Verknüpfung von Alkohol und Lügen

  • Immer wieder liest man hier, dass Alkoholiker lügen. Auch ich habe diese Erfahrung leider machen müssen. Mein XY hat heimlich getrunken, ist unter Alk Auto gefahren. Und er hat mir stets dreist ins Gesicht gelogen, was den Alkoholkonsum - und die Heimlichkeit seines Konsums - anbetraf.

    Ich überlege schon länger, ob das Lügen ausschließlich aus Schuld und Scham geschieht, weil die Art des Trinkens nicht zu dem Selbstbild passt das der Trinker von sich hat. Glauben sie allen Ernstes sie könnten durch Lügen verhindern, dass der Partner merkt was los ist?? Glauben sie vllt. selbst an ihre Lügengeschichten?? Ist ihnen klar, dass durch ihr Lügen Vertrauen, u.U. irreparabel, zerstört wird?

    Wo seht ihr die Verbindung zwischen Suchtstruklturen und dem Hang zur Unehrlichkeit bzw. zur Lüge. Ist es nur Scham, sind es charakterliche Mängel? Ich hoffe, mein Anliegen kommt richtig rüber, mich interessiert diese Thematik wirklich sehr. Danke für Eure Ansichten/Rückmeldungen, gerne auch von trockenen Alkoholikern.

    "Mut ist nicht das Gegenteil von Angst. Sondern die Erkenntnis, dass etwas anderes wichtiger ist als die eigene Angst."

  • hallo aufbruch,

    lügen scheint teil dieser schststruktur zu sein. ich als co abhängige möchte berichten, das auch ich jemand war, die durch lügen dieses systhem aufrecht gehalten habe. bei mir ging die lüge nicht um alkoholgenuss, wieviel ich getrunken habe um noch auto zu fahren. meine lüge war es, das ich mir selbst was vorgemacht habe, situationen verzerrt gesehen habe und dadurch meine wahrnehmung genauso vernebelt war wie die eines alkoholikers.die lüge kam dann denk ich mir deshalb zustande weil ich die wahrheit nicht wahr haben wollte.

    erst ehrlichkeit mir selbst gegenüber brachte licht und liess den nebel schwinden.

    lieben gruß melanie

  • Hallo aufbruch,
    auch mich beschäftigt dieses Thema sehr und komme auch nicht dahinter.

    Einerseits ist es sicherlich der Scham der einen Alki dazu bringt zu lügen, da er genau weiss (obwohl stehts abgestritten) dass sein Alkoholkonsum nicht normal ist.
    Angst verlassen zu werden, Angst abgestossen zu werden, Angst als Alkoholiker genannt zu werden, Angst sich die Krankheit eingestehen zu müssen...

    So sehe ich das.
    Allerdings kommt oft der Zweifel, ob es auch gewisse Charakterzüge sind?
    Wenn immer wieder alle Kneipen und Geselligkeiten wichtiger sind als alles andere???
    Oder können Alkis einfach nicht anders?

    Ich finde es eben immer wieder sehr erniedrigend wenn man wieder mal hinter eine Lüge kommt.
    Und wir Co´s sind da leider mit unserer Leichtgläubigkeit bestens geeignet.

    LG

  • Ist es wichtig, WARUM jemand notorisch lügt?

    Das allein sollte doch schon Grund genug sein, um die Beine in die Hand zu nehmen und weg zu laufen. So schnell wie nur möglich.

    Einen notorischen Lügner (ob er nun säuft oder nicht) will ich mir als Partner nicht antun. Das ist doch keine Basis für eine Partnerschaft.

    Alkohol verändert nun mal die Persönlichkeit und das Lügen scheint für einen sehr grossen Prozentsatz dazu zu gehören (auch bei meinem "Vater").

  • Hallo Aufbruch,

    viele Dinge kannst du erfahren, wenn du bei den trockenen Alkoholikern liest.

    Aber was bringt dir denn das? Was hast du davon?

    Grüße von
    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Aufbruch,
    Ja Alkoholiker lügen,sie belügen uns und aber auch sich selber,sie denken wirklich sie könnten immer aufhören zu trinken
    Aber was für mich fast genauso schlimm ist bzw,war ist doch das ich das so lange mitgemacht habe
    Ich habe genauso gelogen,wenn mich jemand auf den Alkoholkonsum meines Mannes angesprochen hat habe ich gesagt er trinkt nicht so viel,nein nicht jeden Tag.....
    Ich habe die leeren Flaschen schnell weggeräumt wenn Besuch kam
    in dem Fall des Alkoholikers oder der Angehörigen denke ich schon das gelogen wird aus reinem Selbstschutz
    Er will nicht wahrhaben das er Alkoholiker ist und wir nicht das wir einen Alkoholiker als Partner/in haben
    VG Joanne

  • Hallo Aufbruch,

    würdest du auch fragen, ob rote Flecken mit Masern verknüpft sind? Da ist es ganz klar, dass die beiden zusammengehören.

    Ich habe noch keinen trockenen Alkoholiker gesprochen, der sich nicht als Oskar verdächtigen Schauspieler während seiner nassen Zeit bezeichnet.

    Ich akzeptiere, dass Lügen zum Alkoholismus gehören wie rote Flecke zu Masern. Bei denen hinterfrage ich auch nicht, warum sie da sind.

    LG
    Ette

    Im Schmerz von gestern liegt die Kraft von heute.
    ("Handbuch des Kriegers des Lichts" v. P.Coelho)

  • Moin!
    Ich denke auch, Lügen ist fast ein Symptom des Alkoholismus. Ich habe während meiner nassen Zeit gelogen, dass sich die Balken gebogen haben. Es geht einzig und alleine um das Weitertrinken. Ein nasser Alki lügt, damit er trinken kann. Und wenn er sich dabei schlecht fühlt, weil er gelogen hat, dann säuft er eben mehr und merkt für eine gewisse Zeit sein Lügengerüst nicht oder glaubt es selber.
    LG
    Michi

    never give up

  • Hallo drybabe,
    finde super dass du auch hier mitschreibst:
    Darf ich mal was nachfragen?
    Ist es denn wirklich so, dass einem Alkoholiker an diesem Punkt bzw. zu dieser Zeit alles andere egal ist? Ihm einfach die Sucht leitet, obwohl er selbst genau weiss welche Folgen er daraus zieht? (Verlust der Familie, Arbeit usw.)
    Und vorallem, wie weiss man eigentlich was man einen Alkoholiker glauben kann und was nicht? Wie unterscheidet man?
    Danke Dir!
    LG Sonne

  • Moin,

    ich will hier nicht ins Philosophische abschweifen, aber jeder Mensch
    - ich auch - gebraucht täglich ein- oder mehrmals eine Lüge.

    Die meisten Lügen sind Übertreibungen oder auch einfach das
    Weglassen der Wahrheit.

    Ein Alkoholiker wird - häufig auch vor sich selber - über seine Sucht anders
    denken, als das objektiv der Fall ist.
    D.h. die üblichen Sprüche "ich kann jederzeit aufhören",
    "so viel trinke ich gar nicht", habe ich selbst auch immer geglaubt, solange
    ich getrunken habe und anderen gegenüber geäußert, wenn ich gefragt wurde.

    Bis zu einem gewissen Punkt tut das wohl jeder Mensch- nicht nur in Bezug
    auf Alkohol. Wer gibt sich selbst gegenüber schon gern zu, dass er stark
    übergewichtig ist, die körperliche Fitness eher schlecht ist etc.

    Aber wenn der Alkohol den Alltag komplett dominiert, dann ist Alkohol und
    jede andere Sucht die Motivation für jedes Handeln. Dann übernimmt die
    Lüge zweckgerichtet auf die Beschaffung den Alltag.

    Worauf ich hinaus will, ist, dass die Übergänge von einem "normalen"
    Gebrauch der Lüge - auch aus Selbstüberzeugung - bis zur dauerhaften
    Lügerei zur Suchtbefriedigung individuell und schleichend sind.

    Die Gleichsetzung Alkoholiker = Lügner ist ein bischen platt, obwohl sie
    sicherlich in vielen Fällen zutrifft.
    Und der Nicht-Süchtige gibt keineswegs immer nur die Wahrheit von sich,
    nur weil er eben nicht abhängig ist.

    Gruß
    Ralf

  • Hallo,

    ich hab mich von dem Gedanken befreit, dass die Tatsache, dass mich mein Mann angelogen hat, irgendwas mit mir zu tun hat. Lange Zeit hab ich das auch als Vertrauensbruch, mangelnden Respekt oder sowas in der Art empfunden. Aber nicht zuletzt durch das Forum hab ich begriffen, dass es wirklich mit der Sucht zusammenhängt.
    Das ist für mich als Angehörige sehr entlastend!!!

    Im Übrigen stelle ich auch bei mir fest, dass ich z.B. im Zusammenhang mit meiner Essstörung sehr gut darin bin, offensichtliche DInge einfach wegzublenden, mir schönzureden. Und ob ich einem Arzt, der mich fragen würde, wieviel Schokolade ich esse, ich die volle Wahrheit sagen würde... weiß nicht, wär mir wohl auch zu peinlich.
    Ich denke, absolute Ehrlichkeit sich selbst und den anderen gegenüber ist nur möglich, wenn man bereits dabei ist, sich von dem Suchtverhalten zu lösen.

    Doro

  • hallo sonne

    ich erlaube mir mal auf deine fragen zu antworten auch wenn du sie der michi gestellt hast.

    ich habe mir, obwohl ich krankenschwester bin und es sehr genau weiß, in der schwangerschaft jeden 2. tag ne flasche vodka reingeschüttet. es war mir nicht egal, ich wußte sehr genau was ich tu und doch konnte ich nicht anders. sucht kann man nicht erklären, sucht ist irrational, einfach bescheuert, das kann man nicht erklären. vernunft und verstand sind völlig außer kraft gesetzt, man ist vom verlangen einfach ferngesteuert. wie ein zombi. der einzige lebenszweck ist zu saufen und da sind einem alle mittel recht um an stoff zu kommen. am nächsten tag habe ich mich vor mir selbst geekelt, nur dann kam wieder das verlangen.

    und nem nassen alki was glauben, lass es besser. ich habe jedem das erzählt was er hören wollte, hauptsache ich konnte in ruhe saufen. das macht es eben auch für die angehörigen so schwer zu erkennen wenn sich der alki entschlossen hat wirklich aufzuhören, auch ich mußte es erst mal unter beweis stellen das ich wirklich abstinent lebe. das war auch für mich ganz schön hart denn ich wußte ja das es mir ernst war. nur hatte ich mir das schließlich selbst eingebrockt und mußte da eben durch.

    doro

    Alkohol ist ein prima lösungsmittel es löst familien arbeitsverhältnisse freundeskreise und hirnzellen auf.
    trocken seit 18.10.2001

  • Ein Alkoholiker muss Lügen damit er zu seinem Stoff kommt. Auch die abstruseste Lüge ist gut genug für ihn.
    Ich durfte feststellen, dass wenn es um den Alkohol ging, dann wurde ich angelogen, dass sich die Balken bogen oder er ging auf meine Frage überhaupt nicht ein. Er überhörte es manchmal sehr elegant indem er sofort das Thema wechselte. Sobald ich nachhakte, sagte er ihr Frauen wollt alles zu Tode diskutieren.... :roll:

    Da legt sich jeder Alkoholiker seine Strategie zurecht, mit mindestens 3 verschiedenen Plänen. Ist Plan A geplatzt weil schludrig gelogen wurde, rückt sofort Plan B nach.


    Mein Meinung

    Ein Alkoholiker lügt nicht aus Hang zur Unehrlichkeit sondern weil er den Stoff braucht und er lügen muss. Die Scham kommt, wenn sie kommt, erst nach dem Trinken, respektive nach dem Suff. Aber da das Verlangen nach Alkohol sich bald wieder einstellt, beginnt der Teufelskreis von vorne. Und so muss der Alkoholiker nicht lange darüber nachdenken, weil er wieder Stoff braucht. Ein charakterlicher Mangel ist es nicht, sondern der Mensch ist von der Sucht gesteuert und ist dann nicht mehr sich selbst.

  • Hallo Aufbruch!

    Zu allererst: Heute ist mir piepegal, weshalb mein Ex gelogen hat und es auch heute noch tut.
    Mir ist egal, ob er es schon vor seiner Sucht getan hat, oder ob es erst durch die Sucht entstanden ist.
    Ich weiß auch nicht, was zuerst da war.

    Für mich ist nur noch ausschlaggebend:
    Er hat gelogen.
    Und er lügt weiterhin.
    Ich traue ihm nicht mehr von der Wand bis zur Tapete.
    Ich nehme ihn nicht mehr für voll. (wobei das ein böses Wortspiel sein könnte...)

    Lüge ist Lüge, ganz gleich aus welchem Grund.

    Ich habe aufgegeben, diese Krankheit mit ihrem Symptomen verstehen zu wollen. Was nützt es mir?
    Am Ende zählt doch, was man daraus macht.
    Ich habe das Weite gesucht, und das war die beste Entscheidung meines Lebens und gleichzeitig meine einzige Chance, igrendwann mal einen Partner zu finden, der nicht lügt und nicht mein Vertrauen missbraucht.

  • hmhh,

    ich bin heimlicher trinker und funktionierender alkoholiker gewesen.
    7 jahre musste ich keine partnerin belügen, sie hat jeden abend mit mir getrunken, wir fanden es beide ok.
    danach war ich single und hab nur gesoffen, wenn ich allein zu haus war.
    ich habe aber in der tat mich oft unter vorwänden allein nach haus zurückgezogen nach der arbeit ( müde, brauche meine ruhe, etc. )
    ich musste aber gottseidank nie über meinen alkoholkonsum lügen.
    ich habe nie flaschen versteckt und solchen quatsch.
    kein druck, keine lügen.

    ich bin mit intaktem selbstbewusstsein in die therapie gegangen, ich
    selbst wollte einfach nicht mehr, z.b. morgens meine vollgepisste hose in der küche finden...

    jürgen

  • Hallo zusammen,

    ich möchte mich bei allen Schreibern sehr für die Beiträge bedanken, vor allem bedanke ich mich auch bei den trockenen Alkoholikern. Ja, ich will schon länger tiefer begreifen, warum Lügen ein Symptom von Suchterkrankungen ist. Ich glaube allmählich zu erkennen, auch durch eure Beiträge, dass es die zwingende Dominanz der Sucht ist, die Moral, Aufrichtigkeit und sonstige menschliche 'Werte' außer Kraft setzt. Für so hohe Ansprüche wie Ehrlichkeit und Integrität ist kein Platz, wenn der Körper und die Seele nach dem Stoff schreien!! Alles wird diesem drängenden Bedürfnis untergeordnet.

    Es ist der Dämon Sucht, der menschliche Entwicklung verhindert. Der die Freiheit im Denken, Fühlen und Handeln tunnelartig einschränkt. Der alkoholkranke Mensch ist ja nicht per se ein "schlechterer" Mensch als andere und er wurde auch nicht mit schlechteren Anlagen geboren!! Aber sein menschliches Potential liegt eben brach weil er alles seiner Sucht unterordnet.
    Dies ist aller Klarheit zu spüren, tut weh. Und weil der Suchtkranke diesen Schmerz nicht spüren will, sein beschädigtes Selbstbild nicht sehen will, zimmert er sich seine eigene Wahrheit zurecht und belügt somit die Angehörigen und sich selbst genau so. Es ist die Substanz Alkohol, die das Denken und die Seele langfristig verändert. Ich verstehe das immer mehr und ich danke euch allen nochmals.
    LG - Aufbruch

    "Mut ist nicht das Gegenteil von Angst. Sondern die Erkenntnis, dass etwas anderes wichtiger ist als die eigene Angst."

  • Bei meinem alkoholabhängigen EX-Partner gehörten Lügen auch an die Tagesordnung. Zuletzt hab ich ihm die klitzekleinste Kleinigkeit nicht mehr geglaubt und sei diese noch so "normal" gewesen. Inzwischen ist mir das auch egal geworden, ob er jemals gelogen hat oder es wahrscheinlich immer noch tut.

    Mein Misstrauen hatte sich in der Zeit wo wir noch zusammen waren immer mehr gesteigert und er hat das gemerkt. Also ist seine Lügerei auch stets gestiegen - wurde immer krasser. Zuletzt entwickelten sich da auch richtige Geschichten daraus, die er aufrecht erhalten "musste".
    Aber den Abschuß brachte er, als er sagte, sein Vater wäre gestorben - was gar nicht so war. Selbst das hatte ich ihm nicht geglaubt (obwohl dieser schwer krank war).

    Er wollte mit den Lügen auch Mitleid erhaschen. Und er wollte Verständnis von mir kriegen, dass er trinkt.

  • Dämon Alkohol... das halte ich für etwas zu hochgegriffen, Aufbruch.

    Ein Alkoholiker ist nicht "besessen", er/sie weiß genau, was er/sie tut.
    Und jeder, nicht nur der Alkoholiker, sondern vor allem auch die Cos, kann an der Situation etwas ändern, damit das alles aufhört.

    Ich bin mittlerweile runter von dem "Trip", für alles einen Schuldigen zu suchen, der sowieso immer "Alkohol" heißt.
    Sicher, eine Sucht ist schwer zu besiegen (übrigens nicht nur die Alkoholsucht, sondern auch zb. die Beziehungssucht...), aber sie IST zu besiegen, das zeigen hier in diesem Forum viele wunderbare Menschen, die es geschafft haben.
    Auf den Willen kommt es an. Dämonen gibt es nicht.

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