indiana - Endlich darüber sprechen

  • Hallo guten Morgen,

    danke für eure wertvollen Beiträge, ich musste erst einmal lange darüber nachdenken.

    Gestern Abend haben wir uns im Garten nochmal kurz gesehen, er saß immer noch wie

    gelähmt da und gesprochen wurde nicht viel, außer über ein paar Glühwürmchen,

    die da herumgeisterten.

    Zu essen gab es Döner-Kebap und Cola, na immerhin, verhungert ist er noch nicht.

    Ich saß ganz gemütlich da und habe mir ein kühles alkoholfreies Bier genehmigt,

    ohne schlechtes Gewissen, das ich sonst immer hatte, wenn ich mal was trinke.

    Er meinte nur, dass er durch den Abstand der letzten Tage gemerkt habe, wie wenig wir eigentlich

    miteinander machen. Dazu passt wohl der Satz, den ich hier irgendwo gelesen habe, dass einen

    zum Schluss nur noch der Alkohol (oder eben das Problem damit) verbindet. Eine schreckliche

    Vorstellung.

    Dieses Sich-Tot-Stellen ist wohl eine bewährte Praktik bei Alkoholikern, so nach dem Motto,

    wenn Du dich nicht mehr kümmerst, dann kümmere ich mich auch nicht mehr um mich?

    Dann sterb ich eben, ohne dich kann ich nicht leben...Diese verdammte Scheißegal-Haltung,

    wie kann sich ein Mensch nur selbst so aufgeben?

    Liebe Grüße Indiana

  • Hmmm, aber daß du dich mit nem, wenn auch alkoholfreien, Bier zu ihm setzt, ist jetzt auch nicht die feine englische...

    Nicht, daß du es nicht dürftest, du sollst ja nach dir schauen.

    LG

  • Ja, ich weiß, das war vielleicht nicht die feinste englische Art,

    aber wir hatten den ganzen Tag so geschwitzt, in der Schule ist

    es sehr anstrengend gewesen und ich sehe auch nicht ein,

    dass ich mich aus meinem Garten vertreiben lasse.

  • ... und ich sehe auch nicht ein,

    dass ich mich aus meinem Garten vertreiben lasse.

    Das ist schon eine seltsame Situation.

    Wie denkst Du geht das weiter?

    Gruss WW

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • Tja, gute Frage,

    er kann da nicht bleiben auf Dauer,

    aber die letzten Tage haben ihn ziemlich zum Nachdenken gebracht,

    er glaubt morgen bekommt er vielleicht eine Unterkunft,

    die wäre in der Nähe aber doch genügend weit weg von mir,

    aber bisher alles nur Worte, er redet immer viel und gern,

    ich will aber Taten sehn!

    Micha, wann hast du gewusst, du tust es nur für dich, für sonst niemanden?

  • Ich habe in meiner aktiven Suchtzeit alles nur für mich gemacht. Alles nach dem Alk war zweitrangig.

    Job, Beziehung, Familie....alles unwichtig.

    Du musst Dich mit dem Gedanken anfreunden, das Du hinter dem Alkohol in diesem / jetzigen Zustand nur die zweite Geige spielst.

    Definitiv.

    Egal was gesagt wird. Egal was vermittelt wird. Du stehst vor einer Mauer mit Stacheldraht drauf.

    Die ist nur von innen zu zerstören.

    Darin sind vergitterte Fenster, durch die Du Ab und Zu einen ( wohlgesteuerten )Einblick bekommst, allerdings kannst und solltest Du nichts versuchen zu tun durch - oder über die Mauer.

    Ich war ganz unten, alles weg und nur einen Blinzler vom Suizid entfernt.

    Ich habe mich zwangseinweisen lassen in ein Krankenhaus mit angeschlossener Psychatrie.

    Alles für mich - aus einem völlig unerklärbaren Grund. Tod oder Leben, Schwarz oder Weiss. Keine Grauzone mehr.

    Selbsterhaltung / Überlebenstrieb.

    Es gab niemanden den das noch interessiert hat, es wäre also egal gewesen. Es lag nur in meiner Hand, in meinem Kopf.

    Und tatsächlich habe ich irgendwann wieder die Sonne gesehen und Kraft bekommen mich wieder hochzuschaufeln.

    Das könnte er wohl auch, allerdings ohne Dich. Du verlängerst seinen Leidensweg wenn Du Ihm auf irgendwas eine Aussicht stellst.

    Das entspricht meiner Erfahrung.

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • deine Worte sind grad schwer für mich zu ertragen, muss echt weinen grade...

    ist es wirklich immer so, dass jeder Alkoholiker erst ganz unten aufschlagen muss?

    und wie oft? wie viele Rückschläge denn noch? Gibt es denn gar kein Halten..

    ich fürchte, es liegt nicht mehr in meiner Hand - ich gebe die Kontrolle ab,

    sie liegt mir nicht...Liebe ist Freiheit und kein Zwang...

  • Hallo Indiana,

    es liegt nicht mehr in meiner Hand -

    es hat nie in deiner Hand gelegen, und du hast nie die Kontrolle gehabt, zu keiner Zeit.

    Das solltest du dir ganz klar machen, um auch von deinen Schuldgefühlen los zu kommen, und dich nicht irgendwann wieder zu fragen, ob du alles getan hast.

    lg Morgenrot

    Wer nicht hofft, wird nie dem Unverhofften begegnen. ( Julio Cortazar )

  • ist es wirklich immer so, dass jeder Alkoholiker erst ganz unten aufschlagen muss?

    Nein, natürlich nicht.

    Aber es kommt leider oft vor.

    Es hängt allerdings von dem Alkoholkranken ab, wann und warum er die Bremse zieht. Du hast darauf leider nur wenig Einfluss.

    "Gesuchte Hilfe" ( nicht Deine ) muss von fachkundigem Personal mit Objektivität und ohne persönlichen Einfluss kommen um Erfolg zu versprechen. Der Wille nicht mehr zu trinken muss von innen kommen.

    Jede Überredung ist in den Wind gesprochen, wenn derjenige eigentlich gerne weitertrinken möchte und durch äussere Umstände dazu gezwungen wird.

    Es tut mir sehr sehr leid das Du traurig bist darüber.

    Das Erkennen Deiner eigentlichen Hilflosigkeit bei dieser Erkrankung gibt Dir aber die Möglichkeit an DICH zu denken.

    - Darum bist Du eigentlich hier - , auch wenn es für Dich im Moment noch nicht in allen Einzelheiten zu erkennen ist....

    Und das ist gut.

    m. , Bj. 67 :wink: , abstinent seit 2005

    Wir gehen unseren Weg, weil wir nur den Einen haben. Hätten wir mehrere zur Auswahl, wären wir total zerrissen und unglücklich. Einzig die Gestaltung unterliegt uns in gewissen natürlichen Grenzen.

  • deine Worte sind grad schwer für mich zu ertragen, muss echt weinen grade...

    ist es wirklich immer so, dass jeder Alkoholiker erst ganz unten aufschlagen muss?

    und wie oft? wie viele Rückschläge denn noch? Gibt es denn gar kein Halten..

    ich fürchte, es liegt nicht mehr in meiner Hand - ich gebe die Kontrolle ab,

    sie liegt mir nicht...Liebe ist Freiheit und kein Zwang...

    Auch wenn es ein anderer Bereich ist, möchte ich dir das trotzdem erzählen, vielleicht gibt dir das ein paar hilfreiche Einblicke wie sowas funktionieren kann.

    Die Story meiner Depression, und wie ich’s da raus geschafft habe. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse, da es sich nicht um Alkohol dreht, jedoch denke ich das es ähnlich verläuft:

    2020 hatte ich ne ziemlich heftige Depression. Ich ging lieber zur Arbeit als zu Hause zu sein, weil ich da Ablenkung hatte. War die Arbeit vorbei ging’s bergab - schlafen ging nicht mehr ohne Schlaftabletten, am Morgen dann antidepressiva genommen um den Tag zu schaffen. Bei der Arbeit ging’s wieder - hatte Ablenkung. Ich hab selbst gemerkt das es immer weiter bergab ging. Nach einer spätschicht auf dem Heimweg wurde es dann auf einmal stockfinster im Kopf, kein Licht mehr, keine Freude, alles weg. Wie eine Mütze über den Kopf die jemand auf einmal immer enger zieht.

    Der einzige Gedanke: welcher Baum passt, und wie kann ich den am besten mit Vollgas treffen damit alles aus ist. Ich weiß nicht was damals passiert ist oder woher es kam, aber kurz davor hat irgendwas in meinem Kopf „Stopp!“ geschrien. Hab angehalten, eine geraucht, und bin nach Hause gefahren. Hab dann im Internet gesucht was zu tun ist. Ich habe einen Beitrag von jemand mit Depression gefunden, dessen Bekannter Psychologe war. Dieser hat ihm gesagt : „du hast Depression? Ich freue mich für dich!“

    Erst dachte ich was soll das denn? Will der seinen Freund in den tot treiben oder was ?? Wie kann man sowas in der Situation sagen ?

    Erklärung war: eine Depression ist der beste Beweis dir zu zeigen das alles was du machst komplett falsch ist. Das war mein Wendepunkt, nachdem ich mich fast umgebracht hatte. Es ging also bei mir bis ganz nach unten, bevor sich was geändert hat. Aber ab da ging’s bergauf, hab mich der Familie anvertraut und gemerkt das es Unterstützung gibt von ihnen, vorher wollte ich das niemand das weiß, wollte nicht als psychisch kranker dastehen. Mein Schwager meinte noch: damit hättest du nicht nur dein Leben zerstört, sondern das aller anderen dir nahestehenden ebenfalls. Das hat geholfen zu erkennen wie falsch das alles lief, und ich wollte nicht wegen „einem Fehler im Kopf“ mein Leben einfach wegschmeißen.

    Heute ist nichts mehr davon da, Gott sei dank. Aber es musste erst bis zum äußersten gehen bis ich das kapiert hab.

    Ich hoffe diese Erfahrung kann dir ein bisschen einen Einblick geben wie es laufen kann oder wie sowas aussehen kann.

  • Hallo Nforce147,

    danke für diesen interessanten Bericht, in der Depression sind mir solche Wendepunkte

    schon öfter begegnet und der Vergleich ist sicher ganz gut, um die Dynamik besser zu verstehen.

    Bei deiner Geschichte habe ich aber schon auch Bedenken, ob du durch dein coabhängiges Verhalten

    dich nicht wieder in eine schwere Depression hineinmanövrierst.

    Mir jedenfalls ging es so und ich habe es fast gar nicht gemerkt, weil das so schleichend ist. Ich habe immer

    funktioniert, meine Arbeitsroutine aufrecht erhalten, fast alle häuslichen Arbeiten erledigt, einkaufen mit dem

    Auto, Fahrdienste weil mein Partner seinen Führerschein nun schon zum zweiten Mal verloren hat,

    kochen ist sowieso meins gewesen schon immer, Garten mache ich auch fast allein -

    letztlich fühlt man sich völlig im Stich gelassen, und zum Dank für alle Mühen liegt der Partner dann an

    deinem Geburtstag betrunken auf deiner Couch in deinem Wohnzimmer,

    wenn du von der Arbeit kommst.

    Aber irgendwann stehst du auf und sagst - es reicht - ich bin auch noch da. Ich will mein Leben zurück.

    Pass gut auf dich auf, es tut nämlich kein anderer für dich.

    Liebe Grüße Indiana

  • Hallo Indiana,

    ist es wirklich immer so, dass jeder Alkoholiker erst ganz unten aufschlagen muss?

    und wie oft? wie viele Rückschläge denn noch?

    leider ist es so, dass manche Alkoholiker ihren Tiefpunkt niemals erreichen, egal ob sie unten angekommen sind oder wie oft sie aufgeschlagen sind.

    Deshalb lohnt es sich eben auch nicht, darauf zu hoffen/warten.

    Aber irgendwann stehst du auf und sagst - es reicht - ich bin auch noch da. Ich will mein Leben zurück.

    Pass gut auf dich auf, es tut nämlich kein anderer für dich.

    Richtig!! 👍

    LG Cadda

  • leider ist es so, dass manche Alkoholiker ihren Tiefpunkt niemals erreichen, egal ob sie unten angekommen sind oder wie oft sie aufgeschlagen sind.

    Ich schreibe mal aus eigener Sicht.

    Ich hatte viele Tiefs in meiner Saufzeit, aber nur einen Tiefpunkt. Der war so heftig, dass ich nur die Wahl hatte aufzuhören oder daran zu verrecken. Obwohl ich fast alles schon verloren hatte, kam noch so mancher Gedanke auf, weiter zu saufen. In Selbstmitleid zu baden und überall die Schuld zu suchen, half mir da auch nicht mehr weiter.

    Also blieb nur noch ich und der Suff übrig. Der Tiefpunkt hat mir die Verantwortung für mein weiteres Tun aufgedrückt. Die Erkenntnis, dass nur ich etwas dagegen tun kann.

    Aber eines bin ich mir ganz sicher . Jeder kann es schaffen, aber nur aus sich heraus.

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Ich hatte viele Tiefs in meiner Saufzeit, aber nur einen Tiefpunkt. Der war so heftig, dass ich nur die Wahl hatte aufzuhören oder daran zu verrecken.

    Ja und manche hören auch dann nicht auf, sondern verrecken stattdessen und das ist dann der Tiefpunkt, der dann nicht mehr „geholfen“ hat.

    Was mir jedoch noch öfter aufgefallen ist (zwei Menschen davon waren sogar im engeren Bekanntenkreis):

    Der Alkoholiker war schon sehr tief unten (Familie, Beruf, Haus verloren), doch das reichte noch nicht, um aufzuhören.

    Stattdessen bekam einer Krebs und starb dann „offiziell“ daran und der Andere bekam einen Herzinfarkt und starb „offiziell“ daran (nach einer durchgefeierten Nacht, wo wir alle beim Frühschoppen auf ihn warteten).

    Nur sehr selten heißt es „Der/Die hat sich tot gesoffen“, dabei ist es nicht selten so, dass diese Alkoholiker bloß einfach ihren Tiefpunkt nicht erreichten.

    Ich finde, dass zu viele Angehörige sich hoffnungsvoll einreden, dass der Alkoholiker irgendwann schon aufhören wird, wenn er doch nur tief genug gefallen und in vielen Fällen warten sie vergebens.

  • ich könnte platzen vor Wut, wieder alles nur Schall und Rausch -

    der Mann findet einfach keine Unterkunft und macht sichs weiter

    gemütlich im Garten, morgen will er in meine Wohnung kommen,

    seine Kleidung wechseln - ja muss wohl sein-und schreibt ständig

    liebevolle Textnachrichten, ich kanns nicht mehr hören...

    irgendwann zieh ich ihm die Bratpfanne über den Schädel...

    Wann hat dieser Alptraum mal ein Ende?

  • Wann hat dieser Alptraum mal ein Ende?

    Wenn du es zu einem ende kommen lässt. Da bist du in der Verantwortung. Nicht er.

    Es gibt einen der ausnutzt und einen der sich ausnutzen lässt. Das bist in dem Fall du.

    Und dieser Kreisel dreht sich weiter, bis du den Stecker ziehst. Er wird das nicht für dich übernehmen.

  • Es ist bestimmt hart, was ich jetzt aus meiner Erfahrung berichte. Aber vor 25 Jahren hatte mein Alptraum erst im Frauenhaus ein Ende. Damals war ich Co-Abhängig und so naiv zu glauben, dass ich ihn retten werde. Am Ende musste ich mich und meine Kinder retten. Meine Familie stand mir zwar zur Seite, aber mit Kindern wird man mal nicht so schnell für Monate in die eigene Wohnung aufgenommen. Es folgte trotz räumlicher Trennung ein monatelanger Kampf. Ich habe „gewonnen“.

    Aber der Preis, den ich zahlen musste war hoch. Und ich meine nicht den finanziellen.

    Drei Jahre später ist mein Mann elendig verreckt. Im Pflegeheim. Keiner konnte ihn retten. Das hätte er nur selbst gekonnt.

    Wenn ich damals all das gewusst hätte, was ich heute über Sucht und Co-Abhängigkeit weiß, wäre ich viel, viel eher aus dieser toxischen Beziehung geflüchtet.

    Dein Partner ist für sich selbst verantwortlich. Das kann ihm niemand abnehmen. Und ich glaube, je länger Du wartest, um einen Schlussstrich zu ziehen, um so mehr Leid erfährst Du.

    Pass auf DICH auf.

    Liebe Grüße

    Lalu

  • Das Grundstück ist offen, der Zaun niedrig - jeder kann da rein, die Laube kann man abschließen,

    aber er schläft im Zelt, alle Knochen tun ihm weh, er kommt nachts nicht zur Ruhe, zu dunkel und still ist es da draußen,

    das muss man aushalten können, sein Handy kann er nicht aufladen, ..blabla...usw. der arme Kerl...

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