Sein Weg, eigener Weg

  • Die Rückfallquote ist geprägt durch den sprunghaften Anstieg während der ersten 6 Monate auf rd. 50%.
    Danach verlangsamt sie sich und erreicht nach 6 Jahren rd. 80 %.
    Mit dem Ausdruck "Demut" vor der Sauferei kann ich mit dem besten Willen nix anfangen. Achtsamkeit vor einem Rückfall ja. Aber das hat m.E. mit Demut nichts zu tun.
    Carl

  • Hallo

    Zitat

    Mit dem Ausdruck "Demut" vor der Sauferei kann ich mit dem besten Willen nix anfangen.

    Ich habe mir da auch schwer mit getan. Demut heißt für mich, das ich die Krankheit mit allen Außenmaßen für mich akzeptiert habe und keinen Groll gegen sie hege. Das es keinen Sinn macht gegen den Alkohol in der Sucht anzukämpfen. Das lässt mir die Gelassenheit mit ihr trocken zu leben.

    Wenn Demut jedoch in Verbindung mit höheren Mächten gebracht wird, halte ich nichts davon.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Zitat von Vollwaise

    Ich frage mich, woher DU Deine stellenweise unterschwellige, stellenweise offen zum hiesigen Markte getragene Überlegenheit ableitest....

    JEDER, der gerade seit 2 Minuten seine ersten Entgiftung hinter sich gebracht hat und seither nix gesoffen hat, ist Dir überlegen. Denn der hatte noch keinen Rückfall, DU mehrere!

    "Überlegenheit" scheint in deinem Leben eine große Rolle zu spielen.

    Auch wenn ich damit nichts anfangen kann - also damit, mein Leben auf ständige Überlegenheit irgendjemandem oder irgendwas gegenüber auszurichten - mal 'ne Frage:

    Wieso oder in was oder mit was ... ist ein Alkoholiker, der noch keinen Rückfall hatte, einem rückfälligen Alkoholiker überlegen?

  • Guten Morgen Hartmut,

    es ist mal wieder soweit - ich versteh´s einfach nicht :lol:

    Zitat

    solange ich denke das ich die Kontrolle über die Krankheit habe, solange passe ich nicht auf. Meine Erfahrung.

    Hast Du bei Paul hinterlassen.

    Wie nennst Du den Fakt denn dann, daß Menschen viele Jahre trocken leben, den Alkohol aus Ihrem Körper geschmissen haben?!

    Ich dachte ja eigentlich schon, daß ich mein Leben in diesem Punkt - zumindest für heute (die guten alten 24h eben) unter Kontrolle habe.
    Hätte ich es NICHT unter Kontrolle... wäre ich dann trocken?

    Vielleicht habe ich nicht die Kontrolle über den Alkohol, aber ich habe doch die Kontrolle über meinen Körper, der OHNE Alkohol rumläuft.

    Ich hinterfrage (kontrolliere) mich und meine Gedanken regelmäßig in Bezug auf den Alkohol und steuere dagegen an,
    wenn ich merke, daß meine Gedanken nicht rund laufen diesbezüglich.

    Oder meintest Du ggf., "solange ich DENKE, daß ich es unter Kontrolle habe....". Dann wäre meine Antwort ggf.
    "gut, ich DENKE nicht, daß ich es unter Kontrolle habe, sondern ich HABE es unter Kontrolle, da ich es LEBE.

    Erklär doch mal bitte, damit ich nicht dumm sterben muß...dankeschön :wink:

    Liebe Grüße
    ClaudiA

  • Moinsen Hartmut,

    Zitat


    solange ich denke das ich die Kontrolle über die Krankheit habe, solange passe ich nicht auf. Meine Erfahrung.

    Also ich muss sagen, so recht will mir das auch nicht einleuchten :wink:
    Ich habe nicht die Kontrolle über meine Krankheit, wenn ich (wieder) saufe, das ist mir klar.
    Der Kontrollverlust ist ja ein Symptom meiner/unserer Krankheit.

    Aber trocken??
    Ich habe ja meine Krankheit bisher stoppen können, und das ist ja etwas, was ich auch willentlich ausübe.
    Wie außer "Kontrolle" sollte ich das denn sonst nennen? :wink: Mir fällt grad kein besseres Wort ein.
    Ich sehe mich nicht als willenloses Opfer meiner Krankheit, sondern kann sie durch eigenes Verhalten beeinflussen, also kontrollieren.
    Trocken habe ich diese Kontrolle, nass aber nicht mehr.
    Hinzu kommt, das meine Birne nicht mehr nasss tickt, und auch auf die eigenen Gedanken kann man Einfluss nehmen.
    Das Unterbewußtsein ignoriere ich hierbei mal kurz :wink:

    Ich bin also der Meinung, das ich trocken weiß, was ich tue.
    Und solange kann ich doch auch einigermaßen vernünftig denken, was die Krankheit betrifft, oder nicht?
    Ich weiss ebenfalls, was passieren wird, sollte ich wieder saufen.
    Wer, wenn nicht ich, sollte denn die Krankheit "kontrollieren" können?
    Könnte ich das nicht, würde ich doch längst wieder saufen?

    Vielleicht verstehe ich Dich aber auch nur miß ?

    LG Sunshine

  • Hallo ClaudiA

    Zitat

    Ich versteh es manchmal selbst nicht. :lol: Bei mir laufen die Antworten irgendwie so schnell auf Papier, da denke ich gar nicht sofort nach, ob jemand mich auch versteht. Entschuldigung

    Als Alkoholiker ist die Grundeigenschaft der Kontrollverlust. Im nassen Zustand sichtlich durch Saufen ausgeprägt . Da lauft ja im Vorfeld etwas unkontrollierbares ab. Selbst wenn ich aufpasse habe ich da keine Chance. Das würde mir ja auch im trockenen Zustand auch passieren wenn ich wieder Saufen würde.

    Nun ging es bei Paul darum im Vorfeld sich schon Strategien zu überlegen wie er den Abend ohne Schaden überlebt. Ich kann mich im trockenen Zustand zwar schützen oder rational überlegen, jedoch nicht ausschließen wenn ich eine Armlänge am Glas sitze, das mir nichts passiert. Ich kann zwar aufpassen aber im Extremfall mich nicht drauf verlassen. Ich habe nie eine 100% Kontrolle über das Aufpassen. Meine Post war in Bezug auf die Krankheit im nassen Umfeld gemünzt

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Zitat

    Ich kann mich im trockenen Zustand zwar schützen oder rational überlegen, jedoch nicht ausschließen wenn ich eine Armlänge am Glas sitze, das mir nichts passiert.
    Ich kann zwar aufpassen aber im Extremfall mich nicht drauf verlassen.
    Ich habe nie eine 100% Kontrolle über das Aufpassen. Meine Post war in Bezug auf die Krankheit im nassen Umfeld gemünzt.

    Das sehe ich auch so. Man sagt ja auch nicht umsonst, das wir immer nur eine Armeslänge vom Alk entfernt sind.
    Ganz so krass sehe ich das nach vielen jahren Trockenheit zwar nicht mehr, aber grundsätzlich ist es wohl doch so. Vielleicht sind es nun bei mir 2 Armeslängen :wink:

    Am Anfang der Abstinenz ist doch alles noch so "wackelig". Eine Stabilität baut sich erst nach einer gewissen Zeit auf.
    Auch wenn das einige nicht gern hören wollen, lese ich es doch bei LZT immer wieder so. Und ich selbst habe es auch so erlebt.
    Da darf man leicht schon mal mind. 2-3 Jahre Abstinenz veranschlagen, bis man von einer gewissen Stabilität reden kann.
    Ich würde über mich selbst sagen, das ich mich erst nach 3-4 Jahren ohne Alk einigermaßen stabil fand, ich war da echt vorsichtig mit solchen Bezeichnungen.
    Andere mögen diesen Zustand schneller erreichen, andere brauchen vielleicht auch noch länger.
    Ist auch egal, es ist kein Wettlauf, eine stabile Trockenheit möglichst schnell zu erreichen.
    Das ist eher ne Lebensaufgabe, diese zu erreichen und beibehalten zu können.

    Und wenn ich noch wackelig bin, weil die Abstinenz eben noch so frisch ist, würde ich mir doch lieber zusätzliche Sicherungen einbauen
    anstatt mich in nassen Umfeld rumzudrücken.
    Da gehe ich also doch lieber erst gar nicht hin,ehe ich da in eine gefährliche Situation reinrutsche.
    Mir ist aber auch bekannt, das sich manche Situationen unerwartet und unvorhersehbar ergeben können.
    Das ist mir auch mehrmals so passiert, man kann eben nicht alles vorhersehen.
    Aber dann kann man die Situation meiner Meinung nach auch IMMER verlassen.
    Mich kann ja niemand irgendwo festnageln :wink: und wenn ich sonstwo bin... da geh ich lieber 10 Kilometer zu Fuss durch die Botanik nach Hause,
    ehe ich mich in Gefahr begebe.
    Und man darf auch JEDERZEIT sagen, das man sich in einer Situation nicht mehr wohl fühlt und gehen möchte,
    ohne das jemand das Recht hat, deshalb böse zu sein.
    Dafür muss man aber auch ehrlich sich selbst gegenüber sein, über eine gewissse Fähigkeit der Selbstreflektion verfügen.
    Und nicht sich selbst was vormachen oder zu versuchen die warnenden Gefühle zu übertünchen.
    Denn das gibt nix Gutes.

    LG Sunshine

  • Hallo Sunshine

    Zitat

    Und man darf auch JEDERZEIT sagen, das man sich in einer Situation nicht mehr wohl fühlt und gehen möchte, ohne das jemand das Recht hat, deshalb böse zu sein.

    Ob da jemand böse wäre oder nicht ist mir ziemlich egal. Denn es würde ja nur in sein Weltbild passen. Wenn ich jedoch der Urheber eines solchen Treffen bin, bei dem Alkohol ausgeschenkt wird, mache ich es mir es erstmal selbst schwer dann zu reagieren. Ich frage mich dann auch was ich mir damit beweisen will. Dazu zu gehören ,es macht mir nichts aus . Schaut mal her, so schlimm ist es gar nicht. Bei einer Einladung weiß ich ja es im Vorfeld und kann mich darauf einstellen.

    Am Anfang , da ging es beim Paul, ist das eben immer ein Tanz auf dem Drahtseil. Bei längerer Trockenzeit und Stabilität habe ich zumindest schon Sicherungen eingebaut. Ich kann nicht alles verhindern aber es hindert mich auch niemand daran etwas für mich zu tun.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo zusammen,

    „Ein paar Tage krank jetzt säuft er wieder Gott sei Dank“! Wer kennt diese Saufsprüche nicht, die dazu hergehalten hatten sich die Sucht immer wieder in Erinnerung zu rufen und eine Begründung für sein Trinkverhalten zu haben.

    Nun ist auch im umgekehrten Fall, das Trocken bleiben die Priorität 1. In Erinnerung zu halten. Am Anfang des Weges noch verkrampft jedoch mit der Zeit spielt sich ein Routine ein die in eine Normalität über geht. Die Ängste es nicht zu schaffen wurden durch die Überzeugung abgelöst.

    Es ist zwar ein fortlaufender Prozess ohne jedoch jeden Tag eine Hab Achsstellung einzunehmen und Alles um mich herum auf die Krankheit zu projizieren. Gebe ich der Krankheit den Spielraum alles in einem Zusammenhang zu sehen, dann würde ich mich nie vom Alkohol loslösen können. Ich wäre weiterhin gefangen in einer „trockenen Sucht“ Loslösung vom Alkohol bedeutet nicht das Wegstellen des Glases sondern das Loslassen im Kopf.

    Angelehnt an Correns Gedanken sehe ich es auch so das es kein Sprint ist, sondern ein Marathon. Ein entspannter Marathon.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo

    um den Thread mal wieder ins Leben zu rufen hat mich die Diskussion „Suchtgedanken fertig denken“ interessiert.

    Ich hatte ja die Erfahrung, dass es besser ist, es nicht zu tun. Wenn ich die Alkoholkrankheit mit allem Ausmaß akzeptiert habe, ist es doch irgendwie paradox etwas fertig zu denken, bei dem ich weiß das es aus einem kranken Verhalten kommt.
    Muss ich mir etwas vor Augen führen was akzeptiert ist?
    Ich lebe ja mit der Krankheit und lass mich nicht von ihr leben.

    Mal wieder quer gedacht.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo Hartmut,

    für dich funktioniert das nicht, das hast du für dich erkannt. Wenn es jedoch für jemand anderen und dessen Weg aus der Sucht hilfreich ist, kann ich da zunächst nicht sehen, warum dies paradox ist. Wir sind ja alle unterschiedlich und warum sollte es dann eine Problembewältigungsstrategie nicht sein? Mir kommt beim Lesen oft das Gefühl, das es nur den einen Weg gibt, sich mit dieser Erkrankung auseinander zu setzen. Was in großen Teilen auch stimmt, (damit meine ich jetzt Fakten wie alkoholfreies Umfeld etc.) aber dies sogar auf Gedanken zu beziehen, die jemand haben oder benutzen sollte, wenn die Gefahr droht rückfällig zu werden, erscheint mir irgendwie seltsam. Und dann kommt mir in dem Zusammenhang noch eine Frage, wir reden ja hier auch von unterschiedlich ausgeprägten Phasen der Alkoholkrankheit. Worauf ich hinaus will und das ist echtes Interesse, weil ich nicht weiß ob es dazu fundierte Studien gibt. Macht es für das Suchtgedächtnis nicht auch einen Unterschied aus, wie lange man es gefüttert hat? Also ich meine damit, ist eine Umprogrammierung nach 30 Jahren nicht schwerer als nach 3 Jahren?

    Und noch eine Frage habe ich an dich persönlich. Dir hat es nicht geholfen den Gedanken zu Ende zu denken. Was war denn deine Strategie wenn du das Gefühl hattest trinken zu wollen? Das interessiert mich generell bei den LZT, also welche Werkzeuge, Gedanken etc. sie in solchen Momenten angewendet haben, was Ihnen geholfen hat.

  • Hallo Lunki,

    schön das du hier bist und dir Gedanken machst. Es sind meine gelebten Erfahrungen und keine Thesen. Deswegen kann ich auch nicht von anderen sprechen.

    Zitat

    Wir sind ja alle unterschiedlich und warum sollte es dann eine Problembewältigungsstrategie nicht sein?

    Nun gibt es sicherlich auch individuelle Wege aus der Sucht. Die hatte ich auch und bin jedes Mal daran gescheitert. Nur die Sucht selbst ist nicht individuell.

    Zitat

    wir reden ja hier auch von unterschiedlich ausgeprägten Phasen der Alkoholkrankheit.

    Wenn die Krankheit ausgebrochen ist dann sind die Phasen ja egal. Die zeigen ja nur den Weg der Krankheit auf. Oder habe ich dich falsch verstanden?

    Zitat

    Macht es für das Suchtgedächtnis nicht auch einen Unterschied aus, wie lange man es gefüttert hat? Also ich meine damit, ist eine Umprogrammierung nach 30 Jahren nicht schwerer als nach 3 Jahren?

    Nun auch da. Wenn ich Alkoholiker bin hat ja das Suchtgedächntis unabhängig von der Dauer der Krankheit einen krankhaften Verlauf und signalisiert das Alkohol die „Allround-Lösung“ wäre.

    Zitat

    Dir hat es nicht geholfen den Gedanken zu Ende zu denken. Was war denn deine Strategie wenn du das Gefühl hattest trinken zu wollen? Das interessiert mich generell bei den LZT, also welche Werkzeuge, Gedanken etc. sie in solchen Momenten angewendet haben, was Ihnen geholfen hat.

    Nun, bei anfänglichen Suchtdruck war ich recht pragmatisch. Viel Wasser trinken ohne Kohlensäure . Entspannungsübungen/Bäder. Lange Spaziergänge ohne Geldbeutel. Sport oder andre Tätigkeiten, die ich positiv besetzen konnte ausüben. Was ganz wichtig ist sich bei der SHG oder mitwissende Ansprechpartner wenden. Viele haben ja bei Suchtdruck auch manchmal ein Gefühl etwas falsch zu machen und melden sich aus einem falschen Scham heraus nicht.

    Da Suchtdruck nur zeitweise und nicht auf Dauer am Stück aufkommt, gilt es auch mal auszuhalten.

    Gruß Hartmut

    Gruß Hartmut

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  • Hallo Lunki, Hallo Hartmut,

    genau MEIN Thema :D

    Für mich persönlich (nur für mich) ist es genau der richtige Weg, den Gedanken zu Ende zu denken.

    Ich habe meine Krankheit vollkommen akzeptiert, als ich aufhörte zu trinken. Dennoch hilft es mir sehr, mich zeitweise selbst daran zu erinnern, WARUM ich aufgehört habe und WIE sehr krank ich war.

    Mir gibt das Sicherheit. Ich will mir ganz bewusst immer mal wieder vor Augen führen, was ich definitiv nie wieder will.

    Ich weiß es auch ohne diese Erinnerungen. Es gibt für mich kein Hintertürchen. Aber diese Erinnerungen sind das i Tüpfelchen meiner Stabilität.

    Liebe Grüße

  • Wenn ich mal Saufdruck habe, rede ich mit meiner Frau darüber und dann denke ich mir: Was würde denn passieren, wenn du jetzt vor Wut - oder was auch immer - einen Schnaps säufst? Genau, du würdest wie immer kein Ende finden und dich Morgen wie ausgekotzt fühlen und "wenn's gut kommt" weiter saufen. Bringt's das? Nee!
    Und fertig bin ich damit.

    Mir hilft es also, den Gedanken zu Ende zu führen.
    (Wenn meine Frau nicht "greifbar" ist, hilft mir nur der Gedanke.)

  • Ich denke diesen Gedanken nicht zu Ende, stimme eher Hartmut zu, dass es mein Suchtgedächtnis triggern könnte. Warum? Weil ich eine sozial gut angepasste Säuferin war und viele Abende hatte, an denen ich maßvoll getrunken habe, also am nächsten Tag gut aus dem Bett gekommen und im Büro leistungsfähig gewesen bin. Würde ich jetzt ein Glas trinken, würde ich mich also nicht abschießen. Aber es würde auf andere Art schlecht ausgehen und da möchte ich nie wieder hinkommen.

    Letztens ist mir noch einmal klar bewusst geworden, dass es nur noch kurze Zeit bis zum einjährigen Trockengeburtstag ist. Und da schoss mir der Gedanke durch den Kopf: "War ja gar nicht so schwer aufzuhören!"

    Hoppla! Die Gefährlichkeit dieses Gedankens war mir sofort klar. Aber das Problem war, dass ich nicht nur den Gedanken einfangen musste, sondern auch das Gefühl, das diesen Gedanken begleitet hat. Versteht ihr, was ich meine? Das Gefühl loszuwerden, dass es doch letztlich gar nicht so schwer war und ich das super geschafft habe, war schwer. Und das in einer Zeit, in der alle überall um mich herum saufen. Die Luft ist geschwängert vom Glühweinduft. Und so gesellte sich schnell ein zweites Gefühl hinzu: Wehmut! Als ob Leben ohne Alkohol ein Verzicht wäre! Ich dachte, dieses Stadium des Denkens hätte ich schon längst überwunden. Aber so schnell kann es wieder abwärts gehen mit den Gedanken und Gefühlen.

    Also habe ich mir die ersten Tage und Wochen der Abstinenz, meine Ängste, meine Suchtvermeidungsstragien, mein Bedürfnis möglichst schnell :!::lol: viele Tage zwischen mich und den Rotwein zu bringen usw. in Erinnerung gerufen. Und damit habe ich es in Griff bekommen. Jetzt sind sowohl Gedanke als auch Gefühl "So schwer war es doch gar nicht" verschwunden. Diese Erkenntnis gehört jetzt in meinen Notfallkoffer.

    Ich denke also nicht das erste Glas zu Ende, sondern erinnere die ersten Wochen des Aufhörens. Das ist sehr ähnlich, nur irgendwie andersherum.

    Ich war aber auch in dieser Zeit des "War ja gar nicht so schwer" nie in Versuchung zu trinken. Da habe ich mich sicher gefühlt, merkte nur, dass da Trockenarbeit ansteht.

    Lieben Gruß,
    MieLa

  • Hallo MiLa,

    da unterscheiden wir uns zum Beispiel auch. Ich war nicht mehr gesellschaftstauglich, wenn ich getrunken habe. Wenn ich angefangen habe zu trinken, war es nahezu jedes Mal so, dass ich nicht aufgehört habe, bis ich einen Filmriss hatte. Am Ende brauchte es nicht mal viel und ich wusste am nächsten Tag fast nichts mehr, was nach den ersten Gläsern stattfand.

    Deshalb ist es bei mir so, dass sämtliche Erinnerungen nach den ersten 2-3 Gläsern immer absolut schrecklich und katastrophal für mich sind. Vermutlich hilft es mir deshalb. Am Anfang hab ich bewusst die Situationen durchgespielt. Mir ist die Lust dann wirklich gründlich vergangen. Inzwischen reicht ein kurzer Gedanke.

    Aber es kommt von Monat zu Monat seltener vor. Irgendwie wird es immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Das ist ein schönes Gefühl irgendwie.

  • hallo hartmut

    Zitat von Hartmut

    Muss ich mir etwas vor Augen führen was akzeptiert ist?

    muss nicht, kann man aber.
    ich habe es in meinen anfangszeiten genauso gemacht. ich habe ziemlich oft unter saufdruck gelitten, fast täglich in meiner anfangszeit.
    es hat mir immer geholfen wenn ich mir vorgestellt habe was passieren würde wenn ich auch nur ein einziges bier trinken würde. ich wusste es aber auch wo es hingeführt hätte wenn ich wieder gesoffen hätte, trotzdem habe ich diesen gedanken immer zu ende gedacht. ich weiß nicht wie es erklären könnte, aber es hat mir in meiner anfangszeit irgendwie eine gewisse kraft gegeben.
    es war ja bei mir am anfang so, das ich zwar körperlich trocken war, aber mein kopf eben immer noch nass. ist ja auch kein wunder, ich war doch jahrelang nur auf`s saufen fokussiert, da konnte ich gar nicht von heute auf morgen trocken denken, so sehr ich mir das auch gewünscht habe, es funktionierte nun mal nicht. bei mir hat es einige zeit gedauert bis sich das nasse denken in trockenes denken umgewandelt hat. und damit meine ich nicht nur ein paar wochen oder monate, es hat wirklich so seine 2 - 3 jahre gedauert. erst dann kam auch so langsam eine gewisse stabilität was meine trockenheit betrifft.

    Zitat von "Hartmut"

    Ich lebe ja mit der Krankheit und lass mich nicht von ihr leben.


    das tue ich auch, mit der krankheit leben. mich von der krankheit leben lassen tue ich heute nicht mehr.
    grüße
    NNGNeo


  • Hallo Lunki,

    schön das du hier bist und dir Gedanken machst.

    Moin Hartmut,

    ja, ich sauge alles auf wie ein Schwamm im Moment. Höre Hörbücher zum Thema, lese Bücher und im Forum und auch auf anderen Seiten zum Thema Alkohol und Sucht allgemein. War jetzt schon zweimal in einer Buchhandlung in der nächst gelegenen Stadt und muss sagen das Angebot zum Thema Alkohol und Sucht ist dort sehr dürftig. Da gibt es zwar ein riesen Regal zu Gesundheitsthemen, aber über Sucht und Alkohol haben die genau zwei Bücher da, dieses Werk von Edgar Allen Carr (oder wie der heißt, der auch die Bücher zum Rauchen geschrieben hat) Was ich mir noch nicht mal angeschaut hab, denn ich denke das ist nur sinnvoll für ihn selbst, denn es vergrößert sein Bankkonto :lol: und ein Buch von so einer Lifestyle Frau: Nüchtern betrachtet, war das ganze nicht so berauschend) das habe ich vor zwei Wochen gekauft, das haben sie inzwischen nachbestellt, sonst nix! Aber eine riesen Auswahl an vernöstlichen Weisheiten, jede Menge über andere Erkrankungen, egal wie selten und exotisch. Angesichts des riesen Ausmaßes des Problems Alkohol in unserer Gesellschaft, finde ich das Angebot doch sehr dürftig. (Gut, man kann sich anderweitig Literatur besorgen, aber dennoch macht mich das nachdenklich)

    Ah so ja, ein Buch hatten Sie da noch zum Thema und zwar stapelweise:

    Warum Abstinenz die Gesundheit gefährdet und Sex vor Krebs schützt: Anti-Aging-Geheimnisse für Genussmenschen :roll: öhm, genau das ist doch irgendwie Teil des Problems in unserer Gesellschaft mit dem Umgang einer Droge, die gefährlich ist und abhängig macht und das in größerem Ausmaß, als viele illegale Substanzen. Hat mich schon nachdenklich gemacht.

    Vielen Dank für deine Persönlichen Erfahrungen und Bewältigungsstrategien. Ich finde das sehr hilfreich, denn so bekomme ich Ideen und kann schauen, was davon auch für mich hilfreich und sinnvoll sein könnte. Gibt es hier ein eigenes Thema dazu? also wo genau drin steht, was Leuten geholfen hat, wenn Sie in einer Situation mit großem Suchtdruck waren? Steht sicher in vielen Tagebüchern, fänd ich aber hilfreich es separat und genau auf diesen Inhalt bezogen in einem eigenen Thema zu haben.

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