• Liebe Community,

    ich lese schon etwas länger in diesem Forum.

    Nun möchte ich mich und meine Geschichte vorstellen.

    Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet, keine Kinder. Ich habe eine jüngere Schwester, ansonsten lebt der Großteil der Familie im Ausland.

    Im Moment macht mir mein Vater sehr zu schaffen. Meine Mutter ist bereits 2011 verstorben, sie war 45 Jahre alt, verstarb scheinbar an plötzlichem Herzversagen. Genaueres wissen wir nicht, da mein Vater eine Obduktion verneint hat.

    Mein Papa ist vor kurzem 59 Jahre geworden und trinkt schon seit vielen Jahren. Früher, als unsere Mama noch lebte, immer mal wieder, wie es so ist. Mal ein Feierabend-Bier hier, mal ein Schnaps da. Im Nachhinein betrachtet natürlich zu oft. Seit dem Tod meiner Mama geht es mit ihm bergab. Einige Jahre nach dem Tod seiner Frau hat er eine Freundin gehabt, ies war völlig in Ordnung für uns, wir haben uns sehr für ihn gefreut. Im Moment sind sie nicht zusammen, sie erträgt seinen aktuellen Zustand nicht und kann nicht mit ihm leben kann. Er hat es nie geschafft über den Tod seiner Frau, unserer Mutter hinweg zu kommen.

    Unser Vater war all die Jahre voll berufstätig. Mitte 2018 begann es, dass er oft krank war und nicht arbeiten konnte; 2019 fehlte er oft unentschuldigt, ging teilweise betrunken in die Arbeit (Staplerfahrer), wurde nach Hause geschickt. Er behauptet, dass genug Mitarbeiter da waren und er deshalb nach Hause sollte. Dies war natürlich nicht die Wahrheit. Im Laufe der letzten Jahre weigerte er sich sogar Termine beim Betriebsarzt wahrzunehmen, der seine Arbeitsfähigkeit beurteilen sollte. Es kam soweit dass er zum Ende diesen Monats nach über 20 Jahren gekündigt wurde.

    Im Januar/Februar wurde er mehrfach mit Hilfe der Feuerwehr aus seiner Wohnung geholt, er hat mehrere Klinikaufenthalte hinter sich, in denen er stets verleugnet, dass er ein Problem hat. Die klinischen Zeichen sowie Laborwerte und sein Zustand sprechen da eine andere Sprache. Er hat einen Betreuer, der für die meisten Bereiche zuständig ist. Meine Schwester und Ich wollten und konnten diesen Part nicht übernehmen; wir sind selbst beide gesundheitlich sehr angeschlagen und noch auf dem Weg der Genesung.

    Die Leberwerte unseres Vaters sind katastrophal, die Leber versagt langsam, der Alkohol hat mittlerweile das Gehirn geschädigt, er leidet am Korsakow-Syndrom, hat Phasen, in denen er verwirrt ist und nicht weiß wo er ist.

    Durch seinen Alkoholkonsum hat er keinen Führerschein mehr; fährt dennoch Auto; sobald wir ihm den Schlüssel wegnehmen wollen, wird er uns gegenüber aggressiv.


    Die Lage ist aussichtslos. Seit Anfang diesen Jahres beschimpft er uns immer wieder. Nach einem Tag weiß er nichts mehr davon. Die Situation ist unerträglich für mich und meine Schwester.
    Natürlich machen wir uns Sorgen, er ist immer noch unser Vater, aber diese Woche hat sich die Situation so zugespitzt, dass wir jetzt beschlossen haben den Kontakt erstmal komplett abzubrechen. Ich kann im Moment einfach nicht mit ansehen wie er sein Leben wegschmeißt und am Alkohol zugrunde geht.

    Es tut gut mal alles niederzuschreiben. Ich bin gespannt auf den Austausch hier.

    Ich wünsche Allen einen schönen, ruhigen Abend.

  • Hallo Wunder_87,

    schön dass du da bist. Ich versuche auch den Kontakt zu meiner Mutter zu minimieren. Wir wohnen unter einem Dach. Bei ihr ist es aber noch nicht so krass wie bei dir. Meine Mama ist im Ruhestand, kann seit einer Krebs OP einfach gar nichts mehr, sie hat sich total aufgegeben, obwohl sie organisch gesund ist. Sie trinkt den lieben langen Tag aber bis auf einen heftigen Treppensturz ist zum Glück nichts geschehen…

    Es ist lieb von dir hier deine Geschichte zu erzählen. Ich hoffe sehr, dass dein Papa sein Problem noch einsieht. Meine Mama weiß dass sie zu viel trinkt, aber sie ist nicht bereit grundsätzlich auf den Alkohol zu verzichten. Es zerreißt einen auch wenn man weiß, dass sie für sich selbst verantwortlich sind. Wenn du eine Strategie kennst, wie man das ertragen kann, teil sie bitte mit uns…

    LG Sporty

  • Er hat einen Betreuer, der für die meisten Bereiche zuständig ist.

    Hallo Wunder_87,

    den Betreuer immer wieder darauf ansprechen. Vermutlich bleibt nur noch eine Entmündigung.

    Habe es zweimal in der Familie erlebt. Da beide Geschwister keine Hilfe angenommen haben, bzw. ja angeblich kein Problem hätten, habe ich mich der Situation entzogen, da auch selbst betroffen.

    Auch wenn es noch ein paar Jahre gedauert hat, habe ich beide der Reihe nach zu Grabe getragen. Von jetzt auf gleich versagen die Organe eventuell noch durch einen Sturz begünstigt.

    Brutal, das Endergebnis einer Alkoholsucht.

    Wünsche alle Kraft der Welt

    Topema

  • Guten Abend,

    Vielen Dank für eure Antworten.

    Mittlerweile hat sich die Situation weiterhin zum noch schlechteren verändert. Unser Vater war mittlerweile wieder auf Intensivstation und ist erst fast drei Wochen nach Einlieferung nach Hause entlassen worden.

    Während des Aufenthaltes haben wir bereits in Zusammenarbeit mit dem Betreuer, der seine Arbeit wirklich sehr gut macht, einen Antrag auf Unterbringung bei Gericht gestellt.

    Seit unser Papa wieder daheim ist, trinkt er wieder, was leider zu erwarten war.

    Der Richter hat nun entschieden, dass er für ein Jahr in einer geschlossenen Wohngruppe untergebracht werden darf/soll. Der nächste Schritt wird sein, ihn in einen Entzug zu schicken. Und danach „zwangsweise“ in eine Wohngruppe einziehen zu lassen.

    Er wird es nicht wollen, aber es funktioniert nicht zuhause. Sobald er dort ist, geht das Trinken wieder los und der nächste Sturz/Unfall ist vorprogrammiert.

    Es klingt vielleicht fies, aber das Urteil des Richters hat uns „gefreut“. So wissen wir nun, dass Papa an einen sicheren Ort kommt, wo er leben kann ohne, dass wir Angst haben müssen, dass ihm wieder etwas passiert und keiner ist bei ihm. Ich hoffe ihr wisst wie ich es meine.

  • Mittlerweile hat sich die Situation weiterhin zum noch schlechteren verändert.

    Guten Morgen Wunder,

    Du hast alles getan was in deiner Macht steht um deinem Vater zu helfen. Da ist nichts "fies" daran, im Gegenteil.

    Ist doch alles positiv verlaufen und wer weiß, wie sich dein Vater erholt und neue Lebensenergie schöpft.

    Beste Grüße

    Topema

  • Hallo Wunder,

    das sind alles sehr schwere Entscheidungen und Abläufe mit zum Glück hohen Hürden.

    Beim Lesen hat sich in mir drin alles gesträubt, weil ein erwachsener Mensch quasi entmündigt wird. Denn "eigentlich" ist es so, daß man sich zu Tode trinken "darf".

    Aber als Angehöriger kann man halt auch nicht zuschauen, wie ein Elternteil sich täglich in Lebensgefahr bringt. Ich weiß, daß es Heime gibt für Alkoholiker, wo sie bis zum Schluß trinken dürfen.

    Es ist eine Gratwanderung. Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wie kann man ihm noch ein einigermaßen gutes und sicheres Leben ermöglichen? Wer kann professionell helfen?... Alles nicht so einfach.

    Wie geht es dir denn, kommst du bissel zu Ruhe jetzt wo du weißt, daß er aufgehoben ist?

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo,

    vielen Dank für eure Nachrichten.

    Uns ging es neben der "sicheren" Unterbringung für Papa auch um seine Mitmenschen. Wir können und wollten es nicht hinnehmen, dass er möglicherweise noch jemanden anfährt/überfährt, da er bis zum Ende noch der Meinung war/ist, dass er Auto fahren kann und darf (auch ohne Führerschein).

    Ich kann verstehen wenn in einigen die Gedanken bei der ganzen Geschichte aufkommen, dass man sich ja zu Tode trinken "darf". Das sehe ich mittlerweile auch zum Teil so. Es ist sein Problem, seine Krankheit und seine Art mit den Geschehnissen der letzten Jahre umzugehen; dennoch hat er nicht das Recht anderen in seiner Umgebung damit zu schaden!

    Aktuell ist Papa gut untergebracht, er lebt sich langsam ein in seiner Wohngruppe. Ich glaube er fängt langsam an seine Situation zu akzeptieren. Wir sehen, dass ein geregelter Tagesablauf, feste Mahlzeiten, um die er sich nicht selbst bemühen muss, Menschen, die ihm helfen, gut tun. Er schreibt wieder Nachrichten übers Handy, die Monate vorher waren es nur noch bößartige, verletzende Sprachnachrichten. Er frag wie es uns geht, was er lange nicht mehr getan hat. Er hat teilweise wieder Erinnerung an einige Dinge, was uns einfach zeigt, dass diese Unterbringung gerade gut für ihn ist und ihn erstmal gerettet hat.

  • Hallo Wunder,

    schön zu lesen, daß dein Vater sich einlebt und sich seine Situation verbessert hat.

    Viele Grüße, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo,

    habe jetzt erst eure Nachrichten gesehen.
    Mittlerweile ist Weihnachten und die Situation ist weiterhin die gleiche. Wir haben Papa über die Heiligabend einige Stunden zu uns nach Hause geholt. Seine erste Frage nach 5 Minuten Autofahrt war, ob wir nicht an der Tankstelle anhalten und alkoholfreies Bier holen können. Wir wussten nicht was wir machen sollen, da wir ja wissen, dass auch in scheinbar "alkoholfreiem" Bier noch etwas Restalkohol sein kann. Wir haben es beide verneint, auf der 1 stündigen Fahrt hat er noch ein zweites Mal vehementer nachgefragt und diskutiert, wir sind hart geblieben und haben keins geholt.

    Die Stunden zuhause war recht schön, dennoch war Papa zeitweise sehr nachdenklich und etwas traurig. Aber die Situation im Auto hat mir gezeigt, dass noch absolut keine Einsicht oder auch nur jegliches Verständnis für die Probleme da sind.

    Mir geht es soweit okay, ich denke oft an die Zeit nächstes Jahr. Und frage mich, was ist wenn die Unterbringung ausläuft? Was wird sein? Wird er bis dahin das Problem erkannt haben? Fängt alles wieder von vorne an? Nochmal überstehe ich das nicht. Davor hab ich Angst.

    Ich weiß, ich sollte mehr im Jetzt Denken/Leben, da es ihm dort gerade ganz gut geht, er sicher ist und wir uns keine Sorgen machen müssen.

  • Hallo WU,

    ich möchte dir nicht alle Hoffnungen nehmen, doch ich befürchte du kämpfst auf verlorenen Posten. Ich erlebte ähnliches, mein Vater schon immer dem Alkohol angetan, stürzte nach dem Ende seiner zweiten Beziehung gänzlich ab, mind. 1 Flasche Korn am Tag, er konnte es sich leisten auf Grund seiner guten Rente, gute 10 Jahre konnte ich ihn ertragen, er lebte allein und ich half, wo ich nur konnte, dann wendete ich mich von ihm gänzlich ab (es ging zu sehr an meine Substanz !!!), telefonisch versuchte ich noch Kontakt zu halten, doch auf Grund seines ständigen Besoffenseins waren es eher fruchtlose Versuche. Dann brannte sein Haus (im Suff wohl mit offenem Feuer und Benzin/ Ofenheizung hantiert), er kam mit div. Verbrennungen für mehrere Wochen in die Klinik, künstl. Koma etc. .

    Kaum entlassen, begann das Saufdrama von neuem, welches dann noch ca. 5 Jahre anhielt, er starb dann mit 74 Jahren, offiziell an Krebs.

    Solange dein Vater halbwegs geordnete Strukturen (Krankenhaus/ Heim) hat, mag es gelingen.

    Sind diese Strukturen nicht mehr vorhanden …

    Ich habe ähnliche Dramen auch bei Anderen beobachten dürfen und kann nur jeden betroffenem Kind/ Angehörigen raten, schützt euch selbst, wenn „der liebe Papa“ säuft, säuft er. Ihr könnt ihn durch nichts auf der Welt davon abbringen, wenn er es nicht will.

    … sehr traurig, sehr wahr!

    Viel lieber hätte ich eine aufbauende Geschichte erzählt.

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