Helena_Strahlende Papa wo bist du?

  • Hallo ihr Lieben,

    nach fast einem Jahr lesen hier im Forum habe ich nun endlich beschlossen mich hier anzumelden. Mein Vater ist alkoholabhängig, wahrscheinlich schon seit ich denken kann. Ich bin mittlerweile 30 Jahre alt und lebe schon seit gut 11 Jahren nicht mehr zu Hause. Ich bin verheiratet und habe seit kurzem einen Hund. Den Hund meiner Eltern, weil sich mein Vater um das arme Tier nicht mehr richtig kümmern kann und meine Mama überfordert damit ist. Außerdem liebe ich den kleinen Stinker und wir sind sehr glücklich, dass es bei uns ein gutes zu Hause gefunden hat. Ein paar Infos zu meiner Situation und Motivation:

    Es war schon immer so ein merkwürdiges Gefühl da, dass irgendwas mit der Beziehung meines Vaters zum Alkohol nicht stimmt, aber Alkoholiker?, nein die sehen doch ganz anders aus und gehen nicht normal arbeiten…..funktionieren eben nicht. Wenig wusste ich vom funktionierenden Alkoholiker. Nun hat er in den letzten Jahren stark abgebaut, aber es direkt mit dem Alk zu verknüpfen hat niemand so richtig in unserer Familie. Wahrscheinlich war es zu schmerzhaft und es ging ja noch halbwegs. Man konnte es verdrängen. Vor gut einem Jahr hat es dann angefangen mit dem starken Schwindel, den dicken Beinen, den Stürzen, den Gedächtnisaussetzern, den unausstehlichen Launen etc……sodass es langsam schwer zu leugnen war, dass etwas nicht stimmt. Seitdem ist viel passiert. Viele Krankenhausaufenthalte meines Vaters. Viel Lesen hier im Forum. Viel schmerzhafte Entscheidungen und Gespräche mit meinem Vater aber auch meiner Mutter. Ich bin sehr stolz darauf, was ich im letzten Jahr geschafft habe und will diesen Weg gerne weitergehen.

    Genau da setzt jetzt meine Absicht an, mich hier anzumelden. Die vermeintlich größeren Baustellen sind geschafft. Meine Mama ist ausgezogen, hat ein neues Heim. Nach langem Drängen hat sie endlich eine Therapie begonnen und ich muss dafür nicht mehr herhalten. Ich habe nachdem drei ernsthafte Gespräche mit meinem Vater nichts gefruchtet haben, erstmal den Kontakt auf Eis gelegt. Aber jetzt fühlt es sich irgendwie für mich gefährlich an, da nichts mehr ansteht, keine Bewegung mehr da ist, außer sich mit der Situation zu arrangieren. Ich fange mehr und mehr an, an meinen Entscheidungen zu zweifeln und fühle mich sehr einsam mit meinen Erlebnissen. Ich habe zwar eine große Schwester, aber die lebt weiter weg und hatte schon immer eine andere Ansicht der Dinge und eine ganz andere Art damit umzugehen. Sie hat schon früh angefangen sich aus Trotz von meinen Eltern zu distanzieren, um sich selbst zu schützen. Das finde ich sehr bewundernswert. So bin ich aber nicht. Jetzt würde ich gerne für mich einen guten Umgang mit der Situation finden, bzw. mich darauf vorbereiten, dass die Abwärtsspirale meines Vaters gerade voll am laufen ist und er wahrscheinlich bald sterben wird. Sich komplett von seinem Vater zu distanzieren fühlt sich so wahnsinnig schmerzhaft an, aber ich will nicht mit ihm untergehen. Ich habe außerdem im letzten Jahr gemerkt, dass da nicht mehr viel von meinem Papa übrig ist. Ich liebe meinen Papa, aber nicht die leere Hülle die vor mir sitzt, sondern den Papa aus meiner Erinnerung.

  • Hallo Helena,

    das hört sich sehr traurig an. Das alles in die Wege geleitet wurde, ist vorerst gut. Aber mal eine Frage an dich: Es scheint dir damit nicht gutzugehen, oder? Die Situation ist natürlich diese, dass Liebe und Erinnerung bei dir eine Rolle spielen.

    Ich bin aber ein schlechter Ratgeber, ich wollte dich hier nur begrüßen und dir sagen, dass du hier richtig bist.

    Gerne kannst du dich nach einer kurzen Bewerbung hier weiter austauschen. Fülle einfach das Formular aus, du wirst zeitnah freigeschaltet:

    https://alkoholiker-forum.de/bewerben/

    Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt. – Mahatma Gandhi

  • Hallo HE,

    ähnliches habe ich bereits hinter mir, mit meinem Vater.

    Du suchst … ja was eigentlich? Schmerzlinderung?

    Ich muß dich enttäuschen, du mußt da durch.

    Entweder du hoffst, begleitest weiter bis zum Ende oder du distanzierst dich – selbstschützend.

    Das klingt nicht nur hart, es ist hart.

    Mein Vater verfiel mehr und mehr dem Alkohol. Anfangs versuchte ich zu helfen, zu lindern … nach Jahren zog ich mich völlig zurück. Ich konnte diese/ seine Selbstzerstörung nicht mehr ertragen!

    Er soff dann noch etliche Jahre weiter, irgendwann versagte der Körper nach und nach, so daß er kaum noch Alkohol trinken konnte … und starb.

    Ich möchte nicht näher ins Detail gehen.

    Gern würde ich dir Hoffnung machen, doch mich lehrte die Realität...

    Ich wünsche Dir viel Kraft!

  • Hallo Helena,

    Peter hier. Herzlich willkommen im Forum, auch wenn du schon länger hier mitliest.

    Was du schreibst, ist schmerzhaft und berührend. Zugleich schreibst du ausgesprochen reflektiert. Ich bin sicher, du weißt längst, daß es auf eine Distanzierung hinausläuft. Das zu erkennen und dann die Konsequenz zu ziehen ist sicher ein sehr schwerer Schritt.

    Ich möchte dir von einem guten Freund berichten, der ähnlich wie dein Vater bei allen Gesprächen dicht gemacht hat. Zu Beginn verlor er seinen Führerschein und seine Arbeit. Er stürzte sich in Bier und Schnaps. Er machte einen Entzug aber nie eine Therapie. Sein Hauptnahrungsmittel war "alkoholfreies" Bier und davon Unmengen. Er fragte und bat mich, zu helfen. Ich konnte ihm nur von mir berichten und veruchen, ihn im Kopf zu erreichen. Das ist mehrfach musslungen. "Brauch´ich nicht. Ich komm´klar." sagte er immer wieder. Nach dem ersten Rückfall zu Schnaps habe ich noch Hoffnung gehabt, weil er wieder einen Entzug machte. Aber die Gespräche waren nun "leer". Er hat sich irgendwie in sein Schicksal ergeben, ohne sich weiter Gedanken über seinen Konsum zu machen und darüber reden wollte er schon gar nicht, weil: "Ich komm´klar. Lass´mich." In seinem Kopf ist nichts angekommen. Die Telefonate waren belanglos und mir war klar: er wird so weitermachen, der nächste Rückfall wird kommen. Darauf habe ich nicht gewartet. Er weiss, wie ich erreichbar bin, auch für ihn. Aber es kommt nichts und ich habe dann die Distanz behalten und ihn nun so in Erinnerung, wie ich ihn aus dem gemeinsamen Arbeitsleben kannte. Heute habe ich keinen Kontakt mehr. Es war besser so - für mich.

    Natürlich ist ein Freund kein Vater. Du hast aber sehr viel getan, mehr musst du nicht tun. Dein Vater macht weiter und du wirst das Nachsehen haben.
    So schwer das ist: Distanz ist der einzige Schutz für dich. Dein Vater hat sein Leben - und Du hast Dein Leben. Nur auf letzteres hast du wirklich Einfluß.

    Ich wünsche dir Kraft und alles Gute!

    Peter

  • Vielen Dank für eure Nachrichten!


    Eine Frage hat mich sehr beschäftigt, und zwar die von Achelias.

    Du suchst … ja was eigentlich? Schmerzlinderung?

    Weil ich tatsächlich als ich mich endlich angemeldet hatte und anfing zu schreiben, gar nicht richtig fassen konnte was ich suche. Schmerzlinderung? Erwischt, irgendwie suche ich die, aber je mehr ich darüber nachdenken, nicht 1 zu 1 direkt von außen, auf die Art „ hier haste nen Keks, ei ei, alles wird gut“. Vielleicht eher die Möglichkeit mich aus euren Erfahrungen auf den Schmerz einzustellen. Zu wissen, dass ich nicht allein bin mit meiner Situation. Dass Andere schon vor mir ähnliches durchlitten haben und daran nicht kaputt gegangen sind. Elternteile an den Alkohol verloren haben. Von diesen Erfahrungen zu lesen und die ungeschönte Wahrheit wie es höchstwahrscheinlich weitergehen wird zu hören und was noch auf mich zukommt. Wie Andere damit umgegangen sind. Da bin ich scheinbar nicht so stark wie ich immer dachte.

    Wahrscheinlich ist es das, was ich am meisten hier suche und die Möglichkeit meinen zweifelnden Gedanken und den Gedanken meinen Vater im Stich zu lassen einen Raum zu geben und nicht alles mit mir selbst auszumachen. Ich weiß eigentlich in meinem Kopf, dass ich meinen Vater nicht im Stich lasse indem ich mich von ihm abwende, sondern eher das Gegenteil. Mein Herz sagt mir aber je mehr Zeit vergangen ist, seitdem ich den Kontakt abgebrochen habe (das war Ende Oktober 2021), dass ich ihn doch nicht einfach so aufgeben kann. Mich abwende und ihn kampflos seinem Schicksal überlasse. Bleibt dieser Zwiespalt oder wird die Stimme aus dem Herz irgendwann leiser beziehungsweise gleichen sich die Stimmen an?

    Was mich auch beschäftigt ist die Frage, wie ich in meinem Umfeld mit den Personen umgehe, die den Kontakt nicht abgebrochen haben. Ich werde momentan schnell wütend, wenn ich merke, dass Personen aus seinem/meinem Umfeld (u.a. Familie) ihm gegenüber einfach so tun als wäre nichts. Aus Scham, aus Bequemlichkeit, Selbstschutz ……eigentlich egal. Aus meiner Sicht, spielen noch zu viele in dem Friede-Freude-Eierkuchen-Spiel mit. Ich weiß jeder trifft da seine eigenen Entscheidungen, aber es macht mich so wütend, weil ich mich so allein fühle auf meinem Weg.

    Ich habe im letzten Jahr so viel in die Aufgabe reingesteckt, dass meine Mama sich aus ihrer Co-Abhängigkeit raus bewegt. Ich merke, dass mir das alles gerade sehr viel Energie raubt. Morgens fällt es mir immer schwerer aufzustehen. Sollte ich mich auch mehr von meiner Mama distanzieren oder Grenzen aufzeigen? Aber wie, ohne sie zu verletzen? Mir wird gerade bewusst, dass das auch eine Frage ist die ich gerade versuche mit mir selbst auszumachen.

    Puh, bin gerade selbst überrascht wie viele Baustellen da gerade in meinem Kopf sind. Fühlt sich gut an, die mal alle aufzuschreiben.

    Ich wollte außerdem los werden, dass ich sehr sehr dankbar darüber bin, dass es diese Forum gibt.

  • Hartmut 18. Januar 2022 um 12:18

    Hat den Titel des Themas von „Papa wo bist du?“ zu „Helena_Strahlende Papa wo bist du?“ geändert.
  • Hallo Helena,

    ich habe dich freigeschaltet und in den zuständigen Bereich verschoben. Hier geht es für dich weiter.Du kannst dich jedoch auch überall im offenen Bereich des Forums austauschen.

    Gruß Hartmut

    ------------------

    Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

  • Hallo Helena,

    auch von mir ein herzliches Willkommen in diesem Forum.

    Da du schon seit etwa einem Jahr hier mitliest, dürften die dir verschiedenen offenen Bereiche unserer Online-Selbsthilfegruppe vertraut sein. Nun bist du gerade für den offenen Bereich der Erwachsenen Kinder aus alkoholkranker Familie (EKA) freigeschaltet worden. Willkommen in diesem Bereich.

    Es ist wahrlich nicht leicht, was hinter dir liegt und es ist wahrlich nicht leicht, was du derzeit durchmachen musst. Ich wünsche dir, dass du hier bei uns findest, was du suchst und was du brauchst.

    So, wie du es von dir erzählt hast, hast du in der Vergangenheit sehr verantwortungsvoll gehandelt und entschieden. Du hast für deine Eltern eine Verantwortung übernommen, die sie, wie es aussieht, nicht selbst übernommen haben. Das ist etwas, was typisch für uns EKAs ist.

    Wenn du’s noch nicht getan hast, empfehle ich dir, den Faden „Merkmale eines EKA“ zu lesen. Mir, selbst EKA, hat es geholfen, mich in dem einen oder anderen Merkmal bzw. in der einen oder anderen Beschreibung wiederzufinden. Ich fühlte mich dadurch irgendwie weniger allein.

    Es gibt zu diesem Thema inzwischen auch einen Artikel.

    Wahrscheinlich ist es das, was ich am meisten hier suche und die Möglichkeit meinen zweifelnden Gedanken und den Gedanken meinen Vater im Stich zu lassen einen Raum zu geben und nicht alles mit mir selbst auszumachen. Ich weiß eigentlich in meinem Kopf, dass ich meinen Vater nicht im Stich lasse indem ich mich von ihm abwende, sondern eher das Gegenteil. Mein Herz sagt mir aber je mehr Zeit vergangen ist, seitdem ich den Kontakt abgebrochen habe (das war Ende Oktober 2021), dass ich ihn doch nicht einfach so aufgeben kann. Mich abwende und ihn kampflos seinem Schicksal überlasse. Bleibt dieser Zwiespalt oder wird die Stimme aus dem Herz irgendwann leiser beziehungsweise gleichen sich die Stimmen an?

    Von außen möchte ich dir dazu antworten, dass nicht DU es bist, die deinen Vater im Stich lässt. Sondern dein Vater selbst trifft eine Wahl. Ich gehe davon aus, dass du dich für deinen Vater verantwortlich fühlst. Das ist nämlich etwas, was irgendwie typisch für uns ist. Einige von uns sind von klein auf in diese Rolle hineingewachsen sozusagen Eltern für unsere Eltern zu sein. Dass das eine Rolle ist, die wir gar nicht übernehmen sollten und mit der wir völlig überfordert sind, konnten wir nicht erkennen, als wir da hineingewachsen sind, deshalb prägt uns das auch so stark.

    Dein Vater und deine Mutter aber sind eigentlich erwachsene mündige Menschen, die ihre eigenen Entscheidungen getroffen haben und die im Grunde ganz allein die Verantwortung für sich haben.

    Mit deiner Hilfe ist dein Vater im letzten Jahr schließlich mehrfach ins Krankenhaus gegangen, deine Mutter ist ausgezogen und hat eine Therapie begonnen. Damit hast du sehr, sehr viel getan. An deinem Vater wäre es nun gewesen, für sich zu sorgen. Wenn er das nicht tut, hat er wiederum eine Wahl getroffen. Für deine Mutter gilt Ähnliches.

    Vom Kopf her weißt du, dass du deinen Vater nicht im Stich lässt und das tust du auch nicht. Wenn jemand, jemanden im Stich lässt, ist es, so traurig das ist, eigentlich dein Vater. Er lässt DICH im Stich.

    Die Wut, die du gegenüber seinem/ deinem Umfeld verspürst, hat, so vermute ich mal, damit zu tun, dass sein/ dein Umfeld DICH ebenfalls im Stich lässt. Du nimmst wahr, worauf das bei deinem Vater hinausläuft, aber du erhältst nicht die nötige Unterstützung, das abzuwenden. Du schreibst ja auch, dass du dich allein fühlst. So etwas zu erleben tut unglaublich weh und es zeigt dir letztlich auch, dass die Energie, die du investiert hast, irgendwie verloren war/ ist. Das dürfte auch der Grund sein, warum du morgens immer schwerer aufstehen kannst.

    An dieser Stelle darfst du dich fragen, wie du für DICH sorgen kannst, denn im Grunde hast du eigentlich nur eine Verantwortung und zwar die für DICH.

    Du fragst:

    Sollte ich mich auch mehr von meiner Mama distanzieren oder Grenzen aufzeigen

    Die Antwort auf die Frage ergibt sich aus der Antwort auf die Frage, ob DIR mehr Distanz zu deiner Mutter und das Aufzeigen gewisser Grenzen gut tun würde, ob das sozusagen besser für DICH wäre.

    Wie meine Antwort auf die Frage lauten würde, wirst du nach dem, was ich dir geschrieben habe, ahnen können. Ob das auch DEINE Antwort ist, musst du für dich selbst herausfinden, das kann dir niemand abnehmen.

    Ich wünsche dir hier ein gutes Ankommen und einen guten und hilfreichen Austausch.

    Liebe Grüße

    AufderSuche

  • Vielen Dank lieber Hartmut für die Freischaltung :)

    Hallo AufderSuche,

    da ich schon länger hier im Forum mitlese, habe ich schon einige deiner sehr feinfühligen Beiträge gelesen und finde es toll, dass du immer wieder dazu aufforderst den Blick nicht nach außen, sondern nach innen zu richten.

    Die Antwort auf die Frage ergibt sich aus der Antwort auf die Frage, ob DIR mehr Distanz zu deiner Mutter und das Aufzeigen gewisser Grenzen gut tun würde, ob das sozusagen besser für DICH wäre.

    Danke für diesen Satz. Ich dachte eigentlich ich hätte für mich gesorgt, scheinbar ist mir noch nicht ganz gelungen mir selbst einzugestehen, was ich wirklich MÖCHTE und das ist eine Auszeit. Eine Auszeit sowohl von dem Zustand meines Vaters, als auch von den Problemen die sich gerade in finanzieller Hinsicht bei meinen Eltern anbahnt. Es tut mir mal gut, die Sorgen aufzuschreiben und aus meinem System zu bekommen. Platz zu schaffen.

    Meine Mutter ist Beamtin und mein Vater war lange selbstständig, hat nicht gut für sich vorgesorgt (irgendwie bezeichnend, dass er in vielen Aspekten nicht für sich sorgt) und bekommt so gut wie keine Rente. Er bekommt derzeit Trennungsgeld von meiner Mutter und lebt im Elternhaus allein.......nicht ganz allein, denn sein Zwillingsbruder zieht scheinbar bald bei ihm ein. Sein ebenfalls alkoholkranker Zwillingsbruder. Die zwei werden sicherlich gut füreinander da sein, dafür sorgen, dass er Andere sicht nicht vom Alkohol trennt damit man nicht alleine in seiner Sucht ist und gemeinsam untergehen. Eigentlich wäre es für ihn körperlich und geistig besser in einer Betreuung untergebracht zu werden, aber das will er nicht. Seit seinem letzten Krankenhausaufenthalt, den er eigentlich für den Entzug angetreten hat......und dann wieder Meinungswechsel, was ein Wunder.......hat er zumindest eine gesetzliche Betreuerin, die sich um seine Finanzen etc. kümmert. Das hatte ich bis dato übernommen, weil tausend Mahnungen und Rechnungen ins Haus geflattert kamen und sowohl mein Onkel als auch meine Mama damit überfordert waren. Mein Vater ist durch seine fehlende Absicherung nur mangelhaft krankenversichert und es haben sich durch die Krankenhausaufenthalte im letzten Jahr mehrere Zehntausend Euro offene Beträge angehäuft. Ich gehe davon aus, dass das Haus verkauft werden muss um diese Rechnungen zu begleichen. Aber das ist nicht mein Problem. Ich will tatsächlich auch dazu gerade nichts mehr von meiner Mama hören. Ich merke durch deinen Stubs langsam, dass ich viel zu lange ihre Probleme zu meinen gemacht habe.

    Dein Vater und deine Mutter aber sind eigentlich erwachsene mündige Menschen, die ihre eigenen Entscheidungen getroffen haben und die im Grunde ganz allein die Verantwortung für sich haben.

    Tatsächlich hat es sich in meiner Kindheit manchmal anmaßend/überheblich angefühlt wie sehr ich die Elternrolle übernommen habe auch gegenüber meiner Schwester, weil ich mich ab einem bestimmten Alter meinen Eltern überlegen gefühlt habe. Ich hatte keine schlimme Kindheit, das definitiv nicht, aber es hat sich nie so geborgen und SICHER angefühlt wie bei Freunden. Meine Mutter ist zwar keine Alkoholikerin, aber alles andere als selbstsicher und hat meiner Meinung nach u.a. eine Essstörung und schon lange Theraphiebedarf. Der Umstand, dass sie jetzt endlich eine Theraphie begonnen hat, löst in mir tatsächlich eine Erlösung aus.

    So, wie du es von dir erzählt hast, hast du in der Vergangenheit sehr verantwortungsvoll gehandelt und entschieden. Du hast für deine Eltern eine Verantwortung übernommen, die sie, wie es aussieht, nicht selbst übernommen haben. Das ist etwas, was typisch für uns EKAs ist.

    Verantwortungsvoll.......das klingt irgendwie schön. Langsam dämmert mir, wem gegenüber ich nicht verantwortungsvoll war und es immernoch nicht richtig bin. MIR gegenüber. Ich will mich nicht nur vom Alkoholismus meines Vaters lösen, sondern auch von den Problemen meiner Mama distanzieren und mich auf mein Leben konzentrieren. Da hab ich genug eigene Baustellen :S . Ich werde mir überlegen wie genau ich das meiner Mama erkläre, ohne sie unnötig zu verletzen. Ich will sie aber auch nicht in Watte packen, damit sie merkt, dass sie alleine laufen soll. Ich glaube das wird ihr auch mal gut tun.

    Liebe Grüße,

    Helena

  • Hallo HE,

    verantwortungsvoll … genau das triffts. Du bist in erster Linie für dich verantwortlich.

    So traurig, das mit deinen Eltern auch ist, sorge in erster Linie für Dich, gewinne (emotionalen) Abstand, dann kannst du auch nüchtern ( objektiv ) mit der Situation umgehen.

    Ich kenne zwar eure Beziehung (Mutter, Vater) nicht, doch die zum Vater scheinen ähnlich wie meine damaligen zu sein, … er öffnete keine Post, Rechnungen, Mahnungen stapelten sich, alle Versuche ihm zu helfen scheiterten kläglich auf Grund seiner Uneinsichtigkeit/ Alkoholkonsums. Er verwahrloste auch zunehmend. Nach jahrelangen kläglichen Versuchen der Hilfe und unzähligen Demütigungen, wurde mir bewußt – ich kann da nichts machen, absolut nichts. Ich brach jeglichen Kontakt ab, weil es mir in erster Linie nicht gut ging, ich konnte das alles nicht mehr ertragen, emotional. Machen konnte ich sowieso nichts.

    Es hat einige Zeit gedauert und da musste ich durch.

    Meine Mama war zum Glück schon einige Jahre geschieden, zwar half sie im Rahmen der Vernunft aus der Distanz, ebenso wir Kinder, doch mehr auch nicht. Persönlichen Kontakt wollte niemand mehr haben – aus reinem Selbstschutz. Deine Mutter benötigt sicher noch einige Zeit ...

    Mir half auch der Gedanke, wie würde ich handeln, wenn ich nicht mit ihm verwandt wäre.

    Viele Grüße

  • Hallo Helena,

    ich freue mich, dass du mit meinen Worten etwas anfangen konntest und etwas für dich Hilfreiches daraus herausziehen konntest.

    Du klingst sehr reflektiert. Das ist mir bei deinem Schreiben ganz besonders aufgefallen und ich denke, dass dir das für dich eine große Hilfe ist und sein wird.

    Ich weiß von mir selbst, wie schwer es mir lange Zeit gefallen ist, überhaupt erstmal mich und meine eigenen Bedürfnisse zu sehen. Das konnte ich eine sehr, sehr lange Zeit nicht wirklich und das hatte bei mir mit den Mustern und Prägungen zu tun, die ich mehr oder minder von klein auf in meiner Familie erworben hatte.

    Auch bei uns war nicht ALLES schlecht, aber Geborgenheit und Sicherheit fühlte ich äußerst selten und schließlich gar nicht mehr. Das ist für mich nicht ohne Folgen geblieben.

    Tatsächlich hat es sich in meiner Kindheit manchmal anmaßend/überheblich angefühlt wie sehr ich die Elternrolle übernommen habe auch gegenüber meiner Schwester, weil ich mich ab einem bestimmten Alter meinen Eltern überlegen gefühlt habe.

    Das ist ein sehr interessanter Satz! Als ich das las, erinnerte ich mich, dass ich etwas Ähnliches gefühlt habe. Nicht so bewusst, wie du das hier schreibst, aber so eine merkwürdige Mischung aus Stolz und Unbehagen mehr oder minder zugleich.

    Vom Verstand her habe ich als Erwachsene Vieles begriffen, aber für mich sorgen konnte ICH dennoch lange, lange Zeit nicht. Das ergab sich bei mir eigentlich erst, als mir krankheitsbedingt gar keine andere Wahl blieb, als mich endlich um MEINE Bedürfnisse zu kümmern.

    Wenn du das schaffst, nun noch mehr für dich selbst zu sorgen, freut mich das aufrichtig für dich.

    Aber das ist nicht mein Problem. Ich will tatsächlich auch dazu gerade nichts mehr von meiner Mama hören. Ich merke durch deinen Stubs langsam, dass ich viel zu lange ihre Probleme zu meinen gemacht habe.

    Allein DAS zu erkennen, dass es nicht DEIN Problem ist, ist schon ein großer Schritt. Und der nächste große - nicht ganz so einfache - Schritt ist dann tatsächlich, es nicht zum eigenen Problem werden zulassen, sondern sich innerlich abzugrenzen und womöglich auch noch eigener Wege zu gehen.

    Ich darf dir meine Bewunderung aussprechen, wenn du auch den zweiten großen Schritt machst. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das alles andere als leicht ist, besonders dann, wenn man sich bislang immer verantwortlich für andere gefühlt hat.

    Ich habe dir das von mir nicht ohne Grund geschrieben. Dieser Satz hat mich drauf gebracht:

    Ich dachte eigentlich ich hätte für mich gesorgt, scheinbar ist mir noch nicht ganz gelungen mir selbst einzugestehen, was ich wirklich MÖCHTE und das ist eine Auszeit.

    Sollte sich ein leichter Vorwurf gegen dich darin verbergen, dass du doch noch nicht genug für dich gesorgt hast, - ich weiß nicht, ob das bei dir der Fall ist - , darfst du ihn fallen lassen. Es dauert mitunter sehr lange, siehe mein Beispiel, bis Innen drin tatsächlich angekommen ist, dass du ganz und gar für DICH sorgen DARFST.


    Dein Vater hat seinen Weg gewählt, dein Onkel hat seinen Weg gewählt. Gut, dass dein Vater bereits eine gesetzliche Betreuung hat, denn daran hatte ich auch gedacht, als ich von der Entwicklung deines Vaters gelesen habe. Wie es mit ihm weiter geht, wird sich erweisen. Entlastet bist du gewiss auch dadurch, dass die gesetzliche Betreuung, die auch gewisse rechtliche Kenntnisse haben dürfte, ein Auge auf ihn haben wird.

    Dass du so etwas wie Erlösung fühlst, weil deine Mutter endlich eine Therapie begonnen hat, kann ich nachvollziehen. So ähnlich ging’s mir mit meiner Mutter mitunter auch, als sie wegen ihrer Depressionen in eine Klinik ging. Ich hab‘s erst in den späteren Jahren erreicht, mich nicht mehr soooo verantwortlich für sie zu fühlen und ihr die Verantwortung für ihr Leben selbst zu überlassen.

    Liebe Grüße

    AufderSuche

    Einmal editiert, zuletzt von AufderSuche (21. Januar 2022 um 12:15)

  • Hallo ihr Lieben,

    nun ist mein Vater letzte Woche nicht überraschend aber doch überraschend früh verstorben. Momentan flackern immer wieder Schuldgefühle auf und ich wünschte, ich hätte mit ihm seit Oktober nochmal Kontakt gehabt. Hätte ich geahnt, dass es so früh passiert, hätte ich ihn an Weihnachten vielleicht doch besucht. Gleichzeitig bereue ich aber nicht, dass ich den Kontakt abgebrochen habe. Ich bin gerade zerrissen und unfassbar traurig. Ich hätte ihm gerne noch so viel gesagt. Vor allem, dass ich ihn liebe.

    Ich merke, dass mir gerade noch die Worte fehlen, um wirklich darüber zu schreiben. Aber ich werde wenn ich darf diesen Beitrag in ein paar Tagen, Wochen, Monaten dazu nutzen mit diesen überwältigenden Gefühlen klar zu kommen. Es tut gut zu wissen, dass man nicht NUR für sich schreibt.

    Helena

  • Liebe Helena, lass dir die Zeit die du brauchst und sei dir gewiss… du wirst gelesen!

    Ich selbst habe erst vor kurzem Erfahren, dass mein Vater bereits vor einige Monaten gestorben ist. Auch ich „mag“ noch nicht so viel darüber nachdenken. Mit deinen Gedanken und Gefühlen bist du nicht alleine. Wenigstens das wollte ich schon mal hier lassen 😊

    Alles Liebe, Lea

  • Hallo Helena.

    Als mein Vater starb, war ich in erster Linie erleichtert. Er hatte es geschafft. Das mag recht gefühllos klingen.

    Als ich noch Kontakt mit ihm hatte, war kein vernünftiges Gespräch möglich. Oft hatte ich es versucht, doch sein alkoholvernebeltes Gehirn verhinderte es. Ich hatte mir oft gewünscht, es wäre anders gewesen. Doch so war es nicht.

    Er hatte seinen Frieden gefunden....

  • Liebe Helena,

    mein herzliches Beileid, von ganzem Herzen. Mein Vater ist ebenfalls Anfang Januar verstorben, ich habe darüber an anderer Stelle in diesem Forum geschrieben. Vielleicht magst Du Dich, wenn Du soweit bist, ein wenig austauschen. Ich verstehe jedes Wort, das Du schreibst. Fühl Dich gedrückt!

    Liebe Grüße

    Steffi <3

  • Liebe Steffi,

    ich hatte deine Beiträge verfolgt, hatte da schon gedacht…..wow bis auf, dass mein Vater ein Jahr älter, also 67 geworden ist, deckt sich deine Geschichte mit meiner und wir haben glaube ich damit auf ganz ähnliche Weise zu knabbern. Papakinder ;) und ich war auch irgendwie dazu noch Ersatzsohn.

    Übrigens kann ich dein Bedürfnis deine Geschichte nochmal im Detail niederzuschreiben total gut verstehen. Auch wenn man sich und Anderen Sequenzen aus der Vergangenheit und die neusten Entwicklungen und Gefühle schon so oft erzählt hat, für mich fühlt es sich irgendwie richtig an, meine Geschichte nochmal von Anfang bis Ende zu sortieren, um damit abschließen zu können. Begreifen zu können, was da in Gänze passiert ist.

    Ich danke dir für deine Nachricht und auch von mir herzlichstes Beileid für deinen Verlust. Fühl dich in deinen Schmerzwellen verstanden.

    Ganz liebe Grüße,

    Helena

  • Jetzt ist es fast vier Wochen her, dass mein Papa tot ist. Ich kann es immer noch nicht ganz begreifen. Er wurde 67 Jahre alt, hatte seinen Ruhestand gerade erst vor etwas mehr als einem Jahr begonnen. Ein Alkoholproblem, vielleicht zu Beginn keine Sucht aber doch kein wirkliches Maß, so wird mir aus Erzählungen meiner Mama langsam bewusst, hatte er wahrscheinlich schon bevor meine Eltern sich kennenlernten. Da die schlimmste Abwärtsspirale ziemlich genau vor einem Jahr begonnen hat, möchte ich gerne das letzte Jahr hier aufarbeiten.

    Gestorben ist er alleine in seinem Zimmer nachdem er wieder gefallen war. Dabei haben sich Rippen, die er sich bereits letztes Jahr gebrochen hatte, zum wiederholten mal in seine Lunge gebohrt. Befreundete Ärzte haben gesagt, dass es wahrscheinlich sehr schnell ging. Ich wünsche es mir. Sein Zwillingsbruder hat ihn am Morgen gefunden, da war er noch warm. Mein Vater hat nachdem er kurz vor Weihnachten aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wieder im Haus meiner Eltern gewohnt, alleine. Meine Mama ist bereits mit unserer Hilfe im Sommer ausgezogen. Es war sein eigener Wunsch nicht in Betreuung zu gehen, keine Pflege zu Hause zu haben. Es wurde ihm mehrfach vom sozialen Dienst und seiner gesetzlichen Betreuung geraten. Die Ärzte sahen die Notwendigkeit zur Unterbringung in einer betreuten Einrichtung nicht, deshalb hatte er die Wahl. Seine Wahl war der Stolz: „wenn ich in so eine Einrichtung gehe, kann ich mir auch gleich die Kugel geben“…….irgendwie hat er sich die am Ende trotzdem gegeben, nur anders.

    Manchmal schäme ich mich, weil ich sage, dass mein Papa an seiner Alkoholsucht gestorben ist, wo er doch den Tod durch die implodierte Lunge gefunden hat. Dann dauert es einige Anläufe und ich versuche mich darauf zu besinnen, dass der Alkohol zu seinem miserablen körperlichen Zustand geführt hat, zu seinem Delir, seiner Wackeligkeit, seinen Stürzen und damit eben auch zu seinem Tod. An manchen Tagen gelingt es mir besser, als an anderen.

    Ich bin wahnsinnig traurig, dass mein Papa nicht mehr da ist. Gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich von meinen ständigen Sorgen befreit wurde. Mir keine Gedanken machen muss, was noch kommt, wie ich mich ihm gegenüber verhalte. Eine große Last ist von meinen Schultern gefallen. Das klingt irgendwie makaber, aber so ist es nunmal neben der Trauer auch.

    Ich denke für heute belasse ich es erstmal dabei und werde beim nächsten Mal ein Jahr zurückspulen und mich von da an nach vorne arbeiten.

    Helena

  • Hallo Helena,

    woran er letztlich gestorben ist, so oder so, es ist einfach nur furchtbar traurig.

    Und deine ambivalenten Gefühle sind ganz 'normal', also damit bist du nicht alleine. Das ist nicht makaber.

    Lieber Gruß, Linde

    You can't wait until life isn't hard anymore before you decide to be happy.

    - Nightbirde

  • Hallo Helena,

    auch ich, fragte mich immer, wie konnte es so weit mit meinem Vater kommen. Bei deinem ging es erst so richtig los, nachdem er aus dem Arbeitsleben schied. Bei meinem war es ähnlich, auch er hatte immer einen „guten Alkoholkonsum“ , meist am Abend ging es los und am nächsten Morgen, hatte er noch arg zu tun.

    Das war alles „recht unauffällig“, es war zwar unangenehm, aber nicht wirklich störend, so lange man sich nicht damit beschäftigte, konfrontierte. Man wußte, wenn der Vater so war, war es besser ihn in Ruhe zu lassen, so lernte ich es als Kind. Meine Mama, konnte sich nicht so einfach davonstehlen, sie trug die Hauptlast, sie schmiss den ganzen Haushalt und versuchte ein Zusammenleben zu ermöglichen. Jahre später, meine Mama war nach 24 Jahren der Ehe geschieden, unterhielt ich mich öfter mit ihr – es muss die Hölle gewesen sein, sie ordnete sich alldem unter, zum Wohle der Kinder und verkümmerte (so mein Eindruck) zusehend, einige Jahre nach der Scheidung blühte sie so langsam auf, doch immer „etwas“ unsicher, suchend, nach etwas was sie nie erlebte.

    Als mein Vater keine richtige Aufgabe mehr hatte, nahm das Trinken arg zu, es wurde maßlos und begann schon am Tage. Auch er verletzte sich sehr oft, kein Wunder, wenn die Motorik derart betäubt war.

    Wir (Mutter, Kinder), mittlerweile alle eigene Wohnungen, konnten dem ganzen Geschehen nur fassungslos zu sehen, alle Versuche, Hilfsangebote scheiterten und wurden oft mit Beschimpfungen, Beleidigungen belohnt. Wir wendeten uns selbstschützend ab.

    Ich versuchte noch jahrelang ihn zu helfen, doch auch ich gab irgendwann auf, gegen eine (tägliche) Flasche Wodka hatte ich keine Chance.

    Er starb dann.

    Ich hatte mich lange gefragt, wie konnte es dazu kommen … mein Vater konnte sich nie mit zwischenmenschlichen Situationen auseinandersetzen, sie bewältigen, egal ob in der Partnerschaft, mit Kindern schon gar nicht. Ging etwas mal nicht nach seinen Vorstellungen, wurde er aufbrausend, nie gewalttätig, doch sehr verletzend. Dieses Nicht-Können führte zu zunehmender Einsamkeit, der beste Freund Alkohol konnte diesen Zwiespalt lindern, beseitigen.

    Später, dann nicht mehr verheiratet, auch ohne Arbeit, ohne Aufgabe, nahm der Suff enorm zu, alle Freunde, Bekannte nahmen enorm ab. Nun war er gänzlich allein und soff noch ein gutes Jahrzehnt weiter.

    Ich bemerkte, daß mein Vater nie das war, was ich mir wünschte, was sich ein Kind wünscht … ein Papa. Vieles redete ich mir schön, die wenigen Kindheitserinnerungen wurden idealisiert.

    Ja, recht traurig und kaum in Worte zu kleiden.

    Wie kam ich damit klar? Mein Vater konnte sehr wohl aufhören mit dem Trinken, Sucht hin oder her, er wußte was Alkohol anrichtet, er wollte nicht.

    Er war schwach, so schwach, daß er sich immer wider der Vernunft entschied, wissentlich.

    Auch wenn mir das als Kind nicht gefällt, ich muß es akzeptieren. Denn genau so war`s. Wenn er nüchtern war, begriff er es total, selbst im Suff pflichtete er mir mit einer gewissen trotzigen Überheblichkeit bei, so nach dem Motto: dann ist das eben so, lieber besoffen glücklich, als nüchtern zu Tode betrübt. Da mag man nun akzeptieren oder nicht, respektieren musste ich es.

    Wir können „die Welt“ nur im Rahmen unserer Möglichkeiten verändern.

    Wenn uns etwas nicht gefällt, liegt es nur an uns, ob wir mitmachen oder eben nicht. Ob wir uns in blinder Hoffnung gefallen oder etwas tun, für uns und die, die es zu schätzen wissen.

    Mein Vater starb schon lange bevor er seinen Körper verließ, die letzten Jahre war er nur noch ein Schatten seiner selbst, hin und wieder blitzen kleine Lebenszeichen (Hoffnung) auf.

    Ich bemerke gerade selbst, ich verhaspele mich in meinen eigenen Gedanken, ich versuche zu erklären, was eigentlich nicht erklärbar ist. Ja, es ist/ war die Realität, doch wider jeglicher Vernunft.

    Mir bleibt nur übrig die Realität zu akzeptieren und meinem Vater zu verzeihen, daß er so war, wie er war.

    Ich glaube er konnte nicht anders...

  • Endlich schaffe ich es, zeitlich und mental mich meinem letzten Jahr zu stellen und fange hier meine Geschichte an zu erzählen. Dafür habe ich mir das Schreiben in Kapiteln als Hilfsmittel ausgesucht, um meine Gedanken zu ordnen und mich nicht in meinen Beiträgen zu verlieren. Hier also das erste Kapitel meiner Geschichte:

    Kapitel 1: Der Anfang vom Ende oder besser das Erwachen.

    Im März 2021 bekam ich eine Nachricht meiner Mutter, dass mein Papa gestürzt sei und im Krankenhaus liegt. Mehrere Rippenbrüche und Hüftbruch. Heute weiß ich, dass war nur der erste von mehreren Krankenhausaufenthalten in 2021. Der Anfang vom Ende sozusagen und mein Erwachen.

    Er ist gestürzt wegen Schwindel. Während seiner Zeit im Krankenhaus habe ich mich intensiv mit meiner Mama ausgetauscht und sie hat seine Alkoholsucht zum ersten Mal deutlich mir gegenüber ausgesprochen. Dann später zwar wieder mit einem Fragezeichen versehen, aber das ist ein anderes Kapitel. Für mich war das ein Novum, hat das bis dato doch nie jemand ERNSTHAFT ausgesprochen. Witze gemacht, wenn er mal wieder betrunken war, mal einen Seitenhieb „er trinke zu viel“ hier, da mal ein „jaja, du und dein Wein!“. Aber jetzt stand das Thema klar und unmissverständlich im Raum. Ich konnte endlich meinen Fuß in eine Tür stellen, von der ich nie wusste, dass ich sie mir wünschte. Ab dem Zeitpunkt wusste ich zumindest unterbewusst……es muss sich etwas ändern. Dass es an mir war etwas zu ändern, habe ich erst nach und nach durch das Lesen hier im Forum gelernt.

    Mal habe ich begierig gelesen und alles dankbar aufgesaugt. Mal tagelang einige mir hart erscheinende Ansichten gedreht und gewendet, ob es nicht doch ein Schlupfloch geben könnte, denn schließlich ist es ja bei meinen Papa ganz anders. Mit jeder Erfahrung, die ich im letzten Jahr gemacht habe, wurde mir schmerzlich bewusst. Bei meinem Papa ist es eben nicht anders, unsere Liebe ist nicht besonders stark, sodass alle Hürden überwunden werden können, ich kann ihn nicht trocken legen. Es gibt auch bei uns nicht das Wundermittel. Sucht bleibt Sucht. Ich wurde genauso angelogen, mir wurden genau die gleichen leeren Versprechungen gegeben, ich wurde genauso angefeindet, als Lügnerin, Schwarzseherin dargestellt wie viele, viele, viele, viele, viele……….vor mir und nach mir in diesem Forum. Die Muster sind tatsächlich immer die gleichen. Das wollte ich lange Zeit nicht sehen.

    Ich war/bin süchtig nach der Hoffnung. Nach dem Happy End. Das habe ich nicht bekommen, aber ich habe mir einen Neuanfang gegeben.

  • Huhu Helena,

    ich hab mich jetzt durch deinen Strang gelesen. Ich kann mich meinen Vorrednerinnen und Vorrednern nur anschließen. Du wirkst in deinen Beiträgen wirklich unglaublich reflektiert.

    Ich bin wahnsinnig traurig, dass mein Papa nicht mehr da ist. Gleichzeitig bin ich dankbar, dass ich von meinen ständigen Sorgen befreit wurde. Mir keine Gedanken machen muss, was noch kommt, wie ich mich ihm gegenüber verhalte. Eine große Last ist von meinen Schultern gefallen. Das klingt irgendwie makaber, aber so ist es nunmal neben der Trauer auch.

    Das kann ich wahnsinnig gut nachfühlen. Natürlich wünscht man einer geliebten Person den Tod nicht, aber die Sucht ist und bleibt eine wahnsinnige Belastung für die ganze Familie. Dass man nach dem Tod erleichtert ist, ist verständlich. Ich denke, jedes EKA kann das nachvollziehen.

    Ich finde es eine sehr gute Idee, dass du deine Geschichte in Kapiteln geordnet niederschreibst. Ich weiß nicht, ob du das auch kennst, aber bei mir persönlich schießen häufiger alte Erinnerungen hoch. Dann bin ich z.B. kurz vorm Einschlafen und realisiere, dass ich über dieses oder jenes Ereignis meiner Kindheit grüble. Früher grübelte ich dann munter vor mich hin, fand aber keinen Abschluss. Mittlerweile habe ich realisiert, dass die Themen immer wieder schmerzhaft aufkommen, weil ich sie noch nicht fertig gefühlt habe. Heute versuche ich, nicht mehr so viel zu grübeln, sondern viel mehr zuzuhören, den Schmerz zuzulassen und dem verletzten inneren Kind die Liebe zu geben, die es damals gebraucht hätte. Ich glaube ein großer Teil vom Heilen ist, das Geschehene nochmal einzuordnen und dabei durchzufühlen - und zwar so oft, wie es eben sein muss. Dabei muss man Geduld mit sich selbst zu haben. Mit dem Aufschreiben gehst du in meinen Augen diese Schritte!

    Liebe Grüße,

    kttnlos

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