Der "Drei-Jahres-Faden"

  • Hey Peter, für manche Themen fehlen mir einfach die passenden Worte. Aber ich wollte dir trotzdem da lassen, wie sehr mich dein Entschluss freut! Es ist eine gute Gegend um zur Ruhe zu kommen 😊

    Ein schönes Weihnachtsfest und einen fröhlichen Umzug wünsche ich dir. Ich selbst hatte nach 17 Umzügen in meinem Leben die Nase voll und habe Hals über Kopf ein Haus gekauft 😂

    Ganz liebe Grüße, Lea

  • Liebe Freunde im Forum,

    das Ende ist nah - Gottseidank. 2021 hat mich fast umgebracht und in der Folge der Flut mein Leben auf den Kopf gestellt. Dabei bin ich noch gut dran. Vielen geht es viel, viel schlechter. Das weiss ich und ich bin dankbar, daß ich so gut davon gekommen bin. Dennoch war ich die vergangenen Tage stinkig, sauer, ungehalten. Ich wollte diese Gefühle nicht, aber manchmal überkommt es einen eben. Jemand sagte mir in Zusammenhang mit der schrecklichen Flut "Es hat alles seinen Sinn, Peter." ... Das hat mich sprachlos gemacht. Das sind so Sätze, bei denen ich mich übergeben könnte.

    Zu sagen "Es hat alles seinen Sinn." empfinde ich als selten bescheuert und als Schlag in die Fresse. Ich habe diesen selten doofen Spruch schon öfter gehört, auch von Geistlichen, bei denen ich dann eher dache sie seien von allen guten Geistern verlassen. Soll ich mal dem Geistlichen, der in der Flutnacht aus seinem Pfarrhaus sieben Menschen hat sterben sehen diesen Spruch mit auf den Weg geben? Kann ich nicht mehr, denn er ist in der Psychiatrie. Oder soll ich es meinem Nachbarsjungen sagen, desse Vater einige Wochen vor der Flut jung an Corona starb und dessen Mutter gerade an Krebs stirbt? Der Junge hat die Flutnacht im Dachfirst überlebt und seine Mutter am nächsten Morgen durch Schlamm, Geröll und an toten Menschen vorbei aus dem Dorf geführt. "Es hat alles seinen Sinn?" ... Nie. Dieser Spruch hat einen fatalistschen und esoterischen Geschmack. Er ist geschmacklos und ich mag ihn in keiner Weise. In der Natur hat vieles Sinn - der Kreislauf des Lebens ist ungeheuerlich und kann auch brutal sein. Wir alle suchen ständig nach Erklärungen für dies und das... aber manchmal bekommen wir keine Erklärungen für das Leben und das ist dann mitunter schwer auszuhalten. Dafür ist Gemeinschaft da und die Fähigkeit der Menschen zu Empathie und Hilfe. Das ist sinnvoll. Und hilft.

    Mit 2021 habe ich abgeschlossen, keine Träne weine ich diesem Jahr nach.

    Das neue Jahr kann kommen und ich weiss, es wird uns allen Gutes bringen :)

    Danke fürs Lesen

    Peter

  • Liebe Peter, wie so oft fehlen mir die passenden Worte.

    Aber ich kann dir ein freundliches, sonniges und heilsames Jahr wünschen. Mit neuen Abenteuern, voller emphatischer und dir zugewandten Menschen und mit jeder Menge glücklicher Momente!

    Viele Grüße, Lea

  • "Das ist alles Gottes Wille" ist so ein Spruch, mit dem ich noch nie etwas anfangen konnte. Wir wissen ja gar nicht, ob es Gott gibt. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, daß es Ihn geben sollte: Wir haben keinen blassen Schimmer, was Er will. Vielleicht sind war auch gar nicht immer Seiner Meinung.

    An 2021 kann man einen Haken setzen. Corona-Terror, für einige noch eine Naturkatastrophe obendrauf. Meine erste große Liebe ist viel zu früh an einem Gehirntumor eingegangen. Danke, das hat gereicht. Und wenn das wirklich alles Gottes Wille war, dann ist dieser Typ ein ganz armseliger Zyniker und Sadist.

    Aber es gab auch Lichtblicke, zum Beispiel für mich das Ende meines Alkoholkonsums und dieses Forum.

    Was 2022 bringen wird? Ich versuche es mal mit etwas Optimismus. Ich freue mich auf meinen Führerschein. Und ich werde mir ein fettes Auto für eine Spritztour mieten. Vielleicht gehen wir bei den Corona-Varianten noch das thailändische Alphabet durch, vielleicht ist Omikron auch die Exit-Variante und wir stecken uns alle mit milden Verläufen an. Das wäre natürlich der beste Ausweg. Hoffnung darauf darf man durchaus haben.

  • Ich mag diese Sprüche „Alles hat seinen Sinn.“ oder „Das ist alles Gottes Wille.“ ganz besonders in diesen Zusammenhängen überhaupt nicht. Und ich bin gläubig…

    Die Fragen, warum etwas Schlimmes geschieht und warum ausgerechnet guten Menschen Böses widerfährt und wie der gute Gott das zulassen kann, wurden im Laufe der Geschichte immer und immer wieder gestellt und immer wieder neu und anders beantwortet.

    Es gibt da z.B. in der Bibel nicht DIE EINE Antwort, auch wenn einige Gläubige, darunter unter anderem leider auch einige Geistliche, das so suggerieren mögen.

    Ich selbst favorisiere die Antwort, dass das nichts mit Gottes Willen zu tun hat, dass schlimme Dinge geschehen, dass es nicht als Prüfung oder als Strafe oder sonst wie zu verstehen ist, sondern dass leider schlimme Dinge in dieser unserer Welt einfach geschehen - manchmal haben sie mit menschlichem Unverstand, Nachlässigkeit oder Absicht zu tun, manchmal aber auch nicht - und ich als (gläubiger) Mensch angesichts des Leides, das geschieht, herausgefordert bin, menschliche Nähe zu zeigen, Empathie, Mithilfe, und dass ich herausgefordert bin, Verantwortung zu übernehmen, wo ich sie übernehmen kann.

    Also genau das, was Peter hier geschrieben hat:

    Dafür ist Gemeinschaft da und die Fähigkeit der Menschen zu Empathie und Hilfe. Das ist sinnvoll. Und hilft.

    Viele Grüße

    AufderSuche

  • also dieser Satz... der ist irgendwie "typisch Kirche". Entkräftet den christlichen Glauben, wie so vieles mehr. Da könnt ich einfach nur .... Schon das Wort "Wille"... das ist ein menschlich Ding... es ist zwar typisch menschlich, "Gott" als eine Art "Übermenschen" zu bezeichnen, und ihm somit menschliche Eigenschaften wie "Wille" anzudichten. Doch scheint mir dies - ähnlich des geozentrischen Weltbildes - eine masslose Überschätzung der Bedeutung der Existenz des Menschen zu sein.

  • Guten Morgen Freunde,

    in wenigen Tagen ist die Flut ein halbes Jahr her. Ich werd das nie vergessen. Vorgestern hatten wir tagsüber viel Regen und während es in die Dämmerung ging, brach ein Teil des neuen Ahr-Ufers. Ich weiss, daß es fast allen anderen Bewohnern auch so geht. Eine Nachbarin hat ihren Urlaub an der Nordsee abgebrochen: "Ich kann das Scheiss-Wasser nicht ertragen." ... Wieder krachte das braune Schlammwasser abseits des Flusses in Richtung Dorf. Das triggerte sowas von übel, daß ich nur schwer einschlafen konnte. Da wird noch viel Wasser in meinem Kopf rumfließen müssen, ehe ich wieder ein wenig normaler ticke.

    "Bald zieh ich ja hier weg" dachte ich. Und wenn ich die furchtbaren Schäden im ganzen Tal sehe - und es sieht ja immer noch aus wie nach einem Krieg, weiss ich, daß mein Wegzug richtig ist. Das Zucken in den Augen wird weniger und je mehr ich klären kann, wie ich Hausverkauf und Umzug wuppen kann, desto weniger tauchen auch Tinnitus und Kopfschmerzen auf.

    Ich hab mir heute früh gedacht "Trenn dich, Peter." ... Nicht nur von der Gegend, dem Häuschen und der schönen Landschaft. Auch von Dingen. Während ich das schreib, geht mir durch den Kopf, was ich alles abgeben kann und auf einmal wird mir viel leichter. Warum werden so viele Dinge, die man sich mal zugelegt hat, plötzlich zu Ballast? Das ist interessant. Heute früh fühle ich mich ein ganz klein bisschen wie in meiner ersten alkfreien Woche im Jahr 2006: "Weg mit dem belasteten Zeug und neu anfangen." Ich werde eine Liste machen. "Mitnehmen. Verschenken. Wegwerfen" ... Das befreit :))))

    Danke fürs Lesen sagt
    Peter

  • Guten Morgen Peter,

    warum so viele Dinge plötzlich zu Ballast werden können, kann ich dir nicht beantworten.

    Aber ich kann dir bestätigen, dass ‚weniger haben‘ tatsächlich sehr befreiend ist. 😀

    Ich habe ja auch sehr viel ‚ausgemistet‘ (vermutlich habe ich noch immer mehr als ich brauche), es geht mir so viel besser in meinem aufgeräumten und sortierten Leben. Die Erfahrung wünsche ich dir auch.

    Ich gratuliere zu deinem Entschluss.

    "Weg mit dem belasteten Zeug und neu anfangen." Ich werde eine Liste machen. "Mitnehmen. Verschenken. Wegwerfen" ... Das befreit :))))

    👍🏻 freue dich darauf.

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

  • Hallo Petter,

    was du schreibst berührt mich sehr. Danke das du so offen schreibst.

    Mir fehlen die richtigen Wort darauf zu reagieren

    Ich wünsche dir alles Gute, dass du ein neues Zuhause findest wo du dich sicher fühlen kannst.

    Grüße,

    Risu

  • Liebe Freunde,

    vielen, vielen Dank für Eure tolle Begleitung.

    Auch wenn ich mal alles gewuppt habe und (wahrscheinlich nach dem Umzug) vollkommen platt in der neuen Wohnung liege, werde ich hier viel schreiben und teilen. Ich kann mir den Tag nur schwer vorstellen, an dem ich alles hinter mir gelassen habe, zumal das ja nur bedingt freiwillig geschieht. Das wird keine leichte Situation, vermute ich. Aber ich lasse das Ahrtal in Liebe zurück, es hat mir soviel gegeben. Das Neue Leben an neuem Ort wird ganz sicher auch schön.

    Der Hausverkauf geht gut an, das hätte ich nie gedacht. Wenn ich Glück habe, ist es nach dem nächsten Wochenende bereits verkauft.
    Eine neue nette Wohnung habe ich auch gefunden. Meine Schwester hat "vorgeguckt" und meinte: "Nimm die"... nun fahre ich nächste Woche in den Norden und seh mir die Wohnung selber an. Ich kehre zurück zu einer Mietwohnung, alles andere ist gerade viel zu viel für mich. Ich mag nicht mehr renovieren müssen, ich will einziehen, Bett und Sofa aufbauen und mich reinschmeissen.

    Bald ist Mitte Januar - es geht rasend schnell. Ende März möchte ich umziehen. Wenn das hinter mir liegt, werde ich eeeendlich mal wieder *schnipp* machen.

    Peter

  • hallo Peter,

    ich drücke dir ganz fest die Daumen, das es bei dem Zeitplan bleibt, und du im Norden einen guten Start haben wirst.

    Ich wünsche dir dafür alles Gute. Ich wollte dir schon immer mal sagen, das ich dich gerne lese. Schön, das du hier bist.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • Guten Morgen liebe Freunde,

    es tut soo gut, Eure Rückmeldungen zu lesen. Eigentlich brauch ich für das Forum mehr Taschentücher ;)

    Seit 8 Tagen habe ich einen fiesen Tinnitus. Er wechselt die Töne und Geräusche wie Menschen Stimmungen. Es ist nicht einfach, damit umzugehen. Rotlicht, Ruhe Ruhe Ruhe.. Ich gehe spazieren und versuche, runterzukommen. Meine Ärztin hat streng geguckt und gesagt "Sie bleiben zuhause und erholen sich!". Das mache ich nun. Bei meinen abendlichen Spaziergängen durchs Dorf treffe ich immer wieder mal Nachbarn. Gestern war ich bei einem Paar im Haus. Alles wie ausgebombt. Keller und Erdgeschoß bis zur Zimmerdecke vom Flutschlamm zerstört. Elektrik und Heizung und Fenster und Estrich und Putz müssen neu. Die beiden sind noch jung, sehen aber alt aus. Sie leben mit ihren zwei Kindern in einer Notunterkunft. Seit dem 15. Juli geht das so und wahrscheinlich noch bis Mai. Aber die Dankbarkeit, überlebt zu haben, ist riesig.

    Mein Häuschen habe ich tatsächlich in nur einer Woche verkauft, aber diese Woche war so anstrengend, daß mich nun der Tinnitus begleitet. Ich habe mich über Interessenten geärgert, die sogar ohne Besichtigung handeln wollten - offenbar sitzt das Geld bei vielen so locker, daß Sprüche wie "Geld spielt keine Rolle" und noch andere doofe Sprüche kamen. Die Lage hier auf dem Markt ist so angespannt, daß die Leute sich schlimm benehmen. Was will eine aufgebrezelte russische Blondine aus Düsseldorf hier auf dem Land zwischen zerstörten Häusern und Rindern?
    Ich habe nun einen Käufer gefunden, der naturverbunden und entspannt ist und der mit den Nachbarn auskommen kann, was auf dem Dorf wichtig ist. Nun hoffe ich, daß seine Finanzierung auch klappt. Vielleicht verschwindet der Tinnitus dann wieder. Das Schlimmste war, fremde Menschen durch mein Häuschen zu führen. Das fühlte sich furchtbar an, aber ist nun hoffentlich vorbei.

    Arbeitsvertrag unterschrieben, Haus verkauft, neue kleine nette Wohnung gemietet. Wenn die ganzen Formalitäten geschafft sind, will ich nach dem Umzug nur noch Ruhe :D

    Danke und liebe Grüße
    Peter

  • Moin Peter,

    ich lese dich immer und lasse dir mal einen lieben Gruß hier, wünsche dir gute Besserung und ein gutes Ankommen hier im Norden.

    Alles Liebe wünscht dir

    PB

    Es nützt nichts Jemandem eine Brücke zu bauen, der gar nicht auf die andere Seite will.

  • Moin Pellebär - ich danke dir sehr! Bald werde ich öfter wieder Moin sagen, wenn ich in der alten Heimat ankomme. Ich freu mich drauf!


    Liebe Freunde,

    ich habe mich ertappt - oder besser, meine Hausärztin hat mich ertappt. Als ich dort vor einigen Tagen schon das dritte Mal wegen der Ohr-Geräusche aufschlug, hatte sie mir wiederholt empfohlen, mir eine Auszeit zu gönnen, aber mich auch weniger aufzuregen. Daraufhin erzählte ich ihr, was im Dorf los ist, wer hier wie was tut oder nicht tut und bla bla bla und pi pa po. Sie lächelte mich an und sagte: "Sehen Sie, Sie regen sich schon wieder auf. Und das will Ihr Ohr nicht!" *Ertappt!* Es war wie ein Aufwachen aus einer Daueranspannung. Natürlich bin ich wegen der letzten Monate nach der Flut extrem angespannt - aber habe ich das auch bewusst erkannt und an mir selber festgestellt oder gehandelt? Nö. Ich habe nur bemerkt, daß ich sehr erschöpft bin, schnell weine, kaum belastbar bin. Aber wirkliche Konsequenzen gezogen habe ich offenbar leider, leider nicht. Ich habe gehandelt und mein Leben umgekrempelt, um hier wegzukommen. Aber meine körperlichen Signale habe ich leider wieder hintenangestellt. Der Ergebnis teilt mir nun mein linkes Ohr mit. Ich bin aber dankbar dafür. Es ist ein eindeutiges Warnsignal meines Körpers: "Beachte mich gefälligst und nutz´mich nicht aus!"

    Warum schreibe ich das? Weil es in meiner nassen Zeit auch so war. Alle Signale habe ich weggedrückt. Der nächste Schluck brachte ja wieder Entspannung. Es ist mir unbegreiflich, daß mein Körper das sooo lange mitgemacht hat. Offenbar bleiben einige Verhaltensweisen, trotz schlimmer Erfahrungen und trotz trocken leben? Sehr komisch. Diesmal soll mir das eine Lehre sein. Ich will mehr auf mich achten. Und viel öfter "Nein" sagen können, wenn ich den kleinsten Protest meines Körpers merke. Oder noch besser: mich dieser Schwelle der Überlastung gar nicht mehr nähern.
    Leichter gesagt, als getan :)

    Euch einen schönen, ruhigen und entspannten Sonntag.
    Peter

  • Liebe Freunde,

    das geht mal wieder alles soo schnell ... und *schwupps* ist Februar! Noch immer ist es morgens dunkel, noch immer regnet es meistens. Aber irgendwie gibt mir dieses Datum auch ein Gefühl von "Geschaft!" ... Der Januar ist immer einer der trübsten Monate. Fast den ganzen Monat war ich der Arbeit fern, gestern war mein erster Arbeitstag nach dreieinhalb Wochen Erschöpfungspause und Tinnitus-Unterbrechung.

    Gerade in der letzten Woche ging es mir immer besser. Der Mut kam wieder, die Zuversicht. Allein in den ersten 14 Tagen des Januar war soviel los, daß ich meinem Körper nicht hätte zumuten dürfen. Aber manchmal kommt es eben einfach so und man hat kaum Einfluß auf das, was geschieht. Neuer Arbeistvertrag, Kündigung, Hausverkauf, neue Wohnung... und dann stehen noch Umzug an und Aufräumen und Abschied nehmen und Eingewöhnen. Aber ich mache das nun Stück für Stück, bloss nicht zuviel auf einmal. Mein Ohr hat es gedankt... der Tinnitus ist fast weg, auch das laute Scheppern im Ohr hat sich davon geschlichen. Es war ein Warnruf meines Kopfes und meines Körpers... Bis hierhin und nicht weiter! Darauf werde ich in den nächsten Wochen und Monaten viel mehr achten, auch wenn das nicht einfach ist.

    Draussen baggert und scheppert und piept es. Riesige Baugeräte machen irgendwas... am AhrUfer, an den Wegen und den Gleisen. Acht Häuser in meinem Dörfchen müssen noch abgerissen werden, acht Häuser, die man immer gesehen hat. Ich weiss nicht, wieviel Häuser nun fehlen, ich kenne nur noch die neue Kulisse des Dorfes, die vollkommen anders ist, als zuvor. Hinter diesen Abrissen stehen schlimme Einzelschicksale und zusammen ist das ein kollektiver Supergau, der uns allen das Maximum an Kraft und Nerven abverlangt.

    Auf den Tag meines Abschiedes freue ich mich. Hier gehöre ich einfach nicht mehr hin.


    Gestern hatte ich ein längeres Gespräch mit einer Kollegin, bei der ich ein Alkoholproblem vermute. Jedenfalls riecht es immer nach Schnaps, wenn sie in der Nähe umherschwirrt. Sie berichtete mir von einer Wurzelentzündung und wie sich das entwickelt hatte. Vor Weihnachten sollte sie Antibiotikum nehmen - aber "Wie soll das gehen, Peter? Weihnachten und Feiern und Antibiotikum passen nicht zusammen! Also musste ich mich entscheiden zwischen Antibiotikum und Alkohol." - "Und du hast dich für den Alkohol entschieden." rutsche mir da raus. Genauso war es dann auch, die Entzündung hat sich ausgebreitet und heute muss sie operiert werden.

    Ich war ganz ähnlich drauf, als ich noch gesoffen haben. Aber ich habe einfach beides gemacht: Alkohol + Antibiotikum. Nur hat das einfach nicht so gewirkt, wie es sollte.

    Es ist schon erstaunlich, was man als Suchtmensch bereit ist, mitzunehmen: Krankheiten,bei denen sogar eine Blutvergiftung droht.
    Was bin ich froh, vom Alkohol weg zu sein und solche kranken Entscheidungen nicht mehr treffen zu müssen!


    Peter

  • Hallo Freunde,

    manchmal, in den letzten Monaten immer öfter, wache ich morgens auf und wünsche mir eine Welt zurück, die ich im April 2017 angehalten hätte.

    Ich würde dann zuerst mit dem Mann sprechen, daß er sich doch bitte nicht vor meinen Zug legen soll und sein Leben schön und wertvoll ist. Ich hätte auch meinem lieben Kollegen gesagt, daß er sich mal keine Sorgen machen soll und das seine Rückenschmerzen wirklich nur Rückenschmerzen sind und kein Krebs. Danach wäre ich sofort nach Berlin gefahren, um meinen Freund C zu besuchen, damit er nicht nach einem schweren Schlaganfall in seiner Wohnung im vierten Stock liegen bleibt und verreckt. Bei meiner Mama wäre ich auch vorbei und würde ihr mehr beim Älterwerden helfen. Und im Angesicht des Todes würde ich so gerne länger mit ihr sprechen, wenn sie das zulässt und verkraftet. Meiner Zahnärztin würde ich den Zahn ziehen, daß sie mir mit einem Laser im Gaumen herumfummelt und mich eventuell schwer verletzt. Und am 14. Juli 2021 wäre ich Superman gleich durch das Ahrtal geflogen und hätte Umleitungsgräben gebuddelt, damit eine wunderschöne Landschaft nicht zerstört und tausende Menschen verschont bleiben. Und am Abend des 24.02.2022 schließlich wäre ich - ebenfalls als Superman - nach Moskau und hätte im Kreml für Anstand gesorgt.

    Einmal in diesem Winter dachte ich nach dem Aufstehen "Och... schau mal. Alles wie früher!" ... Das war nach einer Nacht mit viel Schnee, als ich aus dem Fenster alles in weiss sah, was die Schäden und Trümmer mit einer wunderschönen Decke abdeckte.

    Es ist aber, wie es ist. Das ist oft schwer auszuhalten. Besonders, wenn auf ein schlimmes Ereignis gleich das nächste Elend folgt. Ich rechne erstmal nicht mit Ruhe in der Weltpolitik. Aber ich versuche, ruhig zu bleiben und mein eigenes Leben in der Balance zu halten. Wie schön, daß ich das ohne Alkohol schaffe.

    Peter

  • Lieber Peter!

    Es ist aber, wie es ist. Das ist oft schwer auszuhalten. Besonders, wenn auf ein schlimmes Ereignis gleich das nächste Elend folgt. Ich rechne erstmal nicht mit Ruhe in der Weltpolitik. Aber ich versuche, ruhig zu bleiben und mein eigenes Leben in der Balance zu halten. Wie schön, daß ich das ohne Alkohol schaffe.

    ..wenn viel Chaos um einen herum ist und man die Welt nicht mehr ganz versteht, findet man am besten einen stillen Ort, schließt die Augen und sucht die Sterne im eigenen Herzen!

    Fühle mit dir!

    GLG

  • Liebe Freunde!

    Heute bin ich wach geworden mit dem wunderbaren Gefühl, daß alles gut wird. Das Leben geht weiter. Trotz Flut, trotz Krieg, trotz Nochwas.

    Nach knapp neun sehr guten Jahren im Ahrtal, von denen nur die letzten neun Monate schrecklich waren, gehe ich ich in wenigen Tagen fort von hier und werde nicht wiederkommen. Es sind ganz besondere Tage für mich. Das durch Hochwasser und die Folgen verursachte Tief der letzten Monate ist wie weggeblasen. *pust* ... Schon gestern dachte ich "Mensch Peter, es geht dir ja richtig gut!" und heute früh hatte ich dieses Gefühl wieder. Wunderbar. Endlich! Das Packen ist kaum noch Last, die Angst vor dem Umzug ist der Spannung und Freude auf das Neue gewichen, ich kann es kaum glauben. Auch wenn mich Trümmer, Dreck und Lärm immer noch mitnehmen, lasse ich doch diesen ganzen runterziehenden Kram hinter mir. Vielleicht denke ich auch schon in einigen Wochen kaum noch daran, das wäre noch besser. Für die neue Wohnung hab ich schon Vogelhäuser bestellt. Bei meiner Schwester in der Behindertenhilfe machen sie ganz entzückende und hochwertige Häuschen. Auf "meine" Vögelchen will ich nicht verzichten.

    Neben den Umzugsvorbereitungen mache ich Pläne, das kenne ich schon gar nicht mehr von mir. Drei Dinge hab ich auf dem Schirm: 1. eine neue SHG vor Ort besuchen, 2. in den Sportverein gehen, 3. mich in die Arbeit stürzen mit dem Ziel, es wirklich gut zu machen. Das soll erstmal genügen, zuviel geht schnell schief - das kenne ich... ;)

    Die Sehnsucht nach einem normalen Leben ohne Katastrophen ist groß. Mein Einfluß darauf ist leider begrenzt.
    Aber ich kann für mein Leben sorgen und hoffen, daß nichts dazwischen kommt. Irgendwann muss man ja auch mal wieder sagen können "Das Leben ist schön!" ... Think positive!

    Danke fürs Lesen

    Peter

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