Hanseat - Moin aus Hamburg

  • Liebe Cadda,

    ich hab das gleich vor allen klargestellt, daß ich keinen Tropfen Alk anrühren werde, das ist ein sehr guter Schutz. Ich brauchte den aber gestern nicht, hatte auch gar nicht die Faust in der Tasche, es gab keinen Saufdruck.

    Aber ich nehme Eure Warnungen ernst und werde die nächsten Tage noch mehr als sonst auf mich achten, daß ich nicht übermütig werde. Die Gefahr eines Rückfalls ist immer da, das weiß ich.

    Grüße,

    Hanseat

  • Hallo cadda,

    dieses zwischen zwei stuehlen hängende gefühl kenne ich auch. Habe aber nie was mit Wirtshaus Brüdern zu tun gehabt, ausser meiner Mutter telefonisch. Sie ist seit 35 Jahren Alkoholikerin. Es reicht eine Geburtstagsfeier, wo ja Alle anstoßen.

  • Dieses "zwischen den Stühlen hängen" hatte ich allerdings nur anfangs. Ich hab aufgehört zu trinken, aber dadurch hatte sich mein Umfeld ja noch nicht sofort geändert. Ich hab mich erstmal neu sortieren müssen. Wo gehöre ich noch hin, wo nicht? Welche Menschen passen noch zu mir, welche nicht? Das habe ich aber relativ zeitig für mich herausgefunden.

    Cadda

  • Ja cadda,

    meine Mutter ist trotz der Entfernung von 365 km das größte Problem für mich, da sie mich ständig am Telefon a labert, wenn sie zugedroehnt ist und sonst nie was für mich, ihre enkel und Urenkel übrig hatte. Sie hat nur einen gut situierten Mann geheiratet mit 2 Kindern, damals 4 und 6 Jahre alt und hat ihm sogar die Socken unter dem Tisch angezogen. Ich war damals 14 Jahre alt. Mein Stiefvater wollte mich gleich als zweite magt kassieren. Habe übers jugendgericht gekämpft, dass ich wieder zu meinen Pflegeeltern kann

  • Moin Hanseat,

    Das Problem bei der Teilnahme an Gesellschaften, wo getrunken wird, sehe ich auch nicht unbedingt in dem Abend der Teilnahme (oder zu welcher Tageszeit das auch immer war), sondern eher in der Zeit danach.

    Den Abend steht man vielleicht gut durch, vielleicht aber auch schon nur mit geballter Faust in der Tasche...je nachdem, das ist unterschiedlich.

    Aber was ist am Tag danach, wenn man den Abend vielleicht nochmal Revue passieren lässt?

    Da können dann schon Gedanken aufkommen, wie "Alle dürfen Alk trinken, nur ich nicht X/ ".

    (Egal, ob die anderen es auch wirklich taten oder nicht)

    Und man fühlt sich dadurch evtl. auch ausgeschlossen.

    Denn "ALLE trinken ja". Was Unsinn ist, aber ein Suchtgedächtnis arbeitet nun mal gern so.

    Unser Saufen war unlogisch und unser Suchtgedächtnis ist da auch nicht viel anders.

    Und wenn das Ganze auch noch in einer Kneipe stattfindet...wo man früher vielleicht selbst gesoffen hat...

    Muss ja nicht mal die gleiche Kneipe sein, allein das Kneipen-Ambiente reicht da schon aus.

    Das gibt einfach nix Gutes.

    Als nächstes gibt es noch die Gefahr, das man sich wieder in so eine Situation begibt... weil man doch den Abend so gut gemeistert hat.

    Der nächste wird dann vielleicht schon noch feucht-fröhlicher... weil man das doch kann. Das ist echt bedenklich, sich derart selbst sowas schönzureden. Nur um so zu sein "wie Alle"?

    Das mal so allgemein dazu...nicht nur speziell auf Dich gemünzt.

    Du verstehst wie ich es meine, ja?

    Zitat

    Und ich bin seit diesem ganzen Corona-Mist verdammt einsam, lebe die meiste Zeit wie ein Einsiedler und brauchte dringend mal wieder ein soziales Erlebnis.

    Das verstehe ich gut, und Du bist nicht der Einzige, dem es so geht.

    Die Pandemie hat vieles in den letzten beiden Jahren verändert, was vorher für uns selbstverständlich war.

    Und viele haben die Einsamkeit zu spüren bekommen, wider Willen, versteht sich.

    Und vielen hat die Pandemie auch so zugesetzt, das sie rückfällig wurden.

    Der Wegfall der Realen Gruppe...dazu eine Art Aussichtslosigkeit bis hin zu einer Art Resignation, man konnte kaum Pläne machen, die über den nächsten und übernächsten Tag hinaus gingen etc.pp.

    Alles nicht so einfach...

    Aber trotzdem auch kein Grund, sich unnötiger Gefahren auszusetzen. Das kanns ja auch nicht sein, oder? Wegen der Drecks-Pandemie alles bisher Erreichte wegzuschmeissen, das ist sie echt nicht wert.

    Ich hoffe, das Du einen neuen trockenen Freundeskreis mit der Zeit aufbauen kannst.

    Wie ich lese, bist Du auch nicht mehr grad Anfang 20 8);) und da spielt uns auch die Zeit etwas zugute.

    So war es jedenfalls bei mir.

    In meinem Freundes-und Bekanntenkreis und dem meines Bruders (dem ich irgendwie auch angehöre) wird nur noch sehr wenig Alkohol konsumiert.

    Da sind auch alle mittlerweile Mitte bis Ende 50 und in meinem eigenen Bekanntenkreis sind wir alle um die 60 Jahre alt.

    Oh mein Gott....wenn ich das schreibe, fühle ich mich uralt X( ^^.

    Bei unseren Treffen und Feiern ging das früher sehr oft feucht-fröhlich zu, und von einigen Bekannten habe ich mich ja auch am Anfang meiner Trockenheit getrennt, weil sie in meiner Anwesenheit nicht auf Alk verzichten konnten oder wollten.

    Lag aber nicht an mir, weil ich nüchtern so unerträglich bin :D

    Heute haben sich die Interessen verlagert.

    Jeder hat so seine Hobbys und Interessen, die man schon für den nächsten Tag geplant hat oder so. Und die Pläne funzen nur nüchtern.

    Darüber hinaus wollen wir lieber nüchtern unser Zusammensein genießen, miteinander reden, und uns daran freuen, das wir uns noch haben. Denn es sind auch schon ein paar wenige leider nicht mehr dabei...

    Und so gesund und fit wie möglich würden wir auch alle gern bleiben, auch darum trinken einige gar keinen Alkohol mehr oder tranken überhaupt nie welchen.

    Es ist also auch eine Sache des Alters, das man "vernünftiger" wird, insofern man nicht alkoholabhängig ist und nass.

    Und davon profitiere ich letztendlich auch. :)

    Kurzum, je älter man wird, desto einfacher wird es vielleicht sogar, einen trockenen Freundes-und Bekanntenkreis aufzubauen?

    Und vielleicht ist da ja auch jemand bei dem Treffen dabei gewesen, der keinen Alkohol (mehr) trinkt?

    Sowas könnte man ja dann auch ausbauen, oder?

    LG an Dich

    Sunshine

    Einmal editiert, zuletzt von Sunshine_33 (27. September 2021 um 13:26)

  • Zitat

    Mein absolutes Highlight ist der Führerschein-Termin. Ich habe gar nicht vor, mir ein Auto anzuschaffen, aber meinen Führerschein, den ich mal vor Jahren unter ... äh ... Umständen verloren habe, möchte ich wiederhaben. Da hätte ich das Gefühl, daß mal wieder irgendwas in richtigen Bahnen verläuft.

    Ach, hierzu fiel mir ja noch was ein ;)

    Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Obwohl ich nie meinen Führerschein verloren habe.

    Aber ich kann gut nachvollziehen, das man sein Leben wieder in "richtige Bahnen" lenken will.

    Ob nun ein Führerschein dazu gehört, mag jeder anders beurteilen ;)

    Für mich persönlich ist er wichtig. Denn er bedeutet für mich ein großes Stück Unabhänigkeit. Und auch Normalität.

    Und das ist genau da, was ich mir am meisten gewünscht habe, als ich noch soff:

    Normalität.

    Und auch, mein Leben wieder in geregelte Bahnen zu lenken.

    Ich wollte keine Astronautin werden und auch keine Überfliegerin bei nur irgendwas, um ja genug Aufmerksamkeit zu bekommen.

    Ich wollte nur ein selbstbestimmtes, relativ normales Leben zurück.

    Und das habe ich bekommen, und darüber freue ich mich im Grunde auch noch jeden Tag.

    LG Sunshine

  • Hallo zusammen,

    ich finde, es kommt auch ein wenig auf den Anlass oder die Veranstaltung an, ob ich mich dort hinbegebe oder nicht. Klar, in der ersten Zeit sollte man das komplett nachlassen, um sich selbst zu festigen. Aber sich einsam fühlen, das ist auch nicht wirklich hilfreich beim nüchtern bleiben. Ich sehe es z. B. als riesen großen Unterschied, ob ich auf eine reine Saufveranstaltung gehe, z. B. eine Zeltparty oder was auch immer oder ob ich auf ein Klassentreffen oder so etwas in der Art gehe. Ich finde es wichtig, für sich abzuschätzen, was mich dort wohl erwartet. Wenn ich mir im Vorwege schon ausmalen kann, dass da der Alkohol im Vordergrund steht, dann kann ich mir das sparen. Das kann ich mir dann auch nach ein paar Jahren sparen, nicht nur in der Anfangszeit. Wenn es aber überwiegend darum geht, sich mit netten Menschen zu umgeben, wo der Alkohol wenn überhaupt Nebensache ist, dann ist das für mich ein positives Erlebnis und macht mich zufrieden, anstatt Suchtdruck auszulösen.

    Beispiel neulich, ein Betriebsfest in meiner Firma. Geht schon Nachmittags los, es war ein Essensstand dort, wir haben draussen gesessen oder gestanden, es wurde sich unterhalten, Spiele gespielt, mein Chef hat einen Vortrag gehalten, der spannend war und zu dem Fragen gestellt werden konnten. Wir haben uns total super unterhalten und viel gelacht. Obwohl wir viele waren, war da nicht einer der besoffen war und es gab etliche, wirklich etliche Leute, die gar nichts getrunken haben. Ich wusste vorher, dass es so ablaufen wird.

    In der Firma eines guten Freundes von mir ist das total anders abgelaufen. Da haben sich die meisten Leute so richtig abgeschossen. Er wusste vorher, dass es so ablaufen wird.

    Dort wäre ich nicht hingegangen, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. Also wenn es in meiner Firma so ablaufen würde.

    Wichtig ist einfach, sich wirklich Gedanken zu machen und genau in sich hinein zu horchen. Noch wichtiger, mit offenen Karten zu spielen. Beides hast Du, Hanseat, getan. Von daher finde ich es nachvollziehbar und ich hätte es vermutlich auch so gemacht. Auch wenn ich weiß, dass die Meinungen hier auseinander gehen, muss ich das mal ehrlich so sagen :)

    LG Cadda

  • Bei allen abwägen der Gefahren ist es ein Unterschied, ob ich es mit 9 Tage, 9 Wochen oder 9 Jahren Trockenheit mache.

    Es ist bei allen einschätzen, jedoch die Sucht vor Ort, die dann das Kommando übernimmt.

    Warum greifen denn langjährige Trocknen plötzlich wieder zur Flasche?

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Hanseat,

    Du wirkst strukturiert, und die Dinge, die Du Dir vornimmst, packst Du an und schaffst das. Das ist gut, und einen inneren Plan zu haben noch besser. Dein Abi- Treffen war sauber geplant, ausgestattet mit der richtigen Strategie und hat funktioniert. Dafür ein dickes "Big Up" von mir ;)

    Auf der rationellen Ebene hast Du alles voll im Griff. Doch die emotionale, oftmals nicht greif-und steuerbare Ebene kann Dir einen Strich durch die Rechnung machen. Was sind die Auslöser zum saufen gewesen ? Sich das vor Augen führen und festhalten kann helfen und Festigkeit geben.

    Trauer, Angst und Wut sind bei uns Suchtis leider nicht in der Waage. Und deshalb ist es besonders wichtig, auf diese Gefühle zu achten und immer für den richtigen Ausgleich zu sorgen. (Denn das hat ja früher der Suff übernommen)

    Ich glaube, dieses Forum und der Austausch ist eine sehr gute Möglichkeit, emotional sich zu entladen. Aufschreiben, reflektieren, nachdenken.

    Und da bist Du gut dabei. Von daher machst Du schon vieles richtig.

    Bleib dabei, lass Dir Zeit und suche für Dich und Dein Leben die Dinge und Menschen raus, die Dir gut tun. Es dauert alles. Doch wie heisst es so schön :

    Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut ;)

  • Warum greifen denn langjährige Trocknen plötzlich wieder zur Flasche?

    Das ist eine gute Frage. Lag es tatsächlich daran, dass sie in dem Moment die Gelegenheit hatten, weil sie sich gerade auf einer Veranstaltung, Geburtstag oder ähnlichem befunden haben? Oder doch eher daran, dass sie im Kopf eh schon auf dem falschen Weg waren und sich vielleicht schon längere Zeit eingeredet haben, dass es nach so langer Trockenheit vielleicht funktionieren könnte, wieder "normal" zu trinken? Wenn nicht die vollständige Akzeptanz da ist, dass ich mein Leben lang nicht mehr trinken werde, dann kann ich tatsächlich nirgendwo hingehen. Denn wenn ich eh nicht zufrieden trocken bin, dann wird mir vermutlich genau so ein Besuch einer Veranstaltung zum Verhängnis werden. Das denke ich auch.

    Wenn ich aber zufrieden trocken bin und für mich völlig klar ist, dass ich nie wieder normal trinken können werde und das inzwischen auch gar nicht mehr möchte, weil der Wunsch gar nicht mehr da ist... Wird mir dann so ein Geburtstag zum Verhängnis? Oder könnte mir da genau so gut auch zum Verhängnis werden, dass ich mich zu Hause einsam fühle und lieber unter Leuten wäre?

    Ich möchte nochmal betonen, dass es hierbei nicht um reine Saufveranstaltungen geht. Das versteht sich von selbst.

    Ich möchte hier überhaupt nicht gegen die guten und richtigen Ratschläge gegenan argumentieren. Und gerade in der Anfangszeit ist es wohl tatsächlich auch extrem wichtig, sich erstmal selbst zu festigen.

    Bloß denke ich, dass es ganz grundlegend auf meine innere Einstellung und meine innere Zufriedenheit oder eben Unzufriedenheit ankommt, wie ich dem Thema gegenüberstehen kann.

    LG Cadda

  • Bloß denke ich, dass es ganz grundlegend auf meine innere Einstellung und meine innere Zufriedenheit oder eben Unzufriedenheit ankommt, wie ich dem Thema gegenüberstehen kann.

    Nun hängt die innere Einstellung vom Willen ab. Die Sucht richtet sich jedoch nicht "nur" nach dem Willen oder wie ich dazu stehe.

    Es laufen unabhängig davon krankhafte chemische Prozesse im Hirn ab die eben "kurzzeitig" nicht zu stoppen sind. Das reicht dann schon mal für eine Pulle in den Hals zu schütten.

    Ein alter Alkoholiker Spruch. Wenn es dir schlecht geht, gehe in die Gruppe. Wenn es dir gut geht, renne ich in die Gruppe bringt es für mich auf den Punkt.

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Ihr Lieben,

    heute gibt es ein Jubiläum zu feiern. 70 Tage klingt nach nix, aber zehn Wochen nüchtern, hej, das ist doch was!

    Die meiste Zeit war es erstaunlich einfach, nüchtern zu bleiben, aber eben nur die meiste Zeit. Es gab auch ein paar Momente, zum Beispiel gestern, wo ich aus Langeweile heraus am liebsten zum Kiosk gerannt wäre. Leider reicht ja schon ein schwacher Moment, um das ganze Projekt zum Einsturz einzubringen. Eigentlich denke ich die ganze Zeit, ich will gar nichts trinken, aber manchmal muß ich mir doch deutlich klarmachen, daß ich nichts trinken darf. Es ist einfach herrlich, jeden Morgen nüchtern aufzuwachen, das ist ein großes Geschenk.

    Ich bin beeindruckt von mir selbst, was ich in den letzten zehn Wochen alles so geregelt bekommen habe. Die Welt ist wieder größer geworden, und ich hab Lust, mal ein paar Dinge anzupacken, die ich schon seit ewig vor mir hergeschoben habe. Führerschein und Wohnung renovieren sind zwei Sachen, die mir sofort einfallen. Auf der Arbeit läuft alles super, endlich zeige ich mal, daß ich auch zuverlässig sein kann. Heute ist übrigens Tag 4 ohne Zigaretten, es wird nur noch elektrisch gedampft. Ganz aufhören wäre natürlich noch besser, aber ich bin schon froh, daß es wenigstens keinen Qualm mehr in der Wohnung gibt, damit bin ich jetzt erstmal zufrieden.

    Zwei neue Rituale habe ich eingeführt; Jeden zweiten Tag geht es aufs Rudergerät, und abends werden die Zahne geputzt, und damit meine ich richtig geputzt, mit Zahnseide und Mundspülung und so. Das hat noch den Nebeneffekt, daß ich danach nichts mehr im Bett nasche. Sonst habe ich mir nämlich gerne noch irgendeinen überflüssigen Käse oder Joghurt reingepfiffen. Das gibt es jetzt auch nicht mehr.

    Das sind schon ganz schön viele Veränderungen auf einmal, weitere Ziele werde ich mir deshalb erstmal gar nicht stecken. Jetzt geht es darum, das alles mal einzuüben und für eine längere Zeit durchzuhalten. Ziele sollten immer realistisch sein, finde ich, es bringt ja nichts und frustriert doch nur, an den eigenen Ansprüchen zu scheitern.

    So ganz nebenbei passiert etwas anderes Wundervolles: Ich lehne mich jetzt endlich mal so kennen, wie ich wirklich bin. Da stellt sich heraus, daß ich eigentlich eher ein schüchterner, ruhiger Typ bin und gar nicht der Partyheld, Wirbelwind und Sprücheklopfer, als den ich mich gerne ausgegeben habe. Es ist ja wirklich so: In meiner nassen Zeit hatte ich nie ein klares Bild von mir selbst, alle Gefühle im guten wie im schlechten habe ich in Bier und Cola-Whisky ertränkt.

    Damit komme ich zu einem Thema, das ich bisher noch nicht so richtig angesprochen habe: Depressionen. Ich leide, seit ich zurückdenken kann, an wiederkehrenden depressiven Schüben. Allerdings trinke ich auch, seit ich zurückdenken kann. Bin ich jetzt depressiv, weil ich saufe, oder saufe ich, weil ich depressiv bin? Ich wußte es bisher einfach nicht. Solange ich Alkohol trinke, werde ich jedenfalls nie eine Chance haben, das herauszufinden. Das ist ja genau die Zwickmühle, in dem behandlungsbedürftige Menschen oft stecken: Solange sie trinken, ist eine Therapie ausgeschlossen, aber ohne Therapie schaffen sie es nicht, von der Trinkerei zu lassen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Es nützt also alles nichts: man muß "den Tresor von innen aufschließen", wie ich mal irgendwo so schön gelesen habe, und sich erstmal fit für eine Therapie machen.

    Zum Anfang meiner nüchternen Zeit war ich für ein paar Tage regelrecht euphorisch, aber die Wogen haben sich dann schnell wieder geglättet. Es folgte Normalität, Alltag, und, ja, auch Langeweile. Aber besonders niedergeschlagen oder krankhaft depressiv habe ich mich in den letzten zehn Wochen nicht ein einziges Mal gefühlt. Das macht mir Mut, daß ich gar keine Depressionstherapie brauche. Nach allem, was ich so erlebt und überlebt habe, wird eine Psychotherapie bestimmt nicht verkehrt sein, aber ich glaube, eine spezielle Therapie gegen Depressionen oder sogar medikamentöse Behandlung brauche ich gar nicht. Das wäre eine tolle Nachricht.

    Wo wir gerade bei guten Nachrichten sind: Laut MRT-Befund habe ich gar keinen Bandscheibenvorfall, da habe ich zehn Jahre lang mit einer falschen Diagnose gelebt. Auch so ist bei meinem Rücken nicht alles eitel Sonnenschein, ich habe Haltungsschäden vom vielen Sitzen, aber immerhin ist es nichts völlig Schlimmes. Hätte ich weiter gesoffen, wäre ich nie zum Orthopäden gegangen und hätte das gar nicht gewußt.

    So, auf mich wartet ein langweiliger, ereignisloser Sonntag. Ich werde einfach gammeln und entspannen, Sport hatte ich gestern schon. Immerhin kann ich ohne schlechtes Gewissen gammeln, denn ich habe diese Woche alles erledigt, was es zu erledigen gab.

    Euch wünsche ich natürlich einen kurzweiligen, ereignisreichen, Sonntag! :b

    Hanseat

  • Es gab auch ein paar Momente, zum Beispiel gestern, wo ich aus Langeweile heraus am liebsten zum Kiosk gerannt wäre. Leider reicht ja schon ein schwacher Moment, um das ganze Projekt zum Einsturz einzubringen.

    So, auf mich wartet ein langweiliger, ereignisloser Sonntag. Ich werde einfach gammeln und entspannen, Sport hatte ich gestern schon.

    Hallo!

    Du siehst den zitierten Widerspruch und die mögliche Gefahr? Sicher dich ab.

    Saufen aus Langeweile kenne ich zur Genüge. Der Restalkohol vom Vortag, die fehlende Erholung im vorangegangenen Schlaf, die damit verbundene Antriebslosigkeit verführten mich zum Griff zur Flasche. Also mache ich immer etwas, z.B. fahre ich gleich an diesem verregneten Sonntag in die Sauna, ein paar Runden schwitzen.

    Gruß

    C. Friedrich

  • Hallo Hanseat,

    viele schöne, positive Ereignisse!

    Sei weiterhin aufmerksam. Wenn du Langeweile hast und der Suchtdruck kommt: etwas unternehmen oder das Nichtstun genießen. Der erste Schritt ist ja, dass du die Gefahr erkennst und handeln kannst

    Das mit den depressiven Phasen kenne ich auch. Dann trinkt man gegenan und macht alles schlimmer. Eine Bearbeitung der Depression geht, soweit ich weiß, nur, wenn man nüchtern/trocken arbeiten kann. Auch bei mir sind die Angstzustände und depressiven Zeiten so gut wie verschwunden seitdem ich nicht mehr trinke. Und an nicht ganz so guten Tagen kann ich damit umgehen. Auch ohne extra Therapie.

    Ich wünsche einen schönen Sonntag und Glückwunsch zu deinen 10 Wochen!

    Viele Grüße

    Seeblick

  • Herzlichen Glückwunsch zu 70 nüchternen Tagen 👍

    In den 10 Wochen deines neuen nüchternen Lebens hat sich ja für dich schon ganz schön viel zum Positiven verändert. Super, dass du erkennst und dich daran freuen kannst.

    Den ganzen Tag gammeln und sich entspannen kann einen Tag auch zu einem besonderen Tag machen, schon allein deshalb, weil du ohne Alkohol gammelst und entspannst.

    In diesen Sinne wünsche ich dir einen schönen Sonntag 😀

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

  • Das mit den depressiven Phasen kenne ich auch. Dann trinkt man gegenan und macht alles schlimmer.

    So ist es. Man versucht verzweifelt, mit Alkohol die Zustände zu bekämpfen, die dieser zu einem großen Teil oder sogar insgesamt verursacht hat. Für eine Stunde oder so mag das klappen, sonst wäre man ja nicht so bescheuert, es immer wieder zu versuchen, aber hinterher ist der Katzenjammer groß und alles kommt zweifach und dreifach so dicke zurück.

  • Hallo Hanseat,

    Bin ich jetzt depressiv, weil ich saufe, oder saufe ich, weil ich depressiv bin?

    das wirst du tatsächlich nur herausfinden, wenn du abstinent bleibst. Und ich wünsche dir sehr, dass mit dem Verschwinden des Alkohols in deinem Leben auch deine depressiven Schübe gänzlich verschwinden. Falls Sie nicht verschwinden sollten, so dürften sie aber deutlich milder verlaufen, als du sie sonst kennst. Und je mehr du lernst, auf dich zu achten und für dich zu sorgen, desto positiver wirkt sich das auf deine Psyche aus.

    So ein Sonntag, an dem man das süße Nichtstun mal so richtig genießen kann, ist herrlich. Wenn aber Langeweile aufkommen sollte, kann das tatsächlich knifflig werden.

    Wie ist das bei dir? Ist heute irgendwann Lageweile aufgekommen oder konntest du einfach mal so richtig schön ausspannen und die Ruhe genießen?

    Viele Grüße

    AufderSuche

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