Merlyn - Alkoholkranke Mutter bricht Brücken ab

  • Hallo,

    Ich bin 33 Jahre alt und somit erwachsene Tochter einer alkoholkranken Mutter (66 Jahre). Wie bei vielen hat die Sucht schleichend angefangen, aber ich kann mich erinnern, dass es mir zumindest schon im Jugendalter bewusst war. Damals hat uns als Familie jedoch vordergründig das Rauchen gestört und die beginnende Zerrissenheit der Familie eher darauf bezogen. Z.B. dachten wir, dass sie nicht mehr mit uns wandern gehen will, weil die Lunge vielleicht nicht mehr so stark ist.

    Sowohl mein älterer Bruder als auch ich leben mit unseren jeweiligen Familien eigenständig in anderen Städten.

    Die Problematik der Alkoholsucht ist in den letzten Jahren immer deutlicher hervorgetreten, mit körperlichen Abstürzen wie einer Varizenblutung und Wassereinlagerungen, aber auch zunehmend kognitiven Symptomen wie Vergesslichkeit.

    Nach anfänglichem Leugnen ist sie nun soweit, dass sie erzählt, schon zweimal einen kalten Entzug zuhause geschafft zu haben, aber in ihrer Sichtweisen sind alle anderen Probleme wichtiger und Schuld an ihrer schlechten Verfassung sind all diese Probleme und die Menschen um sie herum, also v.a. Mein Vater, ihre eigene Mutter und wir Kinder.

    Seit August ist nun eine neue Stufe erreicht, wo sie das Haus nicht mehr verlässt, fast nur noch in ihrem Zimmer ist, ab und zu meinem Vater Zettel schreibt oder uns Textnachrichten aufs Handy. Der Wein wird Kanisterweise übers Interrnet bestellt und vor die Tür geliefert. Problematisch ist daran für uns v.a. Die zunehmende Aggressivität, wo sie z.b. zuerst wünscht, dass mein Vater ihr etwas bestimmtes kochen soll, nur um ihm danach an den Kopf zu werfen, dass er ab jetzt woanders kochen soll, weil sie den Geruch nicht erträgt. Sie kommt nicht mehr zu Besuch und als wir kommen wollten, hat sie geschrieben, wir sollen im Hotel übernachten, weil sie überall geraucht hat. Nachdem mein Vater uns besucht hatte, haben wir Ausflugsfotos in den Gruppenchat gestellt und ihr geschrieben, was wir mit den Kindern gespielt haben (meine Tochter ist absolut vernarrt in sie und bisher hatte das auf Gegenseitigkeit beruht). Darauf hat sie geantwortet, dass sie das gar nicht wissen will.

    Ich selber war vor 2 Jahren in einer Beratungsstelle und habe meiner Mutter auch gesagt, dass ich sie jederzeit begleiten würde dorthin, aber sie meint, dass man solche Probleme nicht auslagern kann und dass sie einen Entzug längst wieder geschafft hätte, wenn wir ihr keine Angst gemacht hätten davor.

    Ich frage mich nun, wo das hinführt und jedes Mal neu, wie ich mich positionieren soll. Ist es irgendwie möglich, jemandem Suchtkranken aufzuzeigen, dass die Problemlösung mit dem Alkohol anfangen muss und dann auch wieder Kraft für anderes da ist?

    Ich bin meinen Kindern (3 und 6 Jahre) und ihrer Mutter (92 Jahre) ehrlich gegenüber bei diesem Thema, wenn sie mich fragen, was los ist, aber frage mich immer wieder, wie ich das am besten erkläre...?

    Gibt es Erfahrungen andere Ehepartner, die noch im Seniorenalter versucht haben, die Co-Phase zu beenden?

    Ich fand es schon sehr hilfreich, von anderen Betroffenen und v.a. Auch die Beschreibungen von trockenen Alkoholikern zu lesen, also vielen Dank für dieses Forum! Eine Selbsthilfegruppe für EKAs gibt es in meiner Nähe leider keins.

    Liebe Grüsse

  • Hallo und willkommen Merlyn,

    Gibt es Erfahrungen andere Ehepartner, die noch im Seniorenalter versucht haben, die Co-Phase zu beenden?

    Ab wann ist für dich Seniorenalter? Fragst du wegen deines Vaters?

    Im Grunde genommen ist es nie zu spät, etwas an seinem Leben zu ändern. Man muss halt nur den ersten Schritt machen und zwar SELBST. Man kann Hilfe von allen Seiten annehmen aber gehen muss jeder den Weg von sich aus. Solltest du also deinen Vater meinen dann kannst du ihm vorschlagen, sich an Suchtberatungsstellen zu wenden, an Selbsthilfegruppen teilzunehmen usw.

    Ich selbst war 49 Jahre alt, als ich mich nach 26 Ehejahren von meinem ersten, alkoholkranken Mann trennen konnte.

    Deine Mutter verhält sich wie die meisten Alkoholkranken, von denen ich gehört und gelesen habe. Da wird die Schuld, dass sie nicht aufhören kann, auf alles andere geschoben, eben auf euch Kinder, den Ehemann, das Wetter, die Steuererhöhung, die Wärme, die Kälte, die schlechte Luft, der Bratengestank...

    Ist es irgendwie möglich, jemandem Suchtkranken aufzuzeigen, dass die Problemlösung mit dem Alkohol anfangen muss und dann auch wieder Kraft für anderes da ist?

    Es ist sehr schwierig an einen nassen Alkoholiker heran zu kommen. Solange keine eigene Einsicht da ist, solange der Kranke selbst nichts ändern will, so lange kannst du dir den Mund fusselig reden. Deine Mutter weiß mit Sicherheit selbst, was mit ihr los ist aber sie hat weder Kraft noch Mut noch Lust, etwas zu verändern.


    Ich bin meinen Kindern (3 und 6 Jahre) und ihrer Mutter (92 Jahre) ehrlich gegenüber bei diesem Thema, wenn sie mich fragen, was los ist, aber frage mich immer wieder, wie ich das am besten erkläre...?

    Deine Kinder sind noch relativ klein aber durchaus in der Lage, die Dinge zu verstehen. Da reicht erst mal, denke ich jetzt mal, ihnen kindgerecht zu sagen, dass ihre Oma schwer krank ist. Denn Alkoholismus ist eine anerkannte Krankheit. Und dann kannst du bestimmt selbst viel besser als alle anderen einschätzen, was du noch erzählst oder ob sie fragen. Es gibt keine Lösungsanleitung, du wirst das mit Sicherheit richtig machen, wie du das mit ihnen beredest. Vertrau da mal deinem Instinkt!

    Auch der Mutter kannst du das erklären. Ich weiß nicht, wie sie drauf ist, 92 ist ja schon ein gutes Alter.

    Ich kann dir ein gutes Buch empfehlen, in dem wird sehr anschaulich und auch für Laien sehr gut erklärt, was Alkoholismus bedeutet.

    "Alk, ein fast medizinisches Fachbuch" von Simon Borowiak.

    Aber es ist noch was anderes wichtig. Alkoholismus ist eine Familienkrankheit. Das merkst du ja selbst. Dein Vater ist mitbetroffen als Prtner und coabhängig, du bist mitbetroffen und wie sieht es da mit Coabhängigkeit aus? Auch die Kinder merken ja, dass was nicht stimmt.

    Möchtest du dich denn hier FÜR DICH austauschen? Es gibt hier einige EKAs.

    Liebe Grüße

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Merlyn,

    herzlich willkommen hier. Ich schreibe dir als trockene Alkoholikerin, aber hier sind auch einige EKAs unterwegs, die dir bestimmt auch noch schreiben werden.

    Ich wollte dich aber gerne schon mal begrüßen und dir sagen, dass du hier auf jeden Fall guten Austausch finden kannst.

    Und ich wollte dir sagen, dass du deiner Mutter leider nicht helfen kannst. Der Punkt, an dem deine Mutter evtl. ihren Tiefpunkt erreicht, kann von niemand anderem herbeigeführt werden.

    Auch dein Vater muss seinen eigenen Weg finden, und auch für ihn bist du nicht verantwortlich.

    Ich wünsche dir hier noch einen hilfreichen Austausch.

    Und alles Gute für dich und deine eigene Familie.

    Herzlichen Gruß

    Thalia

    52, Mutter und trocken seit 2013

  • Vielen Dank schonmal für eure schnellen Antworten, gerade beim ersten Post ist man ja sehr ungeduldig und neugierig auf Antworten.

    Danke auch für den Literaturtipp, das nehme ich mir gleich vor.

    Ab wann ist für dich Seniorenalter? Fragst du wegen deines Vaters

    Mit Seniorenalter meine ich in diesem Fall das Leben nach der Berufstätigkeit. Meine Mutter hat zwar schon seit 36 Jahren keinen Beruf mehr ausgeübt, aber mein Vater ist noch nicht so lange in Rente und seitdem gibt es natürlich noch mehr Reibereien, weil sie es ja jetzt fast ununterbrochen unter einem Dach aushalten müssen. Bei der Frage geht es mir um die Konstellation, dass es gemeinsames geteiltes WohnEigentum gibt, was eine Trennung schwierig macht und die Suchtlage schon so fortgeschritten ist, dass ein Auszug meines Vaters mit Auflösung des Wohneigentums und finanzieller Trennung wohl nur über Anwaltskrieg laufen könnte und meine Mutter dann wirklich in eine sozial prekäre Situation gebracht werden würde. Denn sie wäre jetzt nicht mehr in der Lage, sich Selbstbedienung Wohnung zu suchen und einen Haushalt zu schmeissen.

    Meinem Vater habe ich auch schon nahe gelegt, dass er mal in eine Beratung geht, aber die ganze Familie meint immer, das muss man schon selber schaffen können oder es kann eh keiner. Ich muss allerdings sagen, dass ich meinen Besuch bei der Suchtberatung tatsächlich nicht sonderlich hilfreich empfunden habe, da muss man wohl auch Glück haben, an wen man gerät.

    Und ja, ich möchte mich gerne für mich austauschen, weil ich merke, dass das Thema mehr Raum in meinem Leben einnimmt, als ich möchte. Ich habe Angst, wenn mein Handy vibriert, dass irgendein gemeiner Post von ihr kommt. Ich rufe von alleine nicht mehr zuhause bei meinen Eltern an und wenn mein Vater mich anruft, legt er auf, wenn er sie auf der Treppe hört, damit sie nicht mitkriegt, wie wir uns über sie austauschen... ich bin noch nicht bereit, zu akzeptieren, dass ich sie und mein Elternhaus evtl. nie mehr sehen werde.

    Ob ich ein Co bin, weiss ich nicht genau. Ich bin nicht beteiligt daran, das System aufrecht zu erhalten im materiellen Sinn, durch andere Sachen wie Ansprechen und Trotzreaktionen aber vermutlich durchaus.

    Ich schäme mich dafür, aber heimlich wünsche ich mir fast, dass sie bald stirbt, damit ich wenigstens meinen Vater und meine Heimat wieder entspannt besuchen kann und das Thema endlich nicht mehr so viel Raum einnimmt. Nun ist es raus. Ich liebe sie, aber nicht so, wie sie jetzt ist und ich fürchte, dass die Mutter, die ich liebe, selbst bei einem sehr unwahrscheinlichen Entzug, nicht mehr auftaucht.

  • Hallo Merlyn,

    du brauchst dich für deine Gedanken nicht zu schämen, denn sie sind nachvollziehbar. Und es sind "nur" Gedanken, die aus der Hilflosigkeit der ganzen Situation folgen. Ich kenne aber aus einem anderen Zusammenhang auch solche Gedanken und auch die Scham darüber. Und deshalb weiß ich, wie gut das helfen kann zu denken, es sind nur Gedanken, die aus meiner Hilflosigkeit, Angst und Sorge resultieren und in dem Zusammenhang ist es verständlich zu wünschen, dass es da mal Entlastung gibt. Solche Gedanken zu haben ist in diesen Situationen nicht unnormal!

    Du kannst dich nun hier:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    bewerben.

    Du wirst dann freigeschaltet für den Austausch und wenn du möchtest verschieben wir dieses Thema hier, das du hier eröffnet hast, in den passenden Bereich. Da kannst du dich dann weiter austauschen. Sag hier einfach Bescheid ob du das möchtest oder ob du lieber im offenen Bereich ein neues Thema aufmachen willst.

    Lieber Gruß

    Aurora

    Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten.


    chinesische Weisheit

  • Hallo Merlyn,

    herzlich Willkommen!

    Der Austausch hier tut dir sicherlich gut und manchmal reicht es ja schon fast, wenn man sich etwas von der Seele schreiben kann 😊

    Ich selbst gehöre zu den EKAs, was mir aber noch gar nicht so lange wirklich bewusst ist.

    Ich schäme mich dafür, aber heimlich wünsche ich mir fast, dass sie bald stirbt, damit ich wenigstens meinen Vater und meine Heimat wieder entspannt besuchen kann und das Thema endlich nicht mehr so viel Raum einnimmt. Nun ist es raus. Ich liebe sie, aber nicht so, wie sie jetzt ist und ich fürchte, dass die Mutter, die ich liebe, selbst bei einem sehr unwahrscheinlichen Entzug, nicht mehr auftaucht.

    Du schreibst sehr viel, wo ich mich selbst wieder finde, aber diese Sätze haben mich besonders berührt.

    Hör auf dich zu schämen! Es ist ein verständlicher und menschlicher Gedanke und ich finde nicht, dass man sich dafür auch noch schämen sollte. Aus diesem Gedanken spricht doch vor allem die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Leben für dich und deine Kinder und die Trauer um die Mutter, die du früher in ihr sehen konntest.

    Ich habe mit ca. zehn Jahren angefangen mich regelmäßig in eine Welt zu träumen, in der der ich ein Waisenkind war, befreit von meinen leiblichen Eltern. Schlimm genug, zu solchen Gedanken getrieben zu werden. Da sollte man sich nicht auch noch für schämen müssen.

    Liebe Grüße, Lea

  • Du wirst dann freigeschaltet für den Austausch und wenn du möchtest verschieben wir dieses Thema hier, das du hier eröffnet hast, in den passenden Bereich. Da kannst du dich dann weiter austauschen. Sag hier einfach Bescheid ob du das möchtest oder ob du lieber im offenen Bereich ein neues Thema aufmachen willst.

    Ja verschiebt mein Thema gerne in den passenden Bereich, vielen Dank!

  • Ich habe mit ca. zehn Jahren angefangen mich regelmäßig in eine Welt zu träumen, in der der ich ein Waisenkind war, befreit von meinen leiblichen Eltern.

    Danke für den Zuspruch, da finde ich mich auch ein wenig wieder. Auch wenn ich mich wirklich nicht über meine Kindheit beschweren kann, ich hatte eine sehr schöne. Nur irgendwann fing dann halt der Eiertanz an um die gute Stimmung, wer ist gerade auf wen sauer, was kann man ansprechen, wann knallt wieder eine Tür... und wann rächt sich der Raubbau meiner Mutter an ihrer Gesundheit. Waisenkind zu werden hätte ich mir allerdings nicht vorstellen können. Da muss es bei dir ja schon sehr heftig gewesen sein.

    Ein bisschen bin ich jetzt immerhin froh, dass es so schlimm ist, dass man es nicht mehr leugnen kann, weil so immerhin auch mein Vater und mein Bruder endlich die Augen öffnen. Bis vor ca. 2 Jahren wurde ich noch eher als Spassbremse und militante Antialkoholokerin angesehen, weil ich nicht zu jedem Essen Bier oder Wein getrunken habe. Und wenn ich angesprochen habe, dass es mir umgekehrt zu viel vorkommt, wurde ich abgebügelt damit, dass das einfach zu einem guten Essen dazugehört. Und beim Kochen davor entspannt. Und eine offene Flasche aufheben auch nicht lohnt... Meine Eltern haben zu Besuchen bei uns immer ihre eigenen Weinflaschen mitgebracht, weil bei uns nichts kistenweise im Keller lagert. Mein Bruder hat das Problem auch erst so spät realisiert und mein Vater ist jetzt noch der Meinung, wenn sie einmal ins Krankenhaus kommt, wird sie schon aufwachen und alles wird gut. Dabei hatten wir das schon und geändert hat es nichts.

  • Ich schreibe hier mal eine neue Statusmeldung:

    Am Wochenende waren wir für eine Feier in meiner Heimatstadt. Weil meine Mutter uns zwei Wochen vorher per SMS ausgeladen hatte, haben wir in einem Hotel übernachtet.

    Als wir dort waren kamen plötzlich von ihr wieder mehrere Nachrichten, z.B. wo wir auf Stau achten müssen o.ä.. Als ich später mit meinem Vater telefoniert habe, hat er erzählt, dass sie nun seit 4 Tagen nüchtern ist und alles endlich wieder aufwärts ginge.

    Klingt schön, nur kann ich mich irgendwie gar nicht darüber freuen.

    Im November kommt mein Vater, um auf die Kinder aufzupassen, während ich tagsüber auf einer Weiterbildung bin und nun steht plötzlich wieder im Raum, dass sie vielleicht auch kommt, zumindest sagt das mein Vater. Direkt hat sie noch nicht die Kommunikation gesucht.

    Nun weiss ich gar nicht, was ich eigentlich denken oder fühlen soll. Ich bin wütend, weil sie uns so einfach aus einer „schwarzen“ Laune heraus auslädt und meint, dann sich offen halten zu können, ob ihr spontan dann danach ist, zu uns zu kommen.

    Ich bin verzweifelt, weil mein Vater jetzt schon wieder Hoffnung schöpft und den Gang zur Beratungsstelle wieder aufschiebt, weil es ja gerade besser geht.

    Meine Tochter würde sich total freuen über einen Besuch meiner Mutter, aber ich wäre die ganze Zeit unter Dauerstress.

    Ich weiss nicht, was ich kommunizieren soll. Besuche gibts erst wieder, wenn du ein halbes Jahr trocken warst? Wenn du in eine Klinik gehst (käme einem Kontaktabbruch gleich, da sie das nie machen wird)? Oder einfach alles laufen lassen, wieder darüber wegsehen und auf den nächsten Absturz warten?

  • Hm, das hört sich an, als ob sie gerade einen Kalten Entzug macht. Vielleicht um euch zu "beweisen", daß sie alles unter Kontrolle hat.

    Zitat

    Besuche gibts erst wieder, wenn du ein halbes Jahr trocken warst?

    Das wäre eine Ansage. Könntest du das so durchziehen?

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Zitat

    weil mein Vater jetzt schon wieder Hoffnung schöpft und den Gang zur Beratungsstelle wieder aufschiebt, weil es ja gerade besser geht.

    P.S. Genau um DAS bei den Angehörigen zu erreichen, machen Alkoholiker solche Trinkpausen. Aber mehr als Pausen sind es in der Regel nicht.

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Ja Linde, das denke ich auch, definitiv ein kalter Entzug.

    Das wäre eine Ansage. Könntest du das so durchziehen?

    Vermutlich nicht. Ich denke nämlich nicht, dass sie es so lange durchhalten würde und ich will ihr nicht hinterher kontrollieren. Also käme es einem Kontaktabbruch gleich und den will ich nicht 😔

    Wie lange dauert durchschnittlich so eine Pause bei aktiven Alkoholikern? Oder ist das völlig unterschiedlich?

  • Ja, das ist unterschiedlich.

    Beim nächstbesten "Grund" geht es wieder los. Oder wenn das Ziel erreicht ist.

    Dein Vater schöpft ja schon wieder Hoffnung & lässt Leine.

    Bevor du etwas kommunizieren willst, musst du dir darüber im klaren sein, WAS du kommunizieren willst.

    Ich würde mir den Besuch verbitten & die nächste Begegnung völlig offen lassen.

    Schön, als aus der Ferne Beobachtener fällt mir diese Haltung auch zugegebenermaßen leicht.

    Aber was hast du von diesem Kontakt (außer Stress)?

    Schlimmer noch, den Stress hast du ja schon jetzt, im Vorlauf.

    Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns.
    Vor uns liegen die Mühen der Ebenen. (Bert Brecht) 8)

  • Besuche gibts erst wieder, wenn du ein halbes Jahr trocken warst.

    Bei mir hätte das Saufzeiten überhaupt nicht funktioniert, wenn ich unter Druck gesetzt worden wäre. Ich hätte mir gesagt, dass ihr mich alle mal könnt und ich alt genug bin und ich mich nicht erpressen lasse oder so und hätte darauf erst mal einen Schnaps getrunken. Angekommen wäre bei mir ein einfaches "Gut, wenn du willst kommst du mit", da hätte ich es allen beweisen wollen, dass auf mich doch Verlass ist. Aber wie so oft, jeder reagiert anders.

  • da hätte ich es allen beweisen wollen, dass auf mich doch Verlass ist.

    Danke für diese Sichtweise Rattenschwanz, ich habe auch den Eindruck, dass es häufig so funktioniert mit dem Antrieb. Aber nur kurzzeitig und schnell ist dieser wieder verflogen.

    Umgekehrt mit Druck sehe ich aber auch keine Bewegungschancen, die Vorgaben wären eigentlich nicht als Druckmittel gemeint gewesen, sondern als Grenzziehung, wie weit ich bereit bin, mitzugehen. Allerdings denke ich, da ihr das im Moment unmöglich ist, so lange auszusetzen und die Einsicht für nötige Hilfe nicht da ist, käme das einem Kontaktabbruch gleich. Und den will ich nicht. Auch wenn ich seit 6 Wochen nicht mehr mit ihr telefoniert habe. Ich werde sie auch nicht anrufen.

    Da ich bei meinem letzten geplanten Besuch von ihr ausgeladen wurde, ist es nun an ihr, sich bei mir zu melden, wenn sie wieder eine Tür öffnen will. Ich warte nicht darauf und ich gehe auch jede Wette ein, dass sie meinen Vater zu dem Besuch bei uns nächste Woche nicht begleiten wird.

    Noch etwas anderes habe ich zu berichten:

    Am Wochenende war ich bei einer grossen Familienfeier väterlicherseits, meine Mutter war nicht dabei. Meine über 90-Jährige Oma hat mir dann dort erzählt, dass das im Nachhinein schon vor vielen Jahren bei Festen aufgefallen ist, dass meine Mutter noch nach dem Jeweiligen Fest alleine Alkohol getrunken hat, den sie sich auch selber mitgebracht hat. Da muss ich so etwa 3 Jahre alt gewesen sein.

    Da hat mich ziemlich überrascht. Ich habe es bewusst erst mindestens 10 Jahre später wahrgenommen und dachte immer, es hat damit zu tun, dass sie beim Älterwerden der Kinder keine Aufgabe mehr hatte... nun stelle ich mir viele Fragen. War das damals wirklich schon Sucht oder suchgefährdetes Trinkverhalten? Hat sie vielleicht sogar schon vor den Schwangerschaften mit uns Kindern getrunken? Oder wann ist es warum abgerutscht?

    Irgendwie bin ich gleichzeitig erschüttert, weil ich dann doch die Ausmasse immer noch unterschätzt hatte und auch erleichtert, weil ich dann nicht „schuld“ bin durch das Selbstständigwerden und die Abwendung von ihrer Fürsorge.

    Natürlich weiss ich eigentlich, dass das sowieso irrelevant ist, 10 Jahre mehr oder weniger spielen jetzt auch keine Rolle und Schuld habe ich eh nicht, aber irgendwie bringt das mein kleines Weltbild der heilen Familie im Kindesalter nun doch ins Wanken.

    Das Buch „Alk“ habe ich inzwischen übrigens gelesen. Der Stil ist Geschmacksache und zugegebenermassen nicht ganz mein Ding, aber einige Fakten kannte ich tatsächlich noch nicht, das Suchtgedächtnis war gut erklärt und die Ausmasse des wirtschaftlichen Schadens finde ich in den Dimensionen auch schockierend. Mein Vater hat kein Interesse daran gezeigt, was mich ebenfalls schockiert, weil er sonst ein sehr reflektierter Mann ist, der viel Zeitung liest und im Internet recherchiert, aber zu diesem Thema macht er völlig die Augen zu, ich verstehe das nicht. Wenigstens mein Bruder hat es nun zum Lesen mitgenommen.

    Aber dass jetzt schon wieder kaum darüber geredet werden kann, macht mich am meisten fertig. Oder bin ich zu verbissen? Selber schon süchtig nach diesem Forum und Infos zu Alkohol?

  • Soeben hatte ich mit meinem Vater telefoniert, der mich dann an meine Mutter weitergereicht hat. Die letzte Nachricht von ihr war per WhatsApp die Ausladung von unserem geplanten Besuch bei Ihnen. Nun war ich am Telefon recht schweigsam und habe ihr nicht small Talk angeboten, was sie recht schnell gemerkt Haltung nachgefragt hat, was ist. Ich habe ihr dann geantwortet, dass ich mir eine offene Kommunikation und Verlässlichkeit wünsche und das Hin und Her nicht aushalte.

    Sie hat dann gesagt, dass sie zu dem Zeitpunkt eben krank war, was jeder mal sei und das Risiko bei uns mit den Kindern ja sogar noch grösser sei als bei ihr. Dann hat sie noch 1-2 beleidigende Sachen gesagt, mir die Worte aus dem letzten Gespräch völlig verdreht zurückgegeben, sie würde ja offen reden, wenn ich von meinem Sendungsbewusstsein herunterkäme, dass sie Hilfe wegen dem Alkohol bräuchte. Ihr sei es schliesslich schlecht gegangen in der Zeit und sie sei ganz allein gewesen, während wir viele waren. Wenn ich nicht wolle, dass sie komme, solle ich das eben sagen.

    Und anschliessend, als ich angesetzt habe, zu antworten, mitten in meinem Wort aufgelegt.

    Jetzt bin ich nur am Heulen, diese abgebrochenen Gespräche mit Türen knallen oder Hörer auflegen haben mich schon immer am meisten fertig gemacht. Da fühlt man sich echt wie ein schmutziger Fussabtreter.

    Wie stellt sie sich das weiter vor, alles wie vor 20 Jahren, wirr tun alle so, als wüssten wir nichts und. Reden über Benzinpreise und Sauerkraut bis zum nächsten Absturz?

    Für meinen Vater und Bruder scheint das der einfachste Weg zu sein, warum kann ich das nicht akzeptieren als ihren Weg?

    Ich spüre ja, dass sie sich auch einsam fühlt, aber warum ist es dann so schwer, darüber zu reden, wenn es alle wissen? Wie kann man nach so vielen Abstürzen immer noch glauben, alles selbst im Griff zu haben?

  • Liebe Merlyn,

    tatsächlich hatte ich gerade vor, dir auf deine letzte Nachricht zu schreiben. Nun werden meine Gedanken aber überlagert, von diesem neusten Ereignis.

    Du sagst einen Kontaktabbruch willst du nicht. Hast du eine Idee davon, wie du dir Kontakt zukünftig vorstellen könntest? Nicht die rosa Brille Variante, bei der sie all eure Argumente einsieht, aufhört zu trinken und von da an trocken bis an ihr Lebensende ist. Nein, die aktuelle Situation, bei der sie nichts von deinen Bedenken hören will, definitiv weiter trinkt, aber trotzdem den Kontakt sucht. Wie kannst du dir zukünftige Gespräche vorstellen, was sind dann eure Themen? Wie sehen deine Bedingungen für mögliche Treffen aus? Was kannst du dir vorstellen, was nicht? Wo sind deine Grenzen und was kannst du dafür tun, damit diese Grenzen eingehalten werden?

    Was muss passieren, damit die aktuelle Situation erträglicher für dich wird?

    Ich verstehe deinen Schmerz und würde dich gerne in den Arm nehmen und trösten!

    Lea

  • Liebe Merlyn,

    Ich fühle mit dir bei meinen Eltern läuft das genau so ab. Wobei ich mich oft frage, was ich schlimmer finde. Wenn dich das jedesmal so verletzt, dann Spiel das Spiel mal nach deinen Regeln. Du entscheidest wann wie wo und wieviel. Lass dir das nicht gefallen, du musst nichts einstecken.

    Ich stelle meine Regeln gerade auch auf und auch das kann Ärger und Tränen bringen, aber es weckt den anderen und du fühlst dich stärker.

    Ich wünsche dir viel Kraft.

    Liebe Grüße,

    Sporty

  • Hallo ihr beiden, wir drei haben echt viele Parallelen in den Geschichten merke ich immer wieder.

    Lea, du hattest mal geschrieben, dass du dich dann für den Kontaktabbruch entschieden hast und dass du evtl. später noch mehr schreiben würdest, wie es danach weiterlief. Bei deinen Fragen nach den Grenzen und auch in den Gesprächen mit meinen Mann darüber habe ich gemerkt, dass ich als Harmoniebedürftiger Mensch gerne einen „weichen“ Weg hätte, aber gleichzeitig merke ich, dass ich dafür in den Gesprächen mit meiner Mutter zu offen und Konfrontation unterwegs bin. Ich will und schaffe es nicht, ihr lustig von meinem Leben zu erzählen, wo sie ihre Kommunikation mit Beleidigungen in alle Richtungen nicht einmal als problematisch sieht. Ich will nicht den oberflächlichen Smalltalk, wo sie gleichzeitig Tabuthemen vorgibt, über die man nicht sprechen darf. Und ich vertraue ihr nicht mehr und denke, wenn sie zu Besuch ist und ich Regeln vorgebe, wie du, Lea das gemacht hast (Z.B. zum Rauchen), würde sie die vermutlich brechen, sobald ich zum Arbeiten ausser Haus bin.

    Ausserdem gibt es keinen Mittelweg, entweder ich bleibe vollkommen oberflächlich und angepasst oder das Gespräch und Verhalten kippt sofort in die Aggressivität.

    Da mein Vater und mein Bruder das Spiel offenbar weiter mitspielen wollen, bin ich natürlich der willkommene schwarze Peter, was mir weh tut.

    Dennoch habe ich den Eindruck, dass ich seit gestern etwas näher an einem Kontaktabbruch stehe. Denn Dante hat recht, es ist aus der Ferne leichter zu beurteilen, aber ich habe mit den Begegnungen nur Stress.

    Lea, darf ich fragen, ob es damals bei dir einen Auslöser gab für den Kontaktabbruch oder wie es genau zu der Entscheidung kam? Und wie es danach weiterging?

    Wie du, Sporty, möchte ich meinen Kindern nicht die Oma nehmen und habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Kontaktabbruch forciere. Aber im Moment habe ich anscheinend nicht die Kraft dazu, diese Farce auszuhalten.

    Liebe Grüsse

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