setzen. Ich kann leicht rekonstruieren, was los war. Und ich kann leicht abschätzen, wie sich etwas voraussichtlich entwickeln wird. Ich hab einen guten Blick für Details. Ich nehme bei Menschen vieles wahr, es ist wie wenn ich zwischen den Zeilen lesen würde.

    Alte Überlebensstrategie, aber heute kann ich sie oft echt gut gebrauchen!

    Linde

    Genau so, wie Linde das hier beschreibt, war das bei mir auch. Und es ist auch heute noch so.

    Problematisch war für mich lange Zeit, dass ich mich verantwortlich fühlte, die Situation oder Stimmung zum Positiven beeinflussen zu müssen, dafür sorgen zu müssen, dass sich die anderen möglichst wohl fühlen.

    Gleichzeitig war ich stets bemüht, irgendwie nicht aufzufallen, denn wer auffällt, macht sich angreifbar.

  • Apropos delegieren:

    Als EKA bin ich eine prima Arbeitnehmerin! Ich nehme mir gerne und viel und viel zu viel Arbeit und Verantwortung, denn ich mache es lieber selber, als daß es nicht oder vermeintlich nicht so gut gemacht wird, wie ich es schnell und gut und überhaupt mache...!

    Oh Mann, das hab ich schon länger her mal durchschaut, und dann tunlichst bleiben lassen!

    EKA sind die, die Verantwortung übernehmen, weil sie als Kind schon Verantwortung übernommen haben in einer Familie, in der die Erwachsenen das eben nicht taten. Und einer muß ja den Laden schmeißen...

    Hoppla, das passt auch genau zu mir. 😉

  • Typisch für mich war, dass ich lange Zeit nicht wirklich mit meinen eigenen Gefühlen umgehen konnte. Gefühle waren für mich irgendwie gefährlich, deshalb war ich immer bemüht, meinem Verstand die Führung zu überlassen.

    Als ich am Anfang der therapeutischen Gespräche mit meinem Arzt, bei dem ich wegen Depressionen in Behandlung war, meine Gefühle benennen sollte, war ich damit überfordert.

    Ich hab mehrfach gegoogelt, was für Gefühle es überhaupt gibt und woran man die erkennt.

    Merkwürdig ist nur, dass ich immer wusste, was mit anderen war. Ich hätte zwar deren Gefühle nicht unbedingt mit Worten benennen können, aber ich wusste immer, was sie brauchten.

    Was ich selbst fühlte, außer dem Üblichen, hätte ich nicht benennen können, was aber auch daran lag, dass das nicht eindeutig war, weil eigentlich immer das Gefühl von Scham vorhanden war.

    Wütend sein, hatte ich gelernt (bei meiner Großmutter), ist unerwünscht. Die böse *AufderSuche* haben meine Großmutter und ich immer gedanklich vor der Wohnungstür die Treppe heruntergeworfen.

    Ich war Perfektionistin, weil ich Sicherheit suchte. Ich hatte eine überaus ausgeprägte Sehnsucht/ ein Bedürfnis nach Sicherheit, doch mein stets wachsamer Geist nahm überall die Gefahren war. Diese habe ich, vorausdenkend, auszuräumen versucht, aber wirklich sicher fühlte ich mich nie.

    Ich hab mich immer anders und allein gefühlt, inzwischen habe ich Menschen kennenlernen dürfen, die mir ähnlich sind.

    Einmal editiert, zuletzt von AufderSuche (2. Juli 2021 um 19:23)

  • Stichwort: Heimatlosigkeit oder auch Bindungslosigkeit

    Geht es euch auch so, dass ihr das Gefühl habt nirgends wirklich hin zu gehören, euch gleichzeitig danach sehnt aber dennoch Angst habt irgendwo tatsächlich anzukommen?

    Mir fällt das immer wieder bei mir auf. Für mich ist innerlich z. B. eine Welt zusammen gebrochen als ich zum ersten Mal schwanger war und erkannt habe, dass ich nun mein Leben lang mit dem Vater meines zukünftigen Kindes verbunden bin, - obwohl er ein wirklich liebenswerter Mensch ist und war.

    Es gibt so viele Passagen und Beiträge, auf die ich mich beziehen könnte. Aber der hier trifft mich gerade besonders.

    Ich bin immer die Komische (nicht Lustige, sondern nicht-Dazupassende). Ich hab schon so unendlich oft gehört: ‚lächel doch mal‘ / ‚Guck doch nicht so böse‘. Ich hasse es! Mir ist nicht nach lachen, warum soll ich ein falsches Gesicht aufsetzen, nur, damit sich andere besser fühlen?? Ich fühle mich unter Menschen einsam und hab das Bedürfnis, für mich zu sein. Soziale Veranstaltungen wie Familientreffen überfordern mich komplett, auch wenn ich hinterher festgestellt habe, sie waren echt schön (ich rede definitiv nicht von meiner Familie, sondern von meiner Ex-Schwiegerfamilie). Ich bin null der Feierngehen-Typ. Ich habe nur 2 enge Freunde, die ich auch nur alle paar Monate treffe, wir stehen aber in regelmäßigem Kontakt. Jeder von uns tickt so, dass wir Tage- oder wochenlange Funkstille akzeptieren können und wenn wir uns dann hören/lesen/sehen, ist es, als hätte es nie Funkstille gegeben.

    Ich bin ein Paar-Mensch. Ich habe mich immer in langfristige Beziehungen gestürzt, aber dass echte Nähe ein Problem ist, lerne ich erst in der jetzigen. Auch durch die aktuellen Entwicklungen in mir, seit sich meine Mutter im März totgesoffen hat. Seitdem erkenne ich klar, dass mein Vater und Stiefvater ebenfalls Alkoholiker und zudem komplett auf sich fixiert sind. Um mich kümmert sich eh niemand. Es gibt nicht mal ein Geburtstagsgeschenk und zum diesjährigen Geburtstag bekam ich von meinem Vater ein „Moin, alles Gute.“ Stark.

    Das Enkelchen finden immer alle ganz toll, aber mich bei der Erziehung entlasten oder unterstützen? Fehlanzeige. Egal, welches Event ansteht, ich hab die Verantwortung, es zu regeln und mich um Geschenke u.ä. zu kümmern. Ich steh allein da.

    Und dann ist da mein Partner. Ein Mann, Fels in der Brandung. Selbst nen Riesen Rucksack und unendlich viel Ballast am Hals und trotzdem ist er da. Und je mehr ich mich nach ihm sehne, desto mehr stoße ich ihn weg. Ich hab Angst, mich auf diesen einen Menschen zu verlassen, weil ich sonst niemanden habe. Also denke ich mir, ich bin lieber gleich ganz allein. Von 3,5 Jahren Beziehung haben wir 1 Jahr zusammen gelebt. Es flog uns im die Ohren, seine jüngere Tochter und Ex haben komplett freigdreht und einen Stock nach dem anderen zwischen unsere Speichen geworfen. Ich konnte nicht mehr und bin ausgezogen. Seitdem hangeln wir nun darum: Ich trete um mich, verletze ihn absichtlich, stoße ihn weg und er lässt mich nicht los. Aus Liebe, aber sicher auch Verantwortungsgefühl. Er war natürlich da, als meine Mutter gestorben ist. „Gestorben“: Leberkoma, Suff bis zum Exitus. Ich war neben Trauer überwiegend voll von Wut, das werden die meisten hier kennen.

    Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, wo ich hin will. Was ich brauche.

    Meine Wohnung ist mein Bunker. Ich hasse Spontaneität und wenn plötzlich jemand unangemeldet vor meiner Tür steht, bin ich überfordert und wütend. Ich reagiere mit starken Aggressionen auf unvorhersehbare Ereignisse und Veränderungen werfen mich aus der Bahn. Klare Strukturen und feste Ordnung geben mit Sicherheit; unter anderem deswegen habe ich es auch nicht in einem Haushalt mit den furchtbar chaotischen und unordentlichen Kindern meines Partners ausgehalten. Bei Unordnung bekomme ich inneren Druck und Beklemmungen.

    Ich möchte zeitweise am liebsten den ganzen Tag auf dem Sofa liegen, weil ich mich so erschöpft fühle. Gleichzeitig tut mir das überhaupt nicht gut.

    Mit Alkohol kann ich kein Maß halten, aber ich habe glücklicher Weise nicht mehr so oft Lust darauf und im Moment schmeckt es gar nicht. Das erleichtert mich ungemein, da ich irrational große Angst davor habe, meinen Eltern zu folgen. Ich mein, wenn ein EKA zu 60% gefährdeter ist, einem suchtkranken Elternteil zu folgen, wie hoch ist das Risiko bei doppelter Veranlagung??

    Aber ich rauche nicht mal oder trinke Kaffee, finde ich beides widerlich. Ich trinke, wenn, mir des Geschmacks wegen und nicht um den Rausch. Den hasse ich, ich hasse nichts so sehr, wie die Kontrolle über mich zu verlieren. Oder - Gott bewahre - peinlich zu sein und unangenehm aufzufallen. Iehgitt, wie oft musste ich mich im Restaurant für meine Mutter schämen und entschuldigen! Da krümmt sich mir allein beim Gedanken dran alles zusammen.

    Ich denke oft, ich bin komme doof oder komisch rüber und beziehe alles auf mich. Einerseits sage ich mir, andere Leute und deren Meinung sind mir scheißegal, andererseits will ich bloß nicht in schlechter Erinnerung bleiben und ja gut ankommen. Ich werde oft als arrogant oder überheblich eingeschätzt, dabei bin ich das komplette Gegenteil: Absolut unsicher und introvertiert. Im Job muss ich gegen Männer anstinken, forsch sein. Fordernd, laut, frech, um gehört zu werden. Das strengt mich so unfassbar an, weil das nicht meinem leisen Ich entspricht.

    Ich hab Angst, Fehler zu machen oder Fehlverhalten einzugestehen. Ich bin daher perfektionistisch und besserwisserisch. Ich sorge dafür, dass ich ‚mehr weiß als andere‘ und bin sprachlich so gewandt, dass ich andere in Grund und Boden rede und damit überfordere. Ich werde dann oft auch lauter und diskutiere forsch, rede mich (ungewollt) in Rage. Ich muss das letzte Wort haben (unbewusst, wahrscheinlich Kontrollzwang) und muss in der Beziehung alles bis auf den letzten Krümel ausdiskutieren und erklären, weil ich verstanden werden will. Führt leider oft nicht zum gewünschten Ergebnis und dann werde ich offenbar abwertend und verletzend. Allerdings unbeabsichtigt, das resultiert aus Hilflosigkeit.

    Ich dachte von mir, ich stelle mich meinen Problemen, allerdings nur eine gewisse Zeit und dann gebe ich auf. Frage mich dann im Nachhinein, ob ich mehr und länger hätte aushalten sollen. Ich kann Leidensdruck schon aushalten, aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Ich ziehe dann Konsequenzen, aber mit dem Skalpell. Sprich: Ist eine Beziehung beendet, schneide ich die Person aus meinem Leben. Keine Bilder, Geschenke, Kleidungsstücke, Lieder, die mich erinnern. Das ziehe ich mir eine angemessene Trauerzeit herein und danach ist Schicht im Schacht.

    Macht es besonders schwer in der Elternbeziehung mit meinem Exmann und unserem Sohn. Den würde ich gern wegschneiden, auch weil er mich schlimm verletzt und mehrfach im Stich gelassen hat. Ich denke immer, er macht es richtig: Kopfmensch, Egoist, Opportunist, Geld zählt am Meisten. Ich gestehe mir ein, dass ich neidisch bin, dass er sich mit seiner Neuen zig Urlaube und Wochenenden im Jahr leisten kann, sie in UNSEREM Haus leben mit dem dicken Mercedes vor der Tür, teure Klamotten an. Ich muss mir halt vor Augen halten, dass ich all das mehr oder weniger freiwillig aufgegeben habe. Ich könnte das auch noch haben. Aber ich bin Herzmensch. Geld ist mir nicht so wichtig, ich brauche nur eine solide Grundlage für meine Sicherheit. Obwohl ich gut verdiene, bleibt nie genug, weil ich eben allein für alles aufkommen muss. Mein Job ist relativ sicher, war es auch trotz der Pandemie. Dennoch hab ich oft schlaflose Nächte, in denen ich grübele, wie mein ganzes Leben zusammenbrechen würde, wenn der Job wegfiele. Aufs Auto könnte ich verzichten, aber die Wohnung? Es ist so schwer, was Passendes zu finden und alles so teuer… ja, Geld ist mir nicht wichtig, nicht als Status, dennoch zermürbt es mich, wie wenig bleibt. Wie viel ich allein strampeln muss.

    Dauernd höre ich, ich sei so stark. Es sieht ja keiner meine inneren Kämpfe. Ich fühle mich definitiv nicht stark. Ich möchte am liebsten den ganzen Tag in embryonalhaltung mit Händen übern Kopf liegen. Ich sehne mich so stark nach Liebe und doch macht sie mir Angst.

    Ich erbringe Höchstleistungen, für meinen kleinen Sohn normal (da war es wieder!) zu erscheinen. Also, wenigstens stabil und nicht Stimmungsschwankungen unterlegen. Wir reden viel, ich erkläre ihm auf Augenhöhe, was los ist. Er soll nie verunsichert von mir oder anderen sein.

    Als ich schwanger wurde, brach mir alles unter den Füßen weg. Er war zwar geplant, aber diese Endgültigkeit, jetzt für immer für ihn verantwortlich zu sein, verstört mich immer noch von Zeit zu Zeit. Er gibt mir auch Halt, Struktur und sorgt dafür, dass ich ein Rollenvorbild habe, wie eine Mutter sein soll: NICHT wie meine!!!

    Mit der Hochzeit damals war es auch so. Ich hatte kalte Panik, weil ich dieses ‚für Immer‘ nicht sehen kann. Genauso beim Hauskauf. Das hat mir Angst gemacht und mich komplett überfordert. Diese Verbindlichkeit! Ja, ich bin neidisch, wie mein Exmann sein (ehemals unser) Leben gestaltet, weil es für ihn so einfach und klar ist. Gut, er hat auch Geld und Familie im Rücken, das entspannt sicherlich auch. Ich habe gar nichts. Aber ich bin auch gleichzeitig erleichtert! Ich habe die Verbindlichkeiten nicht mehr. Er hat mich ersetzt und bei ihm läuft alles wie immer - nur die Frau ist eine andere :lol: Denke ich an diese Konstellation und Abläufe, spüre ich den früheren Druck: Wieder jeden Sonntag zu den Schwiegereltern? Ostern und im Herbst mit den Schwiegereltern an die Ostsee. Weihnachten jedes Jahr in der gleichen Runde. Und das die nächsten 40 Jahre…

    Panik! NEIN, danke. Ich brauche Strukturen, aber zu starre paralysieren mich gedanklich.

    Ich bin froh, dass ich finanziell und räumlich unabhängig lebe, auch wenn mir das keine Sicherheiten gibt.

    Ich sage ja: Ich bin komisch. Das Gute ist, ich weiß jetzt, dass ich damit nicht allein bin!!!

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

  • Das mit der übertriebenen Empathie versus Kaltschnäuzigkeit kenne ich übrigens auch sehr gut. Mein Partner erzählt mir etwas über irgendeinen Bekannten oder liest etwas aus der Zeitung vor, das er total schockieren findet, worauf ich mit „Tja, Pech.“ oder „C‘est la vie“ antworte - ganz meine Mutter!! Da hasse ich mich selbst für. Aber es geht mir einfach auch komplett am A… vorbei, wenn ich mich nicht mit der Person identifizieren und keinen Bezug herstellen kann.

    Bei Büchern, Filmen ist das anders. Da tauche ich in die Personen ein und heule Rotz und Wasser. Alles, was Kinder und Tiere betrifft, ist ganz schlimm für mich! Da habe ich dann das Gefühl, ich sauge das Leid der Welt auf. Damit bin ich auch komplett manipulierbar und das macht

    Mich wiederum stinksauer.

    Meist auf mich selber.

    Löwenzahnkinder kämpfen sich durch.
    Sie halten den gegebenen Umständen stand und überleben tapfer -

    ganz gleich ob zwischen Beton oder in der tiefsten Wildnis, ob bei Sturm, Regen oder Sonnenschein.

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