Aufarbeiten Suchtgeschichte

  • Hallo zusammen,

    ich habe keine Therapie gemacht und bin mit mehr oder weniger pragmatischen Änderungen trocken geworden. Da gehörte keine Aufarbeitung der Suchtgeschichte dazu. Natürlich hatte ich in der Anfangszeit darauf geachtet, wo meine Schwerpunkte waren, an denen ich gesoffen hatte, um nicht wieder saufen zu müssen.

    Ich selbst kann mir auch nicht vorstellen meine Suchtgeschichte aufzuarbeiten, da es ja ein jahrelanger Prozess bis zur Sucht, ein jahrelanger Prozess in der Sucht und mittlerweile ein jahrelanger Prozess aus der Sucht war/ist.

    Wo fange ich an, wo höre ich auf und vor allem verschwimmen in den Jahren so manche Geschehnisse. Es wird heute so manches anders widergespiegelt, wie es wirklich war. Für mich wäre es irgendwie einen Grund zu finden, warum ich gesoffen hätte. Eine nachträgliche Entschuldigung für mich, um mich mit dem Endresultat Alkoholiker abfinden zu können.

    Wie habt ihr es erlebt und hat es wirklich geholfen

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hartmut, hallo Forum,

    für meine Entwicklung war es anfänglich schon wichtig, warum ich getrunken habe.

    Nun hatte ich kein Trauma oder Schicksalsschläge (von Tod meines Vaters abgesehen, aber auch das ist ja kein Grund zum Trinken) zu verarbeiten. Im Grunde war doch alles gut in meinem Leben: guter Job, schöne Wohnung, wundervolle Partnerschaft, keine Geldsorgen. Trotzdem habe ich getrunken. Warum? Klar, am Ende habe ich getrunken, weil ich abhängig war. Da war einem jeder Grund recht. Aber wie kam es so weit? Ich wollte meine Gefühle betäuben und gelöster sein. Jetzt komme ich nüchtern miit meeinem Leben klar. Aber das musste ich lernen. Und dazu musste ich wissen, warum ich getrunken habe. War ich gestresst, überlege ich mir nun, wie ich mich entlasten kann. War ich auf einer Feier unsicher, kann ich mich jetzt besser akzeptieren, wollte ich den schönen Moment vermeintlich noch intensiver genießen, atme ich jetzt tief ein.

    Das zu reflektieren hat mir geholfen, mich zu stabilisieren. Nun bin ich „erst“ gut zwei Jahre ohne Alkohol unterwegs, aber das Warum ist schon jetzt nicht mehr wichtig und eine Aufarbeitung auch nicht weiter. Ich kann das Vergangene nicht ändern. Daher ist das „Warum?“ am Anfang ein Ausgangspunkt gewesen, um an mir zu arbeiten. In der Therapie habe ich dazu viele Denkanstöße erhalten. Für mich war es gut, dass von außen Input kommt.

    Das ist sicher für viele nicht notwendig, aber die Frage war ja, wie es bei einem selbst ist.

    Viele Grüße

    Seeblick

  • hallo

    als ich aufgehört habe zu trinken und Alkoholicker wurde, kamen viele ungute Gefühle in mir hoch....hab mich nicht raus getraut, kam mir sehr verunsichert vor, wenn viele Menschen da waren

    ich habe dann eine Therapie begonnen, um das zu verstehen, was da abläuft....ich empfinde es schon einen großen Unterschied zwischen Verständniss und einfach nur aufzuhören und die Zustände auszuhalten, bzw gute Situationen mit Alk nicht besser aussehen zu lassen....mit der Zeit wurde es leichter, aber ich bin immernoch dabei an mir zu arbeiten und diese innere Ruhe, die man durch Alkohol bekommt auch ohne zu finden....ich werde halt älter und möchte mein Leben nicht nur schaffen, sondern auch zufrieden sein (ich möchte nicht behaupten, dass Leute die nicht an sich arbeiten nicht zufrieden sein können)

    aber ich lerne halt immernoch....Umgang mit Gefühlen, Stresssituationen auszuhalten bzw den Stress garnicht entstehen zu lassen....

    aber das muss jeder für sich rausfinden und entscheiden....da gibt es glaube ich kein Richtig oder Falsch

    Lieben Gruß

    mexico

  • ? Suchtgeschichte ?

    Mich hat niemand gezwungen. Ich habe wissentlich und willentlich getrunken. Mir war die Wirkung und die möglichen Folgen bewußt.

    Ja, ich war schwach und wählte den einfachsten Weg. Alles war ja so schön bunt und problemfrei.

    Irgendwann wurde es zur Sucht – ich bereitete es vor, keine anderen Menschen, keine äußeren Umstände.

  • Das gehört zum Standart einer Therapie. Bei manchen kann in der eigenen vita festgestellt werden, ob es Ereignisse gab, die der Auslöser für das Abgleiten in die Sucht waren.

    Bei mir hat der Therapeut nichts gefunden. Ich habe nur regelmäßig und in immer höheren Dosen gesoffen. Da spielte es keine Rolle, ob ich gut oder schlecht drauf war. Beides war Anreiz genug, weiter zu trinken.

    Viel interessanter als die gesamte Biographie durch zu hecheln, finde ich die Frage nach dem berühmten persönlichen Tiefpunkt, der einen zum Gegensteuern bringt. Jedoch hängen die Tiefpunkte bei allen irgendwie unterschiedlich hoch bzw. tief. Manche müssen erst Job, Haus, Führerschein und Familie verlieren, um zur Umkehr zu gelangen, anderen genügen schon weniger gravierende Erlebnisse, endlich was zu tun.

    Gruß

    Carl Friedrich

  • Der liebe gute Suchtverlauf am Ende der Therapie, vorgestellt von einem selbst, erarbeitet in mühseliger kleinstarbeit. Ich weiß heute das meiner längst nicht vollständig war, denn ich hatte in den 4 Monaten Langzeit nicht annähernd genug Zeit alles zu realisieren.

  • Natürlich hatte ich in der Anfangszeit darauf geachtet, wo meine Schwerpunkte waren, an denen ich gesoffen hatte, um nicht wieder saufen zu müssen.

    Und darauf kommt es mir an. Es ist jetzt viel zu tun. Klar, meine Kindheit daheim war beschissen. Aber das ist jetzt gerade einfach nicht wichtig für mich. Naja, dafür war ich ja auch schon in Therapie damals. Vielleicht deshalb.

    Es fing mit der Sauferei vor bald 30 Jahren an. Und dann war es einfach immer so. Ich weiß nur der Weg war matschig und dreckig und den möchte ich nicht mehr gehen. Für mich kommt jetzt erst mal das Jetzt.

  • Hallo,

    Ich habe im Deutschlandfunk einen sehr interessanten Beitrag gehört, eine Mutter, sie erzählte, wie sie in die sucht gerutscht ist, weil sie immer nur funktionieren wollte,

    und wie sie auch wieder da herausgefunden hat.

    Sie erzählt das sehr offen und persönlich,

    und ich finde, dass sie viele wichtige Punkte anspricht, wie zum Beispiel auch den kalten Entzug oder die Selbsthilfe nach der Erkenntnis, dass man Alkohol krank geworden ist.

    Was man sich ja nicht gewünscht hat.

    Aktuell auch noch zu finden in der DLF – Audiothek, ich habe jetzt gerade keinen genauen Titel, aber mit ein bisschen suchen werdet ihr bestimmt fündig.

    LG viola

    Da, wo es piekt, da geht es lang!

  • Ich denke da selten drüber nach, aber wenn ich jetzt doch mal tue: Ich wollte mich nicht mit meinen Problemen befassen. Ich hatte eigentlich so ab dem 20. Lebenjahr immer sehr unschöne Lebensumstände: Meine erste eigene Wohnung hatte richtig miese Nachbarn (Ex-Berufskriminelle Alkoholiker) und danach war ich eigentlich immer Wohnungslos, wenn auch äußerst selten Obdachlos.

    Ich habe dann halt bei Freunden gewohnt, Straßenmusik gemacht, Konzerte gebucht und Songs aufgenommen, aber ich bin nie so richtig zu Rande gekommen, nie wirklich zufrieden gewesen und das habe ich dann immer vornehmlich mit Alkohol weggeschoben, anstatt mich um meine Probleme zu kümmern. Das ging auch erstaunlich lange "gut", aber halt nie so richtig und auch nur, bis es dann halt irgendwann gar nicht mehr ging, weil ich süchtig geworden war.

    Deshalb habe ich auch keine Probleme damit, mich mit Alkohol "belohnen" zu wollen, weil das bei mir nie ein Thema war. Ich habe Alkohol immer zum verdrängen getrunken, wenn ich traurig oder niedergeschlagen war und da man von genug Alkohol irgendwann dauerhaft traurig und niedergeschlagen ist, geht der Teufelskreis halt los.

    Heute hilft mir diese Erkenntnis, denn heute kommen bei mir zuerst die Probleme, das Leben und dann mit einigem Abstand erst die Kunst. Die kann einem zwar bei der Problembewältung helfen, aber nur emotional: Der Song mag noch so gut sein, der wird für mich nicht zum Zahnarzt gehen, das muss ich schon selbst tun. Inwiefern da noch die Sucht innerhalb meiner Familie reinspielt wäre wieder eine andere Frage, aber so ungefähr lief es bei mir ab.

    Tough times don't last, tough people do

  • Das ist ein sehr interessantes Thema. Alleine an den Antworten bisher kann man sehen, wie unterschiedlich das Leben verläuft. Wie gewisse Lebensumstände, aber auch Entscheidungen dazu führen, wie und wo man ankommt.

    achelias bringt es kurz und knapp auf den Punkt. Lust for Life erzählt die Aufarbeitung etwas ausführlicher. Sogar von Obdachlosigkeit ist die Rede.

    Ich bin natürlich auch gerade dabei meine Suchtgeschichte aufzuarbeiten und es schießen mit tausende Gedanken gleichzeitig durch den Kopf.

    Ich bin noch lange nicht soweit meine Aufarbeitung hier detailliert niederzuschreiben, aber zu einer Erkenntnis bin ich schon gekommen. Mein Leben verlief, zumindest was die gängige Meinung angeht, sicher etwas "besser" als beispielsweise von LustforLife.

    Um der enormen Verantwortung im Job zu entkommen und dem daraus resultierenden Stress....etwas mehr zu entspannen...das waren wohl meine Gründe für den Alkohol am Wochenende. Diese enorme Freude mal den Kopf auszuschalten. Aber so einfach ist es nicht. Ich habe schon vor dem Job getrunken. Im Studium sogar unter der Woche mittags. Also muss es etwas anderes sein, oder da ist einfach nichts. Was ich eindeutig sagen kann ist, dass es am Ende keine schlechten Lebensumstände waren, sondern vll. sogar das Gegenteil - aber ist das überhaupt ein Grund.....ein Auslöser....so viel im Leben zu haben und erreicht zu haben. Auch das glaube ich nicht, denn ich bin immer bescheiden aufgewachsen und auch so erzogen worden. Bescheidenheit ist ein fester Charakterbestandteil von mir.

    Ich komme also (noch) nicht auf einen Nenner - das Aufarbeiten wird dauern - oder es wird bei mir so enden wie bei Hartmut - so wie er es für sich beschrieben hat.

    VG

  • Mir selbst ist da vieles auch erst klar geworden, als ich eine Weile trocken war.

    Inzwischen könnte ich Seiten damit fühlen, wie es dazu gekommen ist. Das würde mich aber nicht weiter bringen.

    Jetzt sind erst mal die Grundbausteine und konkretes Handeln gefragt. Zumindest bei mir. Damit bin ich bisher gut gefahren.

  • Mir selbst ist da vieles auch erst klar geworden, als ich eine Weile trocken war.

    Inzwischen könnte ich Seiten damit fühlen, wie es dazu gekommen ist. Das würde mich aber nicht weiter bringen.

    Jetzt sind erst mal die Grundbausteine und konkretes Handeln gefragt. Zumindest bei mir. Damit bin ich bisher gut gefahren.

    Vll. hilft es Situationen besser zu erkennen. Eventuell kann man leichter vermeiden, die selben Fehler noch einmal zu begehen. Ich weiß es nicht.

    VG

  • Vll. hilft es Situationen besser zu erkennen. Eventuell kann man leichter vermeiden, die selben Fehler noch einmal zu begehen. Ich weiß es nicht.

    VG

    Hallo Becko00,

    ich bemerkte, daß es nicht die Situation war, die mich trinken ließ, sondern ich die Situation benutzte, um zu trinken. Praktisch alles als Ausrede herhalten musste, um meinen Suff zu rechtfertigen. Selbstbetrug!

    Ich kann mich noch (schwach) erinnern, an eine Zeit da „musste“ ich nicht trinken, brauchte keinen „Grund“, da kam ich gar nicht auf die Idee zum Alkohol zu greifen. Im Laufe der Jahre hatte ich mir dieses Verhalten antrainiert, nun braucht es wieder Zeit, um sich diese Gedankenmuster abzugewöhnen.

    Wenn man das erkannt hat, ist man fast schon „geheilt“.

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