Iphiegenie - Umgang mit Unsicherheit und Labilität

  • Aber vielleicht tut ja die Auseindersetzung gut, um sich selbst zu überprüfen und zu positionieren?

    Hallo Iphigenie,


    aus eigener Erfahrung ist es ratsam, keine solchen „Experimente“ in der Anfangszeit zu machen (ich mache das auch als Langzeittrockene weiterhin nur in seltenen Ausnahmefällen). Auch wenn man die Situation selbst gut „meistert“, kann dies im Nachhinein noch triggern. Und vo allem als noch sehr frisch Abstinente kann es auch in einer solchen Situation direkt zu Suchtdruck kommen. Wieso also sich solchen Risiken aussetzen?

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  • Habe auch festgestellt, dass es nur Leute interessiert, die selbst ein Problem haben.

    Anfangs habe ich mir auch überlegt, wie sage ich es...

    Gut fand ich "mir schmeckt es nicht", oder bei denen, die mich kennen "ich vertrage es nicht (mehr)"

    Inzwischen bin ich bei "Nein danke, keinen Alkohol" Auf die Frage "warum".

    "Weil ich nicht will."

    Das ist keine Lüge. Genauso ist es. Muss ja auch keinem erklären, wieso ich nicht rauche. Oder warum mir Karotten nicht schmecken.

  • Meine 2 besten Freunde sind Alkoholiker.

    Sind Deine Freunde bekennende Alkoholiker? Du hattest irgendwo am Anfang Deines Threads geschrieben, dass Du "vielleicht" die Einzige bist in Deinem Umfeld, die Alkoholikerin ist. Meintest Du da die einzige "bekennende" Alkoholikerin oder auf das weibliche Geschlecht bezogen?

    Also sehe ich sie immer noch. Aber ehrlich gesagt halten sie mir nur einen bedauerlichen Spiegel vor.

    So, wie Du die Begegnung mit Deinen Freunden beschreibst, distanzierst Du Dich von Ihnen, grenzt Dich innerlich von Ihnen ab. Die Frage ist, ob Du Dich stark genug fühlst, diese Spannung und Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, ohne dass Dich der Alkohol eventuell als Verbrüderungsmaßnahme wieder einholt.

    aus eigener Erfahrung ist es ratsam, keine solchen „Experimente“ in der Anfangszeit zu machen

    Dem kann ich für mich absolut zustimmen.

    Meine Alkoholsucht verbinde ich eher und schon ganz früh, seit der Pubertät, mit dem Alleine Trinken. Gleichzeitig war ich in meinen Zwanzigern und Dreißigern fast immer in Kreisen unterwegs, in denen sehr viel getrunken wurde. In dieser Zeit war ich auch zwei Mal mit Alkoholikern liiert, deren Alltag offen vom Alkohol gezeichnet war. Beides Künstler in äußerst prekären Verhältnissen lebend. Da war ich dann der Aufpasser, habe also zwar Alkohol und Cannabis konsumiert, aber eben Mengenmäßig im Rahmen und ohne eigene Ausfälle. Als ich den Kontakt mit letzterem der Beiden radikal abgebrochen habe, haben mich einige aus der "Szene" mit Mißgunst betrachtet, nach dem Motto ich hätte den Künstler-Messias fallen gelassen, der ja für uns alle aus seinem Leiden bedeutende Kunst schafft. Da wird der Alkoholismus letztlich als als ein Begleitumstand und Ausdruck des kreativen Schaffens, das eben vom Leiden gekennzeichnet sein muss, betrachtet. Ich erwähne das, weil ich denke, in jedem Milieu gibt es eigene Codes und Rechtfertigungsstrategien für Alkoholismus. Dem Künstler-Mythos-Denken inkl. Alkoholismus bin ich selbst aufgesessen bzw. habe diese verlogene, oberflächliche Haltung im zwischenmenschlichen Umgang mit getragen. Der Typ hat mich dann zwei Jahre lang öffentlich markiert und gestalkt, was zur Folge hatte, dass ich weggezogen bin und mich beruflich leicht verändert habe. Parallel habe ich dann aber Alleine mit dem mißbräuchlichen Trinken begonnen. Das hat sich dann in den letzten ca. 7 Jahren zu einer Sucht entwickelt, dann mit entsprechend auch öffentlichen Ausfällen, wobei ich seit 2 1/2 Jahren mit dem Auffhören kämpfe. Aus meiner jetztigen Sicht, denke ich, dass ich das Alkoholiker-Denken, als eine Wahrheit für mich übernommen hatte, als ich selbst noch nicht so viel getrunken habe.

    Mir ist in den letzten Wochen der Abstinenz immer deutlicher geworden, insbesondere auch durch das Lesen der Gedanken und Erfahrungsberichte hier, dass die Abstinenz auch ein Veränderung im "Strukturellen" erfordert; also dass ich mich letztlich von meinen Gewohnheiten im Umgang mit Menschen und im Denken, von einem Teil meiner Lebens-Wahrheiten und Auffassungen verabschieden muss und, dass das ein langer Weg ist. Dazu gehört sicher auch zu Vergangenem, das vom Alkoholiker-Denken geprägt war, Menschen und Kultur, eine kritische, selbstbestimmte Distanz finden möchte. Aus Selbstschutz gehe ich das erstmal langsam an.

  • Sind Deine Freunde bekennende Alkoholiker? Du hattest irgendwo am Anfang Deines Threads geschrieben, dass Du "vielleicht" die Einzige bist in Deinem Umfeld, die Alkoholikerin ist. Meintest Du da die einzige "bekennende" Alkoholikerin oder auf das weibliche Geschlecht bezogen?

    So, wie Du die Begegnung mit Deinen Freunden beschreibst, distanzierst Du Dich von Ihnen, grenzt Dich innerlich von Ihnen ab. Die Frage ist, ob Du Dich stark genug fühlst, diese Spannung und Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, ohne dass Dich der Alkohol eventuell als Verbrüderungsmaßnahme wieder einholt.

    Beide sind sicher nicht bekennende Alkoholiker. Aber es ist für mich ganz offensichtlich, dass sie es sind. Ihr ganzes Leben ist vom Wein und Bier bestimmt. Du hast recht, ich dachte nur an die Damen im Bekanntenkreis. Da fällt mir keine einzige ein, die ich als Alkoholikerin einstufen würde. Aber diese gemäßigten Bekannten sind für mich eigentlich gefährdender, denn sie trinken kleine Gläschen "zum Essen" und werden nicht verhaltensauffällig. Sie verkörpern das sozial normale, kulturelle des Weintrinkens. In solch einer Runde bin ich ein bisschen neidig, aber....hallo. Meine Leberwerte haben für sich gesprochen, mein Zustand war desaströs und ich war Sonntag morgens besoffen am Fahrrad bei der Tankstelle ums Eck Nachschub kaufen. Es ist mir ganz klar, dass das kulturell verklärte, feine kleine Gläschen zum Essen irgendwann wieder so enden würde. Pfui, abstoßend. Ich war noch abhängiger als meine beiden Spiegeltrinker Freunde! Der eine schafft es zu mindestens die Fastenzeit nichts zu trinken, der andere bleibt immerhin bei der gleichen Menge Bier und sauft nicht von Tag zu Tag mehr, wie ich. Wie viele Weinberge habe ich schon ausgetrunken? Wahrscheinlich ein ganzes Weingebiet! Das reicht für ein ganzes Leben, also kann jetzt auch getrost für immer Schluss sein.

  • Hallo Iphigenie,

    deine Erfahrungen zum Thema „Künstler und Sucht“ habe ich etwas ähnlich auch gemacht. Das dann erkannt zu haben, hilft wirklich. Und so geschieht manches dann auch automatisch, merke ich, wenn ich Mechanismen erkenne, entsteht schon eine gewisse Distanz dazu.

    Mir ist in den letzten Wochen der Abstinenz immer deutlicher geworden, insbesondere auch durch das Lesen der Gedanken und Erfahrungsberichte hier, dass die Abstinenz auch ein Veränderung im "Strukturellen" erfordert; also dass ich mich letztlich von meinen Gewohnheiten im Umgang mit Menschen und im Denken, von einem Teil meiner Lebens-Wahrheiten und Auffassungen verabschieden muss und, dass das ein langer Weg ist. Dazu gehört sicher auch zu Vergangenem, das vom Alkoholiker-Denken geprägt war, Menschen und Kultur, eine kritische, selbstbestimmte Distanz finden möchte.


    So ging es mir auch, und glücklicherweise konnte ich damals, nachdem ich aufgehört hatte zu trinken, feststellen, dass sich manche innere Veränderung ganz mühelos ergibt, so lange ich mich weiterhin ehrlich mit meiner Alkoholabhängigkeit auseinandersetzte.
    Konkrete Veränderungen im Außen (Vermeidung von „Trigger“-Situationen, alkoholfreies Umfeld etc.) habe ich aktiv vorgenommen, auch wenn ich innerlich vielleicht noch nicht immer verstand, warum das wichtig war. Aber dieses Verständnis und damit, wie du schreibst, der Abschied von manchen bisherigen (nassen) „Lebenswahrheiten“ kam dann immer müheloser.

    So empfinde ich das jetzt, es war ein langer Weg und ist es hoffentlich auch noch, denn das ist ja mein Leben.

    Ich wünsch dir hier weiterhin einen guten Austausch.

    Viele Grüße

    Thalia

  • Da wird der Alkoholismus letztlich als als ein Begleitumstand und Ausdruck des kreativen Schaffens, das eben vom Leiden gekennzeichnet sein muss, betrachtet. Ich erwähne das, weil ich denke, in jedem Milieu gibt es eigene Codes und Rechtfertigungsstrategien für Alkoholismus.

    Es ist ein Mythos. Ein Gläschen kann künstlerische Leistungen beflügeln, ein Dauersuff sicher nicht mehr. Ich bin Hobbykünstlerin und habe die letzten Jahre im Suff dann wirklich nichts Gescheites mehr zusammengebracht. Mein Spiegeltrinker Freund ist auch Künstler und Hobbymusiker. Er nimmt oft besoffen einen Song auf und ruft mich an und schildert mit leicht lallender Begeisterung, was er gerade für ein monumentales Werk aufgenommen hat. Am nächsten Tag höre ich dann von ihm, dass es nüchtern leider Scheiße klingt und er die Aufnahme neu machen muss...

  • ob ich diesen Satz selbst mal aus vollem Herzen und mit allen Konsequenzen, Stichwort Eigenverantwortung, sagen kann...? Derzeit für mich eine theoretische Wahrheit.

    Das liegt doch an dir.

    Mit dem Nüchternsein wurden meine Gedanken klarer, meine Wünsche größer.
    Als ich noch abhängig saufen musste, was mein einziger Wunsch, dass ich das nicht mehr machen muss….dass ich nicht mehr saufen muss. Diesen Wunsch konnte ich mir mit Hilfe dieses Forums erfüllen.
    Es lag an mir, mir diesen Wunsch zu erfüllen, es lag an mir, hier von den Erfahrungen der Anderen und von der Kritik hier zu lernen. Ich habe, seit ich mich hier angemeldet habe, nie daran gezweifelt, dass ich das schaffen werde, auch zufrieden nüchtern zu werden und zu bleiben.
    Und mir den klaren Gedanken kam mein Überlebungswille zurück. Mein Leben ist zu wertvoll, um es mir von Anderen bestimmen zu lassen, oder von Anderem…. und damit meine ich: dem Alkohol.


    Ich bin Herr meiner Gedanken …und meines Handelns.
    Das ist keine theoretische Wahrheit. Schau mal genauer hin.

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

  • Hallo Iphigenie,

    Ich bin Herr meiner Gedanken …und meines Handelns.
    Das ist keine theoretische Wahrheit

    Ich kann dass sehr gut nachvollziehen….. Gerade (ganz) am Anfang (ich stehe ja immer noch am Anfang) war es für mich (auf emotionaler Ebene) schwer vorstellbar. Was der Kopf dazu sagt, ist ja was anderes. Bei mir kommen und gehen die Gedanken wie sie wollen, genauso die Gefühle, und die Frage für mich ist, wie ich damit umgehe: bekommen sie viel Raum eingeräumt, oder werden sie wieder weggeschickt… und wer ständig weggeschickt wird kommt irgendwann nicht wieder 😂

    Ich habe, seit ich mich hier angemeldet habe, nie daran gezweifelt, dass ich das schaffen werde,

    Ich war eine ganze Weile fast in Panik, dass ich es nicht schaffen könnte. Erst mit der Zeit hat sich ein Gefühl der Sicherheit eingestellt, nachdem ich erfahren hatte, dass bestimmte Strategien, wie alkfreier Haushalt, Notfallkoffer, brav zuhause bleiben usw bei mir wirken.

    Liebe Grüße

    Evelin

  • Hallo Iphigenie,


    ja, strukturelle Veränderungen waren für mich ein elementarer Baustein auf dem Weg zu zufriedener Abstinenz. Das passiert natürlich nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozeß. Und die ersten Schritte hast Du ja schon gemacht (z.B. indem Du Dich hier angemeldet hast). Kennst Du unsere Grundbausteine schon?

    Das Forenteam
    17. Mai 2021 um 16:40


    Viele Grüße Sue

    You will bloom if you take the time to water yourself 🌷

  • ich bin Herr meiner Gedanken …und meines Handelns.
    Das ist keine theoretische Wahrheit. Schau mal genauer hin.

    Wie gesagt, ich kann diesem Grundsatz derzeit nur theoretisch zustimmen. Auch, wenn es absurd ist, diese Grundbedingung, Maxime von mir zu weisen.

    Da ich immer wieder Phasen der Unsicherheit und Desorientierung habe. Ähnlich, wie es Evelin beschreibt. Geräusche in der Umgebung (Glas wackelt auf dem Tisch, Tür knarzt etc. etc.) prasseln ungefiltert auf mich ein, mein Mann bewegt sich, alles erschreckt mich, fordert mich heraus. Dieser von Angst und Hilflosigkeit durchdrungenen Wahrnehmung zu begegnen bzw. dem vorzubeugen, so dass sie mich nicht in die Selbstaufgabe führt, das ist für mich der erste Schritt und der besteht eben in der strukturellen Veränderung im Kopf und im Außen. Der Rahmen ist gesetzt.

    Danke sue05 für den Hinweis auf die Grundbausteine.

  • Tag 32

    Hallo Allerseits,

    ich nehme mir jetzt bewusst heraus, mich Euch gegenüber über meine momentane Befindlchkeit auszubreiten. Da ich einfach das Gefühl habe, es hilft mir mehr, das hier in der SHG auszudrücken, als einfach so für mich.

    Ich habe jetzt morgen und übermorgen zwei Arzttermine, dann einen Termin bei einem freien Therapeuten und ein Erstgespräch bei einer ambulanten Suchtberatungstelle.

    Das macht mich ganz schön nervös und unruhig. Als ich die Termine in den letzten zwei Wochen mühsam ergattert hatte, waren meine Erkenntnis und mein Leidensdruck sowie Eure Hinweise und Verdeutlichungen zielführend. Gleichzeitig hatte ich mich in den letzten Wochen (freiberuflich) Schritt für Schritt wieder in Richtung Wiederaufnahme angestoßener Projekte herangewagt. Hinzu kommen noch weitere Privatprojekte und Hobbies. All dies hatte ich mit der Entscheidung zur Abstinenz auf das Notwendigste herunter gefahren. Ich bin jetzt einfach total überfordert und es fällt mir schwer, Prioritäten zu setzen und im Hier und Jetzt zu bleiben.

    Die ganze bewusste Auseinandersetzung mit der Alkoholsucht und mit darunter liegenden Ängsten, Depressionen, die ich letzte Woche für mich als oberste Priorität im Kopf gesetzt habe, weicht jetzt einer Verunsicherung und einem Wegschieben nach dem Motto: besser kein "Fass aufmachen" (Sorry das Sprachbild), das mich davon abhält, mich beruflich und sozial schnellst möglich wieder auf Spur zu bringen.

    Ich habe Angst, dass ich gegenüber den Ärzten, Therapeuten etc. meine Problematik wieder herunterspiele und dann entsprechend auch keine Hilfe bekomme, da ich nicht ehrlich kommuniziere. Es ist ähnlich wie mit der Prüfungsangst, Angst davor, im entscheidenden Moment befällt mich ein Schwindel, also stelle ich mich innerlich schon gar nicht der Prüfung, sondern stehe sie irgendwie durch.

    Das klingt vielleicht erstmal nicht wie ein Alkoholsuchtproblem, aber ich habe die Ahnung, das genau solche inneren Vermeidungsgedanken (Mutlosigkeit, Scham) mich dann langfristig, peu à peu auch wieder zum Trinken verleiten könnten.

    Vielleicht hat der/die Eine oder Andere von Euch ähnliche Erfahrungen gemacht?

    Danke für die Möglichkeit, mich hier zu reflektieren.

    Herzliche Grüße

    Iphigenie

  • Ich habe Angst, dass ich gegenüber den Ärzten, Therapeuten etc. meine Problematik wieder herunterspiele und dann entsprechend auch keine Hilfe bekomme, da ich nicht ehrlich kommuniziere.

    Das kann ich so gut verstehen.

    Ich kann dir aber auch versichern, dass ich erst Hilfe beim Arzt bekommen habe und mir erst richtige Narkose vor einer Op. verpasst werden konnte, und ich überhaupt erst den Mut hatte, mich so richtig mit mir und meiner Sucht auseinander zu setzen, weil ich offen und ehrlich über meine Sucht beim Arzt gesprochen habe.
    Das war so ziemlich das Schwerste, was ich bisher gemacht habe, von dem hässlichen Schamgefühl müssen wir gar nicht reden….und es war gleichzeitig das Befreiendste, was mir widerfahren ist.

    Trau dich, mutig zu sein.
    Trau dich, ehrlich zu sein.
    Denn das ist deine Chance, du kannst sie für dich nutzen….oder verstreichen lassen.
    Ich habe sie genutzt und es war das Beste, was ich für mich tun konnte.

    Viele Grüße

    Stern

    ⭐️

    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

  • Hallo Iphigenie, auch hilfreich: Vorher schon überlegen, was man am besten wie formuliert, und ruhig aufschreiben und den Zettel mitnehmen. Das ist wegen der allgemeinen Zeitnot sowieso für jeden Arztbesuch empfehlenswert.

    Die Scham kenne ich auch. Aber wir gehen es ja jetzt an, und dafür brauchen wir uns wirklich nicht zu schämen, im Gegenteil, Kopf hoch! ... . .

  • Hallo Iphigenie,

    genau für diese Gedenken ist die Selbsthilfegruppe da - und es gehört sehr wohl zur "Alkohlsucht-Problematik".

    Bei den Ärzten solltest du einfach ehrlich sein. Du bist Alkoholkrank und für Hilfe bei Krankheiten sind Ärzte doch da, oder? Ich habe bisher eher Lob erhalten, dass ich mich der Sucht stellen konnte.

    Was die Arbeit, Hobbys, Privatprojekte angeht: Nimm dir Zeit. Mach das was unbegdingt notwendig ist oder dir hilft. Alles andere lass erstmal weg. Du hast jahrelang Zeit in die Sucht investiert und dein "Körper und Geist" brauchen etwas Geduld. Es ist genauso legetim, nichts zu machen und den Druck herauszunehmen. Du kannst nun mit klarem Kopf entscheien, was Priorität hat.

    Viele Grüße
    Seeblick

  • Hallo Allerseits,

    ich wollte mich mal wieder zurückmelden und von meinen Besuchen bei Ärzten und bei einem Suchtberater berichten. Das ist jetzt zwei Wochen her.

    Ich hatte jeweils folgende Symptome beschrieben, die ich seit der Abstinenz (mittlerweile 6 Wochen) habe.
    Üblicherweise ca. eine halbe Stunde nach dem Aufstehen Nervosität, Unsicherheit, diffuse Ängste und dann länger anhaltend bis zum Nachmittag Nebel im Kopf.

    Der Hausarzt hat mir Vitamin B Komplett (Loges) verschrieben. Mittlerweile habe ich das Ergebnis des Blutbildes, welches einen erhöhten MCH (HBE) anzeigt, was auf einen Mangel an Vitamin B12 schließen lässt und Folge von Alkoholmißbrauch sein kann (so das Internet). Bisher konnte ich keine Veränderung durch die Einnahme feststellen, aber gut, das dauert wohl ein paar Wochen. Der Hausarzt ist eigentlich kaum auf meine Alkoholabstinenz eingegangen, sonder meinte allgemein, dass die Schulmedizin hier keine Antworten hätte.

    Danach war ich bei einem mir empfohlenen Internisten, der hat mich körperlich durchgecheckt, vor allem was meine Nerven-Reaktionen betrifft und länger mit mir gesprochen. In seiner Praxis hätte er bisher keinen Patienten erlebt, der ohne stationären Aufenthalt in einer Suchtklink vom Alkohol weggekommen sei. Sein Tip war ein sehr klar strukturierter Tagesablauf, ganz feste Routinen.

    Ich muss sagen, das mit den Routinen, insbes. morgens: jeden morgen um halb 7 aufstehen und dann ca. 1 Stunde spazieren gehen, wirklich eine Hilfe sind. An manchen Tagen habe ich damit meine Angst regelrecht konfrontieren können und innerhalb von einer Stunde berufliche und private Telefonate geführt, die ich lange aufgeschoben hatte.

    Dann war ich bei einem Suchtberater:
    In dem einstündigen Gespräch hat er mich erstmal allgemein zu meinem Befinden, zu meinen Lebensumständen etc. befragt und vorangestellt, dass wir gemeinsam in ca. 8 wöchentlichen Gesprächen herausfinden könnten, wie eine ambulante Suchttherapie aussehen könnte. Erst beim zweiten Gespräch kamen wir dann konkret auch auf mein Alkoholproblem zu sprechen.
    Der Berater geht wirklich sehr behutsam vor und ist mir eine riesige Hilfe.
    Er hat einfach die Erfahrung auch mit diesen diffusen Begleiterscheinungen in den ersten Wochen der Abstinenz, die bei jedem anders sein können. Es ist ein Glück und ich möchte mich sehr für die Empfehlungen diesbezüglich, die ich im Forum erhalten habe, bedanken.
    Auch wenn sich meine Begleiterscheinungen nicht in Luft aufgelöst haben, bin ich auf dem Weg, einfach zu akzeptieren, dass sie da sind und ich mit Wachsamkeit und Neugier, Schrittchen für Schrittchen weiter kommen werde.

    Ich wäre jetzt heute Abend eingeladen gewesen, an einem Ort und mit Menschen, an dem und mit denen ich alkoholisiert schon Einiges erlebt bzw. fabriziert habe.
    Da konnte ich jetzt absagen, nachdem ich heute eine Probestunde im Stockkampf habe. Diese Sportart habe ich in einer Therapie kennen gelernt u. hatte damals schon das Gefühl, dass man dabei etwas über eigene unbewusste Abwehr- und Vermeidungsmechanismen lernt.

    Es ist mir nicht wichtig zu wissen, warum ich Alkohol getrunken habe; aus meinem täglichen Erleben der Abstinenz entpuppt sich der Umgang mit Angst bzw. Lebensangst als ein wesentlicher Faktor in meinem Leben, dem ich jetzt ohne Fatalismus und Widerstand, also ohne das tägliche Fallbeil Alkohol begegne.

    Sich hier so detailliert reflektieren zu können ist so wichtig. Ich bin dankbar für diese Möglichkeit.

    Iphigenie.

  • Wow.
    Ich bin beeindruckt, welches Tempo du vorlegst und was du schon alles für dich geschafft hast.
    Super, dass du so viel für dich machst und so viel Hilfe in Anspruch nimmst. 👍

    Herzlichen Glückwunsch zu 6 nüchternen Wochen, Willkommen im Leben. 💐

    Viele Grüße

    Stern

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    Wenn du heute aufgibst, wirst du nie wissen, ob du es morgen geschafft hättest.

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